Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur steuerlichen Beurteilung von Kosten für Studienreisen bei Lehrern.
Die Kosten einer Reise, die ein Oberstudienrat, der in Geographie und Biologie unterrichtet, in Begleitung seiner Ehefrau mit einer Reisegesellschaft nach Ostafrika macht, sind keine Werbungskosten, sondern Kosten der privaten Lebenshaltung.
Normenkette
EStG § 9 S. 1, § 12 Nr. 1; LStDV § 20/2
Tatbestand
Der Stpfl., ein Oberstudienrat, unterrichtet in Geographie und Biologie. Vom 26. Juli bis 11. August 1964 nahm er an einer Reise durch Ostafrika teil, die von einem Reiseunternehmen zusammen mit der Deutschen Zoologischen Gesellschaft unternommen wurde. Sie wurde geleitet von einer Zoologin, die eine Assistentin des Vorsitzenden dieser Gesellschaft war. Die Reiseleiterin hielt während der Reise täglich wissenschaftliche Vorträge. Der Stpfl., der von seiner Ehefrau begleitet wurde, machte seine eigenen Reisekosten von 3.149,33 DM für 1964 als Werbungskosten geltend, da die Studienreise seiner wissenschaftlichen Weiterbildung und der Beschaffung von Anschauungsmaterial für den Unterricht gedient habe. Das FA erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.
Die Klage des Stpfl. hatte zum Teil Erfolg. Das FG ging zwar in seinem in EFG 1966, 565 veröffentlichten Urteil davon aus, daß nach der Rechtsprechung des BFH bei der steuerlichen Berücksichtigung der Kosten für Studienreisen in das Ausland bei der Abgrenzung von den Kosten der Lebenshaltung ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der Stpfl. habe aber ausreichend dargetan, daß seine Reise einen beruflichen Zweck gehabt habe, da sie geeignet gewesen sei, seine Fortbildung in seinen Unterrichtsfächern zu fördern und ihm für die Gestaltung des Unterrichts wertvolle Bereicherungen zu liefern. Daß keine lehrgangsmäßige Organisation bei der Reise bestanden habe, sei zwar richtig. Bei den geographischen, botanischen und zoologischen Besonderheiten einer solchen Reise seien aber keine strengen Anforderungen zu stellen. Es genüge, daß die berufliche Tätigkeit des Stpfl. durch die Reise gefördert worden sei. Andererseits sei aber auch zu berücksichtigen, daß größere Auslandsreisen dieser Art nicht auf fachlich interessierte Kreise beschränkt seien. Auch bei der Reise des Stpfl. seien nicht alle Teilnehmer fachlich interessiert gewesen. Das gelte auch für die Ehefrau des Stpfl., die an der Reise teilgenommen habe. Unter diesen Umständen sei die Reise des Stpfl. weder in vollem Umfang beruflich noch im ganzen privat gewesen. Nach der Rechtsprechung des BFH sei zwar in solchen Fällen eine typisierende Betrachtung angebracht, die entweder zur Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit der gesamten Kosten führe (Urteil IV 232/60 U vom 9. Dezember 1960, BFH 72, 335, BStBl III 1961, 126). Der RFH habe demgegenüber eine Aufteilung der Aufwendungen für zulässig gehalten (Urteile VI A 37/30 vom 19. Februar 1930, Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 488; VI A 1960/29 vom 5. März 1930, RStBl 1930, 308). Die Aufteilung in einen steuerlich abzugsfähigen und einen nichtberücksichtigungsfähigen Teil der Aufwendungen sei allerdings verwaltungsmäßig schwierig. Das sei aber für ein Steuergericht kein entscheidender Gesichtspunkt. Im Streitfall sei es bei den Einkommensverhältnissen des Stpfl. angemessen, den privaten Teil der Reisekosten auf 1.500 DM zu schätzen und nur die restlichen 1.649 DM als Werbungskosten zu behandeln.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §§ 9 und 12 Nr. 1 EStG (§ 20 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 LStDV). Es führt aus, das Urteil des FG stehe nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BFH. Wenn eine Studienreise nicht lehrgangsmäßig organisiert sei, könnten die Kosten steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn die Möglichkeit eines außerberuflichen Reisezwecks so gut wie ausgeschlossen sei. Im Streitfall seien aber in wesentlichem Umfang private Interessen für die Teilnahme an der Reise mitbestimmend gewesen. Daß eine wissenschaftlich vorgebildete Reiseleiterin die Gesellschaft geführt habe, reiche nicht aus für die Annahme, der Stpfl. habe an der Reise aus überwiegend beruflichen Gründen teilgenommen. Eine fachkundige Leitung sei bei derartigen Reisen üblich. Die Teilnahme von beruflich nicht interessierten Personen spreche gegen den beruflichen Charakter der Reise. Jedenfalls könne ein ausschließlich oder weitaus überwiegendes berufliches Interesse des Stpfl. bei der Reise nicht bejaht werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Abweisung der gegen die Einspruchsentscheidung gerichteten Klage.
Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Kosten von Auslandsreisen grundsätzlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben nur, wenn die Reisen im Rahmen einer lehrgangsmäßigen Organisation oder sonst in einer Weise durchgeführt werden, daß ein außerberuflicher Reisezweck so gut wie ausgeschlossen ist (vgl. z. B. die Urteile IV 232/60 U vom 9. Dezember 1960, BFH 72, 335, BStBl III 1961, 126; IV 241/60 U vom 9. Dezember 1960, BFH 72, 263, BStBl III 1961, 99; VI 102/62 U vom 24. August 1962, BFH 75, 673, BStBl III 1962, 512). Die Reise des Stpfl. war nicht lehrgangsmäßig organisiert. Daß die Reise von einer wissenschaftlichen Zoologin geleitet wurde und daß diese täglich Vorträge hielt, reicht nicht aus für die Annahme, daß die Reise lehrgangsmäßig organisiert gewesen sei. Der Auffassung des FG, bei Reisen in Ostafrika sei eine lehrgangsmäßige Organisation nicht zu fordern, tritt der Senat nicht bei. Es ist in weiten Bevölkerungskreisen der Bundesrepublik üblich geworden, der Allgemeinbildung dienende Studienreisen nach weit entfernten Ländern zu unternehmen, bei denen die Leitung bei kunsthistorischen oder naturwissenschaftlichen Fachleuten liegt. Da nach den Feststellungen des FG nicht alle Mitreisenden die gleichen naturwissenschaftlichen Interessen hatten und einige offenbar nur durch ein allgemeines Bildungsinteresse zur Teilnahme veranlaßt waren, ist die Reise des Stpfl. als eine allgemeine Studienreise zu werten, die ihm zwar auch für seine Berufstätigkeit nützliche Kenntnisse vermittelt haben mag, die aber weder ausschließlich noch ganz überwiegend beruflichen Charakter hatte. Dafür spricht nicht zuletzt die Teilnahme der Frau des Stpfl.
Wenn das FG gleichwohl etwa die Hälfte der streitigen Reiseaufwendungen als abzugsfähig anerkannt hat, weil es dies wegen des beruflichen Interesses des Stpfl. an der Reise für gerechtfertigt hielt, so steht das nicht in Einklang mit § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Nach dieser Vorschrift sind Aufwendungen, die weder ausschließlich noch überwiegend aus beruflichen Gründen gemacht werden, grundsätzlich voll der privaten Lebenshaltung zuzurechnen und deshalb bei der Einkommensbesteuerung nicht abzugsfähig. Die Ausscheidung eines beruflich veranlaßten Teils aus dem Gesamtbetrag von Aufwendungen, die sowohl beruflichen als auch privaten Charakter haben, kommt nur in Betracht, wenn der berufliche Anteil nach objektiv nachprüfbaren Merkmalen leicht und einwandfrei ausgeschieden werden kann (z. B. Urteile des BFH IV 158/61 S vom 13. März 1964, BFH 79, 605, BStBl III 1964, 455; VI 106/62 U, a. a. O.). Der Hinweis des FG auf die angeführten Urteile des RFH vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Diese Entscheidungen sind zum EStG 1925 ergangen und stießen damals auf Widerspruch (siehe Becker, Steuer und Wirtschaft 1930 Spalte 444). Der RFH hat die ihnen zugrunde liegende Auffassung nicht allgemein übernommen und der BFH hatte daher keine Veranlassung, sich mit diesen lange zurückliegenden Entscheidungen auseinanderzusetzen. Jedenfalls sind die vom FG angezogenen Urteile des RFH durch die spätere Rechtsentwicklung überholt.
Im Streitfall könnte ein Teil der gesamten Reisekosten als Werbungskosten nur ausgegliedert werden, wenn nach objektiven Merkmalen leicht und einwandfrei abgrenzbar festgestellt werden könnte, daß ein Teil der Reise ausschließlich oder doch ganz überwiegend beruflich veranlaßt war. Das ist jedoch nicht möglich. Die Reise des Stpfl. war eine Einheit. Bei dieser Sachlage sind die gesamten Reisekosten nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu den bei der Einkommensteuer nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zu rechnen.
Die Vorentscheidung, die zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif.
Da in der Einspruchsentscheidung zutreffend die streitigen Reisekosten in vollem Umfang nicht als Werbungskosten abgesetzt worden sind, war die gegen die Einspruchsentscheidung gerichtete Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412718 |
BStBl III 1967, 776 |
BFHE 1968, 52 |
BFHE 90, 52 |