Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze Steuerliche Betriebsprüfung Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Der Verzichtsbescheid im Sinne des § 3 a HypSichG ist eine öffentlich-rechtliche Verfügung (Verwaltungsakt) mit zivilrechtlichen Rechtswirkungen. Nach dem Inkrafttreten des LAG ist eine änderung der Verzichtswirkungen im Rahmen der Veranlagung der Hypothekengewinnabgabe jedenfalls dann noch möglich, wenn eine änderung oder Berichtigung des Verzichtsbescheides nach den auch im Abgabenrecht maßgeblichen allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen zulässig wäre.
Auf die änderung oder Berichtigung von Verzichtsbescheiden können die in den §§ 91 ff., insbesondere in § 92 und § 96 AO zum Ausdrucke gelangten allgemeinen Rechtsgrundsätze des steuerlichen Verwaltungsrechtes sinngemäß angewendet werden.
Normenkette
HypSichG § 3a; LAG § 100 Abs. 2, 6; AO §§ 91, 92 Abs. 3, § 92/2
Tatbestand
Die Bgin. war am Währungsstichtage Eigentümerin eines Grundstückes, dessen Gebäudebestand durch Kriegseinwirkung zerstört worden war. Der vor dem Kriege auf 20.800 RM festgestellte Einheitswert ist deshalb zum 21. Juni 1948 nach den Vorschriften des Abschnittes I des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) vom 10. März 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1949 S. 25) auf 1.600 DM fortgeschrieben worden. Gleichzeitig stellte das Finanzamt wegen des Wiederaufbaues, in dem sich das zerstörte Gebäude am Währungsstichtage befand, gemäß § 33 a Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) einen besonderen Einheitswert für das im Bau befindliche Gebäude in Höhe von 6.700 DM fest.
Hinsichtlich der auf diesem Grundstücke lastenden Umstellungsgrundschuld, die aus der zugunsten eines Spar- und Darlehnskassenvereins eingetragenen und im Verhältnis 10 : 1 umgestellten Hypothek in Höhe von noch 9.255 RM am Währungsstichtage hervorgegangen war, verzichtete das Finanzamt gemäß § 3 a des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG) mit Wirkung vom 1. Juli 1948 auf einen letztrangigen Teilbetrag in Höhe von 92,3 v. H. = 7.689 DM, wobei das Finanzamt von einem Vergleiche des ursprünglichen Einheitswertes vor dem Schadensfalle mit dem auf den 21. Juni 1948 festgestellten Werte des Grund und Bodens (1.600 DM) ausging.
Von dieser Berechnung wich das Finanzamt bei der Erteilung des Hypothekengewinnabgabebescheides ab, indem es den im Bescheide vom 30. Juni 1951 ausgesprochenen Verzicht auf die Umstellungsgrundschuld rechnerisch in der Weise berichtigte, daß es bei der Schadensberechnung dem Ausgangswerte von 20.800 RM nunmehr den Einheitswert des Grundstückes vom 21. Juni 1948 einschließlich des Wiederaufbauwertes, d. h. in Höhe von insgesamt 8.300 DM, gegenüberstellte. Danach ergab sich eine Schadensquote von 60,0961 v. H. und eine Minderung des Schuldnergewinnes in Höhe von nur 5.561,89 DM.
Die Bgin. legte Einspruch ein, in dem sie sich gegenüber dem Abgabebescheid auf die im § 100 Abs. 6 LAG ausgesprochene Verzichtsgarantie berief.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Der Berechnung des ursprünglichen Verzichtsbetrages sei als Einheitswert vom 21. Juni 1948 irrtümlich nur der Teilbetrag von 1.600 DM zugrunde gelegt worden, der dem Restwerte des zerstörten Grundstückes entsprochen habe. Dieser durch Irrtum hervorgerufene Fehler stelle eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 92 Abs. 3 AO dar, die entsprechend der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nur noch im Wege "rechnungsmäßigen Verzichts" im Rahmen der Veranlagung zur Hypothekengewinnabgabe zu berichtigen sei.
Die Berufung, in der die Bgin. das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit bestritt und darüber hinaus Zweifel äußerte, ob ein rechtskräftiger Verzichtsbescheid im Sinne des § 3 a HypSichG überhaupt durch einen rechnerisch ermittelten Gewinn im Hypothekengewinnabgabebescheide berichtigt werden könne, führte zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung und zur Abänderung des Hypothekengewinnabgabebescheides dahin, daß die Abgabeschuld nach dem Stande vom 21. Juni 1948 auf 640,50 DM ermäßigt wurde. Das Finanzgericht schloß zwar grundsätzlich die Möglichkeit einer Berichtigung durch einen im Hypothekengewinnabgabebescheid enthaltenen rechnungsmäßigen Verzicht nicht aus, lehnte aber wegen der Möglichkeit eines Rechtsirrtums die Zulässigkeit der Berichtigung ab.
Der Vorsteher des Finanzamts hat Rb. erhoben. Nach seinen Ausführungen enthalte der angefochtene Hypothekengewinnabgabebescheid überhaupt keine Berichtigung des Verzichtsbescheides vom 30. Juni 1951. Es sei unter dem Abschnitt "B Kriegsschadensquote" lediglich kenntlich gemacht, daß die Schadensquote im Rahmen des Hypothekengewinnabgabebescheides nicht in der gleichen Höhe wie beim Verzicht in Betracht komme. Durch den Zusatz "rechnerisch" vor den Worten "Verzicht auf Umstellungsgrundschuld" habe das Finanzamt nur zum Ausdruck bringen wollen, daß für die Minderung nach § 100 LAG nicht von der bei Berechnung des Verzichtes angewendeten Schadensquote auszugehen sei. Die Garantie des § 100 Abs. 6 LAG habe nur für die verhältnismäßig seltenen Fälle Bedeutung, in denen die Vorschriften des § 3 a HypSichG für den Abgabeschuldner im Einzelfalle günstiger waren als die Minderungsvorschrift des § 100 LAG. Sie erstrecke sich nicht auf Fälle, in denen infolge eines Irrtumes des Finanzamts der Verzicht in sachlich nicht gerechtfertigter Höhe ausgesprochen worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Es ist zwar richtig, daß die Berechnung des Minderungsbetrages, wie sie das Finanzamt bei Erteilung des Hypothekengewinnabgabebescheides durchgeführt hat, inhaltlich und sachlich nicht zu beanstanden ist (siehe Urteil des erkennenden Senates III 335/56 U vom 9. Oktober 1959, BStBl 1959 III S. 484 f., Slg. Bd. 69 S. 599).
Der Ansatz des vom Finanzamt nach § 100 Abs. 2 LAG ermittelten Minderungsbetrages, der geringer ist als der im Verzichtsbescheide errechnete Betrag, kann indessen nur dann und insoweit für zulässig erachtet werden, als dabei nicht die im § 100 Abs. 6 LAG ausgesprochene Verzichtsgarantie berührt oder verletzt wird. Der Vorsteher des Finanzamts ist allerdings der Meinung, daß diese Garantie nur für die Fälle Bedeutung habe, in denen die Vorschriften des § 3 a HypSichG für den Abgabeschuldner günstiger waren als die Minderungsvorschriften des § 100 LAG, daß sie aber nicht für die Fälle gelten könne, in denen der Verzicht auf Grund eines Irrtumes in ungerechtfertigter Höhe ausgesprochen worden sei. Mit dieser Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 100 Abs. 6 LAG verkennt er die Rechtslage. Denn die Verzichtsgarantie des § 100 Abs. 6 LAG gilt grundsätzlich auch für die Fälle, in denen unanfechtbar ein höherer Verzicht gewährt worden ist, als nach § 3 a HypSichG an sich zulässig gewesen wäre (vgl. Harmening, Kommentar zum Lastenausgleichsgesetz, Tz. 37 und 38 zu § 100 LAG). Dies entspricht sinngemäß auch der Auslegung, die der Senat der Vorschrift in seiner bisherigen Rechtsprechung hat zuteil werden lassen; er hat stets betont, durch die Vorschrift des § 100 Abs. 6 LAG solle gewährleistet werden, daß in den Fällen, in denen nach § 3 a HypSichG auf Umstellungsgrundschulden verzichtet worden ist, sich die Abgabeschuld mindestens um den Verzichtsbetrag verringert, der für die entsprechende Umstellungsgrundschuld gewährt worden ist (vgl. Urteil III 302/57 U vom 19. September 1958, BStBl 1958 III S. 450, Slg. Bd. 67 S. 464).
Danach darf der Minderungsbetrag bei der Hypothekengewinnabgabe nur dann in einer geringeren Höhe als der ursprüngliche Verzichtsbetrag angesetzt werden, wenn die Berechnung des Verzichtsbetrages fehlerhaft und seine Berichtigung gesetzlich noch möglich und zulässig ist. Die Fehlerhaftigkeit der Berechnung des Verzichtsbetrages wird man unter Berücksichtigung des vorerwähnten Urteils III 335/56 U vom 9. Oktober 1959 zu bejahen haben, da die Grundsätze dieses Urteils schon deshalb unbedenklich auf die nach den Vorschriften des HypSichG durchzuführende Berechnung des Verzichtsbetrages übertragen werden können, weil auch für dessen Gewährung die Vermögensminderung und die vermögensteuerliche Betrachtung in gleicher Weise bestimmend sein sollten wie für die Berechnung des Minderungsbetrages im Sinne des § 100 Abs. 2 LAG. Es erscheint aber zweifelhaft, ob der Verzichtsbescheid als solcher nah dem Außerkrafttreten des HypSichG noch geändert werden kann. Der Senat hat in dem Urteil III 99/52 S vom 17. April 1953 (BStBl 1953 III S. 147, Slg. Bd. 57 S. 374) festgestellt, daß ein Verzicht nach § 3 a HypSichG nicht mehr ausgesprochen werden kann, nachdem die Umstellungsgrundschulden mit dem Inkrafttreten des LAG gemäß § 120 dieses Gesetzes erloschen waren. Schon nach den Grundsätzen dieses Urteils müssen erhebliche Bedenken gegen die nachträgliche Berichtigung oder änderung eines Verzichtsbescheides bestehen, ganz abgesehen davon, daß es keineswegs klargestellt ist, ob die durch einen Verzichtsbescheid ausgelösten zivilrechtlichen Wirkungen des Erlöschens der dinglichen Schuld überhaupt noch beseitigt oder rückgängig gemacht werden können.
Der Klärung dieser Rechtsfrage kann indessen auf sich beruhen. Denn auch dann, wenn ein nach § 3 a HypSichG ausgesprochener Verzicht als solcher nach dem Außerkrafttreten des HypSichG nicht mehr berichtigungsfähig sein sollte, ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, daß der ausgesprochene Verzicht im Rahmen der Veranlagung der Hypothekengewinnabgabe zumindest durch einen rechnungsmäßigen Verzicht geändert werden kann. Die Vorinstanz hat zur Begründung ihrer Auffassung zutreffend auf die Rechtsprechung des erkennenden Senates hingewiesen, der in den Urteilen III 22/56 S. vom 27. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 240, Slg. Bd. 63 S. 114) und III 99/52 S vom 17. April 1953, a. a. O., ausgesprochen hat, daß nach dem Außerkrafttreten des HypSichG zwar ein effektiver Verzichtsbescheid nicht mehr erlassen, daß aber im Rahmen der Erhebung der Hypothekengewinnabgabe ein rechnerischer Verzicht noch nachträglich durchgeführt werden kann und daß dieser rechnerische Verzicht im Ergebnis einem nach § 3 a HypSichG ausgesprochenen Verzicht gleichzustellen ist und sich auf die Verzichtsgarantie des § 100 Abs. 6 LAG auswirkt. Im Interesse steuerlicher Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit erscheint es erforderlich, diese Grundsätze auf die änderung oder Berichtigung von Verzichtsbescheiden ebenfalls anzuwenden und eine solche im Rahmen der Erhebung der Hypothekengewinnabgabe rechnungsmäßig unter der Voraussetzung zuzulassen, daß die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grenzen der Berichtigung von Verwaltungsakten innegehalten werden.
Bei der Verzichtserklärung handelt es sich um einen Verwaltungsakt, auch wenn er zivilrechtliche Wirkungen äußerst und gegebenenfalls das Erlöschen der dinglichen Schuld herbeiführt. Obwohl die Umstellungsgrundschuld formalrechtlich wie eine echte Grundschuld nach den Vorschriften des BGB über Hypotheken, Grund- und Rentenschulden behandelt wird, bewegt sich der Verzichtsakt als solcher außerhalb des Anwendungsbereiches der bürgerlich- rechtlichen Vorschriften. Denn ungeachtet der formalrechtlichen Ausgestaltung der Umstellungsgrundschuld handelt es sich bei der Schaffung dieser aus rein privatrechtlichen Grundpfandrechten hervorgegangenen Grundstücksbelastung um eine neuartige Rechtsschöpfung, die ausschließlich den Interessen des öffentlichen Finanzwesens zu dienen bestimmt ist. Nicht allein, daß die Umstellungsgrundschulden als solche die künftige Aufbringung der Mittel für den im öffentlichen Interesse durchgeführten Lastenausgleich sicherstellen sollten, die aus den Umstellungsgrundschulden fließenden Zins- und Tilgungsbeträge werden bereits in einem gemeinsamen Fonds gesammelt, der zur Erfüllung dieser vom Fiskus im öffentlichen Interesse übernommenen Aufgabe gebildet worden ist. Neben dieser Sammlung der aus den Umstellungsgrundschulden fließenden Gelder in einem ausschließlich für öffentliche Zwecke gebildeten Fonds beweist auch der gesetzliche übergang der früheren Privatforderungen bzw. ihrer nichtumgestellten Teile auf den Fiskus, daß es sich bei diesen Vorgängen nach ihrem sachlichen Gehalt um solche der öffentlichen Finanzgebarung des Fiskus handelt, der deshalb auch die Verwaltung der Umstellungsgrundschulden selbst entweder den Finanzämtern oder besonderen von ihm insoweit mit öffentlichen Finanzaufgaben betrauten Stellen übertragen hat. Dies gilt auch für den Ausspruch eines Verzichtes auf die Umstellungsgrundschuld oder auf Teile derselben, der schon aus diesem Grunde als Akt der öffentlichen Verwaltung der Anwendung privatrechtlicher Normen nicht zugänglich ist. Da der Verzicht durch das gesetzlich dafür vorgesehene Finanzamt, also durch eine Behörde, im Rahmen seiner Zuständigkeit ausgesprochen worden ist und da der Verzicht außerdem dazu bestimmt war, eine Veränderung der Rechtslage herbeizuführen, die er auch tatsächlich herbeigeführt hat, trägt er auch hier den unverkennbaren Charakter eines Verwaltungsaktes. Da sich der steuerliche Begriff der Verfügung weitgehend mit dem des Verwaltungsaktes deckt, erscheint es bei den engen Beziehungen des Rechtes der Umstellungsgrundschulden zum öffentlichen Abgabenwesen von vornherein naheliegend, die Vorschriften der AO über Verfügungen und Bescheide auf die vorgenannten Verzichtsbescheide zu übertragen. Es darf freilich nicht außer acht gelassen werden, daß die Leistungen auf Grund des HypSichG keine steuerlichen Leistungen sind, und daß der Verzichtsbescheid daher weder als Steuerbescheid noch als steuerlicher Freistellungsbescheid angesehen werden kann. Deshalb sind die Vorschriften der AO über Steuerbescheide pp. auf derartige Verzichtsbescheide nicht anzuwenden. Vielmehr können hier nur die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätze über die Berichtigung und änderung von Verfügungen und ähnlichen Verwaltungsakten Platz greifen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß es sich bei dem Verzichtsbescheide im Sinne des § 3 a HypSichG um eine den Grundeigentümer begünstigende Verfügung handelt, deren Rücknahme oder Einschränkung nur unter erschwerten Bedingungen zulässig ist. Für die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen solche Verfügungen geändert oder berichtigt werden dürfen, sind unter anderem auch im Rahmen des Abgabenrechtes in den §§ 91 ff. AO allgemeine Rechtsgrundsätze aufgestellt worden. Die Rechtssubstanz dieser Bestimmungen auch auf Verzichtsbescheide im Sinne des § 3 a HypSichG sinngemäß zur Anwendung zu bringen, obwohl es sich bei diesen nicht um Steuerbescheide handelt, hält der Senat schon deshalb für angebracht, weil in diesen Vorschriften allgemein verwaltungsrechtliche Grundsätze zum Ausdruck gebracht sind. Daß diese Bestimmungen ihren besonderen Zuschnitt im Hinblick auf das Abgabenrecht erhalten haben, ist ihrer Anwendung auf Verzichtsbescheide im Sinne des § 3 a HypSichG in Anbetracht der engen Verbindung, die zwischen der Materie des Gesetzes zur Sicherung von Forderungen für den Lastenausgleich und dem zum Abgabenrecht gehörigen Teil der Lastenausgleichsvorschriften besteht, keineswegs hinderlich. Der Senat erachtet daher die sinngemäße Anwendung der allgemein verwaltungsrechtlichen Charakter tragenden Rechtsnormen der §§ 91, 92 und 96 AO insoweit für geboten.
Eine Berichtigung des Verzichtsbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit wäre hiernach möglich, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt wären. Nach der Auffassung des Finanzgerichts scheitert jedoch die Berichtigung des Verzichtsbescheides daran, daß § 92 Abs. 3 AO jedenfalls dann nicht zur Anwendung kommen kann, wenn die Möglichkeit eines Rechtsirrtums besteht. Ein solcher ist in der Tat nicht auszuschließen. Daß für die Berechnung des Verzichtsbetrages bzw. des Minderungsbetrages nach § 100 Abs. 2 LAG auf den nach § 33 a Abs. 3 BewDV festgestellten Einheitswert zurückgegriffen werden muß, ist erst durch das schon erwähnte Urteil III 335/56 U vom 9. Oktober 1959, a. a. O., klargestellt worden. Zuvor haben zumindest in den Jahren bis 1954 selbst innerhalb der Finanzverwaltung noch Zweifel darüber bestanden, ob der Berechnung des Kriegsschadens nach § 100 LAG als Endeinheitswert am 21. Juni 1948 der Einheitswert nach § 33 a Abs. 3 BewDV zugrunde zu legen ist. Dies ergibt sich schon daraus, daß diese Rechtsfrage in der vierten und fünften Hypothekengewinnabgabebesprechung der Lastenausgleichsreferenten Gegenstand ausgedehnter Erörterungen gewesen ist. Auch in anderen als dem hier vorliegenden Falle haben die Finanzämter die Vorschrift des § 33 a Abs. 3 BewDV fälschlicherweise nicht angewendet. Sie sind damit einem nicht der Berichtigung nach § 92 Abs. 3 AO zugänglichen Rechtsirrtume unterlegen. Daß gerade im Streitfalle die Möglichkeit eines solchen Rechtsirrtumes ebenfalls nicht von der Hand zu weisen ist, ergibt sich insbesondere daraus, daß sich das Finanzamt über die Tatsache des begonnenen Wiederaufbaues im klaren war, wie in einem kurz vorher gefertigten Schreiben vom 22. / 23. Mai 1951 deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Gerade unter Berücksichtigung dieses Umstandes erscheint die Annahme eines Rechtsirrtumes naheliegend, so daß die Vorinstanz die Zulässigkeit einer änderung des Verzichtsbescheides wegen offenbarer Unrichtigkeit mit Recht verneint hat. Im übrigen fehlt es aber auch an den Voraussetzungen, die im § 96 AO allgemein für die Zurücknahme oder änderung begünstigender Verfügungen festgelegt worden sind.
Da somit eine Berichtigung des ursprünglichen Verzichtsbescheides, der nicht in der gleichen Weise wie ein Hypothekengewinnabgabebescheid als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung angesprochen werden kann, für unzulässig erachtet werden muß, greift die Verzichtsgarantie des § 100 Abs. 6 LAG uneingeschränkt Platz.
Fundstellen
Haufe-Index 409783 |
BStBl III 1960, 519 |
BFHE 1961, 726 |
BFHE 71, 726 |