Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein von der Grundsteuer befreites Grundstück eines gemeinnützigen Vereines bleibt auch dann von der Grundsteuer befreit, wenn es nach Kriegsende beschlagnahmt und von der Besatzungsmacht für militärische Zwecke (als Kaserne) verwendet worden ist. Dabei ist es gleichgültig, ob eine Nutzungsentschädigung entrichtet worden ist oder nicht.
Normenkette
GrStG § 4/1/a, § 4/3/b, § 4 Ziff. 6; GrStDV § 25 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bf. von der Grundsteuer für ein ihm gehöriges Schulgebäude, das nach Kriegsende von den damaligen Besatzungsmächten für militärische Zwecke beschlagnahmt wurde, zu befreien ist.
Der Bf. ist ein eingetragener Verein, dessen Gemeinnützigkeit schon seit langem anerkannt wird. Im gehört u. a. die Realanstalt W. Gemeinde X., wo er bis zum Jahre 1936 ein Landschulheim unterhalten hat. Außer dem hier streitigen Schulgebäude gehören zum Grundbesitz der Anstalt noch verschiedene andere Grundstücke (Wirtschaftsgebäude, Hofräume und Hausgärten), für die der Bf. seit jeher Grundsteuer zu entrichten hat. Nachdem zunächst im Jahre 1936 in den Gebäuden der Anstalt eine Gau-Oberschule untergebracht worden war, wurde nach dem Einmarsch der Alliierten das gesamte Gelände der Anstalt einschließlich Gebäude beschlagnahmt und seitdem für militärischem Zwecke verwendet. Seit dem 8. November 1949 erhält der beschwerdeführende Verein hierfür eine monatliche Nutzungsentschädigung von 4.000 DM. Diese Nutzungsentschädigung umfaßt auch einen Entschädigungsbetrag für die zu entrichtende Grundsteuer, die aber auf die Grundstücke ohne das eigentliche Schulgebäude entfällt. Für das letztere war bisher weder ein Einheitswert noch ein Grundsteuermeßbetrag festgestellt worden.
Auf Anregung des Bürgermeisters der Gemeinde erließ das Finanzamt nachträglich einen Nachfeststellungs- und Nachveranlagungsbescheid, in dem der Einheitswert des Grundstückes zum 1. Januar 1953 auf 150.000 DM und dementsprechend der Grundsteuermeßbetrag auf 1.500 DM festgestellt wurde.
Der Einspruch richtete sich ausschließlich gegen die Nachveranlagung des Grundsteuermeßbetrages, dessen ersatzlose Aufhebung beantragt wurde. Zur Begründung machte der Bf. geltend, zwar komme für ihn eine Befreiung gemäß § 4 Ziff. 3 Buchstabe b GrStG nicht in Betracht, weil er durch die Beschlagnahme gehindert sei, das Schulgebäude für den satzungsmäßig bestimmten gemeinnützigen Zweck zu verwenden. Das Grundstück sei aber nach der Koppelungsvorschrift des § 4 Ziff. 6 GrStG in Verbindung mit § 4 Ziff. 1 Buchstabe a GrStG nicht grundsteuerpflichtig. Nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland, den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich abgeschlossenen Generalvertrage und nach dem zwischen denselben Staaten abgeschlossenen Truppenvertrage sei die Bundesrepublik verpflichtet, die Stationierung von Streitkräften der drei Mächte zu dulden und die für die Stationierung der Truppen erforderlichen Leistungen, wie Zurverfügungstellung von Liegenschaften, Einrichtungen, Sach- und Werkleistungen, Bauleistungen, Verkehrsleistungen etc., zu erbringen. Wenn sich hiernach Grundstücke und Gebäude im Besitz von Streitkräften der genannten Staaten befänden, so liege damit auch eine Benutzung dieses Grundbesitzes durch den Bund vor; dieser habe in Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem General- und dem Truppenvertrage den Grundbesitz für militärische Zwecke zur Verfügung zu stellen. Es liege daher eine Benutzung für einen "öffentlichen Dienst" im Sinne des § 4 Ziff. 1 a GrStG vor, da die Erfüllung von Verteidigungslasten eine hoheitliche Tätigkeit darstelle. Daneben dürfte es sich bei dieser Verteidigungsaufgabe auch noch um gemeinnützige Tätigkeit im Sinne des § 4 Ziff. 3 a GrStG handeln. Die von ihm, dem Bf., vertretene Ansicht werde zudem durch den am 28. Dezember 1956 ergangenen Leistungsbescheid des Landratsamtes bestätigt, nach dessen Inhalt die Realanstalt auf Grund des Bundesleistungsgesetzes durch die Bundesrepublik als Bedarfsträger zur Nutzung für die amerikanischen Streitkräfte in Anspruch genommen werde. Ob diese Nutzung gegen Entgelt erfolge, sei für die Frage der Grundsteuerbefreiung unerheblich. Zur Unterstützung seiner Ausführungen verweist der Bf. noch besonders auf Abschnitt 97 GrStR.
Der Einspruch ist ebenso wie die Berufung ohne Erfolg geblieben. Die Vorinstanzen sind übereinstimmend davon ausgegangen, daß mangels einer unmittelbaren Benutzung des Grundstückes für die gemeinnützigen Zwecke des Bf. das Rechtsmittel nur dann Erfolg haben könne, wenn die Benutzung des streitigen Grundbesitzes durch die ehemaligen Besatzungsmächte zu militärischen Zwecken von der Grundsteuer befreit wäre. Die Vorinstanzen haben dies übereinstimmend und auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 4 Ziff. 6 GrStG verneint, deren Anwendung sie in Fällen der hier vorliegenden Art ablehnen, weil, wie insbesondere das Finanzgericht ausführt, die Besatzungsmacht im Rahmen der Befreiungsvorschriften des § 4 Ziff. 1 - 5 GrStG weder bei den steuerbegünstigten Eigentümern noch bei den begünstigten Benutzern aufgeführt und eine entsprechende Anwendung der im § 4 GrStG enthaltenen Befreiungsvorschriften auf ähnliche Tatbestände ausgeschlossen sei. Das Finanzgericht lehnt es insbesondere auch ab, die ehemaligen Besatzungsmächte den in § 4 Ziff. 6 GrStG ausdrücklich genannten Benutzern gleichzuachten und verweist in diesem Zusammenhange u. a. auf § 25 GrStDV, dessen rechtliche Bedeutung von ihm eingehend erörtert wird. Dabei vertritt das Finanzgericht vor allem die Auffassung, daß § 25 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV, der unter bestimmten Voraussetzungen den von einer Besatzungsmacht benutzten Grundbesitz von der Grundsteuer befreie, und der in gewissen Sinne eine dem GrStG selbständig gegenüberstehende Rechtsnorm darstelle, als eine Sonderbestimmung zu betrachten sei, die nicht verallgemeinert und insbesondere nicht über die Ziff. 6 des § 4 GrStG ausgeweitet werden dürfe.
Mit der Rb. in der der Bf. im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt, wird vor allem die fehlerhafte Auslegung des § 4 Ziff. 6 GrStG in Verbindung mit § 4 Ziff. 1 a GrStG gerügt und insbesondere darauf hingewiesen, daß aus § 25 GrStDV keine Argumente für die allgemeine Auslegung der Befreiungsvorschriften des § 4 GrStG herzuleiten seien, weil sich § 25 GrStDV lediglich auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz beziehe.
Entscheidungsgründe
Der Rb. kann der Erfolg nicht versagt bleiben.
Da das Schulgebäude seit der Beschlagnahme nicht mehr den gemeinnützigen Zwecken des Vereins selbst, sondern den militärischen und damit hoheitlichen Aufgaben der Besatzungsmächte dient, kommt eine Grundsteuerbefreiung aus § 4 Ziff 3 b GrStG nicht in Betracht. Ebenso ist aber auch eine unmittelbare Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 1 a GrStG nicht möglich, weil der beschwerdeführende Verein nicht zu dem Kreise der dort begünstigten Körperschaften mit hoheitsrechtlichen Aufgaben gehört. Eine Befreiung kann daher nur ausgesprochen werden, wenn die Koppelungsvorschrift des § 4 Ziff. 6 GrStG anzuwenden ist.
Nach dieser Vorschrift ist der Grundbesitz einer der unter § 4 Ziff. 1 - 5 GrStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen oder Verbände auch dann von der Grundsteuer befreit, wenn er von einer anderen derartigen Körperschaft, Personenvereinigung, Vermögensmasse oder einem anderen derartigen Verbande für ihre nach Ziff. 1 - 5 des § 4 GrStG begünstigten Zwecke benutzt wird.
Das Finanzgericht glaubt diese Vorschrift deshalb nicht anwenden zu dürfen, weil die Besatzungsmacht nicht unter den vom Gesetze begünstigten Eigentümern bzw. Benutzern aufgeführt wird; es lehnt eine Gleichstellung der Besatzungsmacht mit gleichartigen deutschen Dienststellen des Bundes oder der Länder ab und verweist insofern auf die Ausführungen von Scholz (Kommentar zum Grundsteuergesetz, 2. Aufl. 1954), der die Möglichkeit einer Anwendung des § 4 Ziff. 1 a auf die Kasernenunterkünfte der Besatzungsmächte deshalb verneint, weil unter öffentlichem Dienste nur der Dienst in einer deutschen Dienststelle verstanden werden könne (vgl. Scholz a. a. O., Bem. 8 zu § 5 GrStG).
Der Bf. vertritt die gegenteilige Meinung. Nach seiner Auffassung üben die Besatzungsmächte Hoheitsbefugnisse für den Bund aus, so daß die Besitznahme des streitigen Grundbesitzes durch die Truppen der Besatzungsmacht auch eine Benutzung dieses Grundbesitzes durch die Bundesrepublik selbst bedeute. In gewisser Weise wird diese Auffassung durch Ausführungen in Abschnitt 97 GrStR bestätigt, und zwar insofern, als es dort heißt, die Weiterbenutzung der ehemaligen Wehrmachtsliegenschaften für militärische Zwecke der Besatzungsmacht sei der Benutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch gleichzustellen, ferner auch dadurch, daß in Abschnitt 97 an anderer Stelle ausgeführt wird, die Bereitstellung des Grundbesitzes durch den Bund für die Besatzungsmacht sei einer unmittelbaren Benutzung des Eigentümers für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch gleichzustellen. Auf der Linie dieser Ausführungen liegt auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts V C 42/54 vom 20. Juni 1956 (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bd. 4 S. 6), auf welches der Bf. verwiesen hat.
Die Auffassung des Bf. entspricht der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats sowie dem neueren Schrifttum (vgl. insbesondere Gürsching-Stenger, Kommentar zum Grundsteuergesetz, Anm. 41 ff. zu § 4 Ziff. 1 a). In dem Urteil III 17/57 S vom 15. März 1957 (BStBl 1957 III S. 183, Slg. Bd. 64 S. 492) ist der Senat mit den Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Weiterbenutzung eines Flugplatzes der früheren deutschen Wehrmacht für militärische Zwecke einer Besatzungsmacht der Benutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch gleichzustellen sei. Der Senat hat somit bei der Anwendung des § 4 Ziff. 1 Buchst. a GrStG zwischen der Benutzung durch eine deutsche Wehrmachtsdienststelle und derjenigen durch eine Dienststelle der Besatzungsmacht keinen Unterschied gemacht. Er hat noch hinzugefügt, die Voraussetzung dieser Vorschrift hinsichtlich der Benutzung durch den Eigentümer könne im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Besetzung ergeben haben, nicht verneint werden. Man wird allerdings einwenden können, daß die Folgerungen, die aus dieser Rechtsauffassung für die Grundsteuerbefreiung von Flugplatzflächen gezogen worden sind, unmittelbar aus der Bestimmung des § 25 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV abgeleitet werden könnten, auf deren Bedeutung noch einzugehen ist. Anders verhält es sich aber mit dem Urteil III 149/56 S vom 7. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 276, Slg. Bd. 65 S. 114), auf dessen Tatbestand der § 25 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV nicht anwendbar ist. In diesem Urteile hat der Senat ausgesprochen, daß bei Grundbesitz einer deutschen Gebietskörperschaft, der von dieser für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden sei, auch vermutet werden könne, daß die Besatzungsmacht diesen Grundbesitz, wenn sie ihn für ihre Zwecke beschlagnahmt habe, ebenfalls für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt habe. Auch aus diesen Ausführungen ist zu entnehmen, daß ein Unterschied für die Frage des öffentlichen Dienstes oder Gebrauches nicht gemacht werden kann, gleichgültig, ob eine deutsche Dienststelle oder die Besatzungsmacht den in Betracht kommenden Grundbesitz nutzt. Endlich hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß Grundbesitz einer Gebietskörperschaft auch dann von der Grundsteuer zu befreien sei, wenn der Grundbesitz nicht vom Eigentümer selbst, sondern von der ehemaligen Besatzungsmacht für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden sei. Er hat noch hinzugefügt, aus der Koppelungsvorschrift des § 4 Ziff. 6 GrStG ergebe sich weiter, daß auch Grundbesitz aller übrigen in § 4 Ziff. 1 - 5 GrStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen oder Verbände von der Grundsteuer zu befreien sei, wenn dieser von der ehemaligen Besatzungsmacht für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt worden sei. So liegt der Fall hier. Der Bf. gehört als gemeinnützige Körperschaft zu dem in § 4 Ziff. 1 - 5 GrStG begünstigten Personenkreise; der hier in Betracht kommende Grundbesitz wird von der ehemaligen Besatzungsmacht für militärische Zwecke und damit zur Erfüllung von Hoheitsaufgaben benutzt. Der Senat trägt keine Bedenken, an seiner bisherigen Auffassung festzuhalten, daß die Besatzungsmächte, insbesondere auf militärischem Gebiete, die deutschen Hoheitsbefugnisse für die Bundesrepublik und in deren Interesse wahrgenommen haben. Es kann daher insoweit in der Frage einer Gewährung von Grundsteuerfreiheit nicht zwischen der Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch deutsche oder durch die entsprechenden Dienststellen der Besatzungsmacht unterschieden werden.
Die Bedenken, die das Finanzgericht gegen diese Auffassung aus § 25 GrStDV herzuleiten versucht, sind nicht begründet. Die Vorschrift des § 25 GrStDV enthält in Absatz 1 eine grundsätzliche Einengung der Steuerbefreiungsvorschriften des § 4 GrStG, soweit es sich um land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz handelt. Dieser soll grundsätzlich von der Steuerbefreiung ausgenommen sein. Aus dieser die Anwendung von Befreiungsvorschriften ausschließenden Vorschrift, Grundsätze für die Auslegung der Befreiungsvorschriften selbst gewinnen zu wollen, ist an sich schon bedenklich. Im übrigen aber läßt gerade die Vorschrift des § 25 Abs. 2 Ziff. 2 GrStDV, die wenigstens teilweise die Vorschrift des § 25 Abs. 1 außer Kraft setzt und die Steuerbefreiung wiederherstellt, trotz gewisser Einschränkungen doch erkennen, daß auch die Benutzung von übungsplätzen der ehemaligen Wehrmacht durch die Besatzungsmächte grundsätzlich als öffentlicher Dienst im Sinne des § 4 Ziff. 1 a GrStG anzusehen ist. Darauf aber kommt es entscheidend an. Wenn die Ausübung von Hoheitsbefugnissen durch die alliierten Mächte ebenso wie die Ausübung von Hoheitsrechten durch deutsche Dienststellen als öffentlicher Dienst anzusprechen ist, so besteht kein Grund, diese Wesensgleichheit bei der Anwendung des § 4 Ziff. 6 GrStG nicht zu beachten. Denn die Begriffsbestimmungen des § 4 Ziff. 6 GrStG entsprechen auch im übrigen uneingeschränkt denjenigen der vorangegangenen Befreiungsbestimmungen, so daß eine unterschiedliche Auslegung des Begriffes öffentlicher Dienst je nachdem, ob es sich um die Anwendung des § 4 Ziff. 6 bzw. des § 4 Ziff. 1 a GrStG handelt, nicht mit den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu vereinbaren wäre.
Da die Vorinstanzen die Rechtslage insoweit verkannt haben, waren das angefochtene Urteil ebenso wie die Einspruchsentscheidung und der ihr zugrunde liegende Grundsteuermeßbescheid ersatzlos aufzuheben und der Bf. von der Grundsteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409618 |
BStBl III 1960, 161 |
BFHE 1960, 429 |
BFHE 70, 429 |