Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Vorabentscheidung vom 25.11.1986 - VII R 116/83
Leitsatz (amtlich)
Nachträgliche Erteilung eines Kontrollexemplars T Nr.5 für Waren, die ohne zollamtliche Behandlung ausgeführt worden sind?
Orientierungssatz
Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften:
a) Ist das für den Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, im Juni 1979 geltende Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 10 und 12 der VO (EWG) Nr. 223/77 der Kommission vom 22. Dezember 1976 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens (ABlEG L 38/20 vom 9. Februar 1977), dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 die Erfüllung der Versendungsförmlichkeiten oder Ausfuhrförmlichkeiten voraussetzte?
b) Bei Bejahung der Rechtsfrage a: Kommt eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 durch die Abgangszollstelle, bei der die zollverfahrensrechtlichen Versandförmlichkeiten (Versendungsförmlichkeiten) zu erfüllen waren, nur in Betracht, wenn bei ihr diese Förmlichkeiten erfüllt wurden, oder genügt es dafür, daß bei einer anderen Zollstelle --gegebenenfalls der eines anderen Mitgliedstaats-- Ausfuhrförmlichkeiten erfüllt wurden?
Normenkette
EWGV 192/75 Art. 2 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1; EWGV 223/77 Art. 13b Abs. 1, Art. 12; EWGVtr Art. 177 Abs. 1, 3; EWGV 223/77 Art. 10
Nachgehend
EuGH (Entscheidung vom 08.03.1988; Aktenzeichen 321/86) |
Gründe
Gründe
In einem Revisionsverfahren, in dem es um die nachträgliche Ausstellung eines Kontrollexemplars T Nr.5 (KE) für Waren geht, die im Juni 1979 ohne zollamtliche Behandlung durch die Abgangszollstelle über Dänemark nach Norwegen ausgeführt wurden, hat der Bundesfinanzhof beschlossen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art.177 Abs.1 und 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft folgende Fragen vorzulegen:
1. Ist das für den Versand von Waren, für deren Ausfuhr
Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, im Juni 1979 geltende
Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art.10 und 12 der Verordnung (EWG) Nr.
223/77 der Kommission vom 22.Dezember 1976 über Durchführungsbestimmungen
und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 38/20 vom 9.Februar 1977),
dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars
T Nr.5 die Erfüllung der Versendungs- oder Ausfuhrförmlichkeiten
voraussetzte?
2. Bei Bejahung der Rechtsfrage 1: Kommt eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr.5 durch die Abgangszollstelle, bei der die zollverfahrensrechtlichen Versandförmlichkeiten (Versendungsförmlichkeiten) zu erfüllen waren, nur in Betracht, wenn bei ihr diese Förmlichkeiten erfüllt wurden, oder genügt es dafür, daß bei einer anderen Zollstelle --gegebenenfalls der eines anderen Mitgliedstaats-- Ausfuhrförmlichkeiten erfüllt wurden?
Der Senat hat dazu ausgeführt:
Die Entscheidung über die Revision hängt von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ab.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, daß für die Erteilung des KE die Abgabe der auf Ausfuhr gerichteten Willenserklärung des Ausführers im Sinne der Vorschriften des Ausfuhrerstattungsrechts --für den Streitfall maßgebend Art.2 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 192/75 der Kommission vom 17.Januar 1975 über Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 25/1)-- erforderlich sei. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines KE dürften sich vielmehr allein aus den versandrechtlichen Vorschriften ergeben, nämlich aus der Verordnung (EWG) Nr. 223/77 --VersandDVO-- der Kommission über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens vom 22.Dezember 1976 (ABlEG L 38/20 vom 9.Februar 1977). Der VersandDVO ist indessen, auch für den im Streitfall maßgebenden Zeitraum (das Jahr 1979), nicht zu entnehmen, daß die Erteilung eines KE die Abgabe der ausfuhrerstattungsrechtlichen Willenserklärung voraussetzt. Die Rechtsprechung des EuGH, der, bezogen auf eine ohne Ausstellung eines KE erfolgte Ausfuhr (1979), für die Währungsausgleichsbeträge beantragt worden waren, entschieden hat, nach einem --damals ungeschriebenen-- allgemeinen Grundsatz könne die nachträgliche Ausstellung eines KE beansprucht werden, wenn die Nichtausstellung von dem Beteiligten nicht zu vertreten war und er die für die nachträgliche Ausstellung erforderlichen Belege beibringen kann (EuGHE 1982, 3443, 3452), ist nach Ansicht des Senats auch maßgebend für Fälle, in denen --wie hier-- die nachträgliche Erteilung des KE für Zwecke der Ausfuhrerstattung begehrt wird.
Es fragt sich jedoch, ob die nachträgliche Erteilung des KE voraussetzt, daß die Versendungs- oder Ausfuhrförmlichkeiten erfüllt worden sind (wenn auch ohne Beantragung eines KE bei Erfüllung dieser Förmlichkeiten). Für ein solches Erfordernis könnte Art.13b Abs.1 der VersandDVO sprechen. Diese Vorschrift ist allerdings erst durch die am 1.Juli 1985 in Kraft getretene Verordnung (EWG) Nr.1209/85 --VO Nr. 1209/85-- der Kommission vom 3.Mai 1985 (ABlEG L 124/19) in die VersandDVO eingefügt worden. Dies ist jedoch, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund der Änderungsverordnung vom 3.Mai 1985 ergibt, geschehen, um das Gemeinschaftsrecht der Rechtsprechung des EuGH --Urteil in EuGHE 1982, 3443-- anzupassen, lediglich also, um den vom EuGH gefundenen ungeschriebenen Rechtsgrundsatz zu einer Norm des geschriebenen Rechts zu machen. Wenn die in Art.13b Abs.1, zweiter und dritter Gedankenstrich der VersandDVO normierten Voraussetzungen --der Beteiligte muß nachweisen, daß das KE sich auf die Waren bezieht, für die die Versendungs- oder Ausfuhrförmlichkeiten erfüllt wurden (zweiter Gedankenstrich); er muß die für die Ausstellung erforderlichen Unterlagen vorlegen (dritter Gedankenstrich)-- nicht über das vom EuGH aufgestellte Erfordernis hinausgehen, daß der Betroffene die für die Ausstellung notwendigen Belege beibringt, könnte es naheliegen, die nachträgliche Erteilung eines KE (auch) für Ausfuhrfälle vor Inkrafttreten der VO Nr. 1209/85 von der Erfüllung der Versendungs- oder Ausfuhrförmlichkeiten abhängig zu machen. Auch die Ableitung des vom EuGH erkannten allgemeinen Grundsatzes aus einer Norm, die die Neuausstellung eines KE zuließ, wenn das erste KE aus von dem Beteiligten nicht zu vertretenden Gründen abhanden gekommen war, könnte darauf hindeuten, daß dieser Grundsatz --nur-- auf Fälle zu beziehen ist, in denen eine (erste) Erteilung des KE möglich, wenn auch unterblieben war.
Andererseits ist zu berücksichtigen, daß auch dem Ausgangsverfahren der Rechtssache 302/81 ein Fall zugrunde lag, in dem die Ausfuhrversandabfertigung bei der Binnenzollstelle unterblieben war. Dieser Umstand hat den EuGH nicht gehindert, wie vorstehend dargestellt zu entscheiden.
Falls davon auszugehen ist, daß die nachträgliche Ausstellung eines KE für Ausfuhrfälle vor Inkrafttreten der VO Nr. 1209/85 --hier: im Juni 1979-- die Erfüllung der Versendungs- oder Ausfuhrförmlichkeiten voraussetzt, stellt sich die weitere Frage nach der Befugnis der befaßten Behörde, das KE nachträglich zu erteilen, wenn die maßgebenden Förmlichkeiten nicht bei ihr, sondern bei einer anderen Behörde, unter Umständen der eines anderen Mitgliedstaats --hier: Dänemark-- erfüllt wurden. Das HZA, eine Binnenzollstelle, war Abgangszollstelle für das im Streitfalle zwingend erforderliche gemeinschaftliche Versandverfahren; bei dem HZA waren die zollverfahrensrechtlichen Förmlichkeiten des gemeinschaftlichen Versandverfahrens --die Versendungsförmlichkeiten-- zu erfüllen; jedenfalls bei Erfüllung dieser Förmlichkeiten hätte das HZA das KE auszustellen (Art. 12, 10, 13b der VersandDVO). Der Senat hält es für zweifelhaft, ob dies bei Vorliegen der sonstigen im Urteil in EuGHE 1982, 3443 aufgestellten Voraussetzungen (vgl. jetzt Art.13b Abs.1 der VersandDVO) auch zu gelten hat, wenn Förmlichkeiten (nur) bei einer anderen Behörde erfüllt worden sind (hier: Ausfuhrförmlichkeiten bei dem dänischen Ausgangszollamt). Art.13b Abs.1 der VersandDVO läßt die Frage offen.
Ob eine andere Zollstelle als das HZA, d.h. eine Zollstelle, bei der etwa Ausfuhrförmlichkeiten erfüllt worden sind, wie hier möglicherweise bei der deutschen Ausfuhrzollstelle an der deutsch-dänischen Grenze, ein KE nachträglich zu erteilen hätte, ist für den Streitfall unerheblich. Erst recht hätte der Senat nicht darüber zu entscheiden, ob das dänische Ausgangszollamt, wenn dort Ausfuhrförmlichkeiten erledigt worden sind, ein KE nachträglich zu erteilen hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 61410 |
BFHE 148, 192 |
BFHE 1987, 192 |
HFR 1987, 113-113 (ST) |