Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Sonstiges Bankrecht Kreditrecht Berufsrecht Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Rechtsmittelzuges nach § 330 Abs. 2 AO, wenn ein Sohn, der das Vermögen des Vaters übernommen hat, für die gegenüber dem Vater rechtskräftig festgesetzte Soforthilfeabgabe haftbar gemacht wird.
AO §§ 330, 120 Abs. 1, 303, 304; BeitrO § 14 Abs. 5; Verordnung der Britischen Militärregierung Nr.
Normenkette
AO §§ 330, 120 Abs. 1, §§ 303, 231, 304, 249; SHG § 21; BGB § 419
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat durch überlassungsvertrag vom 17. Mai 1950 von seinem Vater das landwirtschaftliche Besitztum A erworben, dessen Einheitswert damals etwa 75.000 DM betrug. Außer der übernahme von 8.000 DM Verbindlichkeiten bestand die Gegenleistung in der Einräumung von Altenteilsansprüchen, deren Wert das Finanzamt auf 30.250 DM beziffert hat. Ferner verpflichtete sich der Bf. seinem Vater gegenüber in dem Vertrage, die auf den Hof entfallenden Soforthilfeabgabe- bzw. die Lastenausgleichsbeträge zu zahlen.
Am gleichen Tage überließ der Vater dem Bruder des Bf. unter entsprechenden Bedingungen den zweiten ihm gehörenden Hof B. Andere ins Gewicht fallende Vermögensobjekte besaß der Vater nicht. Die Alleinerbin des 1951 verstorbenen Vaters ist die Witwe, die Mutter des Bf., die außer den Altenteilsansprüchen kein nennenswertes Vermögen hat.
Das Finanzamt hat in den Hofüberlassungsverträgen eine übernahme des gesamten Vermögens des Vaters durch den Bf. und seinen Bruder im Sinne des § 419 BGB erblickt und beide Brüder gemäß § 330 der Reichsabgabenordnung (AO) anteilmäßig auf Zahlung der gegen den Vater rechtskräftig festgesetzten Soforthilfeabgabe in Anspruch genommen.
Der Bf. erhob gegen die Inanspruchnahme Einwendungen, die das Finanzamt gemäß § 330 Abs. 2 AO als unbegründet zurückwies. Auf die gegen das Leistungsgebot des Finanzamts vom 18. Oktober 1951 eingelegte Beschwerde stellte die Oberfinanzdirektion die zunächst mit in Anspruch genommene Ehefrau des Bf. von der Haftung frei, wies aber seine Beschwerde als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht bestätigte diese Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat ebenfalls keinen Erfolg.
Soweit sich der Bf. gegen seine bürgerlich-rechtliche Haftung als solche auf Grund der vom Finanzamt für gegeben erachteten Vermögensübernahme (§ 419 BGB) wendet, sind nach der Vorschrift des § 330 Abs. 2 Satz 2 AO für die Entscheidung die ordentlichen Gerichte (Zivilgerichte) zuständig. Das gleiche gilt nach § 330 Abs. 2 Satz 1 und 2 AO in Verbindung mit § 786 der Zivilprozeßordnung (ZPO), soweit der Bf. - durch den Hinweis auf die übernommenen Belastungen - eine Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögensobjekt herbeizuführen beabsichtigen sollte. Die Regelung des § 330 Abs. 2 AO hat ihre innere Berechtigung, weil die in Betracht kommende Verpflichtung zur Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten des verstorbenen Vaters ihre Grundlage in einer Bestimmung des bürgerlichen Rechts hat, über deren Voraussetzungen am zweckmäßigsten die ordentlichen Gerichte, die auf diesem Gebiete über die größere Erfahrung und Sachkunde verfügen, zu entscheiden haben.
Im übrigen lassen die in dem angefochtenen Urteil enthaltenen Ausführungen des Finanzgerichts, in denen es - ohne den ordentlichen Gerichten vorgreifen zu wollen - eine Vermögensübernahme durch den Bf. und seinen Bruder und damit eine Haftung für die Verbindlichkeiten des Vaters nach § 419 BGB bejaht, einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Die Entscheidung der weiteren Frage, ob sich die allgemeine Haftung aus § 419 BGB im besonderen auch auf die rechtskräftig gegenüber dem Vater festgesetzte Soforthilfeabgabe erstreckt, ist allerdings den Finanzbehörden vorbehalten, und ist insoweit auch der Rechtsmittelweg vor den Steuergerichten gegeben (vgl. auch Urteil des früheren Reichsgerichts VII 132/38 vom 3. März 1939, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1939 S. 721, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 160 S. 7 zu I der Urteilsgründe). Das Finanzgericht hat seine Zuständigkeit im Berufungsverfahren auf Grund der Generalklausel des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) in Verbindung mit dem Gutachten des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1951 S. 107) bejaht. Daher ist es im Endergebnis unerheblich, daß die Beschwerde - anstatt gemäß § 304 AO in Verbindung mit § 14 Abs. 5 Ziff. 1 der Beitreibungsordnung (BeitrO) zunächst an die Oberfinanzdirektion - nach § 18 c, § 21 Abs. 2 der Verordnung Nr. 175 über die Wiedererrichtung von Finanzgerichten unmittelbar an das Finanzgericht zur Entscheidung vorgelegt werden mußte, weil es sich bei den Maßnahmen nach § 330 AO um Verfügungen im Beitreibungsverfahren im Sinne des § 18 c der Verordnung Nr. 175 handelt. Die Kostenentscheidung trägt dem Umstande Rechnung, daß im Bereich der bisherigen britischen Zone die Einschaltung der Oberfinanzdirektion nicht erforderlich war.
Sachlich ist der von dem Bf. gegen das Urteil der Vorinstanz erhobene Einwand, er könne im besonderen für die Soforthilfeabgabe nicht in Anspruch genommen werden, nicht begründet. Grundsätzlich kennt das Soforthilfegesetz als solches allerdings - von zwei im Streitfalle nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - keine Haftung des Erwerbers von abgabepflichtigem Vermögen. Nach § 21 des Soforthilfegesetzes (SHG) gelten aber die Vorschriften der Reichsabgabenordnung und andere für Reichssteuern maßgebende Gesetze auch für die Soforthilfeabgabe. Nun stellt § 120 Abs. 1 AO klar, daß, wenn jemand nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Verbindlichkeiten eines anderen zu erfüllen, diese Verpflichtung auch für die Steuerschulden des anderen gilt. Da § 120 Abs. 1 ebenso wie § 330 AO nach § 21 SHG auch für die Verpflichtung zur Zahlung der Soforthilfeabgabe gelten, haben Personen, die die wesentlichen Vermögensgesamtheiten eines anderen durch Vertrag übernommen haben und deshalb nach der gesetzlichen Vorschrift des § 419 BGB für die Schulden des anderen haften, auch für die rechtskräftig festgesetzte Soforthilfeabgabe des anderen aufzukommen. Andernfalls würden die Beteiligten in der Lage sein, durch Vereinbarung von Vermögensübernahmen ihre für die Abgabepflicht in Betracht kommenden Vermögensobjekte - im Streitfalle den früher dem Vater des Bf. gehörenden Hof A - entgegen den Interessen der Allgemeinheit dem Zugriff der Steuerbehörde mit der Wirkung zu entziehen, daß jedenfalls die Inanspruchnahme wesentlich verzögert und dadurch zum Nachteil der durch den Krieg besonders betroffenen Volkskreise das Aufkommen aus dem Lastenausgleich beeinträchtigt würden.
Da die Entscheidung des Finanzgerichts auch sonst weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht einen Irrtum erkennen läßt, war sie zu bestätigen. Dabei war es - mit Rücksicht auf das inzwischen in Kraft getretene Lastenausgleichsgesetz - erforderlich, das Leistungsgebot des Finanzamts bis zur Bekanntgabe eines Bescheides über die Vermögensabgabe nach dem Lastenausgleichsgesetz zeitlich zu begrenzen und die Fälligkeitsdaten den Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes anzupassen (§§ 75, 49 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG -).
Abgesehen von der überleitungsvorschrift des § 75 LAG konnte die Anwendung von Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes, z. B. der Vorschrift des § 38 über die Zusammenveranlagung von Ehegatten, in diesem Rechtsmittelverfahren nicht in Betracht kommen, zumal sich das Leistungsgebot des Finanzamts noch auf das Soforthilfegesetz stützt. Daher bedurfte es auch keiner Prüfung, ob nicht - von der bürgerlich-rechtlichen Haftung nach § 419 BGB (§ 120 Abs. 1 AO) abgesehen - eine unmittelbare steuerrechtliche Haftung des Bf. aus § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG deshalb gegeben ist, weil es sich möglicherweise bei dem Hofüberlassungsvertrag um einen Erwerb handelt, bei dem die Gegenleistung mehr nach den persönlichen Beziehungen als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit bemessen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 407573 |
BStBl III 1953, 82 |
BFHE 1954, 209 |
BFHE 57, 209 |