Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Wareneinzelhandelsunternehmen im Sinne des § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG sind Unternehmen, die ausschließlich Lieferungen im Einzelhandel bewirken.
Normenkette
GewStG §§ 28, 29 Abs. 1 Ziff. 3; GewStDV § 33
Tatbestand
Der Bf. betreibt eine Schlachterei in V. Er verkauft seine Waren - mindestens teilweise - auf dem Wochenmarkt in O. Im Zerlegungsverfahren gingen die Finanzverwaltungsbehörden davon aus, daß der Bf. seine Produkte ausschließlich im Wareneinzelhandel vertreibe. Sie zerlegten daher die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge gemäß § 29 Abs. 1 Zff. 3 GewStG nach dem für Wareneinzelhandelsunternehmen geltenden Maßstab zur Hälfte nach den Arbeitslöhnen und zur Hälfte nach den Betriebseinnahmen. Danach entfielen in sämtlichen Streitjahren rd. 40 v. H. der einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge auf die Gemeinde V. und rd. 60 v. H. auf die Stadt O.
Mit seiner Beschwerde gegen die Zerlegungsbescheide des Finanzamts machte der Bf. geltend, die Zerlegung nach § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG führe zu einem unbilligen Ergebnis. Für die Stadt O. fielen durch den Verkauf der Waren auf dem Wochenmarkt keine besonderen Kosten an, da die direkten Kosten durch eine besondere Marktgebühr, die neben der Gewerbesteuer erhoben werde, abgegolten seien. Die gesamten Kosten des Gewerbebetriebs belasteten daher nur die Gemeinde V. Richtig sei in Anwendung des § 33 GewStG eine Zerlegung im Verhältnis der Arbeitslöhne.
Die Beschwerde des Bf. hatte keinen Erfolg. Die Oberfinanzdirektion verneinte, daß die Anwendung des § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG zu einem unbilligen Ergebnis im Sinne des § 33 GewStG führe. Die von der Stadt O. erhobenen Marktgebühren stellten nur ein Entgelt für die Platzbenutzung und für die Gewährung des Verkaufsmöglichkeiten dar. Daneben entstünden der Stadt O. weitere Belastungen z. B. für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtungen durch Kunden der Betriebstätte, für Ausbau und Unterhaltung der Straßen und Kanalisation, für Polizeilasten usw. Selbst wenn das Zerlegungsergebnis nach § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG gewisse Unbilligkeiten enthalte, so hätten diese kein erhebliches Gewicht und seien nicht offensichtlich.
Mit seiner weiteren Beschwerde bringt der Bf. erstmals vor, er habe kein Wareneinzelhandelsunternehmen, da er nicht ausschließlich Waren im Einzelhandel vertreibe. Er liefere laufend auch im Großhandel an gewerbliche Abnehmer wie Gaststätten und Läden.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Oberfinanzdirektion.
Der Einwand des Bf., er liefere zum Teil auch im Großhandel, ist - obwohl er neu ist - im Verfahren über die weitere Beschwerde zulässig. über diese entscheidet der Bundesfinanzhof im Beschlußverfahren (ß 388 Abs. 1 AO). In diesem Verfahren können neue Tatsachen unbeschränkt geltend gemacht werden (ß 306 Satz 2 AO).
Der Einwand des Bf. ist auch rechtserheblich. Sollte er in tatsächlicher Hinsicht zutreffen, so läge ein Wareneinzelhandelsunternehmen, wie es § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG voraussetzt, nicht vor. Nach § 33 GewStDV sind Wareneinzelhandelsunternehmen solche Unternehmen, die ausschließlich Lieferungen im Einzelhandel bewirken. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 33 GewStDV auf einer ausreichenden Ermächtigung des Gesetzgebers beruht. Jedenfalls entspricht die Auffassung des Verordnungsgebers, daß der Begriff "Wareneinzelhandelsunternehmen" ausschließlich Lieferungen im Einzelhandel voraussetzt, einer zutreffenden Auslegung des Gesetzes, der auch der Senat folgt. Zwar ist es nach dem Wortsinn des Begriffes "Wareneinzelhandelsunternehmen" nicht schlechthin ausgeschlossen, hierunter auch solche Unternehmen zu verstehen, die neben Lieferungen im Einzelhandel auch andere Umsätze erzielen. In diesem Sinne wird der Begriff bei der Zweigstellensteuer verwendet (ß 17 GewStG in Verbindung mit § 27 GewStDV). Für die Frage, ob der Begriff enger oder weiter auszulegen ist, kommt dem gesetzgeberischen Zweck, der dem jeweiligen Tatbestand zugrunde liegt, eine wesentliche Bedeutung zu. Mit der Erhebung der Zweigstellensteuer (ß 17 GewStG) will der Gesetzgeber die in den Gemeinden ansässigen Gewerbetreibenden gegen den Wettbewerb auswärtiger Unternehmen schützen (vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, § 17 Anm. 1). Ein solches Wettbewerbsverhältnis ist im Wareneinzelhandel auch dann gegeben, wenn die Zweigstelle eines auswärtigen Unternehmens neben Lieferungen im Einzelhandel in gewissem Umfang auch noch Großhandelsumsätze tätigt. Demgegenüber ist eine derartig weite Auslegung des Begriffes "Wareneinzelhandelsunternehmen" bei § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG nicht gerechtfertigt. Der gesetzgeberische Zweck dieser Vorschrift liegt darin, einen Zerlegungsmaßstab zu finden, der der Eigenart des Wareneinzelhandelsunternehmens entspricht. Der für das reine Wareneinzelhandelsunternehmen geeignete Zerlegungsmaßstab ist jedoch auf gemischte Unternehmen nicht ohne weiteres anzuwenden. Im Interesse einer einfachen Handhabung der ohnedies groben Zerlegungsmaßstäbe des § 29 GewStG ist es geboten, den Begriff "Wareneinzelhandelsunternehmen" eng zu fassen und auf diese Weise zu vermeiden, daß jeweils im Einzelfall bestimmt werden muß, ob der Umfang der Großhandelslieferungen die Anwendung des Zerlegungsmaßstabes nach § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG noch rechtfertigt.
Ob der Bf. zum Teil Lieferungen im Großhandel ausgeführt hat, kann ohne Eingehen auf die betrieblichen Verhältnisse des Bf. nicht beurteilt werden. Es erscheint daher geboten, den Rechtsstreit an die Oberfinanzdirektion als die den örtlichen Gegenheiten näherstehende Behörde zur erneuten Entscheidung im Verfahren über die Beschwerde zurückzuverweisen.
Sollte auch die erneute überprüfung ergeben, daß der Bf. ein Wareneinzelhandelsunternehmen betrieben hat, so bestehen, falls nicht neue tatsächliche Umstände vorgetragen werden, keine Bedenken, den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag gemäß § 29 Abs. 1 Ziff. 3 GewStG zu zerlegen. Die Oberfinanzdirektion ist auf Grund des vorliegenden Sachverhalts zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß diese Zerlegung nicht zu einem offenbar unbilligen Ergebnis (ß 33 Abs. 1 Satz 1 GewStG) führt. Die Entscheidung entspricht den Grundsätzen der Rechtsprechung des erkennenden Senates (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs I B 49/58 U vom 13. Mai 1958, BStBl 1958 III D. 379, Slg. Bd. 67 S. 275; I B 47/59 S vom 12. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 386, Slg. Bd. 71 S. 363).
Fundstellen
Haufe-Index 411518 |
BStBl III 1965, 230 |
BFHE 81, 638 |