Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Verbrauchsteuern
Leitsatz (amtlich)
Das Eigentum an eingezogenen Gegenständen geht nur dann mit der Rechtskraft des Erkenntnisses auf den Bund über, wenn eine Bundesbehörde auf Einziehung erkannt hat. Maßgebend ist das Erkenntnis der Behörde erster Instanz.
Normenkette
AO § 415 S. 1, § 391; StGB § 41a; AO § 401/2; BrMonG § 123/5
Tatbestand
Der Bundesminister der Finanzen hat um ein Gutachten darüber gebeten, in welchem Sinne die Vorschrift des § 415 Satz 1 der Reichsabgabenordnung (AO) auszulegen ist; er hat hierzu folgendes ausgeführt:
"Die Reichsabgabenordnung bestimmte in § 425 alter Fassung (§ 460 neuer Fassung), daß Geldstrafen und Gegenstände, deren Einziehung im Verwaltungsverfahren ausgesprochen ist, dem Reich zufallen. Nach § 440 alter Fassung galt § 425 auch bei gerichtlich erkannten Strafen. In § 380 alter Fassung (§ 415 neuer Fassung) wurde bestimmt, daß in den Fällen, in denen auf Einziehung erkannt wird, das Eigentum an den eingezogenen Sachen mit der Rechtskraft des Erkenntnisses auf das Reich übergeht. Durch die Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930 (RGBl. I S. 517, Teil III, Kap. IV, Artikel I Nr. 77) wurde § 440 AO alter Fassung gestrichen. Dagegen ist die Bestimmung des § 415 Satz 1 AO (§ 380 alter Fassung) nicht gestrichen worden.
Bereits im Jahre 1932 sind Zweifel darüber entstanden, ob die Streichung des § 440 AO zur Folge hat, daß trotz des Bestehenbleibens des § 415 Satz 1 AO die Erlöse aus der Verwertung der in gerichtlich entschiedenen Zoll- und Verbrauchsteuerstrafsachen eingezogenen Gegenstände den Ländern zustehen. Der Reichsfinanzhof hat in seinem Gutachten vom 9. 7. 1932 (Reichszollblatt 1932, S. 432) die Auffassung vertreten, daß die genannten Erlöse trotz des § 415 AO denjenigen Ländern zustehen, deren Gerichte auf Einziehung erkannt haben. In übereinstimmung mit diesem Gutachten sind von 1932 bis zum übergang der Justizhoheit von den Ländern auf das Reich im Jahre 1935 die Erlöse an den Landesfiskus abgeführt worden. Durch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. 7. 1935 (Deutsche Justiz, Seite 1175) ist angeordnet worden, daß die Erlöse künftig bei der Reichsfinanzverwaltung zu verbleiben haben. Diese Regelung ist auf Grund des § 49 der Strafvollstreckungsordnung vom 7. 12. 1935 (Deutsche Justiz, Seite 1806) beibehalten worden.
Nach dem 8. Mai 1945 flossen die genannten Erlöse wiederum den Ländern zu, nachdem diese die Justizhoheit und auch die Zollverwaltung und die Verwaltung der Verbrauchsteuern wieder übernommen hatten. An dieser Lage änderte sich mit der Errichtung der Bundesrepublik zunächst nichts. Erst mit dem übergang der Verwaltung der Zölle und Verbrauchsteuern auf den Bund gemäß dem Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 (BGBl. I, Seite 448) sind vom Bund die Erlöse aus der Verwertung eingezogener Gegenstände als Bundeseinnahme behandelt worden, ohne daß hierüber besondere Verlautbarungen erlassen worden sind. Andererseits ist in einem Rundschreiben des Bundesministers der Finanzen vom 28. März 1951 (I H 1100 - 10/51)
---------------------------------- (III 0 3053 - 2/51) an die Justizminister und Justizsenatoren der Länder anläßlich einer Stellungnahme zur Frage der Belohnungen, die an Vertrauenspersonen für die Mitwirkung bei der Aufdeckung von Zoll- und Verbrauchsteuervergehen üblicherweise gezahlt werden, zum Ausdruck gebracht worden, daß der nach Abzug der Belohnungen verbleibende Rest der Verwertungserlöse als Haushaltseinnahmen den Ländern verbleibe.
Verschiedene Länder haben nunmehr die Abführung der Erlöse, die seitens der Zollverwaltung vereinnahmt worden sind, beansprucht."
Entscheidungsgründe
Zu dieser Frage nimmt der Senat wie folgt Stellung:
Zu prüfen ist zunächst, in welchem Verhältnis die §§ 440 und 425 AO a. F. zueinander standen.
Auszugehen ist von der Frage, ob Steuergeldstrafen und Gegenstände, die im Steuerstrafverfahren eingezogen werden, rechtsgrundsätzlich dem Steuerberechtigten als Geschädigten oder dem Staat als Träger der Justizhoheit zukommen; mit anderen Worten und in erweitertem Sinn: ob der durch eine Straftat Geschädigte Anspruch auf die Vermögenswerte hat, die dem Täter durch gerichtliches Urteil abgesprochen werden, ob also etwa auch der Betrogene (§ 263 des Strafgesetzbuchs - StGB -) die Geldstrafe für sich beanspruchen könnte, die dem Betrüger durch gerichtliches Urteil auferlegt worden ist.
Diese Frage muß verneint werden. Im Strafverfahren eingezogene Gegenstände gebühren ebenso wie Geldstrafen grundsätzlich dem Träger der Justizhoheit (Strafhoheit), anderen Stellen oder Personen, auch dem Geschädigten nur, soweit dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist. Die Vermögenswerte, die dem Täter im Strafverfahren entzogen werden, sind nicht dazu da, den durch die Straftat Geschädigten zu entschädigen, diesem steht ein Schadensersatzanspruch nach bürgerlichem Recht wegen unerlaubter Handlung oder statt dessen in Einzelfällen ein Anspruch auf Buße (§§ 188, 231 StGB) zu. In gleichem Sinne hat der durch Steuerbetrug geschädigte Steuerberechtigte Anspruch auf die Steuer, die durch den Steuerbetrug verkürzt worden ist, nach § 112 AO auch gegen den, der nicht Steuerschuldner ist, er hat aber nicht Anspruch auf die Geldstrafe oder die eingezogenen Gegenstände. So sagt auch die Begründung zum Entwurf eines Steueranspruchsgesetzes, zu Art. I Nr. 65 (Reichstags-Drucksache 1928 Nr. 568 S. 243 und Reichsrats-Drucksache 1930 Nr. 181 S. 69): "Es geht nicht an, das Aufkommen aus Steuergeldstrafen gewissermaßen als eine Erweiterung des Aufkommens aus der Steuer aufzufassen, etwa in ähnlicher Weise, wie die Steuerzinsen sich als eine Erweiterung der Steuern darstellen. Die Steuergeldstrafe steht nicht dem zu, zu dessen Gunsten die Steuer erhoben wird; sie fällt vielmehr dem zu, der Träger der Strafhoheit ist."
Nach dieser Rechtsauffassung erwies sich § 440 AO a. F. als eine Ausnahmevorschrift. Wenn diese Vorschrift durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. Dezember 1930 gestrichen, § 425 AO a. F. aber beibehalten wurde, so wurde hierdurch ein dem dargelegten Grundsatz entsprechender Rechtszustand hergestellt, indem fortan im gerichtlichen Steuerstrafverfahren eingezogene Gegenstände den Ländern als damaligen Trägern der Justizhoheit zukamen, während es bezüglich der im Verwaltungsstrafverfahren eingezogenen Gegenstände bei der Regelung des § 425 AO a. F. verbleiben konnte, weil die Finanzämter (Hauptzollämter), die die Einziehung aussprachen (§ 412 AO a. F.), Reichsbehörden waren, also insoweit auch die Strafhoheit für das Reich ausübten.
Demgegenüber konnte aus der unveränderten Aufrechterhaltung des § 380 AO a. F., wonach im Falle der Einziehung das Eigentum an den eingezogenen Gegenständen mit der Rechtskraft des Erkenntnisses "auf das Reich" überging, nichts Gegenteiliges gefolgert werden, wie dies schon der Große Senat des Reichsfinanzhofs in seinem Gutachten Gr.S. D 1/31 vom 9. Juli 1932 (Slg. Bd. 31 S. 315, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1932 S. 843, Reichszollblatt - RZBl. - 1932 S. 432, Kartei, AO 1931 § 415 Rechtsspr. 1 bis 3) eingehend dargelegt hat. Danach kam es bei der Vorschrift des § 380 Satz 1 AO a. F. in erster Linie darauf an, den Zeitpunkt und die Wirkung des Eigentumsübergangs gegenüber dem bisherigen Eigentümer und gegenüber den an den eingezogenen Gegenständen Berechtigten festzulegen; wenn die Begründung zum Gesetzentwurf der Reichsabgabenordnung von einem übergang des Eigentums auf den Fiskus spreche und im Gesetz an Stelle des farblosen Ausdrucks "Fiskus" das Reich als Erwerber bezeichnet worden sei, so habe dies nur eine Folgerung aus den Vorschriften der §§ 425 und 440 bedeutet, deren Vorhandensein gerade dafür sprach, daß der § 380 nur den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs klarlegen wollte. Den Worten "auf das Reich" in § 380 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. komme daher gegenüber dem ausgesprochenen Willen, die Sonderregelung des § 440 zu beseitigen, keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Dieser Auslegung des § 380 AO a. F. (§ 415 AO n. F.) schließt sich der Senat an. In der Folge wurde durch das Zweite Gesetz zur überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 5. Dezember 1934 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 1214) die staatliche Justiz auf das Reich übergeführt. Wenn hiernach die im gerichtlichen Steuerstrafverfahren eingezogenen Gegenstände dem Reich zukamen, so hatte dies darin seinen Grund, daß an die Stelle der Länder nunmehr das Reich als Träger der Justizhoheit getreten war. Eine Rückkehr zu einer Ausnahmeregelung im Sinne des § 440 AO a. F. war darin nicht zu erblicken. Der Grundsatz, daß gerichtlich eingezogene Gegenstände dem Träger der Justizhoheit und nicht anderen Stellen zukommen sollen, fand gerade damals noch besonderen Ausdruck in der Verordnung über die Vereinnahmung gerichtlich erkannter Geldstrafen vom 3. September 1936 (RGBl. I S. 715). Mit dieser Verordnung wurden - abgesehen von einer Ausnahme in § 2, die später aufgehoben wurde, siehe § 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. Februar 1940 (RGBl. I S. 391) -, Vorschriften des Reichs und der Länder, nach denen von den Strafgerichten rechtskräftig festgesetzte Geldstrafen und rechtskräftig eingezogene Gegenstände anderen Stellen als der Reichskasse gebührten, aufgehoben; vgl. hierzu Schäfer in Deutsche Justiz 1936 S. 1435 und die dort angeführten zahlreichen Stellen, die bis dahin Anspruch auf gerichtlich eingezogene Gegenstände hatten.
§ 49 der Strafvollstreckungsordnung vom 7. Dezember 1935 (Deutsche Justiz 1935 S. 1800, 1806) bestimmt nun allerdings wieder, daß die im gerichtlichen Verfahren wegen Steuerzuwiderhandlungen eingezogenen Gegenstände von den Dienststellen der Reichsfinanzverwaltung verwertet werden, und daß es einer Abführung des Erlöses an die Gerichtskasse nicht bedürfe; es handelte sich aber hierbei nur um eine auf reinen Erwägungen der Zweckmäßigkeit beruhende verwaltungsmäßige Regelung, wie sie vorher auch schon gegenüber den Ländern mit der Maßgabe bestanden hatte, daß der Erlös aus der Verwertung nach Abzug der Kosten der Verwertung und der auf den Gegenständen ruhenden Reichsabgaben an die Länder abgeführt werden sollte (Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Juli 1935 - H 2131 - 197 II -, RZBl. 1935 S. 331, Deutsche Justiz 1935 S. 1175). Die Regelung des § 49 der Strafvollstreckungsordnung konnte damals unbedenklich getroffen werden, weil Justizhoheit und Steuerhoheit in einer Hand vereinigt waren.
Mit dem Fortfall der Reichsgewalt im Jahre 1945 kamen, wie schon in der Anfrage des Bundesministers der Finanzen ausgeführt wird, die einzelnen Gegenstände oder der Erlös aus der Verwertung den Ländern zu, weil sie die Justizhoheit und die Steuerhoheit wieder übernommen hatten. Wenn Erlöse aus der Verwertung eingezogener Gegenstände auch noch nach dem gemäß dem Gesetz über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - S. 448) erfolgten übergang der Verwaltung der Zölle und Verbrauchsteuern auf den Bund der Bundeskasse zuflossen, so entsprach dies, soweit es sich um von Gerichten der Länder erkannte Einziehungen handelte, nicht dem oben dargelegten Grundsatz; denn nur die Steuerhoheit, nicht auch die Justizhoheit war auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern auf den Bund übergegangen (Art. 105 des Grundgesetzes - GG -); die Justizhoheit ist - abgesehen von den im Art. 92 GG genannten Bundesgerichten - bei den Ländern verblieben. Dieses Verfahren entsprach auch nicht der Reichsabgabenordnung, wie sie seit Streichung des § 440 a. F. auszulegen war und gemäß § 39 des Gesetzes über die Finanzverwaltung wieder anzuwenden ist. Auch jetzt kann dem § 415 Satz 1 AO n. F., der dem § 380 a. F. entspricht, keine andere Auslegung als seinerzeit gegeben werden. Der abweichenden Rechtsauffassung von Lenkewitz in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 1951 S. 203 kann aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.
Es gebühren also zur Zeit im gerichtlichen Steuerstrafverfahren eingezogene Gegenstände grundsätzlich den Ländern, und zwar dem Lande, dessen Gericht erster Instanz über die Einziehung geurteilt hat (vgl. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. IV S. 419).
Für das Verwaltungsstrafverfahren bestimmt § 11 Ab. 2 des Zweiten Gesetzes zur überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund (Zweites überleitungsgesetz) vom 21. August 1951 (BGBl. I S. 774), daß der Erlös aus der Verwertung wegen Steuervergehens eingezogener Gegenstände dem Bund zukommt, wenn das Verwaltungsstrafverfahren durch Bundesbehörden durchgeführt wird, dem Land, wenn es durch Landesbehörden durchgeführt wird. Diese Regelung wurde abweichend von der Regierungsvorlage getroffen, nach der die Steuerstrafen und eingezogenen Gegenstände dem Steuerberechtigten zukommen sollten (siehe Bundestags- Drucksache Nr. 2326/49 S. 3 zu § 10 und S. 11). Die Regelung nach der Regierungsvorlage hätte ein Abgehen von dem oben dargelegten Grundsatz bedeutet; demgegenüber hat der Bundestag am Grundsatz festgehalten (siehe Bundestags-Drucksache Nr. 2453/51 S. 4 und Bundestags-Verhandlung vom 10. Juli 1951 - Stenographische Berichte Bd. 8 S. 6394 B und C). Durch § 11 Abs. 2 des Zweiten überleitungsgesetzes ist nicht nur § 415, sondern auch § 460 AO für das Verwaltungsstrafverfahren seinem Wortlaut nach ausdrücklich berichtigt. Aber auch, soweit Gegenstände im gerichtlichen Strafverfahren eingezogen werden, muß es bei der Auslegung des § 415 AO, wie sie oben dargelegt ist, verbleiben. Daß der Wille des Gesetzgebers auf den Träger der Strafhoheit, nicht auf den Steuerberechtigten abstellt, ergibt sich aus den angeführten Verhandlungen im Bundestag vom 10. Juli 1951 und ebenso aus der Begründung zum Entwurf des Zweiten überleitungsgesetzes § 10 Abs. 2, wo ausdrücklich gesagt ist: "Soweit Steuerstrafen im gerichtlichen Verfahren verhängt werden, bleiben die Steuerstrafen den Ländern als den Trägern der Justizhoheit." Dies muß ebenso für eingezogene Gegenstände und den Erlös aus ihrer Verwertung gelten.
Was vorstehend zu § 415 AO gesagt ist, gilt in gleichem Maße für § 123 Abs. 5 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonGes.) in der Fassung des Gesetzes vom 25. März 1939 (RGBl. I S. 604), der inhaltlich mit § 415 Satz 1 AO übereinstimmt. Trotz des Umstands, daß die Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs dem Reich die eingezogenen Gegenstände nur zusprach, wenn Reichsbehörden auf die Einziehung erkannt hatten, konnte damals unbedenklich das Reich als einziger Einziehungsberechtigter bestimmt werden, weil Justizhoheit und Strafhoheit in einer Hand lagen; die Regelung bedeutete also kein Abgehen vom Grundgesetz. Nach änderung der staatsrechtlichen Verhältnisse kann aber § 123 Abs. 5 BranntwMonGes. nicht anders ausgelegt werden als § 415 AO.
Danach faßt der Senat sein Gutachten wie folgt zusammen:
§ 415 Satz 1 AO ist in dem Sinn auszulegen, daß das Eigentum an eingezogenen Gegenständen nur dann mit der Rechtskraft des Erkenntnisses auf den Bund übergeht, wenn eine Bundesbehörde auf Einziehung erkannt hat.
Fundstellen
BStBl III 1953, 42 |
BFHE 1954, 108 |
BFHE 57, 108 |
StRK, AO:415 R 1 |