Leitsatz (amtlich)
Ist ungeklärt, weswegen ein fristwahrender Schrlftsatz nicht bei Gerlcht eingegangen ist, müssen der Tatsachenvortrag und die entsprechende Glaubhaftmachung eine Grundlage dafür bieten, daß nicht nur die fristgerechte Bearbeitung, sondern auch die rechtzeitige Versendung des Schriftsatzes als überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Die von den Klägern in einer Grunderwerbsteuersache erhobene Klage wurde durch das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 14. Oktober 1981 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Daraufhin haben die Kläger am 16. November 1981 (= Montag) Revision eingelegt und angekündigt, die Revision innerhalb eines Monats zu begründen. Mit einer am 18. Januar 1982 zugestellten Verfügung der Senatsgeschäftsstelle wurde der Prozeßbevollmächtigte darauf aufmerksam gemacht, daß die Revisionsbegründungsfrist am 16. Dezember 1981 abgelaufen sei. Zugleich wurde er auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen.
Hierauf hat der Prozeßbevollmächtigte mit einem am 20. Januar 1982 eingegangenen Schriftsatz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er hat unter Vorlage der Kopie eines entsprechenden Schreibens geltend gemacht, er habe am 10. Dezember 1981 die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beantragt. Erst durch die Verfügung der Senatsgeschäftsstelle habe er erfahren, daß sein Antrag nicht zu den Gerichtsakten gelangt sei. In dem in Kopie vorgelegten Schreiben vom 10. Dezember 1981 ist stillschweigende Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 31. Januar 1982 beantragt.
Mit einem am 3. Februar 1982 (= Mittwoch) beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz vom 29. Januar 1982 (einfacher Brief; Poststempel ... vom 29. Januar 1982, 19 Uhr) hat der Prozeßbevollmächtigte die Revision begründet. Außerdem hat er zur weiteren Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags vorgebracht, der Brief mit dem Fristverlängerungsantrag könne nur bei der Post verlorengegangen sein. Zum Zwecke der Fristwahrung führe er in seinem Büro für jedes Kalenderjahr einen Terminkalender, der als Fristenkontrollbuch diene. Wie die vorgelegte Kopie des betreffenden Kalenderblattes ersehen lasse, sei der Termin für die Beantragung der Fristverlängerung unter dem 10. Dezember 1981 vermerkt und auch abgehakt worden.
Das beklagte Finanzamt (FA) hat zum Wiedereinsetzungsantrag Stellung genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist wegen verspäteter Begründung unzulässig und wird verworfen (§§ 124 und 126 Abs. 1 FGO).
Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Aufgrund der Zustellung der Vorentscheidung am 14. Oktober 1981 lief die Frist für die Revisionsbegründung am Mittwoch, dem 16. Dezember 1981, ab. Ihre Verlängerung nach § 120 Abs. 1 Satz 2 FGO war nicht zulässig, da die Frist nur auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag verlängert werden kann. Der entsprechende Antrag im Schreiben vom 10. Dezember 1981 ist nicht vor Ablauf der Frist eingegangen. Die Revisionsbegründung ist ebenfalls nicht vor Fristablauf eingereicht worden, sondern erst am 3. Februar 1982. Damit ist die Revisionsbegründungsfrist nicht gewahrt.
Die Säumnisfolgen lassen sich nicht rückwirkend durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beseitigen, weil es an den diesbezüglichen Voraussetzungen fehlt (§ 56 Abs. 1 und 2 FGO). Wiedereinsetzung ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Wiedereinsetzung setzt in formeller Hinsicht voraus, daß innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll; glaubhaft gemacht werden können die geltend gemachten Tatsachen noch im Verfahren über den Antrag.
Ist ungeklärt, weswegen ein fristwahrender Schriftsatz nicht bei Gericht eingegangen ist, müssen der Tatsachenvortrag und die entsprechende Glaubhaftmachung eine Grundlage dafür bieten, nicht nur die fristgerechte Bearbeitung, sondern auch die rechtzeitige Versendung des Schriftsatzes als überwiegend wahrscheinlich anzusehen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 21. Februar 1983 VIII ZR 343/81, Versicherungsrecht -- VersR -- 1983, 401; vgl. auch BGH-Beschluß vom 14. Dezember 1982 VIII ZB 40/82, VersR 1983, 269).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Wiedereinsetzungsantrags durch die Kläger nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob hinreichend dargetan ist, daß der vorgesehene Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist beim Prozeßbevollmächtigten der Kläger rechtzeitig bearbeitet worden ist. Auch wenn dies angenommen wird, muß den Klägern eine Wiedereinsetzung versagt werden, weil nicht in zureichender Weise geltend, geschweige denn glaubhaft gemacht worden ist, daß vom Büro des Prozeßbevollmächtigten der Kläger der Antrag auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist rechtzeitig abgesandt worden ist.
Hierzu haben die Kläger nichts ausdrücklich vorgetragen. Ihr Prozeßbevollmächtigter hat zwar eine Ablichtung aus dem als Fristenkontrollbuch dienenden Kalender eingereicht. Die dortigen Eintragungen sind jedoch ohne zusätzliche Erläuterungen, die aber von den Klägern nicht gegeben worden sind, nicht geeignet, ein Verschulden der Kläger und ihres Prozeßbevollmächtigten auszuschließen. Insbesondere sagen die Eintragungen nichts darüber aus, welche Umstände die Annahme rechtfertigen könnten, daß das Schreiben vom 10. Dezember 1981 tatsächlich zur Post gelangt ist bzw. welche Vorkehrungen hierfür getroffen waren. Angesichts dessen kann der Senat nicht zu der Überzeugung gelangen, es sei überwiegend wahrscheinlich, daß das Schreiben mit dem Fristverlängerungsantrag tatsächlich zur Post gegeben worden sei oder daß die Absendung aufgrund eines bloßen Büroversehens, für das der Prozeßbevollmächtigte nicht einzustehen hätte, unterblieben ist und nicht etwa aufgrund eines vom Prozeßbevollmächtigten zu vertretenden Organisationsmangels in seinem Büro.
Fundstellen