Leitsatz (amtlich)
Wird vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen bei Gründung einer AG die Bildung eines sog. Organisationsfonds verlangt, führt dies jedenfalls dann nicht zu einem Ausgabeaufgeld im Sinne des § 11 Nr. 1 a KStG a. F., wenn die Forderung zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, zu dem die sich aus dem Gesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3139) ergebenden Änderungen des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen (VAG) noch nicht wirksam waren.
Normenkette
KStG a.F. § 11 Nr. 1a
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde im Jahre 1964 gegründet. Sie ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der ... (Muttergesellschaft). Mit Schreiben vom 27. Januar 1964 wurde der Muttergesellschaft vom Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (Bundesaufsichtsamt) mitgeteilt, daß grundsätzlich bei neu zu gründenden Aktiengesellschaften ein Organisationsfonds in Höhe von 30 v. H. des Aktienkapitals gefordert werde. Unter Würdigung aller Umstände müßten jedoch mindestens 10 v. H. des Aktienkapitals gefordert werden. Laut Gründungsvertrag verpflichteten sich sämtliche Gründer, 10 v. H. des Nennbetrags der von ihnen übernommenen Aktien in Geld zu einem Organisationsfonds der Gesellschaft zu leisten. Die Leistung betrug somit X DM. Bezüglich dieser Zahlung zum Organisationsfonds verzichteten die Gründer ausdrücklich auf Rückzahlung, Verzinsung, Tilgung und Gewinnbeteiligung. Die Klägerin hat dementsprechend den Betrag von X DM in die Eröffnungsbilanz als Organisationsfonds eingestellt.
Die Gründungskosten der Klägerin entstanden in den Jahren 1964, 1965, 1966, 1970 und 1972. Die Klägerin hat die Gründungskosten jeweils als Betriebsausgaben behandelt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) hat gemäß § 11 Nr. 1 Buchst. a des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. den Abzug der Gründungskosten als Betriebsausgaben versagt, weil der Organisationsfonds ein Ausgabeaufgeld darstelle, mit dem die Gründungskosten zu verrechnen seien.
Der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt.
Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 11 Nr. 1 KStG a. F.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Gründungskosten bei der Ermittlung des Einkommens zum Abzug zugelassen. Dem Abzug stand § 11 Nr. 1 a KStG a. F. nicht entgegen, weil der Organisationsfonds nicht zu einem Ausgabeaufgeld führte.
Ausgabeaufgeld im Sinne des § 11 Nr. 1 a KStG a. F. ist die Differenz zwischen dem Nennbetrag der ausgegebenen Aktien und dem Ansatz der Werte in der Steuerbilanz der AG, die als Gegenleistung für die anläßlich der Gründung oder Kapitalerhöhung ausgegebenen Aktien anzusehen sind. Wird Vermögen in zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung oder Kapitalerhöhung zugeführt, führt dies bei einer AG nur dann zu einem Ausgabeaufgeld, wenn die Vermögensmehrung nach den aktienrechtlichen Bestimmungen in einer Rücklage zu berücksichtigen ist. Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte des § 11 Nr. 1 a KStG a. F. ergeben, daß nur der Mehrbetrag im Sinne dieser Definition als Ausgabeaufgeld angesehen werden kann. Auf den Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien weist der Wortlaut hin ("Ausgabe-"). Die Bestimmung kann daher nicht isoliert so verstanden werden, daß jede Vermögensmehrung, deren Ansatz den Nennbetrag der Aktien übersteigt, zu einem Ausgabeaufgeld führt. Dies hätte zur Folge, daß auch nicht von Aktionären veranlaßte Vermögensmehrungen zu einem Ausgabeaufgeld führen. Auch nicht jede von einem Aktionär bewirkte Vermögensmehrung bei einer AG kann zur Grundlage eines Ausgabeaufgelds gemacht werden. Damit würden auch verdeckte Einlagen, die nicht im Zusammenhang mit der Ausgabe von Aktien stehen, ein Ausgabeaufgeld ergeben (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Dezember 1977 I R 20/76, BFHE 124, 317, BStBl II 1978, 346). Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. Juli 1973 I R 88/71, BFHE 110, 129, BStBl II 1973, 790, und vom 14. Mai 1980 I R 138/77, BFHE 130, 509, BStBl II 1980, 600) gebietet es, die Frage, ob im Einzelfall der zu fordernde Zusammenhang mit der Ausgabe der Aktien im Sinne einer Gegenleistung besteht, jedenfalls für die AG davon abhängig zu machen, ob die Vermögensmehrung nach den handelsrechtlichen Bestimmungen in eine Rücklage zu stellen ist. Die Vorschrift des § 11 Nr. 1 a KStG a. F. stand im Zusammenhang mit § 262 des Handelsgesetzbuches (HGB) a. F., der übereinstimmend mit dem späteren § 130 Abs. 2 Nr. 2 des Aktiengesetzes (AktG 1937) bestimmte, daß in die gesetzliche Rücklage (Reservefonds) der Betrag einzustellen ist, der bei der Ausgabe von Aktien für einen höheren Betrag als den Nennbetrag über diesen und den Betrag der durch die Ausgabe entstehenden Kosten hinaus erzielt wird. Dabei war die AG -- wie in dem Urteil in BFHE 130, 509, BStBl II 1980, 600 ausgeführt ist -- nicht gezwungen, die Ausgabekosten zu Lasten des Gewinns zu buchen, sondern war berechtigt, insoweit die Einlage zu schmälern. Die steuerrechtliche Regelung beruht auf der Erwägung, daß die AG das steuerliche Einkommen insoweit nicht mindern soll, als sie berechtigt ist, die Kosten in der Weise zu behandeln, daß die zu bildende Rücklage um die Kosten gekürzt wird und die Kosten damit aus dem Betrag entnommen werden, um den der erzielte Betrag den Nennbetrag der ausgegebenen Aktien übersteigt. Nach diesem Zusammenhang mit der aktienrechtlichen Regelung erscheint es geboten, auch steuerlich nur diejenigen Vermögensmehrungen als Grundlage eines Aufgelds anzusehen, die nach dem AktG als Differenz zwischen dem bei der Ausgabe der Aktien für die Einlage anzusetzenden Betrag und dem Nennbetrag der ausgegebenen Aktien angesehen werden und damit Grundlage der Rücklagenbildung im Handelsrecht sind. Würden nämlich nach dem Steuerrecht Vermögensmehrungen über die handelsrechtliche Regelung hinaus für die Ermittlung des Ausgabeaufgelds herangezogen, käme es zu einer Versagung des Kostenabzugs auch insoweit, als handelsrechtlich keine Möglichkeit besteht, den Abzug zu Lasten einer Rücklage vorzunehmen. Gerade diese Möglichkeit war jedoch -- wie dargestellt -- Anlaß für die gesetzliche Regelung in § 11 Nr. 1 a KStG a. F., Ausgabekosten nur eingeschränkt zum Abzug beim Einkommen zuzulassen.
Der Senat kann für den Streitfall offenlassen, ob diese Überlegungen auch dann zum Zuge kommen, wenn Vermögensmehrungen in Form von Sacheinlagen im Zusammenhang mit der Ausgabe neuer Aktien in der Handelsbilanz und der Steuerbilanz mit unterschiedlichen Werten angesetzt werden mit der Folge, daß sich in der Steuerbilanz ein höheres Ausgabeaufgeld ergibt als in der Handelsbilanz. Mit dieser Auslegung des § 11 Nr. 1 a KStG a. F. setzt sich der Senat nicht mit seinen Ausführungen in dem Urteil in BFHE 130, 509, 516, BStBl II 1980, 600 in Widerspruch, das eine GmbH betraf. Soweit darin als Ausgabeaufgeld alles bezeichnet wurde, was einer AG über den Nennbetrag von Aktien hinaus zufließt, kann dieser Satz nicht isoliert gesehen werden. Das Urteil hatte sich nicht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine bestimmte Vermögensmehrung als noch im Zusammenhang mit der Ausgabe neuer Aktien stehend anzusehen ist. Dem Satz kommt daher nicht die allgemeine Bedeutung zu, die er hätte, wenn er nicht in dem Zusammenhang des entschiedenen Falles zu sehen wäre.
Auf der Grundlage dieser Auslegung des § 11 Nr. 1 a KStG a. F. führt der Organisationsfonds deshalb nicht zu einem Ausgabeaufgeld, weil die insoweit eingetretene Vermögensmehrung nach den aktienrechtlichen Bestimmungen nicht in eine Rücklage einzustellen war und damit bei der Ermittlung der Differenz zwischen dem erzielten Betrag und dem Nennbetrag der ausgegebenen Aktien nicht berücksichtigt war (vgl. § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937 und § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1965). Der Senat folgt insoweit der Ansicht der Rechtsprechung und des Schrifttums, die bezüglich des Organisationsfonds keinen Zwang annehmen, die entsprechenden Beträge in eine Rücklage einzustellen (vgl. Beschluß des Kammergerichts von 5. September 1927, Veröffentlichung des Reichsaufsichtsamts für Privatversicherung 1928 Nr. 1792 zu der in § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937 bzw. § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1965 entsprechenden Vorschrift des § 262 HGB a. F., sowie Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4.Aufl. 1968, § 150 AktG 1965 Anm. 20; Gadow/Heinichen, Aktiengesetz, Großkommentar, 2.Aufl., § 130 AktG 1937 Anm. 13; Mellerowicz in Großkommentar zum Aktiengesetz 1965, § 150 Anm. 17; Schlegelberger/Quassowski u. a., Aktiengesetz, Kommentar, 3.Aufl. 1939, § 130 Anm. 10; Prölss, Versicherungsaufsichtsgesetz, 7.Aufl., § 8 Anm. 12 A a). Als maßgebend sieht der Senat dabei die Überlegung des Kammergerichts an, wonach in die Rücklage nur Beträge einzustellen sind, die der Aktionär als solcher über die Ziffer des Grundkapitals hinaus einzuschießen sich verpflichtet. Es handelt sich um eine neben der Einlageverpflichtung übernommene Verpflichtung; der Beitrag zu dem Organisationsfonds ist daher nicht durch die Ausgabe der Aktien erzielt. Diese Überlegungen gelten sowohl für § 130 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1937 als auch für § 150 Abs. 2 Nr. 2 AktG 1965. Es kommt daher im Streitfall nicht darauf an, welche der genannten Bestimmungen Anwendung findet.
Für den Streitfall kann -- da für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung -- offenbleiben, welche Auswirkungen sich aus der Änderung des Gesetzes über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen durch das Gesetz zur Durchführung der Ersten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I. 3139) sowie aus § 9 Nr. 1 Buchst. a KStG 1977 ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 74584 |
BStBl II 1983, 339 |
BFHE 1982, 445 |