Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der aufschiebenden Wirkung des Einspruchs gegen die Anordnung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung: vorläufiger Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung, Neuregelung des § 284 Abs. 5 AO 1977: Rechtsprechung des BFH, Rechtschutz durch Einspruch - Rechtswidrigkeit einer Ladung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor Bestandskraft der Anordnung - Nichterscheinen des Vollstreckungsschuldners zum Termin für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bei nicht bestandskräftiger Anordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Bestreitet die Finanzbehörde die aufschiebende Wirkung des Einspruchs des Vollstreckungsschuldners gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, kommt für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung in Betracht.
2. Nach der Neufassung des § 284 Abs.5 AO 1977 durch das StMBG ist die aufschiebende Wirkung des fristgerecht eingelegten Einspruchs (1.) nur noch davon abhängig, daß der Einspruch begründet worden ist und die vorgebrachten Einwendungen nicht bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind.
Orientierungssatz
1. Durch die Reform des § 284 Abs. 5 AO 1977 wird die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Anordnung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nicht mehr von der Voraussetzung abhängig gemacht, daß die Einwendungen zügig und in der Regel bis zu dem festgesetzten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geltend gemacht worden sein müssen. Der Rechtsschutz gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung wurde durch die konstitutive Neuregelung unmittelbar auf den allgemeinen förmlichen Rechtsbehelf nach der AO 1977 zurückgeführt. Insoweit ist die Rechtsprechung des BFH zu § 284 Abs. 5 a.F. AO 1977 überholt.
2. Eine Ladung des Finanzamts zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist rechtswidrig, wenn der Ladungstermin auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, zu dem noch keine Bestandskraft des Verwaltungsakts eingetreten ist. Mithin bedarf es für das Nichterscheinen des Vollstreckungsschuldners in einem Termin, der zeitlich vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts angesetzt ist, mangels Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung keiner Entschuldigung. Insofern kann es zu diesem Zeitpunkt niemals zu einem Ersuchen um Anordnung der Haft zur Erzwingung der eidesstattlichen Versicherung nach § 284 Abs. 7 Satz 1 1. Alt. AO 1977 kommen.
Normenkette
AO 1977 § 284 Abs. 5 Fassung: 1993-12-21, Abs. 7 Fassung: 1993-12-21; FGO §§ 114, 69
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Mit Verfügung vom 19. Juni 1996 hat der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) den als Steuerberater freiberuflich tätigen Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unter Vorlage eines Vermögensverzeichnisses auf den 18. Juli 1996 geladen. Die beigefügte Aufstellung der Rückstände wies einen Betrag in Höhe von ... DM aus; eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt die Verfügung nicht. Mit Anwaltsschriftsatz vom 16. Juli 1996 bat der Antragsteller unter Hinweis auf verschiedene Gründe um Aufhebung des Termins. Daraufhin antwortete ihm das FA, daß ein weiterer Vollstreckungsaufschub nach Sachlage nicht in Betracht komme, daß es aber für den Fall des Nichterscheinens zum Termin aufgrund der vorgebrachten Gründe bereit sei, mit dem Antrag auf Erlaß eines Haftbefehls vier Wochen zuzuwarten. Der Antragsteller ist zu dem Termin nicht erschienen.
Nachdem das FA im Oktober 1996 den angekündigten Haftbefehl erlangt und dessen Vollziehung durch den Gerichtsvollzieher veranlaßt hatte, wiederholte der Antragsteller mit Schreiben vom 5. November 1996 seine Einwände gegen die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung; außerdem verlangte er vom FA die Beachtung der aufschiebenden Wirkung des § 284 Abs. 5 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA faßte dieses Schreiben als Einspruch gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf. Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 1997 wies das FA unter Bezugnahme auf eine Rückstandsaufstellung per 3. März 1997 in Höhe von ... DM den Einspruch als unbegründet zurück und bat in diesem Zusammenhang den Gerichtsvollzieher, den zwischenzeitlich zurückgestellten Haftbefehl nunmehr zu vollziehen. Der Gerichtsvollzieher forderte den Antragsteller auf, am Vormittag des 16. April 1997 beim FA zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erscheinen, und kündigte für den Fall des Nichterscheinens die zwangsweise Vorführung an.
Mit am 15. April 1997 beim Finanzgericht (FG) eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller unter Angabe von Gründen Klage gegen die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhoben. Darüber ist noch nicht entschieden. Gleichzeitig hat er beantragt, die Anordnung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses und zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von der Vollziehung auszusetzen.
Das FG gab diesem Antrag statt, soweit er sich auf die Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bezog; im übrigen wies es den Antrag zurück. Zur Begründung seiner stattgebenden Entscheidung führte das FG im wesentlichen aus, der Antragsteller sei nach der in § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 getroffenen gesetzlichen Regelung noch nicht verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, weil die Anordnung wegen der jeweils fristgerecht eingelegten und auch begründeten Rechtsbehelfe (Einspruch und Klage) noch nicht unanfechtbar sei. Ob die erhobenen Einwände auch durchgriffen, sei für die Anwendung dieser Vorschrift nicht entscheidend. Obschon bereits das Gesetz die aufschiebende Wirkung des begründeten Rechtsbehelfs anordne, habe der Antragsteller ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für einen dahingehenden --klarstellenden-- Rechtsschutz durch das Gericht, weil das FA die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs bestreite und die zwangsweise Vorführung des Antragstellers zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung veranlaßt habe.
Soweit das FA den Eintritt der aufschiebenden Wirkung von weiteren Voraussetzungen abhängig machen wolle, sei dem nicht zu folgen. Die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach Einwendungen, die erstmals nach unentschuldigtem Fernbleiben im ersten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung oder gar erst nach Anordnung der Haft erhoben würden, keine aufschiebende Wirkung zukomme, sei zu der bis zum 29. Dezember 1993 geltenden Fassung des § 284 Abs. 5 Sätze 2 und 3 AO 1977 (a.F.) ergangen und für die jetzige Fassung dieser Vorschriften nicht mehr maßgeblich. Dies gelte auch, soweit der BFH seine einschränkende Auslegung dieser Vorschriften auch auf den in Konkurrenz zu dem Schuldnerschutz verfolgten Zweck der Sicherstellung eines möglichst gestrafften und beschleunigten Verfahrensablaufs gestützt und sich dabei auf die --im wesentlichen unveränderte-- Regelung des § 284 Abs. 7 AO 1977 berufen habe. Nach der Neuregelung müßten bei der Frage, ob einem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung nach § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 zukomme, zwingend auch solche Einwendungen berücksichtigt werden, die zwar nach Einleitung des Haftverfahrens, aber vor Ablauf der Rechtsbehelfsfrist vorgetragen würden.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Beschwerde verfolgt das FA seinen vom FG verworfenen Standpunkt weiter. Es trägt vor, die Neuregelung des § 284 Abs. 5 AO 1977 sollte lediglich das Verfahren vereinfachen und den Rechtsbehelf unmittelbar gegen die Ladungsverfügung ermöglichen. Weitere Rechtsänderungen seien nach der Gesetzesbegründung nicht beabsichtigt gewesen. Insbesondere sei das Verhältnis von § 284 Abs. 5 zu Abs. 7 dieser Vorschrift immer noch unter Zugrundelegung der dazu ergangenen BFH-Rechtsprechung auszulegen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde des FA ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß im Streitfall die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung der Anordnung des FA, der Antragsteller habe die Richtigkeit und Vollständigkeit eines noch vorzulegenden Vermögensverzeichnisses an Eides Statt zu versichern, erfüllt sind.
1. Mit dem FG ist der Senat der Auffassung, daß bei der gebotenen summarischen Betrachtung Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht bestehen.
a) Zwar weist bereits die einschlägige gesetzliche Vorschrift, § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 i.d.F. von Art. 26 Nr. 38 des Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes (StMBG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I, 2310), einem Rechtsbehelf gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung aufschiebende Wirkung zu, sofern der Rechtsbehelf begründet worden ist und die erhobenen Einwendungen nicht bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden sind (Abs. 5 Satz 3 der Vorschrift). Ein derartig qualifizierter Einspruch (§ 347 AO 1977) des Vollstreckungsschuldners entbindet mithin schon kraft Gesetzes von der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bis zum Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, d.h. ggf. bis zu einer Bestätigung des Verwaltungsakts durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung. Für einen Antrag des Vollstreckungsschuldners auf einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz wird deshalb im Regelfall das Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. so für die vor dem Inkrafttreten des StMBG gültige Rechtslage --aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977 a.F.-- den Senatsbeschluß vom 19. September 1991 VII B 139/91, BFH/NV 1992, 321).
Bestreitet indessen die Vollstreckungsbehörde, daß der vom Vollstreckungsschuldner eingelegte Einspruch die Voraussetzungen des § 284 Abs. 5 Satz 2 und 3 AO 1977 erfüllt, kann der Antrag des Vollstreckungsschuldners auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht schon wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden (vgl. Maas in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 284 AO 1977 Rz. 16). Entsprechendes muß gelten, wenn die Vollstreckungsbehörde aus anderen Gründen dem Einspruch des Vollstreckungsschuldners die ihm nach dem Gesetz zukommende aufschiebende Wirkung abspricht. So besteht im Streitfall zwar zwischen den Beteiligten Einigkeit darüber, daß der Einspruch fristgerecht (hier innerhalb der Jahresfrist nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) eingelegt worden und auch mit einer geeigneten, nicht bereits unanfechtbar zurückgewiesenen Begründung versehen ist, doch ist das FA der Auffassung, daß sich aus dem Zusammenspiel der Absätze 5 und 7 des § 284 AO 1977 eine weitere Voraussetzung für die gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung des Einspruchs ergebe, die im Streitfall nicht erfüllt sei. Insoweit möchte nämlich das FA die zu § 284 Abs. 5 AO 1977 a.F. ergangene Rechtsprechung des Senats, wonach Einwendungen, die erstmals nach unentschuldigtem Fernbleiben im ersten Termin oder sogar erst nach Anordnung der Haft vorgebracht werden, keine aufschiebende Wirkung zukomme (vgl. grundlegend Senatsurteil vom 10. Oktober 1989 VII R 44/89, BFHE 159, 1, BStBl II 1990, 146), auf § 284 Abs. 5 AO 1977 n.F. übertragen. Gegen das Leugnen der aufschiebenden Wirkung im Streitfall durch das FA muß dem Antragsteller vorläufiger Rechtsschutz zustehen (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes --GG--).
Fraglich kann in solchen Bestreitensfällen allenfalls sein, in welchem Verfahren der Antragsteller vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu beantragen hat. In Betracht käme sowohl ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO, mit der das FA zur Beachtung der kraft Gesetzes eingetretenen aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs angehalten werden könnte (so offenbar Plewka in Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1996, § 284 Rz. 11/1), als auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Anordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (Maas, a.a.O.). Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der Vollziehungsaussetzung unter diesen Umständen noch um einen Fall der direkten oder lediglich einer analogen Anwendung des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO handelt. Für eine analoge Anwendung könnte sprechen, daß der Entscheidung des FG im Aussetzungsverfahren, was auch das FG erkannt hat, keine rechtsbegründende, sondern lediglich rechtsbestätigende oder rechtsklarstellende Wirkung beigemessen werden kann, denn die aufschiebende Wirkung des Einspruchs und der Klage sind bereits Folge der in § 284 Abs. 5 Satz 2 AO 1977 getroffenen gesetzlichen Regelung.
Jedenfalls wäre selbst eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Aussetzung der Vollziehung einer Anwendung der Vorschriften über einstweilige Anordnungen vorzuziehen. Maßgeblich dafür ist im wesentlichen die Tatsache, daß es dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren, wie der Streitfall zeigt, im Grunde nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich um die Verurteilung des FA geht, alle Handlungen zu unterlassen, die die gesetzlich angeordnete aufschiebende Wirkung seines Einspruchs beeinträchtigen könnten, sondern in erster Linie um die völlige Beseitigung der Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durch erfolgreiche Anfechtung des Verwaltungsakts. Angesichts dieses Ziels geht der Rechtsschutz über § 69 FGO, selbst in analoger Anwendung dieser Vorschrift, dem subsidiären Rechtsschutz nach § 114 FGO vor (vgl. BFH-Beschluß vom 10. Juli 1979 VIII B 84/78, BFHE 128, 164, BStBl II 1979, 567; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 114 FGO Rz. 5).
Es wäre mit den Grundsätzen eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wollte man von dem um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchenden Antragsteller innerhalb der von § 284 Abs. 5 Satz 2 und 3 AO 1977 abgesteckten Grenzen einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung verlangen, wenn die Vollstreckungsbehörde trotz des Einspruchs das Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung weiter betreibt, ihn hingegen außerhalb dieses Bereichs, also z.B. bei nicht begründetem oder verfristetem Einspruch, in das Verfahren der Aussetzung der Vollziehung verweisen. In diesen zuletzt genannten Fällen wäre nämlich eine einstweilige Anordnung offensichtlich unzulässig, und vorläufiger Rechtsschutz könnte nur im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gewährt werden (§ 114 Abs. 5 FGO), weil es dabei auf die Statthaftigkeit des Aussetzungsantrags an sich ankommt und nicht etwa darauf, ob dieser im konkreten Fall zulässig und begründet wäre (vgl. BFH-Beschluß vom 13. Juli 1988 VIII B 138/87, BFH/NV 1989, 510).
Dem Senat erscheint in allen diesen Fällen zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes eine einheitliche Anwendung der Vorschriften über die Aussetzung der Vollziehung, lediglich eingeschränkt durch das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses, angebracht (vgl. auch Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 284 AO 1977 Rz. 48 und 50; Thesling, Der Rechtsschutz gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach den Änderungen durch das StMBG, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1994, 1338, 1339). Dem entspricht im übrigen auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zu der vergleichbaren Vorschrift des § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dort ist nämlich anerkannt, daß § 80 VwGO auch in Fällen einer sog. "faktischen" Vollziehung, d.h. einer Vollziehung, die unter Mißachtung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs erfolgt, zur Anwendung kommt (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 10. Aufl. 1994, § 80 Rz. 10). Der dabei angestellten Überlegung, es der Behörde unmöglich zu machen, den Bürger durch Beharren auf der Vollziehung trotz gesetzlich angeordneter aufschiebender Wirkung in das gegenüber dem Vollziehungsaussetzungsverfahren wesentlich ungünstigere einstweilige Anordnungsverfahren abzudrängen, ist auch für den Finanzprozeß zu folgen. Aus den aufgezeigten Gründen folgt der Senat auch nicht der Auffassung von Dumke in Schwarz (Kommentar zur Abgabenordnung, § 284 AO 1977 Rz. 23), der ein gesondertes Verfahren über die Vollziehbarkeit der Anordnung der eidesstattlichen Versicherung nach der Neuregelung für nicht mehr statthaft hält und den Vollstreckungsschuldner mit entsprechenden Einwendungen in das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Haftanordnung verweisen will.
b) Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, daß sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung unmittelbar an das Gericht wenden konnte, weil ihm das FA den Vollzug des beantragten und erlassenen Haftbefehls angekündigt hatte und damit also die Vollstreckung des angefochtenen Verwaltungsakts unmittelbar drohte (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO).
2. Zu Recht hat das FG auch das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO) allein schon deswegen bejaht, weil das FA den Antragsteller vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den eingelegten Einspruch zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zwingen wollte.
a) Wird gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ein Rechtsbehelf eingelegt und begründet und sind die erhobenen Einwendungen nicht bereits in einem früheren Verfahren unanfechtbar zurückgewiesen worden, so ist der Vollstreckungsschuldner erst nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung über den Rechtsbehelf zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet (§ 284 Abs. 5 Satz 2 und 3 AO 1977). Unstreitig hat der Antragsteller fristgerecht einen derart qualifizierten Einspruch gegen die Ladungsverfügung des FA eingelegt. Zwar hat das FA den Einspruch zurückgewiesen; diese Entscheidung ist aber noch nicht bestandskräftig und damit nicht unanfechtbar im Sinne der Vorschrift, weil der Antragsteller dagegen fristgerecht Anfechtungsklage vor dem FG erhoben hat (§ 40 Abs. 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit trifft den Antragsteller noch keine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Die dem widersprechende Ladungsverfügung des FA vom 19. Juni 1996 ist jedenfalls insoweit rechtswidrig, als sie den Ladungstermin auf einen Zeitpunkt festgelegt hat, zu dem noch keine Bestandskraft des Verwaltungsakts eingetreten war.
b) Weitere Voraussetzungen für den Eintritt der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs ergeben sich aus dem Wortlaut des § 284 Abs. 5 Satz 2 und 3 AO 1977 nicht. Der Senat schließt sich der Auffassung des FG an, daß nach der Neufassung dieser Vorschriften durch das StMBG die aufschiebende Wirkung auch nicht mehr von einer weiteren Voraussetzung abhängig gemacht werden kann, die der Senat in seiner bisherigen, zu der Rechtslage vor Inkrafttreten des StMBG ergangenen Rechtsprechung nach Sinn und Zweck der Regelung gefordert hatte, daß nämlich die Einwendungen zügig und in der Regel bis zu dem festgesetzten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geltend gemacht worden sein müssen. Insoweit hatte der Senat seit der Entscheidung in BFHE 159, 1, BStBl II 1990, 146 in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß Einwendungen, die der Vollstreckungsschuldner erstmals nach unentschuldigtem Fernbleiben im ersten Termin oder sogar erst nach Anordnung der Haft vorgetragen hatte, keine aufschiebende Wirkung zukommt (s. auch Senatsurteil vom 7. März 1995 VII R 107/94, BFH/NV 1995, 1034).
Begründet hatte der Senat diese Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes im wesentlichen damit, daß § 284 Abs. 5 AO 1977 a.F. für die Behandlung der Einwendungen des Vollstreckungsschuldners eine dem § 900 Abs. 5 der Zivilprozeßordnung nachgebildete Sonderregelung getroffen und ein spezifisches Widerspruchsverfahren eingeführt hatte, das der allgemeinen Regelung über die Rechtsbehelfe gegen Steuerverwaltungsakte als Spezialregelung vorging. Außer auf den Schuldnerschutz nahm diese Regelung darauf Bedacht, einen möglichst gestrafften und beschleunigten Verfahrensablauf sicherzustellen. Der in diesem Sonderverfahren besonders großen Gefahr der Verschleppung durch den Vollstreckungsschuldner durch immer neue Einwendungen sollte durch die Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes vorgebeugt werden.
Mit der Reform des § 284 Abs. 5 AO 1977 durch das StMBG ist dieses Sonderverfahren in der Art eines dem üblichen Rechtsbehelfsverfahren vorgeschalteten Rechtsbehelfs entfallen und der Rechtsschutz gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung unmittelbar auf den allgemeinen förmlichen Rechtsbehelf nach der AO 1977 (bis 31. Dezember 1995 die Beschwerde; danach der Einspruch gemäß § 347 AO 1977 n.F.) zurückgeführt worden. Insoweit handelt es sich bei der Neufassung trotz des vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung mißverständlich gebrauchten Hinweises auf eine Klarstellung ("die Neufassung stellt klar, daß ..."; vgl. BTDrucks 12/5764 S. 64) um eine konstitutive Neuregelung, die daher nicht rückwirkend auf Altfälle angewendet werden darf (BFH/NV 1995, 1034).
Mit dieser konstitutiven Neuregelung hat sich auch die Rechtsprechung des BFH, die gerade auf die Existenz eines besonderen Verwaltungsverfahrens gestützt war, erledigt (so auch Klein/ Orlopp, Abgabenordnung, 5. Aufl. 1995, § 284 Anm. 7; Müller-Eiselt, a.a.O., § 284 AO 1977 Rz. 53; a.A. wohl Thesling, DStR 1994, 1338, 1340). Da durch die Überführung in das reguläre Rechtsbehelfsverfahren keine besondere, über den üblichen Rahmen hinausgehende Verschleppungsgefahr seitens des Vollstreckungsschuldners mehr zu befürchten ist, besteht auch keine Veranlassung mehr, ihm den vorläufigen Rechtsschutz über den im Gesetz vorgegebenen Standard hinaus zu verkürzen. Die vom Gesetz angeordnete aufschiebende Wirkung des qualifizierten Einspruchs gegen die Anordnung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist eine angesichts der Schwere des dadurch möglicherweise herbeigeführten existenzbedrohenden Eingriffs in die persönliche und wirtschaftliche Situation des Vollstreckungsschuldners angemessene und verständige Regelung, die nicht durch zusätzliche Anforderungen erschwert werden darf. Gegen mögliche Verschleppungsabsichten seitens des Vollstreckungsschuldners stehen der Vollstreckungsbehörde und den Gerichten die auch bei der Durchsetzung anderer Verwaltungsakte üblichen Mittel zur Verfügung. Insbesondere liegt es in der Verantwortung der Vollstreckungsbehörde, durch Beifügung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung und durch ein straff geführtes Einspruchsverfahren das außergerichtliche Vorverfahren schnellstmöglich zu Ende zu bringen. Danach liegt es ggf. in der Verantwortung der Gerichte, Klageverfahren in diesem Bereich nicht über Gebühr in die Länge zu ziehen. Mit der Einbettung des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die Aufforderung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das allgemein übliche Rechtsbehelfsverfahren ist sowohl die Erforderlichkeit als auch die Rechtfertigung der bisherigen Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes entfallen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zusammenhang der Abs. 5 und 7 des § 284 AO 1977. Aufgrund der Neuregelung durch das StMBG läßt sich insbesondere Abs. 7 der Vorschrift nicht mehr als Bestätigung für eine restriktive Auslegung des Abs. 5 der Vorschrift heranziehen. Auch hier war der Senat bei seiner früheren Rechtsprechung davon ausgegangen, daß § 284 Abs. 7 AO 1977 offensichtlich davon ausgehe, daß das spezifische Widerspruchsverfahren des § 284 Abs. 5 Sätze 2 und 3 AO 1977 a.F. inzwischen abgeschlossen sei, denn es sei schwer vorstellbar, daß der Gesetzgeber die Anordnung der Haft in einem Zeitpunkt für zulässig erkläre, in dem wegen der aufschiebenden Wirkung des § 284 Abs. 5 Satz 3 AO 1977 a.F. noch gar keine Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestehe (BFHE 159, 1, BStBl II 1990, 146). Nach Wegfall des besonderen Verwaltungsverfahrens hat auch dieses Argument seinen Bezug verloren.
Gleichwohl ist es der Sache nach auch unter den veränderten Gegebenheiten von Bedeutung. Jetzt ist es nämlich ebenso schwer vorstellbar, daß der Gesetzgeber mit dem in Abs. 7 Satz 1 genannten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung einen Termin gemeint haben könnte, der zeitlich vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Anordnung gemäß Abs. 5 Satz 2, also vor dem Eintritt der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung liegen könnte. Mit anderen Worten: Für das Nichterscheinen des Vollstreckungsschuldners in einem Termin, der zeitlich vor Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts angesetzt ist, bedarf es mangels Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung keiner Entschuldigung. Insofern kann zu diesem Zeitpunkt niemals § 284 Abs. 7 Satz 1 erster Fall AO 1977 zur Anwendung kommen.
Nach alledem war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 66649 |
BFH/NV 1998, 635 |
BFH/NV 1998, 635-637 (Leitsatz und Gründe) |
BStBl II 1998, 227 |
BFHE 184, 248 |
BFHE 1998, 248 |
BB 1998, 310 |
DStRE 1998, 194 |
DStRE 1998, 194-198 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1998, 260 |
StE 1998, 72 |
StRK, R.12 (Leitsatz und Gründe) |
LEXinform-Nr. 0145092 |
NJW 1998, 1736 |
NJW 1998, 1736 (Leitsatz) |
GI 1998, 236 (Leitsatz) |
KKZ 1998, 82-85 (Leitsatz und Gründe) |
NWB-DokSt 1998, 728 |