Leitsatz (amtlich)
Veräußert ein Gewerbetreibender während des Betriebsaufgabevorgangs den Restbestand der selbsterzeugten Waren, so können die Gewinne aus dieser Veräußerung zum begünstigten Aufgabegewinn gehören, wenn es sich --abweichend vom normalen Geschäftsgang-- um Lieferungen an Handelsvertreter handelt, die bisher den Verkauf der Erzeugnisse an Einzelhändler nur vermittelt hatten (Anschluß an BFH-Urteil vom 2.Juli 1981 IV R 136/79, BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1, 3, § 34 Abs. 1-2
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb eine Metallwarenfabrik. Die Produkte (Möbelfüße) wurden über mehrere Handelsvertreter vertrieben. Diese unterhielten Auslieferungsläger und verkauften von dort die Produkte im Auftrag, im Namen und auf Rechnung des Klägers an Eisenwaren- und Baubeschlagshändler sowie an Bastlerbedarfsgeschäfte. Die Handelsvertreter erhielten nach den vermittelten Umsätzen bemessene Provisionen. Anfang März 1982 teilte der Kläger den Handelsvertretern seinen Entschluß mit, das Unternehmen aufzugeben. Der Betrieb wurde im April 1982 eingestellt. Während der Handelsvertreter N den Warenbestand zurückgab, kauften die anderen Handelsvertreter dem Kläger die Bestände ab. Der Handelsvertreter Z kaufte noch Restbestände für 10 000 DM hinzu. Einen weiteren Posten verkaufte der Kläger an die Firma O, die bisher nicht zu seinen Kunden gehört hatte. Alle Verkäufe erfolgten im April 1982, und zwar zu "Ausverkaufspreisen". Dabei entstand ein Gewinn in Höhe von 64 234 DM, den der Kläger dem Gewinn aus der Aufgabe seines Betriebs hinzurechnete. In den nach Durchführung einer Betriebsprüfung gemäß § 164 Abs.2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheiden über Einkommen- und Gewerbesteuer rechnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Gewinn hingegen dem laufenden Gewinn zu, versagte bei der Einkommensteuer die Steuervergünstigungen gemäß §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und unterwarf den Gewinn der Gewerbesteuer.
Auf die Klage setzte das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer für das Streitjahr nach einem um 64 234 DM erhöhten begünstigten Aufgabegewinn und entsprechend verringerten laufenden Gewinn und die Gewerbesteuer auf 48 DM fest.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 16, 34 EStG und macht zur Begründung geltend: Das angefochtene Urteil stehe in Widerspruch zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25.Juni 1970 IV 350/64 (BFHE 99, 479, 481, BStBl II 1970, 719), wonach auch während und nach einer Betriebsaufgabe anfallende normale Geschäfte nicht den Aufgabegewinn berührten. Hier habe es sich um normale Geschäfte des Klägers gehandelt. Die Veräußerung der produzierten Artikel sei an Abnehmer nicht derselben Handelsstufe erfolgt. Da diese Geschäfte den bisherigen Geschäften des laufenden Betriebs entsprochen hätten, seien sie nicht begünstigt. Die Tatsache, daß die Kommissionäre (in Wahrheit handelt es sich um Handelsvertreter) hier in eigenem Namen auf eigene Rechnung erworben hätten, sei ohne Bedeutung. Denn es habe sich um den bisherigen Kreis der Abnehmer, damit um eine Abwicklung üblicher Geschäfte gehandelt. Ein dem Urteil des BFH vom 2.Juli 1981 IV R 136/79 (BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798) vergleichbarer Tatbestand (Rücklieferung an frühere Lieferanten) liege nicht vor. Entgegen der Ansicht von Streck (Zur Abgrenzung des laufenden vom begünstigten Gewinn bei der Betriebsaufgabe, Der Betrieb --DB-- 1975, 521), der eine Unterscheidung je nach Abnehmer ablehne, sei den Ausführungen des IV.Senats in seinem Urteil vom 25.Juni 1970 (a.a.O.) zu folgen, der zu Recht auf den Abnehmerkreis abstelle.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Bei der Veräußerung der Restbestände habe es sich nicht um normale Geschäfte gehandelt, da in den vergangenen Jahren die Artikel an Eisenwarenhandlungen, Baubeschlagshändler und Bastlerbedarfsgeschäfte zu Posten zwischen 100 DM und 1 000 DM veräußert worden seien. Mit diesen Verkäufen sei z.B. im Jahre 1981 ein Umsatz von 178 000 DM erziel worden; der Ausverkaufsumsatz im März und April 1982 an die fünf Abnehmer habe sich allein auf 132 000 DM belaufen. Schon allein hieraus ergebe sich, daß es sich bei dem angefallenen Gewinn um einen massiert anfallenden außerordentlichen Gewinn aus der Geschäftsaufgabe gehandelt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht angenommen, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Erzeugnisbestände bei der Einkommensteuer gemäß § 34 Abs.1, 2 i.V.m. § 16 Abs.1, 3 EStG steuerbegünstigt ist und nicht der Gewerbesteuer unterliegt.
1. a) Nach § 16 Abs.3 EStG gilt als Betriebsveräußerung auch die Aufgabe des Betriebs. Der Betriebsaufgabegewinn unterliegt danach ebenso wie der Betriebsveräußerungsgewinn der Einkommensteuer. Er genießt jedoch die Vergünstigungen nach §§ 16, 34 EStG und muß deshalb vom laufenden Gewinn abgegrenzt werden. Gewinne aus der Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern gehören nach § 16 Abs.3 Satz 2 EStG zum begünstigten Aufgabegewinn, wenn sie "im Rahmen der Aufgabe des Betriebs" veräußert werden.
b) Zum begünstigten Aufgabegewinn können auch Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, auch von Waren und/oder Erzeugnissen gehören. Das Gesetz schließt die Veräußerung von Umlaufgütern nicht schlechthin von der Einbeziehung in den Aufgabegewinn aus; es macht diese Einbeziehung nur davon abhängig, daß die Veräußerung "im Rahmen der Betriebsaufgabe" erfolgt. Der Senat hat hieraus schon im Urteil in BFHE 99, 479, 481, BStBl II 1970, 719 gefolgert, die Veräußerung der eigenen Produkte gehöre dann nicht zum begünstigten Aufgabegewinn, wenn die Veräußerung wie im bisherigen laufenden Betrieb an den bisherigen Kundenkreis erfolgt und insoweit die bisherige normale Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird. Diese Erwägung liegt auch dem Urteil des Senats vom 30.April 1987 IV R 72-73/84 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 16 Abs.3, Rechtsspruch 12) zugrunde, nach dem ein auf den Erwerb, die Erschließung und Veräußerung gerichteter Betrieb auch mit der Veräußerung des letzten Grundstücks einen laufenden Gewinn erzielt. Die Veräußerung erfolgt dann nicht im Rahmen der Betriebsaufgabe, sondern --wenn auch ggf. gleichzeitig mit der Betriebsaufgabe-- noch im Rahmen des laufenden Betriebs. Da es für die Zuordnung zum laufenden bzw. zum Aufgabegewinn auf den wirtschaftlichen Zusammenhang ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 19.Mai 1971 I R 46/70, BFHE 102, 380, BStBl II 1971, 688), können Geschäfte, mit denen die bisherige unternehmerische Tätigkeit im wesentlichen unverändert fortgeführt wird, nicht dem Aufgabevorgang zugerechnet werden.
c) In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der Senat indes im Urteil in BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798 entschieden, daß Gewinne aus der Veräußerung von Umlaufvermögen während des Betriebsaufgabevorgangs zum begünstigten Aufgabegewinn gehören können, wenn es sich um Rücklieferungen an frühere Lieferanten handelt, die nicht den Charakter einer normalen gewerblichen Tätigkeit haben. Maßgebend dafür war die Erwägung, daß mit Veräußerungsgeschäften dieser Art nicht die normale laufende Geschäftstätigkeit fortgesetzt wird. Die Waren seien nicht, wie es der normalen laufenden gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens entsprochen habe, an viele Kunden, sondern nur an zwei auf der gleichen Handelsstufe stehende Abnehmer veräußert worden.
d) Ähnlich liegen die Dinge auch im Streitfall. Im Streitfall hatte der Kläger im Rahmen seines laufenden Betriebs seine Erzeugnisse über mehrere Handelsvertreter an zahlreiche Einzelhandelsunternehmen veräußert. Die Handelsvertreter waren nicht die Abnehmer der Erzeugnisse des Klägers, sondern vermittelten lediglich deren Absatz an Einzelhändler. Die Veräußerung der noch vorhandenen Erzeugnisbestände an vier Handelsvertreter, und zwar in der Weise, daß nicht, wie im laufenden Betrieb, kleine Einzelposten, sondern jeweils der gesamte beim Handelsvertreter lagernde Bestand "zu Ausverkaufspreisen" verkauft wurde, erfolgte daher entgegen der Auffassung des FA nicht im Rahmen der laufenden normalen Geschäftstätigkeit, sondern in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe des Betriebs, im Sinne des Gesetzes somit "im Rahmen" der Aufgabe des Betriebs. Nichts anderes gilt für den Gewinn aus dem Verkauf an die Firma O, die bisher nicht zu den Kunden des Klägers gehört hatte und wie die Handelsvertreter "zum Ausverkaufspreis" beliefert wurde.
2. Da der streitige Gewinn nicht zum laufenden, sondern zum Betriebsaufgabegewinn gehörte, unterlag er auch nicht der Gewerbesteuer. Nach ständiger Rechtsprechung gehören Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs nicht zum Gewerbeertrag i.S. des § 7 des Gewerbesteuergesetzes (Urteil in BFHE 134, 23, BStBl II 1981, 798, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 62461 |
BStBl II 1989, 368 |
BFHE 155, 341 |
BFHE 1989, 341 |
BB 1989, 10371038 (LT1) |
DB 1989, 860-861 (LT) |
DStR 1989, 250 (KT) |
HFR 1989, 365 (LT) |