Leitsatz (amtlich)
Dem EuGH werden nach Art. 177 EWGV folgende Fragen vorgelegt:
- Hat der Einführer von Obstbranntwein oder gleichartigem Branntwein aus anderen Mitgliedstaaten nach Art. 95 Abs. 1 EWGV einen uneingeschränkten Rechtsanspruch darauf, daß er in den Genuß einer inländischen Branntweinsteuervergünstigung gelangt, die davon abhängt, daß der Branntwein in einer Brennerei hergestellt worden ist, die von mehreren Personen zur Verwertung der von ihnen selbst landwirtschaftlich gewonnenen Rohstoffe gemeinschaftlich betrieben wird und die aus den Rohstoffen eines Mitglieds jährlich nicht mehr als 300 l Weingeist herstellt? Oder hängt die Inanspruchnahme dieser Vergünstigung davon ab, daß der eingeführte Branntwein aus einer Brennerei stammt, die die Voraussetzungen der genannten Vergünstigungsvorschrift ganz oder teilweise erfüllt? Falls eine teilweise Erfüllung genügt: Die Erfüllung welcher der genannten Voraussetzungen kann zur Bedingung für die Erstreckung der Vergünstigung auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten gleichartigen Branntwein gemacht werden, ohne daß gegen Art. 95 Abs. 1 EWGV verstoßen wird? Kann die Erstreckung der Vergünstigung wenigstens davon abhängig gemacht werden, daß die Brennerei, aus der der eingeführte Branntwein stammt, keinen höheren Ausstoß hat als die inländische Gemeinschaftsbrennerei mit der im Vergleichszeitraum höchsten Produktion?
- Falls aus anderen Mitgliedstaaten eingeführter leichter Rum gleichartig ist sowohl dem inländischen Obstbranntwein als auch inländischem Rumverschnitt oder inländischem Kornbranntwein und falls das nationale Recht in legitimer Differenzierung unterschiedliche Abgabenbelastungen für die drei Produktarten vorsieht: Zwingt Art. 95 EWGV dazu, auf den eingeführten Rum die günstigste der drei in Frage kommenden Branntweinsteuerbelastungen anzuwenden? Oder kommt es dabei darauf an, mit welcher der drei Produktarten der eingeführte Rum die meisten Merkmale gemeinsam hat? Scheidet ein Vergleich mit der Belastung von Rumverschnitt etwa deswegen aus, weil dieser unter Verwendung einer eingeführten Ware (Rum) hergestellt worden ist?
Normenkette
EWGVtr Art. 95; BranntwMonG § 79 Abs. 2 a. F
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) besitzt ein Branntweinlager. Im September 1974 entnahm sie aus diesem Lager u. a. leichten Rum aus den französischen überseeischen Departements und Surinam. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) erhob dafür den regelmäßigen Monopolausgleich von damals 1 500 DM für einen Hektoliter Weingeist (1 500 DM/hl W). Die Klägerin wandte sich gegen diesen Steuerbescheid mit der Begründung, nach Art. 95 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag – EWGV –) dürfe der Monopolausgleich nicht höher sein als die niedrigste Steuerbelastung für inländischen Obstbranntwein, die damals 1 210,60 DM/hl W betragen habe.
Auf Ersuchen des Finanzgerichts (FG) entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 10. Oktober 1978 Rs. 148/77 (EuGHE 1978, 1787): Das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EWGV gilt auch für Waren aus den französischen überseeischen Departements. Nationale Steuervergünstigungen müssen, auch wenn nur ein geringer Teil der nationalen Erzeugung in ihren Genuß gelangt oder sie aus besonderen sozialen Gründen gewährt werden, auf eingeführten Branntwein aus der Gemeinschaft erstreckt werden, der unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 95 Abs. 1 und 2 EWGV die gleichen Voraussetzungen erfüllt.
Das FG Hamburg entschied mit Urteil vom 23. Mai 1979 V 30/76 S-H (IV) – EFG 1979, 456 u. 479 – daß der aus den französischen Departements und aus Surinam eingeführte leichte Rum mit einem Steuersatz von 1 210,60 DM/hl W zu besteuern sei. Zur Begründung führte es aus:
Für die Einfuhren aus den französischen überseeischen Departements gelte nach der Vorabentscheidung das EuGH Art. 95 EWGV. Für die Waren aus Surinam gelte der Beschluß 70/549/EWG (Beschluß 70/549) des Rates vom 29. September 1970 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der EWG (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften – ABlEG – Nr. L 282/83 vom 28. Dezember 1970; vgl. auch EuGH-Urteil vom 13. März 1979 Rs. 91/78, EuGHE 1979, 935). Unter Zugrundelegung beider Vorschriften dürften Branntweinerzeugnisse aus Guadeloupe, Martinique und Réunion und aus Surinam mit keinen höheren Branntweinabgaben belastet werden, als sie gleichartige inländische Erzeugnisse zu tragen hätten. Der leichte Rum sei inländischem Obstbranntwein gleichartig. Der niedrigste Steuersatz für solchen Obstbranntwein habe im fraglichen Zeitraum unter Anwendung des § 79 Abs. 2 Nr. 1 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) 1 210,60 DM/hl W betragen.
Mit seiner Revision macht das HZA u. a. folgendes geltend:
Nach Art. 95 Abs. 1 EWGV sei es nicht geboten, den begünstigenden Steuersatz des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG auf die Einfuhren anzuwenden. Bei dieser Steuervergünstigung handle es sich um solche für inländische Erzeugergruppen. Nach der Vorabentscheidung in EuGHE 1978, 1787 müsse diese Vergünstigung ohne Diskriminierung auf die eingeführten Branntweine erstreckt werden können. Dabei seien jedoch nur diejenigen Merkmale relevant, die die Steuervergünstigung materiell begründeten. Hier komme nur das Element der Kleinerzeugung als relevantes Merkmal in Betracht. Im übrigen komme im vorliegenden Fall nur ein Vergleich mit inländischem Rumverschnitt in Frage. Dieser sei aber höher als der genannte Obstbranntwein belastet. Ein Vergleich zwischen eingeführtem Rum und inländischem Obstbranntwein sei dann nicht mehr zulässig.
Entscheidungsgründe
II.
Zu Frage 1:
Dem EuGH ist das System des deutschen Branntweinmonopols aus zahlreichen Vorabentscheidungsersuchen bekannt (vgl. neben der Vorabentscheidung für den vorliegenden Fall in EuGHE 1978, 1787 insbesondere die Urteile vom 30. Oktober 1980 Rs. 26/80, EuGHE 1980, 3469; vom 7. Mai 1981 Rs. 153/80, und vom 25. November 1981 Rs. 4/81, die beiden letzten Urteile in der Sammlung noch nicht veröffentlicht). Danach ist im Inland erzeugter Obstbranntwein an das Monopol nicht abzuliefern (§§ 76 Abs. 1 Nr. 1, 27 BranntwMonG) und unterliegt dem Branntweinaufschlag. Dessen regelmäßiger Satz entspricht dem Satz des Monopolausgleichs, dem eingeführte Waren unterliegen (das Problem der Monopolausgleichspitze bzw. der Branntweinaufschlagspitze spielt im vorliegenden Verfahren keine Rolle). Der Branntweinaufschlag vermindert sich jedoch nach § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG in der vor 1978 geltenden Fassung um bestimmte Beträge u. a. für Branntwein, der in einer Obstgemeinschaftsbrennerei als innerhalb des Brennrechts hergestellt gilt. Obstgemeinschaftsbrennereien sind nach § 37 BranntwMonG Verschlußbrennereien, die von einer Genossenschaft betrieben werden und in denen Branntwein ausschließlich aus Obststoffen hergestellt wird, die die Mitglieder selbst gewonnen haben. Der Branntwein gilt als innerhalb des Brennrechts hergestellt, wenn aus den Obststoffen eines Mitglieds in einem Betriebsjahr nicht mehr als 300 l W erzeugt werden.
Die Steuervergünstigung des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. ist nach ihrem Wortlaut nur auf im Inland gewonnenen Obstbranntwein anzuwenden. Sie hängt z. T. von der Erfüllung von technischen Modalitäten ab, die dem deutschen Branntweinsteuerrecht eigen sind (Herstellung innerhalb des Brennrechts, zollamtlicher Verschluß) und die von Erzeugern in anderen Mitgliedstaaten, deren Recht kein Äquivalent zu diesen Vorschriften enthält, nicht erfüllt werden können (vgl. EuGHE 1980, 3469). In dieser Form ist diese Bestimmung also mit Art. 95 EWGV nicht vereinbar, wie sich aus der bisherigen Rechtsprechung des EuGH deutlich ergibt.
Art. 95 EWGV verbietet jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH den Mitgliedstaaten nicht, bestimmten Arten von Branntwein oder bestimmten Gruppen von Erzeugern aus berechtigten wirtschaftlichen oder sozialen Gründen steuerliche Vergünstigungen in der Form einer Steuerermäßigung einzuräumen. Die Mitgliedstaaten können das Steuersystem einführen, das ihnen am besten geeignet erscheint (EuGH-Urteil vom 22. Juni 1976 Rs. 127/75, EuGHE 1976, 1079, 1085). Solche Vergünstigungen müssen sich aber ohne Diskriminierung auch auf Branntwein aus anderen Mitgliedstaaten erstrecken, der unter Berücksichtigung der Kriterien des Art. 95 EWGV „die gleichen Voraussetzungen” erfüllt (EuGHE 1978, 1787). Dabei können nur solche Voraussetzungen auch auf die eingeführten Erzeugnisse angewendet werden, die in ihrer Gesamtheit ein wirkliches Äquivalent zu der für die inländischen Produkte geltenden Regelung darstellen, und zwar so, daß die eingeführten Waren tatsächlich in den Genuß der gleichen Vorteile kommen können (EuGHE 1980, 3469). Wesentlich ist dabei der Grundgedanke des Art. 95 Abs. 1 EWGV. Diese Bestimmung soll nach dem Urteil des EuGH vom 8. Januar 1980 Rs. 21/79 (EuGHE 1980, 1) verhindern, daß durch die Erhebung von inländischen Steuern, die die eingeführten Erzeugnisse gegenüber den inländischen Erzeugnissen in diskriminierender Weise belasten, die Vorschriften des Vertrages über die Abschaffung der Zölle und Abgaben gleicher Wirkung umgangen oder unwirksam gemacht werden.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Erstreckung der Steuervergünstigung des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. macht deswegen Schwierigkeiten, weil unterschiedliche Auffassungen über die Rechtsfrage bestehen, welche konkreten Anforderungen an die „Erstreckbarkeit” zu stellen sind. Das FG ist mit der Klägerin der Meinung, keine der Voraussetzungen des § 79 Abs. 2 Satz 1 BranntwMonG a. F. sei erstreckbar, weswegen aus Mitgliedstaaten eingeführte Branntweine in den Genuß dieser Steuervergünstigung schon dann gelangen müßten, wenn sie Obstbranntweinen gleichartig seien, gleichgültig, aus welchen Betrieben sie stammten. Das HZA meint dagegen, der eingeführte Rum müsse aus Brennereien stammen, die wenigstens die relevanten Merkmale erfüllten, die der Steuervergünstigung des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. zugrunde liegen.
Die bisherige Rechtsprechung des EuGH gibt keine zweifelsfreie Antwort auf diese Frage. Eine solche ist auch nicht aus dem Urteil Rs. 153/80 zu entnehmen, das über die gleiche Frage zu entscheiden hatte. Dort hat der EuGH zwar ausgeführt, es komme entscheidend darauf an, daß die eingeführten Erzeugnissetatsächlich in den Genuß derselben Vorteile kommen könnten wie die vergleichbaren inländischen Erzeugnisse, auch wenn sie nichtdieselben technischen oder rechtlichen Voraussetzungen erfüllten; es dürften für die eingeführten Erzeugnisse, wenn sie dem quantitativen Kriterium nach nationalem Recht entsprächen, keine weiteren Voraussetzungen im Hinblick auf die Produktionsbedingungen aufgestellt werden, dieaufgrund natürlicher oder rechtlicher Gegebenheiten von einem Erzeugnis aus einem anderen Mitgliedstaat nicht erfüllt werden könnten. Diese Ausführungen enthalten aber eine Reihe von Begriffen, deren Inhalt dem Rechtsanwender nicht ohne weiteres einsichtig ist und die auch in der Tat sowohl von der Klägerin als auch vom HZA völlig unterschiedlich interpretiert werden. Der vorlegende Senat sieht sich daher zu einer erneuten Vorlage veranlaßt, zumal die Vorlagefrage nicht nur für das vorliegende, sondern auch für zahlreiche weitere Verfahren von Bedeutung ist. Um dem EuGH eine deutliche, die Rechtsunsicherheit auf diesem Gebiet beseitigende Entscheidung zu ermöglichen, hat sich der Senat um eine möglichst konkrete Fragestellung bemüht. Er würde es begrüßen, wenn der EuGH diese Fragestellung zur Grundlage seiner Entscheidung machen würde.
Die bis 1978 geltende Steuervergünstigung für Obstgemeinschaftsbrennereien diente dem Schutz der kleinbäuerlichen Obstverwertung, wie sie in Deutschland traditionell betrieben wird. Den Kleinbauern sollte eine wirksame Hilfe dadurch gewährt werden, daß ihnen die Möglichkeit eingeräumt wird, sich durch Bildung von Genossenschaften zusammenzuschließen und dadurch rationeller Branntwein zu gewinnen, ohne ihre traditionellen Steuervergünstigungen zu verlieren (vgl. die Begründung des entsprechenden Gesetzesentwurfs durch die Bundesregierung in der Bundestags-Drucksache IV/2204 S. 6 und 7). Die steuerliche Differenzierung erfolgte also aus wirtschaftlichen und sozialen Gründen, insbesondere zum Zweck der Erhaltung der kleinbäuerlichen Obstverwertung. Der vorlegende Senat hält diese Differenzierung für legitim i. S. der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH.
Entkleidet man diese Steuervergünstigung ihrer monopolspezifischen Voraussetzungen, die auf in anderen Mitgliedstaaten erzeugte Waren wegen der dortigen Gegebenheiten nicht erstreckt werden können, so ergibt sich eine Regelung, die eine Steuerermäßigung vorsieht für Obstbranntwein, der von einer Brennerei hergestellt worden ist, die von mehreren Personen zur Verwertung der von ihnen selbst landwirtschaftlich gewonnenen Rohstoffe gemeinschaftlich betrieben wird und die aus den Rohstoffeneines Mitglieds jährlich nicht mehr als 300 l W herstellt. Die entscheidende Frage ist, ob die Übertragungdieser Regelung auf aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten gleichartigen Branntwein ein Äquivalent zu der für die inländischen Erzeugnisse geltenden Regelung darstellt (vgl. EuGHE 1980, 3469), ob also dem Diskriminierungsverbot des Art. 95 Abs. 1 EWGV Genüge getan ist, wenn auch eingeführte gleichartige Branntweine in den Genuß dieser Vergünstigung nur gelangen können, wenn sie aus Brennereien stammen, die im großen und ganzen die genannten Voraussetzungen erfüllen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dem Urteil Rs. 153/80 sei zu entnehmen, daß die Gewährung der Steuervergünstigungen des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. auf aus Mitgliedstaaten eingeführten leichten Rum von anderen als quantitativen Kriterien nicht abhängig gemacht werden könne. Dagegen könnte eingewendet werden, die genannte Regelung enthalte gerade quantitative Kriterien. Überdies ist fraglich, ob der Einwand der Klägerin zutrifft. Absatz 1 des Tenors der Entscheidung Rs. 153/80 läßt diesen Schluß nicht zu; Absatz 2 des Tenors behandelt den Fall der mengenmäßigen Kriterien offenbar als (wichtigen) Sonderfall. Überdies ergibt sich aus dem Urteil in EuGHE 1980, 1 und den EuGH-Urteilen vom 14. Januar 1981 Rs. 140/79 und Rs. 46/80 (EuGHE 1981, 1, 77), daß eine differenzierende Besteuerung nach Maßgabe anderer als mengenmäßiger Kriterien legitim sein kann, die Gewährung von Steuervergünstigungen für aus Mitgliedstaaten eingeführten gleichartigen Branntwein also auch von der Erfüllung solcher anderen Kriterien abhängig gemacht werden kann.
Es stellt sich die Frage, inwieweit die genannten Kriterien in der Weise auf eingeführten Branntwein so erstreckbar sind, daß dieser tatsächlich in den Genuß der Vergünstigung gelangen kann (Rs. 153/80). Insbesondere ist die Beantwortung der Frage wichtig, ob die Erstreckbarkeit etwa schon deswegen ausscheidet, weil die kleinbäuerliche Struktur der Branntweinerzeugung, die es in der Bundesrepublik Deutschland seit langem gibt, in anderen Mitgliedstaaten möglicherweise tatsächlich fehlt. Mit der Vorlagefrage ist der EuGH gebeten worden, die Frage – die eine Rechtsfrage ist – konkret zu beantworten. Falls der EuGH zum Ergebnis gelangen sollte, daß einzelnen der genannten Kriterien die „Erstreckbarkeit” ermangelt, wird er gebeten zu entscheiden, welche Kriterien das sind und ob andere, in der Vorlagefrage genannte Kriterien an ihre Stelle zu setzen sind.
Der EuGH wird gebeten, dabei die folgende Frage in seine Erwägungen miteinzubeziehen. Falls die Auffassung richtig ist, daß jeder aus Mitgliedstaaten eingeführte, den Obstbranntweinen gleichartige Branntwein uneingeschränkt in den Genuß der Vergünstigung des § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. gelangt, ergibt sich, daß Großerzeuger, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, in den Genuß einer für Kleinerzeuger gedachten Steuervergünstigung gelangen. Dann wären nicht nur innerstaatliche Großerzeuger schlechtergestellt, sondern der innerstaatliche Gesetzgeber wäre auch zur Vermeidung dieser umgekehrten Diskriminierung gezwungen, auf eine steuerliche Differenzierung zu verzichten, zu der er grundsätzlich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH rechtlich befugt wäre. Es stellt sich die Frage, ob diese Konsequenz mit dem Sinn und Zweck des Art. 95 EWGV vereinbar wäre. Diese Frage stellt sich um so eher, als es schwierig ist einzusehen, warum der Umstand, daß eine Steuervergünstigung inländischen (und mitgliedstaatlichen) Kleinerzeugern vorbehalten bleiben soll, eine Diskriminierung mitgliedstaatlicher Großerzeuger darstellen soll.
Zu Frage 2:
Das FG hat festgestellt, der eingeführte Rum sei dem inländischen Obstbranntwein gleichartig. Es hat weiter festgestellt, es liege auch Gleichartigkeit mit Kornbranntwein vor; daraus hat es aber keine Schlüsse gezogen, wohl deswegen, weil die Steuerbelastung von Kornbranntwein der normalen Monopolausgleichsbelastung entspricht.
Die Frage, ob der eingeführte Rum auch im Inland hergestelltem Rumverschnitt gleichartig ist, hat das FG nicht geprüft. Es fehlen entsprechende tatsächliche Feststellungen. Dieser Rumverschnitt besteht teilweise aus eingeführtem Rum und teilweise aus von der Monopolverwaltung bezogenem Branntwein. Die Belastung des Anteils an Monopolbranntwein entspricht der normalen Monopolausgleichsbelastung, während die Belastung des eingeführten Rums je nach der Antwort des EuGH auf die Frage 1 im Hinblick auf § 79 Abs. 2 Nr. 1 BranntwMonG a. F. gleichhoch oder geringer ist. Es bestehen also für Obstbranntwein, Kornbranntwein und Rumverschnitt differenzierende innerstaatliche Steuerregelungen, denen wirtschaftliche und soziale Gründe zugrunde liegen. Unter der Voraussetzung, daß diese Differenzierung nach der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt ist – woran der vorlegende Senat keinen Zweifel hat –, ergibt sich die Frage nach dem Zusammenspiel zwischen den Voraussetzungen der Gleichartigkeit nach Art. 95 EWGV mit den Voraussetzungen gerechtfertigter Steuerdifferenzierung. Der Senat stellt deswegen die zweite Frage, die Ähnlichkeit aufweist mit der Frage 2 b seines Vorabentscheidungsersuchens vom 24. März 1981 VII R 59/78, über das der EuGH noch nicht entschieden hat (Rs. 104/81).
Der EuGH hat im Verfahren in EuGHE 1978, 1787 und noch deutlicher in der Rs. 153/80 entschieden, daß die Erstreckung inländischer Steuervergünstigungen auf aus Mitgliedstaaten eingeführte Produkte nicht nur von der Gleichartigkeit der Waren abhängt, sondern auch von der Erfüllung der besonderen Voraussetzungen dieser Vergünstigungen. Da nach der Rechtsprechung des EuGH der Begriff der Gleichartigkeit nicht eng auszulegen ist, sind die eingeführten Waren in vielen Fällen mit mehreren Warenarten inländischer Herkunft gleichartig, die in gerechtfertigter Weise steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Die dem Diskriminierungsverbot nicht widersprechende richtige Steuerbelastung der eingeführten Ware kann also nur festgestellt werden, wenn Kriterien festgelegt werden, nach denen entschieden werden kann, mit welcher der in Frage kommenden verschiedenen Steuerbelastungen der gleichartigen inländischen Waren verglichen werden muß.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH kann wohl nicht ohne weiteres auf die niedrigste Steuerbelastung abgestellt werden, der eine der gleichartigen inländischen Waren unterliegt. So sind z. B. nach den EuGH-Urteilen in EuGHE 1981, 1 und 1981, 77 synthetisch hergestellter und durch Gärung gewonnener Alkohol (und nach dem EuGH-Urteil in EuGHE 1980, 1 ein Mineralölprodukt aus aufbereitetem Öl und ein solches aus der ersten Raffination) nicht nur gleichartig, sondern gleich. Dennoch hat der EuGH im Ergebnis entschieden, daß bei der Einfuhr von solchen Produkten aus den Mitgliedstaaten nach Italien nicht automatisch der Steuersatz der am niedrigsten besteuerten inländischen vergleichbaren Ware nach Art. 95 EWGV angewendet werden muß (also in den genannten Beispielen der Steuersatz für landwirtschaftlichen Alkohol bzw. für aufbereitete Mineralölprodukte), sondern der Steuersatz, der für die Ware gilt, der die eingeführte Ware nach Art und Weise ihrer Herstellung am meisten entspricht. Eingeführter Alkohol bzw. eingeführte Mineralölprodukte können also in den Genuß der italienischen Steuervergünstigung für Gärungsalkohol bzw. für Mineralölprodukte aus aufbereitetem öl nur gelangen, wenn sie selbst in der gleichen Weise wie die begünstigten Produkte hergestellt worden sind.
Der vorlegende Senat ist der Auffassung, daß sich daraus zwangsläufig die Notwendigkeit ergibt, in denen mehrere inländische Waren zum Vergleich herangezogen werden können, den nach Art. 95 EWGV vorzunehmenden Belastungsvergleich unter Zugrundelegung der Belastung jener inländischen Ware vorzunehmen, die mit der eingeführten Ware die meisten Merkmale gemeinsam hat, ihr also ähnlicher ist als den anderen in Frage kommenden Waren. Die Entscheidung des EuGH Rs. 4/81 weist in die gleiche Richtung (Absatz 14 der Gründe). Andernfalls gelangt man zu nicht tragbaren Ergebnissen. Denn wenn die Steuerbelastung der weniger ähnlichen, aber immer noch gleichartigen Ware für den Fall zugrunde zu legen ist, daß diese günstiger ist, ergibt sich für den nationalen Gesetzgeber die praktische Unmöglichkeit, irgendwelche steuerliche Differenzierungen vorzunehmen, weil diese zwar für inländische Produkte gelten, ausländischen Produkten aber sofort der Sprung in die günstigere Besteuerung möglich wäre. Der deutsche Gesetzgeber könnte also z. B. zwar inländisches Bier je nach Stammwürzegehalt unterschiedlich besteuern (unterschiedliche Steuersätze für Einfachbier, Schankbier, Vollbier und Starkbier); aus anderen Mitgliedstaaten eingeführtes Starkbier käme aber stets in den Genuß der günstigsten, für inländisches Einfachbier vorgesehenen Steuerbelastung, da es ja auch diesem gleichartig, wenn auch weniger ähnlich ist als inländischem Starkbier.
Falls der EuGH in diesem Sinne entscheiden sollte, ergibt sich die rein tatsächliche Frage, mit welchen der in Frage kommenden Warenarten der eingeführte Rum mehr Merkmale gemeinsam hat. Als Vorfrage ist dabei aber zu entscheiden, ob nicht der Vergleich mit inländischem Rumverschnitt von vornherein aus rechtlichen Gründen auszuscheiden hat, weil dieser wenigstens teilweise aus einer eingeführten Ware besteht, die wiederum identisch ist mit der Ware, deren mit Art. 95 Abs. 1 EWGV vereinbare zutreffende Belastung gerade festgestellt werden soll.
Fundstellen
Haufe-Index 510561 |
BFHE 1981, 497 |