Leitsatz (amtlich)
Eine "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146a Abs. 3 AO kann nur in solchen Maßnahmen erblickt werden, die eine Steuerbehörde auf Grund des § 162 Abs. 10 und 11 AO ergreift, um den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt mit dem Ziele aufzuklären, die Steuergesetze richtig anzuwenden und ggf. die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Steuerforderungen zu verfolgen.
Normenkette
AO § 146a Abs. 3
Tatbestand
Die Antragstellerin führte im Jahre 1967 Vollmilchpulver auf Saareinfuhrschein in das Saarland ein, ließ die Ware nach § 1 der Verordnung über die zollfreie Einfuhr von Kontingentswaren aus Frankreich in das Saarland vom 8. August 1963 (BGBl I 1963, 634) zur bleibenden Abschöpfungsgutverwendung Saar abfertigen und verkaufte es an eine Firma in der Schweiz. Der Verkauf wurde im Jahre 1968 von der "Betriebsprüfungsstelle Zoll/AwJÜ" der OFD im Rahmen einer Außenwirtschaftsprüfung und einer Ergänzungsprüfung zu dieser festgestellt. Durch Abschöpfungsbescheid vom 14. April 1971 forderte das HZA von der Antragstellerin Abschöpfung und Ausgleichsteuer mit folgender Begründung: Die Antragstellerin sei durch Übergabe der Ware an die schweizerische Firma gemäß § 2 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG), § 55 ZG und § 15 UStG 1951 Schuldnerin der auf der Ware ruhenden Abschöpfung und Ausgleichsteuer geworden. Für diese im Jahre 1967 entstehende Abgabenschuld sei wegen der ablaufhemmenden Wirkung der im Jahre 1968 durchgeführten "Betriebsprüfung" gemäß § 146a Abs. 3 AO eine Verjährung noch nicht eingetreten. Die Antragstellerin stellte beim FG vergeblich den Antrag, die Vollziehung dieses durch Klage angefochtenen Abgabenbescheides auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Ihre Beschwerde hat Erfolg.
Die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes soll nach § 69 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 FGO auf Antrag vom Gericht der Hauptsache ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen, wenn also bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen seine Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die zur Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder zur Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen führen (Beschluß des BFH III B 9/66 vom 10. Februar 1967, BFH 87, 447, BStBl III 1967, 182). Das ist hier der Fall.
Die Abschöpfung gehört zu den Steuern im Sinne des § 1 AO. Auf sie sind gemäß § 2 Abs. 1 AbG die Vorschriften über die Zölle unmittelbar anzuwenden (BFH-Urteil VII R 40/68 vom 13. Oktober 1970, BFH 100, 279). Für sie gilt daher gemäß § 144 Abs. 1 AO eine Verjährungsfrist von nur einem Jahr. Dieser kurzen Verjährungsfrist unterliegt als Verbrauchsteuer nach der gleichen Vorschrift auch die neben der Abschöpfung geltend gemachte Ausgleichsteuer. Die Verjährung der vom HZA durch den angefochtenen Abschöpfungsbescheid geltend gemachten Abgabenforderungen begann gemäß § 145 AO mit Ablauf des Kalenderjahres 1967, weil die für die Entstehung der Abgabenforderungen in Betracht kommenden Maßnahmen der Antragstellerin nur in dieses Jahr fielen. Die Abgabenforderungen sind mit Ablauf des Jahres 1968 durch Verjährung erloschen (§ 148 AO) und ihre Verfolgung durch den Abschöpfungsbescheid vom 14. April 1971 rechtswidrig, wenn die Verjährung nicht gehemmt oder unterbrochen worden ist. Unterbrechungsmaßnahmen im Sinne des § 147 AO sind weder geltend gemacht noch ersichtlich. Gegen die Auffassung des HZA, die Verjährung sei nach § 146a Abs. 3 AO durch eine "Betriebsprüfung" gehemmt worden, sprechen folgende gewichtige Gründe: Eine "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146a Abs. 3 AO kann nur in solchen Maßnahmen erblickt werden, die eine Steuerbehörde auf Grund des § 162 Abs. 10 und 11 AO ergreift, um den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt mit dem Ziele aufzuklären, die Steuergesetze richtig anzuwenden und ggf. die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Steuerforderungen zu verfolgen. Gerade die Verwendung des Begriffes "Betriebsprüfung" in einer die Verjährung von Steueransprüchen regelnden Vorschrift zwingt zu der Forderung, das entscheidende Begriffsmerkmal darin zu sehen, daß die Prüfung die für die Verjährung in Betracht kommende Steuerforderung zum Gegenstand hat (vgl. BFH-Urteil II 25/61 vom 20. Mai 1969, BFH 96, 129, BStBl II 1969, 550, zu § 147 AO a. F.). Nach dem Wortlaut des § 146a Abs. 3 AO kommt es darauf an, worauf sich die Betriebsprüfung tatsächlich erstreckt und was den Gegenstand der Prüfung gebildet hat (BFH-Urteil III R 35/71 vom 10. Dezember 1971, BFH 104, 282, BStBl II 1972, 331).
Die von der "Betriebsprüfungsstelle Zoll/AwJÜ" der OFD im Jahre 1968 durchgeführten Prüfungen sind in den hierüber erstellten, dem Senat nur auszugsweise vorliegenden Berichten vom 11. Juni und 30. Dezember 1968 als "Außenwirtschaftsprüfung" und als "Ergänzungsprüfung" zu einer solchen bezeichnet und liefern gewichtige Gründe dafür, daß die Außenwirtschaftsprüfungen nur die richtige Anwendung des Außenwirtschaftsrechts, nicht auch die der Steuergesetze zum Gegenstand hatten, insbesondere nicht die Verfolgung der durch den angefochtenen Abschöpfungsbescheid geltend gemachten Abgabenforderungen. Infolgedessen besteht Unklarheit in der Beurteilung der Frage, ob eine dieser Prüfungen eine "Betriebsprüfung" im Sinne des § 146a Abs. 3 AO war und die Verjährung der Abgabenforderungen hemmen konnte.
Fundstellen
BStBl II 1973, 130 |
BFHE 1973, 360 |