Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Grundstück in Zwangsversteigerung erworben, so sind die als Baukostenzuschüsse geleisteten Mietvorauszahlungen, soweit sie nicht bereits vom Mieter abgewohnt waren, als Grundstücksbelastungen im Sinn des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG anzusehen.
Normenkette
GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 4, Abs. 2 Ziff. 1, § 11/2/2
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ersteigerte am 9. Februar 1955 ein Grundstück.
Streitig ist, ob als Baukostenzuschüsse geleistete, im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung noch nicht abgewohnte Mietvorauszahlungen zur Gegenleistung gehören.
Das Finanzgericht hat die Streitfrage unter Hinweis auf das Urteil des Senats II 86/54 U vom 22. Dezember 1954 (Slg. Bd. 60 S. 139, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 54) verneint.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
I. - Der Senat hat durch Urteil II 86/54 U vom 22. Dezember 1954 (siehe oben) entschieden, daß die als Baukostenzuschüsse geleisteten Mietvorauszahlungen nicht nach § 11 Abs. 1 Ziff. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als Teil der Gegenleistung angesehen werden können; nach dieser Vorschrift ist Gegenleistung das Meistgebot einschließlich der "Rechte", die nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben; die Mietvorauszahlungen, auch wenn sie als Baukostenzuschüsse geleistet wurden, gehören aber nicht zu den Rechten im Sinn der bezeichneten Vorschrift. Der Senat hält an dieser Auffassung fest.
Der Senat hat sich in dem angeführten Urteil außerdem auf den Standpunkt gestellt, daß die als Baukostenzuschüsse geleisteten Mietvorauszahlungen keine zusätzlichen Leistungen im Sinn des § 11 Abs. 2 Ziff. 1 GrEStG seien. Voraussetzung für die Annahme einer Gegenleistung im Sinn dieser Vorschrift sei, daß die Leistung nicht bereits im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs, sondern erst nachträglich hingegeben werde. Von einer nachträglichen Leistung des Erstehers an den Voreigentümer könne aber in Fällen der hier streitigen Art nicht gesprochen werden. Auch diese Auffassung bleibt aufrechterhalten.
Die im vorliegenden Verfahren aufgeworfene Frage, ob ein Anwendungsfall des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG vorliegt, ist in dem vorerwähnten Urteil II 86/54 U, das einen Fall aus der Zeit vor dem 1. Oktober 1953 betraf, nicht erörtert worden.
Allerdings hat auch der Senat in dem Urteil II 58/56 U vom 19. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 369, BStBl 1956 III S. 338) die jetzt zur Entscheidung stehende Frage gestellt, weil in den Fällen, in denen Mietvorauszahlungen als Baukostenzuschüsse geleistet werden, die Verdinglichung des Mietrechts immer weiter fortschreitet. In dem Urteil II 211/56 U vom 27. Februar 1957 (BStBl 1957 III S. 110) - es handelte sich um den rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Grundstücks - wurde von einer Erörterung der Frage gleichfalls abgesehen, weil vertraglich vereinbart worden war, daß dem Veräußerer die vereinnahmten Mietvorauszahlungen verbleiben, und diese somit bereits nach § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG zur Gegenleistung zu rechnen waren.
II. -
Nach § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG gehören zur Gegenleistung: "die Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen".
Dazu sei bemerkt (siehe die Begründung zu § 11 GrEStG 1940, Reichssteuerblatt 1940 S. 408): Der Abs. 2 Ziff. 2 bezieht sich auf diejenigen Belastungen des Grundstücks, die beim Abschluß des Grundstücksgeschäfts bereits auf dem Grundstück ruhen und ohne besondere Abrede kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen, zum Beispiel eine Dienstbarkeit, die zugunsten des Eigentümers eines anderen Grundstücks eingetragen ist. Beim Erwerb eines Grundstücks, auf dem solche Belastungen ruhen, bemessen die Beteiligten das vereinbarte Entgelt im allgemeinen entsprechend niedriger als beim Erwerb eines gleichwertigen Grundstücks, das nicht belastet ist. Die Beteiligten gehen dabei in der Regel davon aus, daß der Wert der vorhandenen Belastungen dem Wert der vereinbarten Leistungen hinzuzurechnen ist, daß also der Gesamtbetrag der vereinbarten und der kraft Gesetzes übergehenden Leistungen die Gegenleistung für das Grundstück darstellt. Entsprechendes gilt, wenn ein Grundstück in der Zwangsversteigerung erworben wird, bezüglich der Höhe des Meistgebots. Demgemäß ist im § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG bestimmt worden, daß Grundstücksbelastungen als Teil der Gegenleistung zu behandeln sind. Diese Vorschrift gilt unabhängig davon, ob die Beteiligten das vereinbarte Entgelt oder das Meistgebot im Einzelfall unter Berücksichtigung der kraft Gesetzes übergehenden Grundstücksbelastungen bemessen haben oder nicht.
Der Grundsatz des BGB, daß Rechte und Pflichten aus schuldrechtlichen Verträgen nur zwischen den Vertragsparteien entstehen, gilt an sich auch für Mietverträge. Einschränkungen bestehen nach dem BGB nur in geringem Umfang, nämlich nach §§ 571 bis 575 BGB dann, wenn der Vermieter das vermietete Grundstück nach der überlassung an den Mieter an einen Dritten veräußert ("Kauf bricht nicht Miete"). Demgegenüber ist der Mieter, der Mietvorauszahlungen als Baukostenzuschüsse leistete, durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs finanziell in immer größerem Umfang gesichert worden. Die Sicherung des Mieters wegen der noch nicht abgewohnten Baukostenzuschüsse ist durch §§ 57 c, 57 d des Zwangsversteigerungsgesetzes in der Fassung des mit Wirkung ab 1. Oktober 1953 in Kraft getretenen Art. 3 Nr. 14 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete der Zwangsvollstreckung vom 20. August 1953 (Bundesgesetzblatt I S. 952) auch auf seinen Raumbesitz erstreckt worden.
III. - Die fortgesetzt verbesserte Rechtstellung des Mieters, der Mietvorauszahlungen als Baukostenzuschüsse geleistet hat, ergibt sich aus nachstehender Zusammenstellung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs:
Im § 573 BGB ist bestimmt, daß Vorausverfügungen des Vermieters über den Mietzins mit Wirkung gegenüber dem Erwerber nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit möglich sind. Demgegenüber hat das Reichsgericht in dem Urteil Rep. III 336/18 vom 14. Januar 1919 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 94 S. 279) die Auffassung vertreten, daß diese Vorschrift auf Vorauserhebungen und Vorauszahlungen von Mietzinsen, die in Gemäßheit des Mietvertrages stattfinden, nicht anzuwenden sei.
In einem Urteil VIII 91/32 vom 6. Juni 1932 (RGZ Bd. 136 S. 407) hat das Reichsgericht ergänzend entschieden, daß auch der Hypothekengläubiger entgegen der Vorschrift des § 1124 Abs. 2 BGB bei Mietvorauszahlungen, die in Gemäßheit des Mietvertrages geleistet werden, eine unzulässige Vorausverfügung nicht geltend machen können. Ebenso hat sich das Reichsgericht in dem Urteil IV 399/33 vom 22. März 1934 (RGZ Bd. 144 S. 194) auf den Standpunkt gestellt, daß ein derartiges Recht dem Zwangsverwalter entgegen § 148, § 152 Abs. 2 des Zwangsversteigerungsgesetzes in Verbindung mit § 1124 Abs. 2 BGB nicht zustehe. Den gleichen Standpunkt hat der Bundesgerichtshof in einem Urteil V ZR 79/51 vom 6. Juni 1952 (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 6 S. 202) in einer Konkurssache eingenommen und entschieden, daß der Konkursverwalter entgegen § 21 Abs. 2 der Konkursordnung eine unzulässige Vorausverfügung nicht geltend machen könne.
Während das vorerwähnte Urteil des Reichsgerichts Rep. III 336/18 vom 14. Januar 1919 einen Fall betraf, in dem das Grundstück durch Rechtsgeschäft erworben wurde, hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil V ZR 24/54 vom 26. November 1954 (BGHZ Bd. 15 S. 296) anerkannt, daß auch der Ersteher des Grundstücks die als Baukostenzuschüsse geleisteten Mietvorauszahlungen gegen sich gelten lassen müsse. Die Abwohnbarkeit der Baukostenzuschüsse bleibt demgemäß nicht nur möglich, wenn ein Grundstück durch Rechtsgeschäft erworben wird, sondern auch dann, wenn ein Erwerb in der Zwangsversteigerung vorliegt. Nach dem letzterwähnten Urteil des Bundesgerichtshofs kommt es außerdem nicht darauf an, ob die Vorauszahlungen schon in dem ursprünglich vereinbarten Mietvertrag oder erst in einer späteren Abänderung oder in einer Ergänzung vereinbart werden. Voraussetzung ist aber, daß durch die Zuschußleistung des Mieters ein sachlicher Wert geschaffen wird, der sich auch später gegenüber dem nachfolgenden Eigentümer, den Hypothekengläubigern usw. auswirkt. Die frühere Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, nach der die Wirksamkeit der Vorauszahlung des Mietzinses nur "in Gemäßheit des Mietvertrages" anerkannt wurde, das heißt nur dann, wenn die Vorauszahlung des Mietzinses bereits bei Abschluß des maßgebenden Mietvertrags vereinbart worden war, ist damit überholt.
In einem Urteil V ZR 4/54 vom 17. Dezember 1954 (BGHZ Bd. 16 S. 31) befaßt sich der Bundesgerichtshof mit der Frage, ob der Ersteher, obwohl das Gesetz vom 20. August 1953 (siehe nachstehend Abschnitt IV) keine Regelung darüber enthält, den mit dem Baukostenzuschuß abgegoltenen Mietzins an den Mieter zurückzahlen müsse, wenn der Mietvertrag durch Kündigung des Erstehers endet, bevor der nicht verlorene Baukostenzuschuß abgewohnt sei. Der Bundesgerichtshof bejaht, daß eine solche Rückzahlungsverpflichtung besteht, und zwar ebenso wie nach § 555 BGB in den Fällen, der §§ 553, 554 BGB. Voraussetzung sei, daß sich die Rückzahlungsverpflichtung aus dem Mietverhältnis, in das der Ersteher nach § 57 des Zwangsversteigerungsgesetzes und nach § 571 BGB eingetreten sei, ergebe. Der Anspruch auf Rückzahlung stehe dem Mieter unabhängig davon zu, ob er die Kündigung schuldhaft oder nicht schuldhaft herbeigeführt und ob er seine Ansprüche nach § 57 d des Zwangsversteigerungsgesetzes in der Zwangsversteigerung angemeldet oder nicht angemeldet habe.
IV. - Durch § 57 c, § 57 d des Zwangsversteigerungsgesetzes in der mit Wirkung ab 1. Oktober 1953 geltenden Fassung (siehe oben Abschnitt II 2) ist das dem Ersteher eines Grundstücks nach § 57 a des Zwangsversteigerungsgesetzes gegenüber den Mietern zustehende Kündigungsrecht in Fällen, in denen die Miete zur Schaffung des Mietraums ganz oder teilweise voraus entrichtet oder mit einem sonstigen zur Schaffung des Mietraums geleisteten Beitrag zu verrechnen ist, weitgehend eingeschränkt worden. Durch diese Vorschrift ist der Mieter, der zur Schaffung des Wohnraums noch nicht abgewohnte Mietvorauszahlungen geleistet hat, auch in seinem Raumbesitz geschützt.
V. - Der Mieter ist demnach in seinen Rechten sowohl gegenüber Erwerbern des Grundstücks als auch gegenüber Hypothekengläubigern, Zwangsverwaltern und Konkursverwaltern umfassend gesichert, und zwar nicht nur finanziell, sondern seit 1. Oktober 1953 auch in seinem Raumbesitz. Deshalb erscheint es unbedenklich, in dem Recht des Mieters, der einen Baukostenzuschuß geleistet hat, jedenfalls seit dem 1. Oktober 1953 eine Grundstücksbelastung im Sinn des § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 1 GrEStG zu erblicken. Richtig ist, daß das Recht des Mieters kein dingliches Recht im Sinn der sachenrechtlichen Vorschriften des BGB ist. Jedoch wird auch in der bezeichneten Vorschrift des GrEStG nicht von einem dinglichen Recht, sondern lediglich von einer Grundstücksbelastung gesprochen.
Nach § 11 Abs. 2 Ziff. 2 Satz 2 GrEStG gehören allerdings dauernde Lasten nicht zu den Lasten, die als Teil der Gegenleistung anzusehen sind. Es handelt sich vorliegend aber nicht um dauernde, sondern um zeitlich befristete Lasten. Die Verpflichtung des Vermieters aus den als Baukostenzuschuß gewährten Mietvorauszahlungen endet, sobald die Mietvorauszahlungen abgewohnt sind.
Das Urteil des Finanzgerichts war somit aufzuheben. Der Streitfall ist zur Entscheidung reif. Die Gegenleistung erhöht sich um den Betrag der noch nicht abgewohnten Mietvorauszahlungen von insgesamt 4.033,98 DM.
Die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 20. Dezember 1955 war demnach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 408783 |
BStBl III 1957, 266 |
BFHE 1958, 89 |
BFHE 65, 89 |