Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, daß mit Bebauung eines unbebauten Grundstücks in absehbarer Zeit zu rechnen (nicht zu rechnen) ist, betrifft die tatsächlichen Verhältnisse der Grundstücke.
Ist eine unbebaute Grundstücksfläche 1935 als Bauland bewertet, auf den Beginn des Jahres 1946 jedoch wegen Unwahrscheinlichkeit der Bebauung auf absehbare Zeit nicht mehr als Bauland angesehen worden, so können die Verhältnisse am 21. Juni 1948 wiederum die Bejahung des Baulandcharakters rechtfertigen.
Der Antrag des Grundstückseigentümers auf Vornahme der Wertfortschreibung auf einen bestimmten Feststellungszeitpunkt schließt die Wertfortschreibung von Amts wegen auf einen früheren Zeitpunkt als beantragt nicht aus.
Normenkette
BewG § 51 Abs. 2, § 69/1; AO § 225a; FortschrG § 4
Tatbestand
Streitig ist die Wertfortschreibung für das unbebaute Grundstück der Beschwerdeführerin (Bfin.) auf den 21. Juni 1948. Das 1611 qm große Grundstück war am 1. Januar 1935 unbestritten Bauland. Bei der Einheitsbewertung 1935 wurde der qm mit 23 RM angesetzt, der Einheitswert betrug danach 37.100 RM. Im Oktober 1946 beantragte die Bfin. Herabsetzung des Einheitswertes, da bei Berücksichtigung der Zeitverhältnisse von Anfang 1946 mit einer Bebauung des Grundstücks auf absehbare Zeit nicht gerechnet werden könne. Das Finanzamt gab dem Antrag statt und schrieb den Einheitswert für das unbebaute Grundstück für den 1. Januar 1946 auf 6.400 RM fort, wobei es nunmehr den qm mit 4 RM bewertete. Im September 1951 beantragte die Bfin., den Einheitswert des Grundstücks ab 1. Januar 1952 zu erhöhen, da es infolge der anlaufenden Bebauung wieder Bauland geworden sei. Die Wertfortschreibung wurde vorgenommen, jedoch schon mit Wirkung vom 21. Juni 1948 an. Die Bfin. bekämpft lediglich die Vornahme der Wertfortschreibung auf diesen Zeitpunkt anstatt des von ihr beantragten 1. Januar 1952. Einspruch und Berufung waren insoweit erfolglos.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann nicht zum Erfolg führen.
Es handelt sich um eine Wertfortschreibung nach § 4 des Fortschreibungsgesetzes vom 10. März 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets - WiGBl. - S. 25). Voraussetzung für die Vornahme der Wertfortschreibung ist in diesem Falle, daß der auf den 21. Juni 1948 ermittelte Wert von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes um mehr als 1/5, mindestens aber um 500 DM oder um mehr als 200.000 DM abweicht. Die Abweichung kann auf einer änderung der tatsächlichen Verhältnisse oder auch darauf beruhen, daß die Einheitsbewertung auf den letzten vorangegangenen Feststellungszeitpunkt fehlerhaft war. Für die Wertermittlung sind die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1935 zugrunde zu legen (ß 3a Abs. 1 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz - BewDV). Die Frage, ob mit der Bebauung eines Grundstücks in absehbarer Zeit gerechnet werden kann, bezieht sich auf die tatsächlichen Grundstücksverhältnisse. Sie kann nach den an dem maßgebenden Zeitpunkt bestehenden, für die Beurteilung in Betracht kommenden Verhältnissen für verschiedene Fortschreibungspunkte verschieden zu beantworten sein. Da die Feststellung der Wahrscheinlichkeit der Bebauung in absehbarer Zeit für die Anerkennung des Baulandcharakters eines unbebauten Grundstücks erforderlich ist, besteht an sich die Möglichkeit, daß eine Grundstücksparzelle an einem Feststellungszeitpunkt Baulandeigenschaft hat, an einem anderen nicht. Im Streitfall ist die unbebaute Fläche für den 1. Januar 1935 als Bauland angesehen worden. Für den 1. Januar 1946 wurde der Baulandcharakter wegen Unwahrscheinlichkeit der Bebauung an absehbarer Zeit verneint, und für den 21. Juni 1948 ist wieder Bauland angenommen worden, weil unter Berücksichtigung der Zeitverhältnisse am Währungsstichtag mit einer Bebauung der objektiv als Bauparzelle in Betracht kommenden Fläche in nicht ferner Zeit zu rechnen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob die verworrenen Verhältnisse in Deutschland zu Beginn des Jahres 1946 die Ansicht rechtfertigten, daß eine bisherige Bauparzelle ihren Baulandcharakter verloren habe. Jedenfalls ist die Auffassung des Finanzgerichts nicht zu beanstanden, daß sich in der Zeit vom 1. Januar 1946 bis zum 21. Juni 1948 eine änderung im Sinne einer Klärung und Festigung der Verhältnisse vollzogen hat, der die Bejahung des Baulandcharakters des unbebauten Grundstücks der Bfin. für den Währungsstichtag gestattet. Es war schon damals zu bedenken, daß die Einführung der D-Mark zu einer Ordnung der Wirtschaftsverhältnisse führen und der angestaute Wohnungsbedarf die Bautätigkeit ankurbeln würde. Hinzu kam, daß das Grundstück der Bfin. unzweifelhaft früher bereits Bauland gewesen war und nach der Feststellung des Finanzgerichts an voll ausgebauter Straße mit Wasser-, Strom- und Gasanschluß lag, die Straße auf der dem Grundstück der Bfin. gegenüberliegenden Seite bereits voll bebaut, auf der anderen Seite nur noch Bebauungsmöglichkeit für drei Häuser vorhanden war. Die spätere Entwicklung hat die Annahme des Finanzgerichts, daß bereits für den 21. Juni 1948 mit einer Bebauung der Grundstücksfläche in absehbarer Zeit gerechnet werden konnte, bestätigt. Denn es wurden laut Feststellung des Finanzgerichts auf der Straßenseite des Grundstücks der Bfin. bereits in den Jahren 1951 und 1952 zwei Häuser errichtet. Hiernach läßt die Bejahung des Baulandcharakters des Grundstücks der Bfin. für den 21. Juni 1948 durch das Finanzgericht keinen Rechtsirrtum erkennen. Die Bfin. bestreitet die Zulässigkeit der Vornahme der Wertfortschreibung auf den 21. Juni 1948 im Hinblick darauf, daß sie den Antrag auf Wertfortschreibung zum 1. Januar 1952 gestellt und das Finanzamt erst dadurch den Anstoß zur überprüfung des Sachverhalts erhalten habe. Es trifft zu, daß Maßnahmen der Finanzämter, wie die hier in Rede stehende, wenn sie ohne einen - in andere Richtung zielenden - Antrag des Steuerpflichtigen voraussichtlich nicht oder noch nicht zum Zuge gekommen wären, diesen befremden müssen. Allein aus diesem Grunde kann aber z. B. die Berichtigung eines Fehlers, auf den das Finanzamt bei der Bearbeitung eines vom Steuerpflichtigen gestellten Antrags stößt oder, wie im Streitfall, die Vornahme der Wertfortschreibung auf einen früheren Zeitpunkt als vom Steuerpflichtigen beantragt, nicht unterlassen werden. Im übrigen dürfte gerade der hier zu beurteilende Fall kaum den Vorwurf unbilliger Behandlung rechtfertigen, da das unbebaute Grundstück der Bfin. im Gegensatz zu der großen Mehrheit der Fälle von 1946 bis 20. Juni 1948 nicht als Bauland behandelt und infolgedessen ein niedrigerer Wert für die Steuerbemessung zugrunde gelegt worden ist. Hinsichtlich des Zeitpunktes, auf den eine Wertfortschreibung vorzunehmen ist, wird auf die Urteile des Senats III 68/52 U vom 16. Mai 1952 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 189) und III 266/51 S vom 31. Oktober 1952 (BStBl. 1952 III S. 313) Bezug genommen. Die Tatsache, daß die Bfin. eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1952 beantragt hat, schließt nicht aus, daß das Finanzamt gemäß § 225a der Reichsabgabenordnung (AO) eine solche von Amts wegen bereits auf einen früheren Zeitpunkt vornehmen kann. Geschieht dies, so enthält die Vornahme der Wertfortschreibung auf den früheren Zeitpunkt gleichzeitig die Ablehnung des Antrags auf Wertfortschreibung auf einen späteren Termin. Im übrigen trifft es nicht zu, daß sich die Wertfortschreibung von Amts wegen einseitig zuungunsten des Steuerpflichtigen auswirkt. Sie wird vielmehr sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Steuerpflichtigen vorgenommen.
Die Rb. war hiernach mit der Kostenfolge aus § 307 AO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407712 |
BStBl III 1953, 221 |
BFHE 1954, 575 |
BFHE 57, 575 |