Leitsatz (amtlich)
1. § 11 Nr.5 Buchst.a KStG 1968 ist nicht anzuwenden, wenn eine Sparkasse Spenden zu gemeinnützigen Zwecken in der Form einer Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 leistet.
2. Eine Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 ist anzunehmen, wenn eine Sparkasse den Teil des Jahresüberschusses gemäß § 27 Abs.5 SpkG NW gemeinnützigen Zwecken zuführt, auf dessen Auszahlung der Gewährträger zuvor verzichtete.
Orientierungssatz
1. Soweit der Senat in der Vergangenheit einen weiteren Standpunkt eingenommen hat, hält er daran nicht länger fest.
2. Die verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 ist lediglich ein Anwendungsfall des § 7 Satz 1 KStG 1968.
3. Parallelentscheidung: BFH, 1.2.1989, I R 325/83, NV.
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 S. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 6, § 11 Nr. 5 Buchst. a; SparkG NW § 27 Abs. 5; KStG 1968 § 11 Nr. 5a
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 13.03.1984; Aktenzeichen VI 1804/80 K) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine öffentlich-rechtliche Sparkasse. Ihr Gewährträger ist die Stadt X.
Streitjahr 1973
Mit Beschluß vom 27.Februar 1973 beschloß der Verwaltungsrat der Klägerin den Jahresüberschuß 1972 mit rd. 3 Mio DM. Am 20.März 1973 beschloß der Rat der Stadt X, einen Teilbetrag aus dem Jahresüberschuß 1972 in Höhe von 600 000 DM für gemeinnützige Zwecke zu verwenden und auf seine Auszahlung an den Gewährträger zu verzichten. Daraufhin beschloß der Verwaltungsrat der Klägerin am 14.Mai 1973, den Betrag in Höhe von 600 000 DM bestimmten gemeinnützigen Einrichtungen zuzuführen.
Daneben leistete die Klägerin im Jahre 1973 zu Lasten des laufenden Gewinns verschiedene Einzelspenden, die im Einzelfall den Betrag von 10 000 DM nicht überstiegen und sich insgesamt auf 85 482 DM beliefen.
Streitjahr 1974
Mit Beschluß vom 15.März 1974 wurde der Jahresabschluß 1973 der Klägerin mit rd. 4 Mio DM festgestellt. Nach dem Beschluß des Rates der Stadt X vom 16.Mai 1974 sollten davon 800 000 DM von der Klägerin unmittelbar an Dritte zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden. Noch in 1974 spendete deshalb die Klägerin gemäß dem Beschluß ihres Verwaltungsrates vom 20.September 1974 800 000 DM an gemeinnützige Einrichtungen.
Daneben leistete die Klägerin Einzelspenden zu Lasten des laufenden Gewinns, die in 1974 im Einzelfall 18 000 DM nicht überstiegen und sich insgesamt auf 150 924 DM beliefen.
Ein Teil der Empfänger der Spenden erhielt in den Streitjahren zusätzlich Zuschüsse der Stadt X. Den Zuschüssen lagen teilweise entsprechende Haushaltsansätze zugrunde. In einigen Fällen minderte die Stadt X bei der Bemessung der tatsächlichen Zuschußzahlungen den Ansatz laut Haushaltsplan, um die in dem jeweiligen Jahr von der Klägerin geleistete Spende. In anderen Fällen leistete sie einen nicht mit dem Haushaltsansatz übereinstimmenden Betrag.
Nach einer Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, daß die aus den jeweiligen Jahresüberschüssen gezahlten Spenden, soweit sie den Betrag der höchsten und zu Lasten des laufenden Gewinns verbuchten Einzelspende überstiegen, verdeckte Gewinnausschüttungen seien. Die Spendenempfänger seien zum Teil der Stadt X nahestehende Personen, zu einem anderen Teil liege eine mittelbare Zuwendung an die Stadt X vor, weil diese von eigenen öffentlich-rechtlichen finanziellen Verpflichtungen gegenüber den Spendenempfängern befreit worden sei. Entsprechend rechnete das FA in den geänderten Körperschaftsteuerbescheiden die Spenden dem Einkommen der Streitjahre wieder hinzu.
Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 514 veröffentlichten Urteil der Klage teilweise statt.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 6 Abs.1 und 11 Nr.5 Buchst.a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1968.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage auch abzuweisen, soweit die Spenden bestimmte näher bezeichnete Beträge übersteigen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie mit der Revision angefochten wurde, und zu einer Entscheidung des erkennenden Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 11 Nr.5 Buchst.a KStG 1968 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines nach § 1 Abs.1 Nr.6 KStG 1968 i.V.m. § 5 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) 1968 unbeschränkt steuerpflichtigen Betriebs gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Ausgaben zur Förderung der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke (§ 25 KStDV 1968) abzuziehen. Diese Rechtsfolge tritt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 5.Juni 1962 I 31/61 S, BFHE 75, 341, BStBl III 1962, 355; vom 3.Dezember 1963 I 121/62 U, BFHE 78, 206, BStBl III 1964, 81; vom 15.Mai 1968 I 158/63, BFHE 92, 444, BStBl II 1968, 629; vom 21.Januar 1970 I R 23/68, BFHE 98, 473, BStBl II 1970, 468; vom 19.Juni 1974 I R 94/71, BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586; vom 12.Oktober 1978 I R 149/75, BFHE 126, 396, BStBl II 1979, 192; vom 1.Dezember 1982 I R 101/79, BFHE 137, 171, BStBl II 1983, 150) hinter der der §§ 6 Abs.1 Satz 2 und 7 Satz 1 KStG 1968 zurück. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung für die Zeit ab dem 1.Januar 1977 dadurch bestätigt, daß nach § 9 Nr.3 KStG 1977 Spenden nur "vorbehaltlich des § 8 Abs.3" KStG 1977 bei der Einkommensermittlung abziehbar sind. Der Senat hält an dieser Auffassung auch für die Zeit vor dem 1.Januar 1977 fest. Sie ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des § 7 Satz 1 KStG 1968. Danach ist es für den gesamten Bereich der Einkommensermittlung ohne Bedeutung, ob Vermögen verteilt wird, das als Einkommen erfaßt wurde. Die Trennung zwischen der Gesellschafts- (Körperschaft) und der Gesellschaftersphäre (Gewährträger) muß danach auch bei der Hingabe von Spenden beachtet werden.
2. Der Senat hat allerdings in seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß das Verhältnis einer Sparkasse zu ihrem Gewährträger in mancher Beziehung Ähnlichkeit mit dem Verhältnis zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter habe und deshalb verdeckte Gewinnausschüttungen der Sparkasse an ihren Gewährträger möglich seien (vgl. BFHE 112, 494, BStBl II 1974, 586, m.w.N.). Er hat andererseits im Urteil vom 11.Februar 1987 I R 43/83 (BFHE 149, 217, BStBl II 1987, 643) die Auffassung vertreten, die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung setze die Beteiligung des Empfängers an der die Leistung gewährenden Körperschaft i.S. des § 20 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) voraus. Der Streitfall macht es nicht erforderlich, abschließend darüber zu entscheiden, ob der Senat an der zuletzt genannten Auffassung festhält. Da die verdeckte Gewinnausschüttung i.S. des § 6 Abs.1 Satz 2 KStG 1968 lediglich ein Anwendungsfall des § 7 Satz 1 KStG 1968 ist, greift die Rechtsfolge des § 11 Nr.5 Buchst.a KStG 1968 schon dann nicht ein, wenn die Sparkasse einem Dritten Spenden zu gemeinnützigen Zwecken im Wege einer Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 zuführt. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Einkommensverteilung --ggf. auch nur teilweise-- gleichzeitig als verdeckte Gewinnausschüttung darstellen sollte.
3. Eine Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 ist anzunehmen, wenn die Vertretung des Gewährträgers gemäß § 27 Abs.4 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen (SpkG NW) auf die Zuführung des ihm nach § 27 Abs.2 SpkG NW zustehenden Teiles des Jahresüberschusses verzichtet und deshalb der Verwaltungsrat der Sparkasse gemäß § 27 Abs.4 und 5 SpkG NW gehalten ist, den von der Vertretung des Gewährträgers festgesetzten Teil des Jahresüberschusses Dritten zu gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, falls die entsprechende Verfügungskompetenz nicht auf die Vertretung des Gewährträgers zurückfallen soll (vgl. Heinevetter, Kommentar zum Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen, 2.Aufl., § 27 Rdnr.4, m.w.N.). Im Rahmen der Beschlußfassung über die Verwendung des Jahresüberschusses der Sparkasse ist der Vertretung des Gewährträgers die Kompetenz für die Entscheidung darüber zugewiesen, ob überhaupt und bejahendenfalls welcher Teil des Jahresüberschusses innerhalb bestimmter gesetzlich geregelter Voraussetzungen gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden soll. Dabei kann die Vertretung des Gewährträgers auch im einzelnen die Verfügungskompetenz über den gemeinnützigen Zwecken zuzuführenden Teil des Jahresüberschusses für den Gewährträger beanspruchen (§ 27 Abs.2 und 5 Satz 1 SpkG NW). Beschließt die Vertretung eine entsprechende Zuführung an den Gewährträger, so ist steuerrechtlich eine "offene Einkommensverteilung" i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 anzunehmen. Verzichtet die Vertretung auf die Zuführung an den Gewährträger und überläßt sie (nur) die Bestimmung der zu begünstigenden Dritten dem Verwaltungsrat der Sparkasse, so gilt Entsprechendes. In diesem Fall wird --wie bei der Zuführung an den Gewährträger-- Vermögen verwendet, das zuvor als Jahresüberschuß und damit als Einkommen im steuerlichen Sinne ausgewiesen wurde. Die Entscheidungsbefugnisse des Verwaltungsrats der Sparkasse beschränken sich auf die Auswahl der zu begünstigenden Dritten und auf die Verteilung des von der Vertretung des Gewährträgers festgesetzten Betrages unter ihnen. § 27 Abs.5 SpkG NW schreibt für beide Fälle die Zuführung des von der Vertretung des Gewährträgers festgesetzten Teils des Jahresüberschusses zu gemeinnützigen Zwecken als Ausfluß der sozialen Aufgabenstellung der Sparkassen vor (vgl. Heinevetter, a.a.O., § 27 Rdnr.4, m.w.N.). Dann aber kann es für die steuerliche Behandlung keinen Unterschied machen, ob der Anspruch des Gewährträgers auf Auszahlung eines Teils des Jahresüberschusses entsteht und der Gewährträger den ihm zugeführten Betrag zu gemeinnützigen Zwecken verwendet oder ob die entsprechende Verwendungsbestimmung unmittelbar von dem Verwaltungsrat der Sparkasse getroffen wird, ohne daß ein Anspruch des Gewährträgers auf Zuführung entsteht. In beiden Fällen wird "dasselbe Einkommen" im Sinne einer Verteilung ausgekehrt. In beiden Fällen beruht die Verteilung des Einkommens auf einer gesetzlichen Regelung. Die gesetzliche Regelung tritt an die Stelle des für private Banken geltenden "Ausschüttungszwanges". Sie dient dem Ausgleich von Wettbewerbsvorteilen, die andernfalls die Sparkassen vor den privaten Banken hätten. Die gesetzliche Regelung entspricht im übrigen der durch den Verzicht auf Gewinnmaximierung gekennzeichneten sozialen Aufgabenstellung der Sparkassen. Gerade deshalb zwingt die einheitliche Zielsetzung der gesetzlichen Regelung dazu, Spenden, die i.S. von § 27 Abs.4 SpkG NW unter Verwendung des Jahresüberschusses von einer Sparkasse geleistet werden, als Einkommensverteilung i.S. des § 7 Satz 1 KStG 1968 zu behandeln. Soweit der Senat in der Vergangenheit einen weiteren Standpunkt eingenommen hat, hält er daran nicht länger fest.
4. Bezogen auf den Streitfall hat das FG in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs.2 FGO) in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Spenden, deren steuerliche Behandlung streitig ist, von der Klägerin ausschließlich aus dem Teil des Jahresüberschusses geleistet wurden, auf dessen Zuführung der Rat der Stadt X jeweils zuvor verzichtet hatte. Dieser Umstand löst bereits die Anwendung des § 7 Satz 1 KStG 1968 und damit die Nichtanwendung des § 11 Nr.5 Buchst.a KStG 1968 aus. Angesichts dieser Rechtslage kommt es nicht auf die vom FG in den Mittelpunkt seiner Entscheidung gestellte Frage an, ob und in welchem Umfang durch die Spenden finanzielle Verpflichtungen der Stadt X getilgt wurden.
5. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Aus diesem Grunde kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Der Senat kann die festzusetzende Körperschaftsteuer selbst ermitteln. Dabei ist er allerdings an den Antrag des FA im Revisionsverfahren gebunden (§ 121, § 96 Abs.1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 62791 |
BStBl II 1989, 471 |
BFHE 156, 145 |
BB 1989, 1176-1178 (LT1-2) |
DB 1989, 1061-1063 (LT) |
HFR 1989, 391 (LT) |