Leitsatz (amtlich)
1. Ein Bescheid über die Ablösung der Hypothekengewinnabgabe (§ 12 der 1. Abgaben DV-LA) kann unter denselben Voraussetzungen berichtigt werden wie ein Steuerbescheid.
2. Die Ablösung der Hypothekengewinnabgabe nach § 199 LAG ändert nichts an den gesetzlichen Fälligkeitsterminen der einzelnen Zins- und Tilgungsleistungen und hat auf die Verjährung der einzelnen Zins- und Tilgungsleistungen nach § 203 Abs. 3 LAG keinen Einfluß.
Normenkette
LAG §§ 199, 203 Abs. 3; 1. Abgaben DV-LA § 12
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Erbe seiner 1957 verstorbenen Ehefrau. Diese hatte am 2. April 1954 bei der beauftragten Stelle die Vollablösung der auf einem ihr gehörigen Grundstück lastenden Hypothekengewinnabgabe (HGA) beantragt. Sie hatte die von der beauftragten Stelle berechneten Ablösungsbeträge am 31. Juli 1954 bezahlt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) hatte daraufhin am 28. August 1954 Ablösungsbescheide für die vier auf dem Grundstück lastenden HGA-Schulden und außerdem am 22. Februar 1957 einen Abgabebescheid erlassen, in dem die vier Abgabeschulden festgesetzt, aber wegen der Ablösung keine Leistungen mehr gefordert wurden. Im Jahr 1959 stellte die OFD bei einer Geschäftsprüfung fest, daß die Ablösungsbescheide wegen Ansatzes eines zu kurzen Ablösungszeitraums fehlerhaft waren, und ordnete die Berichtigung der Fehler nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO an. Das FA erließ am 19./24. April 1961 berichtigte Ablösungsbescheide, in denen die bisherige Vollablösung als Teilablösung behandelt wurde, und einen berichtigten Abgabebescheid, in dem wegen der Berichtigung der Vollablösung in eine Teilablösung noch zu erbringende Halbjahresleistungen auf die vier Abgabeschulden festgesetzt und die bis dahin fällig gewordenen Beträge angefordert wurden. Der Einspruch gegen diese berichtigten Bescheide hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen.
Der Kläger beantragt mit der Revision, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und die berichtigten Ablösungs- und Abgabebescheide aufzuheben. Es wird Verletzung des bestehenden Rechts gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Die Auffassung des FG, es gebe keine Verjährung der Abgabeschuld selbst, sei unrichtig. Das gleiche gelte für die Auffassung des FG, daß wegen des Charakters der Ablösung der Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der einzelnen Leistungen nicht berührt werde. Die Ablösungsbescheide gälten als Steuerbescheide, so daß die durch diese Bescheide rechtskräftig veranlagten Ablösungsbeträge der Verjährung unterlägen. Die Verjährungsfrist habe deshalb am 1. Januar 1955 begonnen und am 31. Dezember 1959 geendet. Die Anwendung des § 203 Abs. 3 LAG auf die veranlagten Ablösungsbeträge sei nicht möglich. Auch eine Unterbrechung der Verjährung liege nicht vor. Zudem sei die Berichtigung der Ablösungsbescheide nach über sechs Jahren ein Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Berichtigung sowohl der Ablösungsbescheide als auch des Abgabebescheids nach § 222 Abs. 1 Nr. 3 AO zulässig war. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die Lastenausgleichsabgaben bejaht (vgl. für die HGA Urteil des BFH vom 26. Juni 1970 III R 56/69, BFHE 100, 9, BStBl II 1970, 769). Diese ständige Rechtsprechung ist vom BVerfG in dem Beschluß vom 3. November 1965 2 BvR 246/62 u. a. (BVerfGE 19, 166, BStBl I 1966, 181) aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet worden. Es bestehen auch keine Bedenken gegen eine Berichtigung der Ablösungsbescheide, weil diese Bescheide nach § 12 Abs. 3 der 1. AbgabenDV-LA als Steuerbescheide im Sinne der AO gelten und deshalb auch unter denselben Voraussetzungen wie Steuerbescheide berichtigt werden können. Gegen die festgestellten Fehler sind vom Kläger keine Einwendungen erhoben worden. Es ergeben sich in dieser Richtung nach der Aktenlage auch keine Bedenken.
2. Das FG ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß es bei den Lastenausgleichsabgaben neben der in § 203 Abs. 3 LAG geregelten Verjährung der einzelnen Zins- und Tilgungsleistungen keine Verjährung des ganzen Abgabeanspruchs gibt. Auch diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1964 III 355/61 U, BFHE 80, 108, BStBl III 1964, 512), an der der Senat auch im vorliegenden Fall festhält. Deshalb könnte überhaupt nur eine Verjährung der in den Jahren 1954 und 1955 fällig gewordenen Zins- und Tilgungsleistungen in Betracht kommen, weil die in den späteren Jahren fällig gewordenen Leistungen bei Erlaß der Berichtigungsbescheide noch nicht verjährt waren. Eine Verjährung der in den Jahren 1954 und 1955 fällig gewordenen Leistungen war aber deswegen beim Erlaß der Berichtigungsbescheide noch nicht eingetreten, weil die Verjährung, wie das FG richtig erkannt hat, durch den Erlaß des Abgabebescheids vom 22. Februar 1957 unterbrochen worden war. Diese Unterbrechung hatte nach § 147 Abs. 2 AO die Wirkung, daß mit dem Ablauf des 31. Dezember 1957 eine neue Verjährung begann, die im Jahre 1961 noch nicht abgelaufen war.
3. Der Senat billigt auch die Auffassung des FG, daß sich an den gesetzlichen Fälligkeitsterminen der einzelnen Zins- und Tilgungsleistungen durch eine Ablösung nach § 199 LAG nichts ändert. Auch diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Senats. Der Senat hat in dem Urteil vom 25. August 1967 III 157/64 (BFHE 91, 289, BStBl II 1968, 325) ausgeführt, daß die Ablösung keine Maßnahme der Verwaltungsbehörde, sondern ein einseitiger Akt des Abgabepflichtigen sei, der aus der Entrichtung des Geldbetrages und der Mitteilung nach § 11 der 1. AbgabenDV-LA bestehe. Ihrer Rechtsnatur nach sei die Ablösung eine vom Gesetz vorgesehene vorzeitige Erfüllung der Abgabeschuld. Der Ablösungsbescheid sei nichts anderes als die in die Form eines Steuerbescheids gekleidete Registrierung dessen, was von seiten des Abgabepflichtigen zur vorzeitigen Erfüllung seiner Abgabeschuld veranlaßt und nach den gesetzlichen Bestimmungen erzielt worden sei. Ihm komme keinerlei konstitutive Bedeutung zu. Die Ablösung könne nicht mit anderen "Vorzeitzahlungen" verglichen werden. Denn wenn eine Abgabe vor ihrer Fälligkeit bezahlt werde, so geschehe das doch im Hinblick auf die demnächst eintretende Fälligkeit, auch ändere sich an den übrigen Fälligkeitsterminen nichts. Die Vollablösung kenne keine Fälligkeit des Ablösungsbetrags, sondern nur den in den allgemeinen Willen und das Ermessen des Abgabepflichtigen gestellten Ablösungstermin. Der Senat verbleibt auch im vorliegenden Fall bei dieser Rechtsauffassung. Es liegt keine "Veranlagung" des Ablösungsbetrags vor, mit dem eine Verjährung dieses Betrags beginnen könnte.
4. Dem FG ist schließlich auch darin zuzustimmen. daß der Erlaß der Berichtigungsbescheide nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Der Senat hat in dem Urteil III R 56/69 einen Verstoß gegen Treu und Glauben sogar in einem Falle verneint, in dem die Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde vom FA angeregt war, und es für allein entscheidend angesehen, daß die Aufsichtsbehörde von sich aus darüber entscheide, daß ein Fehler vorliegt, und sie dementsprechend das FA anweise, einen Berichtigungsbescheid zu erlassen. Das sei die logische Folge des Gebots an die Verwaltung, für eine richtige Besteuerung zu sorgen, was nur bei zutreffender rechtlicher Beurteilung möglich sei. An dieser Auffassung hält der Senat ebenfalls im Streitfall fest. In der Vornahme der Berichtigungen durch das FA kann deshalb kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben erblickt werden. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, ob im vorliegenden Fall Billigkeitsmaßnahmen gerechtfertigt sind.
Fundstellen
Haufe-Index 70384 |
BStBl II 1973, 414 |
BFHE 1973, 555 |