Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbrauchsteuern Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die nach § 99 Abs. 1 TabStG zinslos gestundete, nach § 99 Abs. 6 a. a. O. zu erlassende Tabaksteuer kann bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 nicht als Betriebsschuld abgezogen werden.
Normenkette
TabStG § 99; BewG § 62 Abs. 1, § 103/1
Tatbestand
Streitig ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 gemäß § 99 Abs. 1 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) vom 6. Mai 1953 (BGBl I S. 169) zinslos gestundete und nach § 99 Abs. 6 a. a. O. zu erlassende Beträge an Tabaksteuer zu berücksichtigen sind. Die Beschwerdegegnerin (Bgin.) hat in ihre Vermögensaufstellung für den 1. Januar 1954 eine in der Erfolgsbilanz zum 31. Dezember 1953 ausgewiesene Schuld "gestundete Banderolen" in Höhe von ... DM als Betriebsschuld übernommen. Dieser Abzug wurde vom Finanzamt bei Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 nicht zugelassen. Hierbei stützte sich das Finanzamt auf eine Verwaltungsanweisung des Landesfinanzministers, die ihrerseits auf dem Ergebnis der Besprechung der Bewertungsreferenten der Länder vom 23. Juni 1955 (Der Betriebs-Berater 1955 S. 726) beruhte. In der Anordnung war folgendes ausgeführt worden: Das TabStG bestimme in § 99, welche Beträge an Tabaksteuerrückständen mit Aussicht auf Erlaß weiter gestundet werden sollten. Diese gestundeten Rückstände würden in jeweils gleichen Teilbeträgen - auf fünf Jahre verteilt - erlassen. Da diese Aufteilung in fünf Teilerlasse aber nur bilanzrechtliche und ertragsteuerliche Gründe habe, brauche keines der betreffenden Unternehmen mehr mit einer Bezahlung zu rechnen. Es sei daher bei Wertfortschreibungen des Einheitswerts des Betriebsvermögens eines solchen Unternehmens auf den 1. Januar 1954 usw. der Abzug eines Schuldpostens nicht mehr zulässig. Die gestundeten Tabaksteuerrückstände bildeten nach vermögensteuerlichen Grundsätzen keine wirtschaftliche Belastung mehr. In dem Einspruch wurde beantragt, den nach § 99 Abs. 1, 6 TabStG am 1. Januar 1954 noch nicht erlassenen Teil von 4/5 des gestundeten Tabaksteuerbetrages in voller Höhe zum Abzug vom Rohvermögen zuzulassen und den bereits erlassenen Teil von 1/5 wegen der ertragsteuerlichen Nachbelastung höchstens mit einem Teilwert von 50 v. H. zu berücksichtigen. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der in der Berufung gestellte Antrag deckt sich im wesentlichen mit dem Einspruchsbegehren. Es wurde lediglich eine Teilwertbewertung von ca. 70 v. H. des erlassenen Teilbetrages von 1/5 statt bisher 50 v. H. begehrt. Das Finanzgericht hat den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1954 auf X DM herabgesetzt. Das angefochtene Urteil beruht auf folgenden Erwägungen: Der am 31. Dezember 1953 bestehende rückständige Tabaksteuerbetrag sei eine unverzinsliche, befristete Geldschuld gewesen, die am 1. Januar 1954 nach § 99 TabStG zu 1/5 endgültig erloschen sei. Von dem verbleibenden Betrag seinen am 1. Januar 1954, 1955, 1956, 1957 und 1958 je ... DM weiterhin geschuldet worden.
Bei Bewertung der Tabaksteuerschuld zum 1. Januar 1954 nach Hilfstafel 1 zu § 14 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergäben sich folgende Wertansätze: ...
Mit dem sich ergebenden Gesamtbetrage sei an sich die Tabaksteuerschuld bei Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1954 anzusetzen. Danach ergebe sich ein Einheitswert von X DM. Das Finanzgericht hat weiter geprüft, ob der so ermittelte Betrag der Tabaksteuerschuld außer Ansatz zu lassen sei, weil der Schuldner bereits am Stichtage mit Sicherheit mit dem Erlaß des Schuldbetrages habe rechnen können. Das Finanzgericht bejaht an sich, daß die Tabaksteuerschuld am Stichtage und später keine vermögensmindernde Wirkung gehabt habe. Gleichwohl hat es den Abzug der Tabaksteuerschuld für den Stichtag in dem von ihm ermittelten Umfange zugelassen, da es der Auffassung ist, daß eine Nichtberücksichtigung der Tabaksteuerschuld im Widerspruch mit Gesamtinhalt, Sinn und Zweck des § 99 TabStG stehen würde.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wird rechtsirrtümliche Auslegung des § 99 TabStG und des § 62 Abs. 1 BewG gerügt. Das Finanzgericht habe zu Unrecht die vom Gesetzgeber des TabStG für die Ertragsteuerbilanzen zugelassene Billigkeitsregelung auf das Gebiet der Einheitsbewertung und Vermögensteuer ausgedehnt. Auf die Urteile der Finanzgerichte Karlsruhe I 56/56 vom 21. September 1956 und München III 124/56 vom 26. Juli 1957 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1958 S. 81), in denen der Abzug der Tabaksteuerschuld bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens abgelehnt worden ist, wurde hingewiesen. Die Bgin. hat an ihrer Auffassung über die Berechtigung des geltend gemachten Abzuges festgehalten. Nach ihrer Meinung habe der Erlaß von 4/5 der Tabaksteuerschuld am Stichtage noch nicht festgestanden. Der Wille des Gesetzgebers sei dahin gegangen, die Belastung der Tabakindustrie mit Besitz und Verkehrsteuern, die sich aus dem Erlaß der Tabaksteuerbeträge ergeben würde, soweit als möglich zu mildern.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Mit Recht hat das Finanzgericht darauf hingewiesen, daß eine nur formal bestehende Verbindlichkeit bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens unbeachtlich sei, wenn der Schuldner bereits am Stichtage mit Sicherheit habe annehmen können, daß er sie nicht zu erfüllen brauche (Urteil des Bundesfinanzhofs III 9/54 S vom 5. November 1954, BStBl 1954 III S. 381, Slg. Bd. 59 S. 447). Das Finanzgericht hat auch weiterhin zutreffend ausgeführt, daß die Tabaksteuerschuld hiernach am Stichtage keine vermögensmindernde Wirkung auf das Betriebsvermögen ausüben konnte. Den dennoch zugelassenen Abzug glaubt das Finanzgericht mit Sinn und Zweck des § 99 TabStG rechtfertigen zu können. Hierin kann ihm nicht gefolgt werden. Den Unternehmen der Tabakindustrie wurden gemäß § 99 Abs. 1 TabStG Tabaksteuerbeträge, für die seit dem 31. Oktober 1951 ein fortlaufender allgemeiner Vollstreckungsaufschub gewährt worden war, in näher bezeichnetem Umfange zinslos gestundet und nach Maßgabe des Abs. 6 erlassen. Nach § 99 Abs. 6 TabStG wurden die mit der Aussicht auf Erlaß gestundeten Beträge in Höhe von 20 v. H. jeweils zu Beginn eines Kalenderjahres, erstmalig zu Beginn des Kalenderjahres 1954, erlassen. Diese Beträge konnten vom Bundesminister der Finanzen oder der von ihm ermächtigten Stelle auch ganz oder teilweise bereits im Kalenderjahre 1953 erlassen werden, wenn ein dringendes Bedürfnis vorlag und der Hersteller es beantragte. In der Bundestagsdrucksache Nr. 3861 (Deutscher Bundestag I. Wahlperiode 1949) ist auf das Ergebnis von Betriebsprüfungen hingewiesen, nach denen die Inhaber gewisser Betriebe der Tabakindustrie, insbesondere von Kleinbetrieben, nicht in der Lage gewesen seien, die ab 31. Oktober 1951 infolge fortlaufend gewährten Vollstreckungsaufschubes rückständigen Tabaksteuerbeträge zu zahlen. Daher sollten Erlasse in gewissem Ausmaß erfolgen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß, Deutscher Bundestag I. Wahlperiode 1949, Bundestagsdrucksache Nr. 4182) hat sich eingehend mit dem allgemeinen Vollstreckungsaufschub befaßt, der der Industrie seit dem 31. Oktober 1951 gewährt worden war, und dem Regierungsentwurf zugestimmt, der eine schematische Regelung für die Abzahlung der aufgeschobenen Beträge vorsah. Der Ausschuß erklärte jedoch, wenn sich infolge der Erlaßregelung in einzelnen Fällen Gewinne ergeben sollten, müßten diese bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer erfaßt werden. Hiernach spricht nichts dafür, daß über den im § 99 Abs. 6 TabStG vorgesehenen Erlaß der nach § 99 Abs. 1 a. a. O. seit dem 31. Oktober 1951 mit Vollstreckungsaufschub ausgestatteten zinslos gestundeten Beträge hinaus noch weitere Steuervergünstigungen, insbesondere auch solche auf anderen steuerlichen Gebieten, gewährt oder zugesichert werden sollten. Insbesondere fehlt es an jeder Begründung dafür, daß die sich aus dem Erlaß der Tabaksteuerschuld bei der Einheitsbewertung ergebende Folge (Nichtberücksichtigung des Schuldabzuges vom Rohvermögen) nicht eintreten dürfe oder beseitigt werden solle. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts kann nicht gefolgt werden. Durch die im § 99 Abs. 6 TabStG vorgenommene Erlaßregelung sollte erreicht werden, daß die Hersteller die Ertragsteuern für die buchmäßigen Gewinne, die durch den Erlaß im allgemeinen entstehen, nicht auf einmal entrichten müßten. So auch Schröter (TabStG § 99 Anm. 4). Hieraus läßt sich aber nicht, wie es das Finanzgericht getan hat, der Schluß ziehen, der Gesetzgeber des TabStG habe die Belastung der Tabakindustrie mit Besitz- und Ertragsteuern, die infolge des Steuererlasses eintreten würde, allgemein soweit als möglich mildern wollen. Es kann auch nicht zugegeben werden, daß eine unterschiedliche Behandlung der mit dem Erlaß zusammenhängenden Fragen bei Ertragsteuern und Einheitsbewertung unverständlich sein würde. Aus der getroffenen Regelung ist vielmehr zu schließen, daß es der Gesetzgeber bei dem Erlaß der Tabaksteuerschuld und der Verhinderung der Auswirkung des sofortigen Gesamterlasses auf die Einkommensteuer und Körperschaftsteuer bewenden lassen wollte, ohne auch für die Einheitsbewertung und Vermögensteuer eine besondere Regelung zu treffen, zumal sich die vermögensteuerliche Belastung wegen Fehlens der Progression viel weniger auswirkt als die Belastung mit Ertragsteuern. Hiernach war der vom Finanzgericht vorgenommene Schuldabzug nicht gerechtfertigt. Auch eine Rückstellung für später anfallende Ertragsteuern auf den Stichtag ist nicht zulässig (Urteil des Bundesfinanzhofs III 133 und 134/55 S vom 26. August 1955, BStBl 1955 III S. 278, Slg. Bd. 61 S. 207). Das angefochtene Urteil war wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Berufung der Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung war als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409347 |
BStBl III 1959, 300 |
BFHE 1960, 97 |
BFHE 69, 97 |