Leitsatz (amtlich)

1. Für die abgabenrechtliche Beurteilung der Zuwendungen zwischen geschiedenen Ehegatten ist der Schuldspruch im Scheidungsurteil maßgebend; eine Nachprüfung durch die Finanzverwaltungsbehörden und Steuergerichte erfolgt nicht.

2. Der nach § 60 des Ehegesetzes 1946 geschiedene und berechtigte Ehegatte hat einen potentiellen Unterhaltsanspruch im Sinne von § 24 Nr. 6 LAG.

3. Haben die geschiedenen Ehegatten im Zusammenhang mit der Ehescheidung eine Unterhaltsregelung getroffen, so sind für die Anwendung des § 24 Nr. 6 LAG auch die subjektiven Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht nicht mehr zu prüfen.

 

Normenkette

LAG § 24 Nr. 6

 

Tatbestand

Streitig ist nur noch, ob der Kapitalwert einer vom Revisionskläger (Abgabeschuldner) an seine geschiedene Ehefrau zu zahlenden Rente bei der Bemessung der Höhe der Vermögensabgabe abziehbar ist.

Der Revisionskläger wurde im Jahre 1939 von seiner damaligen Ehefrau gemäß § 60 Abs. 1 und Abs. 3 des Ehegesetzes 1938 (= § 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 des Ehegesetzes 1946) wegen beiderseitigen Verschuldens geschieden. Eine Unterhaltsregelung wurde durch Urteil nicht getroffen. Wenige Tage vor dem Ergehen des Scheidungsurteils hatte sich der Revisionskläger jedoch für den Fall der Scheidung durch notariellen Vertrag gegenüber seiner Ehefrau u. a. dazu verpflichtet, ihr einen monatlichen steuerfreien Unterhaltsbeitrag von mindestens 275 RM und höchstens 600 RM zu gewähren. Der Revisionskläger zahlte entsprechend dieser Regelung den Unterhaltsbeitrag an seine geschiedene Ehefrau.

Das Finanzamt – FA – (Revisionsbeklagter) zog den Revisionskläger zur Vermögensabgabe heran. In seinem Einspruch beanstandete der Revisionskläger die Höhe der Vermögensabgabe. Er machte, soweit es hier noch von Interesse ist, geltend, es müsse eine kapitalisierte Rente von 7 200 DM, die er jährlich an seine geschiedene Frau zahle, als Verbindlichkeit beim abgabepflichtigen Vermögen abgesetzt werden. Der Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht (VG) wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Die Unterhaltsleistungen seien gemäß § 24 Nr. 6 LAG nicht abzugsfähig. Es handele sich um Leistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht, deren Höhe durch Vertrag bestimmt sei. Der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau ergebe sich aus § 60 des Ehegesetzes 1946. Danach stehe der geschiedenen Ehefrau ein Rechtsanspruch auf einen Unterhaltsbeitrag zu, wenn die Voraussetzungen des § 60 des Ehegesetzes 1946 erfüllt seien. Das sei hier der Fall. Denn die beiderseitige Schuld der geschiedenen Eheleute ergebe sich aus dem Scheidungsurteil. An diesen Schuldspruch sei das Gericht gebunden. Auch an der Nachprüfung des notariellen Unterhaltsvergleichs sei das Gericht gehindert. Es müsse von der Unterhaltsverpflichtung des Revisionsklägers ausgehen, wie wenn sie in einem zivilgerichtlichen Urteil ausgesprochen wäre. Deshalb könne auch nicht nachgeprüft werden, ob für die geschiedene Ehefrau des Revisionsklägers subjektiv die Voraussetzungen für einen Unterhaltsbeitrag vorgelegen hätten. Die Rentenverpflichtung des Revisionsklägers müsse bei der Vermögensabgabe nach § 24 Nr. 6 LAG außer Ansatz bleiben, wie auch die Rentenzahlungen bei der Einkommensteuer nach § 12 Nr. 2 EStG unberücksichtigt zu bleiben hätten. Denn für die Anwendung beider Vorschriften genüge – trotz unterschiedlichem Wortlaut, aber wegen der gleichen gesetzgeberischen Intention –, daß der Unterhaltsempfänger zum Kreis der potentiell Unterhaltsberechtigten gehöre.

Mit der Rechtsbeschwerde, die seit der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, rügt der Revisionskläger, der Wortlauf des § 24 Nr. 6 LAG nötige nicht zu der Auslegung des VG. Zahlungen an eine Person, die möglicherweise unterhaltsberechtigt sei, seien noch nicht Zahlungen „auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht”, wenn im Einzelfall eine Unterhaltspflicht nicht bestehe. Aus § 24 Nr. 6, 2. Halbsatz LAG könne nicht gefolgert werden, jeder Vertrag mit einem potentiell Unterhaltsberechtigten enthalte die Festlegung einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Vielmehr solle nach dieser Vorschrift die materielle Rechtssituation über die äußere Form (Urteil, Vergleich) gestellt werden. § 12 Nr. 2 EStG und § 24 Nr. 6 LAG entsprächen sich entgegen dem Berufungsurteil weder im Wortlaut noch in der Sache. Für das LAG komme es allein auf das materielle Bestehen einer Unterhaltspflicht an. Für das EStG sei entscheidend, ob eine – freiwillige oder gesetzliche – Zuwendung an eine unterhaltsberechtigte Person erfolge. Für eine materielle Unterhaltspflicht nach § 60 des Ehegesetzes 1946 sei eine vertragliche Zusage weder ausreichend noch nötig. Vielmehr müßten die materiellen Voraussetzungen der letztgenannten Vorschrift erfüllt sein. Das habe das VG im Streitfall jedoch nicht geprüft.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 24 Nr. 6 LAG sind Verbindlichkeiten auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht bei der Ermittlung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens nicht abzuziehen, dies gilt auch, wenn die Höhe der Verbindlichkeit durch Vertrag oder gerichtliches Urteil festgelegt ist. Im Streitfall bestehen die Verbindlichkeiten des Revisionsklägers „auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht”.

1. Wann gesetzliche Unterhaltspflicht eintritt, richtet sich nach bürgerlichem Recht, d. h. im Falle der Ehescheidung nach dem Ehegesetz. Für die abgabenrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen geschiedenen Eheleuten bildet das Scheidungsurteil als richterlicher Gestaltungsakt die Grundlage. Es ist nicht Aufgabe der Finanzverwaltungsbehörden oder der Steuergerichte, im Falle einer Konventionalscheidung, wie sie hier nach dem Vortrag des Revisionsklägers vorliegt, den „wahren” Umständen nachzugehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – VI 8/65 vom 16. Juli 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK –, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 83, und die dort aufgeführten Entscheidungen; III 19/64 vom 28. Juli 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 90 S. 139 – BFH 90, 139 –). Es ist deshalb im Streitfall nicht zu prüfen, wer die Ehescheidung des Revisionsklägers verschuldet hat. Das Scheidungsurteil ist maßgebend.

2. Die Ehescheidung des Revisionsklägers beruht nach dem Scheidungsurteil auf beiderseitigem Verschulden. Die gesetzliche Folge hiervon ist, daß jeder der geschiedenen Ehegatten, der sich nicht selbst unterhalten kann, von dem anderen Ehegatten einen Unterhaltsbeitrag fordern kann (§ 60 des Ehegesetzes 1946 = § 68 des Ehegesetzes 1938). Der Anspruch besteht nur nach Billigkeit. Gleichwohl besteht ein Rechtsanspruch. Der Unterhaltsverpflichtete kann die Leistung nicht nach seinem Belieben bewilligen oder ablehnen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs IV ZR 232/54 vom 16. Februar 1955, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 60 des Ehegesetzes Nr. 1 ; Hoffmann-Stephan, Ehegesetz, 2. Aufl., § 60 Anm. 5; Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 9. Aufl., IV. Band, § 60 des Ehegesetzes, Anm. 2; Erman, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl., II. Band, § 60 des Ehegesetzes, Anm. 2). Der Anspruch entsteht mit der Rechtskraft der Ehescheidung wenigstens dem Grunde nach (vgl. Hoffmann-Stephan, a. a. O.). Er ist kraft Gesetzes gegeben, also ein gesetzlicher Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag (vgl. auch BFH-Urteil VI 273/56 U vom 20. Februar 1959, BFH 68, 449, BStBl III 1959, 172).

Wenn auch § 60 des Ehegesetzes 1946 keinen „echten” Unterhaltsanspruch gewährt (so Hoffmann-Stephan, a. a. O., § 60 Anm. 6; Soergel-Siebert, a. a. O.; Erman, a. a. O.), so handelt es sich gleichwohl um einen Anspruch auf gesetzlichen Unterhalt im Sinne von § 24 Nr. 6 LAG. Denn Sinn der Nichtabzugsfähigkeit der Verbindlichkeiten in § 24 Nr. 6 LAG ist, daß der geschiedene Ehegatte durch Erfüllung seiner Unterhaltspflicht keine Vorteile gegenüber dem Ehepartner haben soll, der seine Unterhaltspflicht im Rahmen der Ehe erfüllt. Diesem Sinn der Vorschrift würde es widersprechen, einen „echten” Unterhaltsanspruch (wie z. B. § 58 Abs. 1 des Ehegesetzes 1946) nicht zum Abzug zuzulassen, einen Anspruch auf Unterhaltsbeitrag nach § 60 des Ehegesetzes 1946 jedoch für abziehbar zu halten. Dieser Auslegung entsprechend ist der BFH bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 des Ehegesetzes 1946 in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, der nach § 60 des Ehegesetzes 1946 Berechtigte habe einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch im Sinne von § 12 Nr. 2 EStG (vgl. Urteile VI 273/56 U, a.a.O., VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BFH 72, 515, BStBl III 1961, 188; VI 227/60 U vom 8. September 1961, BFH 73, 739, BStBl III 1961, 535).

3. Gehört die geschiedene Ehefrau des Revisionsklägers demnach zum Kreis der gesetzlich potentiell Unterhaltsberechtigten und damit der Revisionskläger zu den gesetzlich potentiell Unterhaltsverpflichteten, so bleibt noch zu prüfen, ob die Verbindlichkeiten des Revisionsklägers „auf Grund” dieser Pflicht bestehen. Der Senat bejaht die Frage.

Der BFH geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, für den Begriff der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person im Sinne des § 12 Nr. 2 EStG genüge, daß eine Unterhaltspflicht kraft Gesetzes bestehe. Unerheblich sei, ob auch die subjektiven Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht gegeben seien. Auf die Frage, ob der Empfänger bedürftig sei, komme es nicht an (BFH-Urteile VI 84/60 U, a.a.O.; VI 227/60 U a.a.O.; VI 192/61 vom 28. Juni 1963, StRK, Einkommensteuergesetz, § 33 a Rechtsspruch 66). Der BFH kam zu diesem Ergebnis u. a. deshalb, weil das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterhaltspflicht – ob und in welcher Höhe nach den subjektiven Verhältnissen der Beteiligten Unterhalt zu leisten ist – für Außenstehende kaum nachprüfbar sei, zumal wenn die Beteiligten – wie im Streitfall – ohne Prozeß eine vergleichsweise Regelung treffen. In solchen Fällen entspreche es dem Wesen der Besteuerung als eines Massenverfahrens, den Weg der leichteren Abgrenzung zu beschreiten, die zugleich auch eine bessere Gewähr für die gleichmäßige Anwendung der Steuergesetze biete und ein unerwünschtes Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der Betroffenen vermeide (BFH-Urteil VI 84/60 U, a. a. O.). Diese Erwägungen treffen im wesentlichen auch bei Anwendung des § 24 Nr. 6 LAG zu. Es sind also auch im Streitfall die subjektiven Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht nicht mehr zu prüfen. Diese Auslegung ist, entgegen den Ausführungen des Revisionsklägers, mit dem Wortlaut des § 24 Nr. 6 LAG vereinbar. Denn die Verbindlichkeiten des Revisionsklägers sind „auf Grund” seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entstanden; sie haben ihren Grund in der potentiellen Unterhaltspflicht des Revisionsklägers. Daß § 24 Nr. 6 LAG nicht die subjektive Unterhaltspflicht fordert, ergibt sich vor allem aus dem 2. Halbsatz dieser Vorschrift. Danach sind die Verbindlichkeiten auch dann nicht abzuziehen, „wenn die Höhe … durch Vertrag … festgelegt ist”. Da aber die vertragliche Festlegung der Höhe der Unterhaltspflicht nicht der subjektiven Unterhaltspflicht nach dem bürgerlichen Recht entsprechen muß, ist das Gesetz selbst davon abgegangen, nur bei solchen Verbindlichkeiten den Abzug zu verweigern, die auf einer subjektiven Unterhaltspflicht beruhen.

Darüber hinaus wird man im Streitfall auch von einer konkreten Unterhaltspflicht des Revisionsklägers infolge seiner Zusicherung im notariellen Vertrag ausgehen können. Durch diesen Vertrag wurde, um künftigen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen, der Anspruch der geschiedenen Ehefrau des Revisionsklägers festgelegt. Die dadurch konkretisierte Unterhaltspflicht hat ihren Rechtsgrund („auf Grund”) in der gesetzlichen potentiellen Unterhaltspflicht des Revisionsklägers.

 

Fundstellen

Haufe-Index 514491

BFHE 1969, 34

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