Leitsatz (amtlich)
Das FG kann die Vollstreckung eines Kostenansatzes auch dann noch einstweilen aussetzen, wenn ein Beschwerdeverfahren wegen der Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes beim BFH anhängig ist.
Normenkette
FGO §§ 69, 131, 148, 150
Tatbestand
Die Kostenschuldnerin und Beschwerdeführerin (Kostenschuldnerin) hat gegen den Beschluß des FG vom 16. September 1971, mit dem ihre Erinnerung gegen die Gerichtskostenansätze vom 10. August 1971 zurückgewiesen wurde, Beschwerde an den BFH erhoben. Inhalt der angefochtenen Erinnerungsentscheidung des FG war die Ablehnung des Antrags der Kostenschuldnerin auf Aufhebung der Kostenansätze. Am 28. Oktober 1971 hat die Kostenschuldnerin beim FG beantragt, die Vollziehung der angefochtenen Kostenansätze gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO einstweilen auszusetzen. Das FG hat diesem Antrag nicht stattgegeben, weil die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung des Kostenansatzes keine vollziehbare Entscheidung im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO darstelle. Das FG hielt sich auch zu einer einstweiligen Aussetzung der Vollstreckung des Kostenansatzes gemäß § 148 Abs. 2 FGO nicht für befugt, da das Erinnerungsverfahren bereits abgeschlossen sei. Es vertrat die Auffassung, aus § 69 Abs. 3 FGO ergebe sich der allgemeine Verfahrensgrundsatz, daß Maßnahmen dieser Art nur von demjenigen Gericht angeordnet werden könnten, bei dem die eigentliche Streitfrage - hier die Frage nach der Richtigkeit des Kostenansatzes - zur Entscheidung anhängig sei. Das sei nach Einlegung der Beschwerde der BFH.
Mit der Beschwerde wird sinngemäß beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die angefochtenen Kostenansätze einstweilen auszusetzen.
Es wird geltend gemacht, das FG übersehe, daß die die Vollziehungswirkung ausübenden Kostenansätze von ihm selbst gemäß § 147 FGO erlassen worden seien. Zwar seien die Kostenansätze von der Geschäftsstelle des FG ausgefertigt worden, doch unterliege der Kostenbeamte der Dienstaufsicht und habe den Weisungen des aufsichtsführenden Richters sowie des Kostenprüfungsbeamten hinsichtlich des Kostenansatzes zu folgen.
Die nach § 148 FGO zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz sei nichts anderes als der Anstoß an das Gericht als Spruchkörper, die in einem vereinfachten Verfahren erlassene eigene Kostenfestsetzung zu überprüfen. Aus diesem Grunde sei auf die Erinnerung hin auch die gesamte Entscheidung nachzuprüfen, nicht nur die Posten, die in einer etwaigen Erinnerungsbegründung beanstandet worden seien. Die Erinnerung stelle im Ergebnis eine gesetzlich geregelte Gegenvorstellung dar. Da der Devolutiveffekt nicht gegeben sei, befinde sich die Kostensache bei eingelegter Erinnerung noch immer in der ersten Instanz des Kostenfestsetzungsverfahrens. Durch die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz werde die Kostenfestsetzung bestätigt. Die Entscheidung besitze kein Eigenleben, sondern könne nur im Zusammenhang mit dem Kostenansatz gesehen werden. Durch die Zurückweisung der Erinnerung werde die Vollziehungswirkung des Kostenansatzes bekräftigt.
Aus diesem Grunde sei das FG nach § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO zur Entscheidung über die einstweilige Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Kostenansätze berufen.
Für den Fall, daß das FG nach Ansicht des BFH nicht zur Entscheidung über den Aussetzungsantrag zuständig gewesen sei, werde gebeten, diese Beschwerde als Antrag an den BFH aufzufassen, gemäß § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO die Vollziehung der angefochtenen Kostenansätze einstweilen auszusetzen.
Entscheidungsgründe
Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Die Vorentscheidung ist im Kostenpunkt aufzuheben.
Die Kostenschuldnerin hat ihren Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung der Kostenansätze auf § 131 Abs. 1 Satz 2 FGO gestützt. Zutreffend hat die Vorinstanz ausgeführt, daß diese Vorschrift hier nicht zum Zuge kommen kann, weil sie sich nur auf die einstweilige Aussetzung der Vollstreckung einer angefochtenen Entscheidung bezieht, die das FG oder der Vorsitzende erlassen hat. Das wäre im Streitfalle die Vorentscheidung, mit der der Antrag der Kostenschuldnerin abgelehnt wurde, die Vollziehung der angefochtenen Kostenansätze einstweilen auszusetzen. Dieser ablehnende Beschluß des FG ist keine vollziehbare Entscheidung. Sie enthält keine Anordnung oder Feststellung, die durch Vollziehung erzwingbar wäre. Die Ablehnung trägt ihre Verwirklichung in sich selbst (vgl. Beschlüsse des BFH vom 18. Juli 1968 VII B 145-147/67, BFHE 93, 217, BStBl II 1968, 744, HFR 1968, 583, und vom 25. März 1971 II B 47/69, BFHE 101, 346, BStBl II 1971, 334, HFR 1971, 273).
Der Senat vermag jedoch nicht der Auffassung des FG zu folgen, daß es zur Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung der Kostenansätze gemäß § 148 Abs. 2 FGO nicht mehr befugt gewesen sei, weil das Erinnerungsverfahren abgeschlossen und die eigentliche Streitsache (Aufhebung der Kostenansätze) beim BFH anhängig gewesen sei. In § 148 Abs. 1 FGO wird gesagt, daß gegen den Kostenansatz die Erinnerung an das Gericht gegeben ist. Anschließend bestimmt Abs. 2, daß der Vorsitzende des Gerichts oder das Gericht anordnen kann, daß die Vollstreckung einstweilen auszusetzen ist. Es ist also offensichtlich in erster Linie an eine einstweilige Aussetzung der Vollstreckung während des Erinnerungsverfahrens gedacht, wie aus der systematischen Stellung des § 148 Abs. 2 FGO zu ersehen ist. Denn in Abs. 3 folgt dann die Regelung, daß das Gericht über die Erinnerung durch Beschluß entscheidet und daß dieser kostenfrei und grundsätzlich unanfechtbar ist. Gleichwohl ist der Senat der Ansicht, daß das FG einen Kostenansatz auch dann noch aussetzen kann, wenn der Streit über die Hauptsache (Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes) beim BFH anhängig ist, d. h. gemäß § 148 Abs. 3 FGO die Beschwerde gegen die Erinnerungsentscheidung vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist (vgl. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., Rdnr. 4 zu § 148). Nach § 147 FGO werden die Gebühren und die Auslagen des Gerichts bei dem Gericht des ersten Rechtszuges angesetzt, und zwar von dem Kostenbeamten der Geschäftsstelle. Der Kostanansatz stellt einen Justizverwaltungsakt dar. Ebenso wie eine Finanzbehörde gemäß § 69 Abs. 2 FGO die Vollziehung eines von ihr erlassenen Verwaltungsaktes aussetzen kann, wenn der Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bereits in der Klage- oder Revisionsinstanz schwebt, muß es dem FG möglich sein, die Vollstreckung eines Kostenansatzes einstweilen auszusetzen, auch wenn der Streit über die Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes im Beschwerdeverfahren vor dem BFH anhängig ist, jedenfalls solange noch kein Beschwerdeverfahren über die Ablehnung eines Aussetzungsantrages durch das FG beim BFH schwebt (vgl. auch Beschluß des BFH vom 6. August 1970 IV B 13/69, BFHE 100, 17, BStBl II 1970, 786, HFR 1970, 586). Die Vorinstanz konnte sich also für ihre vermeintliche Unzuständigkeit nicht auf einen sich aus § 69 Abs. 3 FGO ergebenden allgemeinen Verfahrensgrundsatz berufen, daß für derartige Maßnahmen das Gericht der Hauptsache, bei dem die eigentliche Streitfrage, hier die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Kostenansatzes, schwebe, zuständig sei. Im Streitfalle handelte es sich, wie gesagt, nicht um einen Verwaltungsakt einer anderen Behörde, sondern um einen Verwaltungsakt des Gerichts selbst.
Würden auch Justizverwaltungsakte von § 69 FGO erfaßt, so hätte es der Vorschrift des § 148 Abs. 2 FGO nicht bedurft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 150 FGO, nach dessen Satz 3 § 69 FGO sinngemäß für die Vollstreckung gilt. Hier kann es sich nur darum handeln, daß eine Aussetzung der Vollstreckung in Betracht kommt, wenn der Akt der Vollstreckung als solcher als unrechtmäßig angefochten wird, nicht die zu vollstrekkende Forderung (vgl. Becker-Riewald-Koch, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Anm. 4 zu § 150 FGO). Andernfalls wäre § 148 Abs. 2 FGO wiederum überflüssig.
Das FG hätte also den Antrag der Kostenschuldnerin auf einstweilige Einstellung der Vollstreckung nicht aus dem Grunde ablehnen dürfen, daß es zur Entscheidung darüber nicht mehr befugt sei. Da der Senat in seinem Beschluß VII B 104/71 vom heutigen Tage über die Beschwerde wegen der Rechtmäßigkeit der Kostensansätze entschieden hat, ist damit aber der Antrag auf einstweilige Aussetzung der Vollstreckung gegenstandslos geworden. Der Rechtsstreit hat sich in der Hauptsache erledigt. Die Vorentscheidung mußte im Kostenpunkt aufgehoben werden, weil es das FG aus unzutreffendem Grunde abgelehnt hat, über den Antrag sachlich zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 70186 |
BStBl II 1973, 498 |
BFHE 1973, 294 |