Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine ernstlichen Zweifel an der Anwendbarkeit des § 15 Abs.1 Satz 2 EStG auf Witwenpensionen)
Leitsatz (amtlich)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß Witwenpensionen nach § 15 Abs.1 Satz 2 EStG auch dann zu den Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG gehören, wenn - die Witwe des Gesellschafters nicht Gesellschafterin der die Bezüge gewährenden Gesellschaft war oder ist und - die Witwe nicht Erbin ihres verstorbenen Ehemannes geworden ist.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 24 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 1 (Antragstellerin zu 1) ist eine KG, die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 2 (Antragstellerin zu 2) ist die Witwe des früheren Kommanditisten (K) der KG. Sie bezieht eine Witwenpension aufgrund eines Dienstvertrages, den ihr Ehemann im Jahr 1978 mit der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG --einer GmbH-- geschlossen hatte. Sie selbst war nie Gesellschafterin der KG.
Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erfaßte im Streitjahr 1989 die Pensionszahlungen in Höhe von 90 000 DM als Einnahmen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Antragstellerin zu 2. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides 1989 lehnte er ab.
Auch der weitere --nunmehr beim Finanzgericht (FG) gestellte-- Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides blieb erfolglos. Mit der --vom FG zugelassenen-- Beschwerde machen die Antragsteller geltend, es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Verweisung in § 15 Abs.1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes 1987 (EStG), nach der auch nachträglich bezogene Vergütungen i.S. von § 24 Nr.2 EStG zu den gewerblichen Einkünften gehören, auch für Nichtgesellschafter gilt. Ernstlich zweifelhaft sei außerdem, ob die Vergütungen nicht (auch) bei dem den Kommanditanteil übernehmenden Gesellschafter, also dem (Einzel-)Rechtsnachfolger in den Kommanditanteil, zu erfassen sei.
Die Antragsteller beantragen, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheides 1989 vom 4. Dezember 1982 in Höhe von 90 000 DM auszusetzen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen.
Das FG hat den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides 1989 zu Recht abgelehnt. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides (§ 69 Abs.3 i.V.m. § 69 Abs.2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
a) Nach § 15 Abs.1 Satz 2 EStG gilt die in den Nrn.2 und 3 dieser Vorschrift getroffene Regelung auch "für Vergütungen, die als nachträgliche Einkünfte (§ 24 Nr.2) bezogen werden". Zu den Vergütungen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG gehört auch der Pensionsanspruch, den der Kommanditist einer GmbH & Co. KG gegenüber der GmbH als der persönlich haftenden Gesellschafterin aufgrund eines mit dieser geschlossenen Dienstvertrages erwirbt (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 1992 I R 105/91, BFHE 170, 169, BStBl II 1993, 792). Die Vergütungen werden --wie sich ebenfalls aus dieser Entscheidung ergibt-- als Einnahmen in dem Zeitpunkt bezogen, in dem sie bei der GmbH als Sonderaufwand gewinnwirksam werden.
Der Senat geht für das vorliegende Aussetzungsverfahren davon aus, daß dies der Zeitpunkt der Zahlung der Pension und nicht die Bildung einer entsprechenden Pensionsrückstellung zugunsten des K in früheren Jahren war.
b) § 24 Nr.2 EStG, auf den § 15 Abs.1 Satz 2 EStG verweist, bestimmt darüber hinaus, daß nachträgliche Einkünfte auch vorliegen, "wenn sie dem Steuerpflichtigen als Rechtsnachfolger zufließen". Es ist unstreitig, daß Steuerpflichtige im Sinne dieser Vorschrift jedenfalls der Gesamtrechtsnachfolger ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. April 1993 IV R 16/92, BFHE 171, 385, BStBl II 1993, 716 unter 2. a der Gründe; Heinicke, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft --DStJG-- 1987, 99, 113 ff. m.w.N.). Dementsprechend ist auch die Bezugnahme in § 15 Abs.1 Satz 2 EStG auf § 24 Nr.2 EStG für diesen Fall eindeutig.
Sollte deshalb im Streitfall die Witwe des K auch dessen Erbin geworden sein, was sich nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt nicht eindeutig klären läßt, hängt die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich von der Frage ab, ob § 15 Abs.1 Satz 2 EStG auch auf eine Witwe anzuwenden ist, die nicht Gesellschafterin der die Zahlungen leistenden Personengesellschaft ist oder war. Sollte die Witwe auch nicht Erbin geworden sein, ist zusätzlich zu prüfen, ob und ggf. inwieweit § 24 Nr.2 EStG auch auf Einzelrechtsnachfolger bzw. Begünstigte aus einem Vertrag zugunsten Dritter anzuwenden ist.
c) Der Senat hält beide Rechtsfragen nicht für ernstlich zweifelhaft.
aa) Anwendung auf Nichtgesellschafter
Der Gesetzgeber hat die Witwenpensionen offensichtlich in die Ermittlung des (Gesamt-)Gewinnes der Mitunternehmerschaft einbeziehen wollen, wenn und soweit die Witwe Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Gesellschafter-Ehemannes geworden ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs BTDrucks 10/3663 S.7 und BTDrucks 12/1108 S.58, 65). Davon geht auch die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF- vom 16. Juli 1986 IV B 2-S 2241-65/86, BStBl I 1986, 359, und vom 10. März 1992 IV B 2-S 2241-12/92, BStBl I 1992, 190) und ein Teil des Schrifttums aus (vgl. z.B. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 15 Anm.87 b; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 14.Aufl., § 15 EStG Anm.361 a jeweils m.w.N.). Allerdings läßt sich weder dem Wortlaut noch der systematischen Stellung des § 15 Abs.1 Satz 2 EStG hinreichend deut lich entnehmen, daß die Vorschrift auch für Nichtgesellschafter gelten soll; ihre Anwendbarkeit wird deshalb von einem anderen Teil des Schrifttums sowohl für das Einkommensteuerrecht als auch für das Gewerbesteuerrecht abgelehnt bzw. in Frage gestellt (Flume, Festschrift für die Georg Döllerer, 1988, 133 ff., 144; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuersteuerrecht, 9.Aufl. 1993, 463; Autenrieth, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1992, 114 ff., 117).
Die nicht eindeutige gesetzliche Regelung begründet jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Einbeziehung der Witwenpensionen in die Vergütungsregelung des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG. Es entspricht anerkannten Auslegungsgrundsätzen, daß zur Ermittlung des Zwecks einer gesetzlichen Vorschrift jedenfalls dann, wenn ihr Wortlaut und ihre systematische Stellung zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis führen, auf den erkenn baren Willen des Gesetzgebers zurückzugreifen ist (vgl. z.B. Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 21. März 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 (312), und Beschluß vom 3. April 1990 1 BvR 1186/89, BVerfGE 82, 6 (12); BFH-Urteil vom 7. Mai 1987 IV R 150/84, BFHE 150, 130, BStBl II 1987, 670 m.w.N.; dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 4 AO 1977 Tz.99, 99 a m.w.N.). Dieser Wille war eindeutig darauf gerichtet, die Witwenpensionen, die nach der Rechtsprechung des BFH nicht unter die Vergütungsregelung des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG fielen (BFH-Urteile vom 24. November 1983 IV R 14/83, BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431; vom 25. Oktober 1984 IV R 165/82, BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; vom 27. Juni 1989 VIII R 337/83, BFHE 157, 405, BStBl II 1989, 888; vom 24. Juli 1990 VIII R 39/84, BFHE 161, 504, BStBl II 1992, 229; vom 7. Juli 1992 VIII R 36/90, BFHE 169, 53, BStBl II 1993, 26), künftig dieser Regelung zu unterwerfen.
Die Regelung hat insoweit rechtsbegründenden Charakter. Das gilt nicht nur für die Belastung der Versorgungsbezüge mit Gewerbesteuer (so aber z.B. Knobbe-Keuk, a.a.O., S.462), sondern auch für ihre einkommensteuerrechtliche Behandlung. Sie ist insoweit nicht bedeutungslos (so aber Schmidt/Seeger, a.a.O., § 24 Anm.8 d a.E.). Denn mit der sachlichen Zurechnung der Witwenpension zu den gewerblichen Einkünften in § 24 Nr.2 EStG ist noch nicht ihre sachliche Zurechnung zu den Vergütungen i.S. des § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG verbunden. Darauf hat der BFH bereits in seinem Urteil in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212 (dort unter 2. b der Gründe) hingewiesen. Diese erweiterte sachliche Zurechnung bedeutet vor allem, daß Versorgungsbezüge über die allgemeinen Vorschriften (§§ 4 Abs.1, 5 Abs.1 EStG) und über den für Vergütungen zusätzlich geltenden Grundsatz der korrespondierenden Bilanzierung (vgl. dazu BFH in BFHE 170, 169, BStBl II 1993, 792) den besonderen Bestimmungen der Gewinnermittlung bei Personengesellschaften unterliegen und im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung für die Personengesellschaft zu erfassen sind.
bb) Anwendung auf Einzelrechtsnachfolger
Wer Rechtsnachfolger des ehemaligen Gesellschafters i.S. von § 15 Abs.1 Satz 2 EStG ist, bestimmt sich nach § 24 Nr.2 EStG. Wer allerdings Rechtsnachfolger i.S. des § 24 Nr.2 EStG ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht endgültig geklärt; die Frage wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (vgl. dazu Giloy in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 19 Rdnr.B 735; Stadie, Die persönliche Zurechnung von Einkünften, 1983, 82 ff.; Heinicke, a.a.O., 13 ff. jeweils m.w.N.). Seit dem EStG 1925 --das mit § 44 Nr.2 eine mit § 24 Nr.2 EStG fast wörtlich übereinstimmende Regelung enthielt-- ist jedoch anerkannt, daß Pensionen für Witwen und Waisen bei diesen --und nicht bei den Erben-- als Arbeitslohn zu erfassen sind (§ 36 Abs.1 Nr.2 EStG 1925 und dazu Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 14. Mai 1930 VI A 133/30, RStBl 1930, 704 sowie Becker, Handkommentar der Reichssteuergesetze, Das Einkommen steuerrecht, § 44 Bemerkung 14 und § 36 Bemerkung 28 b). Dabei ist es bis heute geblieben (§ 19 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG). Entsprechend sind Witwen- und Waisengelder gemäß § 2 Abs.2 Nr.2 Satz 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) als Arbeitslohn zu erfassen und ist § 1 Abs.1 Satz 2 LStDV, der den Rechtsnachfolger eines Arbeitnehmers hinsichtlich der nachträglichen Einnahmen aus dem Dienstverhältnis selbst als Arbeitnehmer behandelt, auch auf Witwen und Waisen anzuwenden (im Ergebnis allgemeine Meinung, vgl. z.B. Giloy in Kirchhof/ Söhn, a.a.O., § 19 Rdnr.B 737; Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 19 Anm.8 "Früheres Dienstverhältnis"; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., § 19 EStG Anm.214, 224).
Der Senat kann bei dieser Rechtslage offenlassen, nach welchen allgemeinen Grundsätzen die Einzelrechtsnachfolge auf den Todesfall zu beurteilen ist (zu der gebotenen Abgrenzung der Einzelrechtsnachfolge gegenüber der einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Einkommensverwendung vgl. u.a. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1989 I R 126/88, BFHE 159, 314, BStBl II 1990, 377 a.E.). Denn zumindest die in § 19 Abs.1 Nr.2 EStG getroffene Sonderregelung ist auch bei der Auslegung des § 24 Nr.2 EStG zu beachten. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Witwenpension auf einem Dienstverhältnis des Gesellschafters mit der Personengesellschaft --bzw. der GmbH als deren persönlich haftender Gesellschafterin-- beruht (im Ergebnis ebenso BFH in BFHE 139, 549, BStBl II 1984, 431; in BFHE 142, 283, BStBl II 1985, 212; FG Hamburg, Urteil vom 22. März 1991 VII 126/89, Entscheidungen der Finanzgerichte 1992, 70 --rechtskräftig--). Das Dienstverhältnis ist eine besondere Vertragsbeziehung neben dem Gesellschaftsverhältnis, die auch § 15 Abs.1 Satz 1 Nr.2 EStG anerkennt; die Einnahmen aus dieser Beziehung werden lediglich zum Zwecke der gleichmäßigen Besteuerung von Einzel- und Mitunternehmer als Einnahmen aus Gewerbebetrieb umqualifiziert (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 unter C II. der Gründe). Der Gesetzgeber wollte mit § 15 Abs.1 Satz 2 EStG ersichtlich an diese Rechtslage anknüpfen.
Fundstellen
Haufe-Index 65137 |
BFH/NV 1994, 35 |
BStBl II 1994, 455 |
BFHE 173, 170 |
BFHE 1994, 170 |
BB 1994, 635 |
BB 1994, 635 (L) |
DB 1994, 1500 (L) |
DStR 1994, 499-500 (KT) |
DStZ 1994, 305 (KT) |
HFR 1994, 321-322 (LT) |
StE 1994, 175 (K) |