Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sind die auf Grund einer Ausfallbürgschaft von dem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH geleisteten Zahlungen Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen?
Normenkette
EStG §§ 9, 12, 33
Tatbestand
Der Bf. war einziger Gesellschafter einer GmbH und seit 1953 zugleich deren Geschäftsführer. Er bezog von der Gesellschaft Gehalt; Einkünfte aus Kapitalvermögen hatte er nur im Jahre 1953 in Höhe von 1.250 DM. über das Vermögen der GmbH wurde 1956 das Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses eröffnet, das am 17. November 1956 mit einem Vergleich endete, durch den das Gesellschaftsvermögen auf die Gläubiger der Gesellschaft übertragen wurde und der Bf. eine Ausfallbürgschaft für den Fall übernahm, daß die Gläubiger durch die Verwertung des Gesellschaftsvermögens nicht in Höhe von 70 v. H. ihrer Forderungen befriedigt würden. Der Bf. schied am 30. September 1956 aus dem Dienst der GmbH aus und wurde Assistenzarzt eines Krankenhauses. Auf Grund der Ausfallbürgschaft zahlte er im Jahre 1957 3.221 DM und 1958 weitere 8.600 DM. In der Einkommensteuererklärung für 1957 machte er die in diesem Jahr auf Grund der Bürgschaft gezahlten 3.221 DM bei den Einnahmen aus der Verpachtung des ihm persönlich gehörenden Werksgeländes als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.
Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen gleichfalls ab, da sie weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung noch bei denen aus Kapitalvermögen oder nichtselbständiger Arbeit seien und auch nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden könnten.
In der Rb. vertritt der Bf. die Auffassung, der streitige Betrag stände im Zusammenhang mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Er habe sich von den Gläubigern der GmbH den Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens als Geschäftsführer machen lassen müssen. Ende 1955 habe er erkannt, daß die Maschineneinrichtung der GmbH nicht mehr verwendungsfähig sei. Deshalb habe er damals Investitionen von 80.000 DM vorgenommen. Infolge eines auf seine russische Kriegsgefangenschaft zurückgehenden Leidens habe er sich dann jedoch dem Betrieb nicht genügend widmen können. Außerdem sei eine Drosselung der seinen Abnehmerkreis bildenden Bauwirtschaft hinzugekommen. Diese Umstände hätten schließlich zur Eröffnung des Vergleichsverfahrens geführt. Um den Vorwürfen der Gläubiger begegnen zu können, habe er sich zur übernahme der Ausfallbürgschaft entschließen müssen. Hierzu sei er außerdem durch die Erwägung veranlaßt worden, daß ein Konkurs der GmbH unbedingt vermieden werden müsse, da ihm sonst die Rückkehr zum Arztberuf erschwert gewesen wäre.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist in diesem Punkt nicht begründet.
In dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 45/60 U vom 14. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 20, Slg. Bd. 72 S. 50) wurde ausgeführt, daß ein Arbeitnehmer unter Umständen auch noch nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Aufwendungen machen muß, die auf das frühere Arbeitsverhältnis zurückzuführen sind und die deshalb nachträgliche Werbungskosten sein können. Das Finanzgericht hat dies für die streitige Aufwendung verneint. Das ist nicht zu beanstanden. Es mag sein, daß der Bf. durch eine unzweckmäßige Geschäftsführung den Zusammenbruch der GmbH mit herbeigeführt hat. Nach seiner Darstellung der Gründe, die zur Eröffnung des Vergleichsverfahrens geführt haben, kommen aber Schadensersatzansprüche der Gläubiger oder der GmbH gegen ihn nicht in Betracht; denn es dürfte sich allenfalls um Fehldispositionen gehandelt haben. Unter diesen Umständen liegt ein für die Annahme von Werbungskosten ausreichender Zusammenhang zwischen etwaigen Fehlinvestitionen und den auf Grund der Ausfallbürgschaft geleisteten Zahlungen nicht vor. Auch mit der jetzt vom Bf. ausgeübten Tätigkeit als Arzt hängen sie nicht so eng zusammen, daß sie als Werbungskosten in bezug auf die hierbei erzielten Einnahmen anzusehen sind (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 988/34 vom 17. April 1935, Steuer und Wirtschaft 1935 Teil II Nr. 343, und Urteil des Bundesfinanzhofs VI 159/59 U vom 21. April 1961, BStBl 1961 III S. 431).
Das Finanzgericht hat auch mit Recht verneint, daß die auf Grund der Bürgschaft geleisteten Zahlungen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind; denn wie zutreffend ausgeführt wurde, besteht kein Zusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und dem zum Privatvermögen des Bf. gehörenden und durch Verpachtung genutzten Werksgelände. Ebensowenig sind diese Aufwendungen Werbungskosten bei der Einkunftsart Kapitalvermögen. Die Bürgschaftsübernahme diente dem Abschluß eines Vergleichs. Die Verpflichtung wurde daher nicht übernommen zur Erzielung oder Erhaltung von Einkünften aus der GmbH, sondern zur Abwicklung des überschuldeten Gesellschaftsvermögens. Derartige ausschließlich mit dem Vermögen zusammenhängende Aufwendungen gehören jedoch nicht zu den Werbungskosten.
Als außergewöhnliche Belastung sind die Bürgschaftszahlungen auch nicht anzusehen. Das Finanzgericht hat die übernahme der Bürgschaft und damit auch die auf Grund dieser Verpflichtung geleisteten Zahlungen nicht als zwangsläufig angesehen. Dieser Beurteilung ist beizutreten. Hätte eine rechtliche oder moralische Verpflichtung wegen Verfehlungen oder schuldhafter Unterlassung des Bf. während seiner Geschäftsführerzeit bestanden, so wären die Bürgschaftszahlungen an die Gesellschaftsgläubiger nachträgliche Werbungskosten bei den Arbeitseinkünften. Da dies - wie oben ausgeführt - nicht anzunehmen ist, können die Bürgschaftsübernahme und demgemäß auch die auf ihr beruhenden Zahlungen nur als freiwillig angesehen werden. Damit fehlt es aber an der für die Anwendung des § 33 EStG erforderlichen Zwangsläufigkeit, so daß es einer Prüfung der übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht mehr bedarf.
Fundstellen
Haufe-Index 410312 |
BStBl III 1962, 63 |
BFHE 1962, 163 |
BFHE 74, 163 |