Leitsatz (amtlich)
1. Das FG kann seine Entscheidung nur dann darauf abstellen, daß ein Beteiligter der ihm obliegenden objektiven Beweislast (Feststellungslast) nicht genügt habe, wenn es sich auf Grund der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse keine Überzeugung über den Geschehensablauf bilden kann.
2. Das FG genügt dem Gebot der Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung nicht, wenn es nicht die Gründe darstellt, die für seine Überzeugung über die Glaubhaftigkeit einer Zeugenaussage leitend gewesen sind. Das gilt zumindest dann, wenn der Zeuge als naher Angehöriger und Zweitschuldner möglicherweise befangen sein konnte.
2. Spricht der objektive Geschehensablauf für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung, so obliegt dem Steuerpflichtigen, der sich auf das Vorliegen eines verdeckten Treuhandverhältnisses beruft, insoweit die objektive Beweislast.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1; ErbStG 1959 § 3 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Mit notariell beurkundeten Verträgen vom 23. April 1958 und 28. Juni 1958 übertrug der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) auf diese schenkungshalber verschiedene Grundstücke einschließlich Mobiliar. Der Ehemann übernahm in allen Fällen die Kosten der Verträge. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte durch bestandskräftigen Bescheid vom 28. Februar 1962, gerichtet an den Ehemann der Klägerin, die Schenkungsteuer für diese Erwerbsvorgänge auf 2 772 DM fest.
Anläßlich einer im Jahre 1963 bei dem Ehemann der Klägerin, der ein Architekturbüro unterhielt, durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, daß am 14. Juli 1958 und am 24. März 1959 auf dem Privatkonto der Klägerin Provisionsbeträge in Höhe von insgesamt 80 500 DM gutgeschrieben worden waren, die der Ehemann verbucht und umsatzversteuert hatte. Weitere Geldbeträge in Höhe von insgesamt 202 218 DM hatte die Klägerin am 13. und 14. April, 27. November und 1. Dezember 1959 von ihrem Ehemann erhalten. Außerdem waren ihr am 10. April und 15. Dezember 1959 Wertpapiere durch ihren Ehemann übertragen worden. Der Kurswert der zunächst übertragenen Papiere belief sich auf 344 588 DM, der der im Dezember übertragenen zum 31. Dezember 1959 auf 282 586 DM. Schließlich stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin am 1. März 1960 von ihrem Ehemann noch ein weiteres Grundstück im Einheitswert von 68 300 DM schenkungshalber übertragen erhalten hatte.
Das FA sah nicht nur in der weiteren Grundstücksübertragung, sondern auch in den Geld- und Wertpapierübertragungen Schenkungen des Ehemannes an die Klägerin und setzte mit Bescheid vom 12. Juni 1967, gerichtet an die Klägerin, unter Anrechnung der bereits früher festgesetzten Steuer Schenkungsteuer in Höhe von 101 208 DM fest. Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 3 723 DM. Sie macht geltend, in den Jahren 1957/58 hätte eine Wohnungsbaugesellschaft ihrem Ehemann mit Schadensersatzansprüchen im Betrage von mehr als einer Million Deutsche Mark ernstlich gedroht. Um ihm drohenden Vollstreckungsmaßnahmen begegnen zu können, habe ihr Ehemann ihr Geld und Wertpapiere darlehensweise übertragen. Im Notfall sollten daraus der Unterhalt der Familie und die Aufwendungen für die Unterhaltung der Grundstücke bestritten werden.
Zum 30. Juni 1976 übertrug die Klägerin Wertpapiere mit einem Kurswert von insgesamt 1 670 852,87 DM auf ihren Ehemann. Das Schadenersatzverfahren gegen diesen sei erst 1974 zum Abschluß gekommen.
Während des Klageverfahrens hat das FA unter Änderung des angefochtenen Bescheides die Steuer mit Bescheid vom 6. Juni 1972 auf 100 208 DM herabgesetzt. Auf Antrag der Klägerin ist der Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens geworden.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es bestehe kein Anhalt dafür, daß der Ehemann der Klägerin, den das FG als Zeugen vernommen hat, seine Ehefrau habe bereichern wollen. Der Zeuge habe glaubhaft bestätigt, daß er der Klägerin nicht einmal dem äußeren Scheine nach die Geldbeträge und die Wertpapiere geschenkt habe. Das FA habe den Nachweis, daß der Klägerin die übertragenen Vermögenswerte geschenkt worden seien, nicht erbracht, obwohl es "beweispflichtig für das Vorliegen einer Bereicherung und eines Bereicherungswillens" sei.
Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Das FG habe zu Unrecht das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung i. S. des § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 verneint. Die Fehlerhaftigkeit des Urteils beruhe vornehmlich darauf, daß das FG die von der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung in Übereinstimmung mit § 164 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) zur "verdeckten" Treuhand entwickelten Beweisregeln mißachtet und weiter gegen das sich aus § 96 Abs. 1 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergebende Gebot ausreichender Würdigung der Zeugenaussage verstoßen habe.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Als Schenkung, die der Erbschaftsteuer unterliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959), gilt neben der Schenkung i. S. des bürgerlichen Rechtes (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959) auch jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG 1959). Schenkungen und freigebige Zuwendungen verlangen neben der Einigung über die Unentgeltlichkeit bzw. dem Willen zur Freigebigkeit zwar objektiv eine Bereicherung des Beschenkten; sie setzen dagegen nicht einen auf diese Bereicherung gerichteten Willen voraus. Der Wille zur Freigebigkeit wird aufgrund der dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemeinen Geschäftsverkehrs bestimmt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266 [269], BStBl II 1979, 631).
Wenn auch keine Rechtsvermutung besteht, daß Zuwendungen unter nahen Verwandten Schenkungen darstellen (Ausnahmen: § 685 Abs. 2, § 1620 BGB), so besteht doch bei Geld- und Sachzuwendungen zwischen Eheleuten - auch wenn sie im Güterstand der Gütertrennung leben - eine tatsächliche Vermutung für eine Schenkung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Juli 1971 III ZR 91/70, Wertpapier-Mitteilungen 1971 S. 1338 [1341] - WM 1971, 1338 [1341] -). Auch gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, daß eine Übertragung von Vermögenswerten, durch die der Zugriff eines Dritten vereitelt werden soll, nicht schenkungsweise, sondern nur scheinbar oder treuhänderisch erfolgt sei (vgl. BGH-Urteil vom 24. September 1962 II ZR 113/61, WM 1962, 1372).
2. Das Urteil des FG ist in sich widersprüchlich. Wäre das Gericht, wie es aufgrund seiner Ausführungen zunächst erscheint, davon überzeugt gewesen, daß die Klägerin nicht einmal dem äußeren Scheine nach Wertpapiere oder Geld von ihrem Ehemann geschenkt erhalten hatte, so hätte es des Abstellens auf die Feststellungslast nicht bedurft. Die Frage, wem die objektive Beweislast obliegt (und ob ihr genügt wurde), kann nämlich nur dann entscheidungserheblich werden, wenn das Gericht sich aufgrund der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse keine Überzeugung über den Geschehensablauf bilden kann.
In diesem Zusammenhang rügt das FA zu Recht, daß das FG es verabsäumt habe, im Urteil darzustellen, weshalb es der Aussage des Ehemannes der Klägerin Glauben schenke. Allein die Feststellung, ein Zeuge habe etwas glaubhaft bestätigt, kommt dem Gebot der Nachvollziehbarkeit der Beweiswürdigung zumindest dann nicht nach, wenn der Zeuge als naher Angehöriger und Zweitschuldner der Steuer (§ 15 Abs. 1 ErbStG 1959) möglicherweise befangen sein könnte. In diesem Fall ist es die Aufgabe des Gerichts, im Rahmen der Beweiswürdigung auch die Gründe darzustellen, die für seine Überzeugung über die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage leitend gewesen sind. Dafür genügt es nicht, sich - wie es das FG getan hat - darauf zu beschränken, Ausführungen darüber zu machen, weshalb der mit den Transaktionen verfolgte Zweck es nicht erforderlich gemacht habe, der Klägerin die Geldbeträge und die Wertpapiere endgültig zu überlassen.
Darüber hinaus beruht das Urteil des FG auf einer Verkennung der objektiven Beweislast. Es trifft zu, daß die Finanzbehörde im Regelfall die Feststellungslast dafür trifft, daß der Tatbestand erfüllt ist, an den das Gesetz die Steuerpflicht knüpft. Diese Feststellungslast geht jedoch nicht über den objektiven Tatbestand hinaus; sprechen die Tatsachen und Umstände für das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung, so trifft den Steuerpflichtigen, der sich auf einen inneren Vorbehalt, z. B. auf das Vorliegen eines verdeckten Treuhandverhältnisses, beruft, insoweit die objektive Beweislast. Das gilt in besonderem Maße, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb des nämlichen Zeitraumes, während dessen die Geld- und Wertpapierübertragungen erfolgten, unstreitig auch Schenkungen zwischen den gleichen Parteien vollzogen wurden und darüber hinaus der Steuerpflichtige in anderen steuerlich bedeutsamen Zusammenhängen sich so verhalten hat, als bestehe das (nunmehr) behauptete Treuhandverhältnis nicht.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird nunmehr der Klägerin Gelegenheit geben müssen, der ihr obliegenden Feststellungslast für das Vorliegen eines verdeckten Treuhandverhältnisses nachzukommen.
Fundstellen
Haufe-Index 73514 |
BStBl II 1980, 402 |
BFHE 1980, 179 |