Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen eines Schülers für den Erwerb eines Führerscheins der Klasse III sind grundsätzlich nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1971 abziehbar.
Normenkette
EStG 1971 § 10 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der im Streitjahr 1972 als Schüler das Gymnasium besuchte, nahm im März dieses Jahres an einem Ferienfahrkurs teil und erwarb den Führerschein der Klasse III. Die Kosten für die Fahrschulausbildung und die Prüfungskosten betrugen 971,60 DM, die Kosten der Unterbringung und der Hin- und Rückreise 706,60 DM. Während der Sommerferien 1973 arbeitete der Kläger für ein Kaufhaus als Kleinlastwagenfahrer und war auch im Jahre 1974 für dieses etwa 450 Stunden als Kraftfahrer tätig. Er bezog hierfür lohnsteuerpflichtige Einkünfte. Für 1972 wurde der Kläger mit Einkünften aus Kapitalvermögen zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei begehrte er die Berücksichtigung seiner Aufwendungen für die Fahrschulausbildung als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG mit dem Höchstbetrag von 1 200 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ließ bei der Veranlagung diese Ausgaben zum Abzug nicht zu. Auch der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Klage beschränkte der Kläger den streitigen Sonderausgabenabzug auf 900 DM.
Die Klage wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, daß zu den Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG grundsätzlich nicht Aufwendungen für den Lebensunterhalt gehörten. Der Kläger habe hier keine Aufwendungen für seine berufliche Ausbildung gemacht. Unter Beruf i. S. dieser Vorschrift sei nur eine bestimmte, dauernde Erwerbstätigkeit zu verstehen, nicht hingegen eine zufällige, zeitlich begrenzte Arbeit. Bei dem Kläger lasse es sich noch nicht absehen, welchen Beruf er ergreifen werde. Bei der Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1973 und 1974 habe es sich nicht um einen Beruf i. S. der vorstehenden Begriffsbezeichnung gehandelt; vielmehr sei dies ein zufälliger, zeitlich begrenzter Ferienjob gewesen. In der Hauptsache war und sei der Kläger Schüler. Er könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Besitz eines Führerscheins später insofern der Erwerbstätigkeit dienen würde, als er mit einem Auto zum Arbeitsplatz fahren und diese Aufwendungen als Werbungskosten abziehen könne. Bei Aufwendungen, die teils zur beruflichen und teils zur privaten Lebensführung gehörten und bei denen nach objektiven Merkmalen und Unterlagen eine Trennung nicht leicht nachprüfbar sei, sei auch nach dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom. 19. Oktober 1970 GrS 2/70 (BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17) eine schätzungsweise Aufteilung ausgeschlossen. So habe der BFH im Urteil vom 20. Februar 1969 IV R 119/66 (BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433) die Kosten für den Erwerb eines Führerscheins der privaten Lebenssphäre zugerechnet.
Das FG hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Mit der Revision beantragt der Kläger, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1972 sowie die Einspruchsentscheidung und das Urteil des FG ersatzlos aufzuheben. Die Einkommensteuerschuld für 1972 müsse um 171 DM herabgesetzt werden. Er trägt vor, es werde nicht bestritten, daß die streitigen Aufwendungen Kosten der Lebenshaltung seien. Alle Sonderausgaben seien aber auch Kosten der Lebenshaltung, die aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen, hier des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG, im beschränkten Umfang zum Abzug zugelassen seien. Die streitigen Aufwendungen seien keine Ausgaben für den Lebensunterhalt. Zum Lebensunterhalt gehörten solche für Verpflegung, Unterkunft und Kleidung. Die streitigen Aufwendungen seien lediglich geeignet gewesen, einer Berufsausbildung oder Weiterbildung zu dienen. Unter § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehörten sogar Kosten zur Erlangung der Doktorwürde, ebenso solche, die möglicherweise nur der wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Stellung des Steuerpflichtigen dienten. Es brauche sich auch nicht um Aufwendungen für eine typische berufliche Ausbildung zu handeln. Auch der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen diene der Berufsausbildung oder der Weiterbildung in einem nichtausgeübten Beruf. Die Vielfalt des Berufslebens erfordere in vielen typischen und atypischen Berufen den Führerschein. Die Erlangung eines Führerscheins diene der Weiterbildung ebenso wie der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen. Es sei nicht einzusehen, daß die Erlangung des Doktortitels volkswirtschaftlich nützlicher sein solle als die Erlangung des Führerscheins (Hinweise auf Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 EStG Anm. 92 E 173). Begünstigte Ausbildungsaufwendungen seien Ausgaben jeder Art, sofern sie nur der Aus- oder Weiterbildung dienten, so auch solche für Bücher, Zeitschriften, Schreib- und Zeichenmaterial, Geräte, Werkzeuge usw. Für die "Erwerbsstellung" genüge eine Tätigkeit während eines bestimmten Lebensabschnitts. Daraus, daß er mit 20 Jahren noch Schüler sei, dürften keine nachteiligen Folgerungen bei der jetzigen Firma, beim Kaufhaus, gezogen werden. Möglicherweise werde seine jetzige Tätigkeit dazu führen, daß er dort später eine Lehre als Einzelhandelskaufmann beginne. Seine Kenntnisse aus dem Erwerb des Führerscheins seien jedenfalls geeignet, einem späteren Beruf zu dienen.
Das FA hat beantragt, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1971 sind Sonderausgaben Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder seine Weiterbildung in einem nichtausgeübten Beruf bis zu 900 DM im Kalenderjahr. Begünstigt durch diese Vorschrift sind Maßnahmen, die die Voraussetzungen für die Ausübung eines bestimmten Berufes schaffen und somit berufsspezifische Kenntnisse vermitteln. Daß nicht jede Maßnahme, die einer späteren Berufsausübung förderlich sein kann, der Berufsausbildung in diesem Sinne zugerechnet werden darf, ergibt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung der hauswirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1971. Nicht jede hauswirtschaftliche Aus- oder Weiterbildung mündet in eine berufliche, d. h. dem Erwerb dienende Tätigkeit. Der Gesetzgeber wollte die hauswirtschaftliche Aus- oder Weiterbildung ausnahmsweise aber auch dann begünstigen, wenn sie nicht der Vorbereitung einer Erwerbstätigkeit, sondern der Vorbereitung der Tätigkeit als Hausfrau dient. Dieses Ziel schien ihm nur durch eine ausdrückliche Erwähnung erreichbar.
Werden durch Lernmaßnahmen Kenntnisse vermittelt, die nicht auf einen bestimmten Beruf bezogen sind, sondern der Allgemeinbildung dienen, so können die Aufwendungen dafür, sofern es sich nicht um die ohne Einschränkungen begünstigte hauswirtschaftliche Aus- oder Weiterbildung handelt, nur dann als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn der Lernprozeß notwendige Grundlage für die Ausübung eines Berufes ist. Dieser Grundsatz gilt insbesondere für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Besuch allgemeinbildender Schulen stehen. So sind etwa Aufwendungen für den Besuch der Volksschule deshalb Kosten der Berufsausbildung, weil der Besuch dieser Schule notwendige Grundlage für die Ausübung der verschiedensten Berufe ist (vgl. Urteil vom 10. Dezember 1971 VI R 255/70, BFHE 104, 220, BStBl II 1972, 242).
Hiernach sind Aufwendungen für solche Veranstaltungen nicht begünstigt, die lediglich die "Allgemeinbildung" (im weitesten Sinne) fördern und nicht auf einen Beruf, der als Erwerbstätigkeit ausgeübt werden soll, hinführen. Kosten für den Erwerb der Kenntnisse zur Erlangung des Führerscheins der Klasse III, wie sie im Streitfall geltend gemacht werden, dienen im allgemeinen in diesem Sinne der Allgemeinbildung. Derartige Kenntnisse sind in aller Regel nicht berufstypisch; sie berühren vielmehr Lebensbereiche, die keinem bestimmten Beruf, Gewerbe oder Betrieb zugeordnet werden können. Das Erreichen solcher Befähigungszeugnisse fällt deshalb in den Bereich der allgemeinen "Bildung" im weitesten Sinne, die sich Steuerpflichtige aus persönlichen Gründen aneignen, ohne daß dies eine notwendige Voraussetzung für die Berufsausübung wäre. Die Kosten sind daher keine Sonderausgaben i. S. des § 10 Nr. 9 EStG 1971.
Ob eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt wäre, wenn der Erwerb des Führerscheins unmittelbare Voraussetzung für die Berufsausübung ist - etwa bei einem Berufskraftfahrer -, kann dahingestellt bleiben, weil die Entscheidung des Streitfalls hiervon nicht abhängt. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Gelegenheitsarbeit des Klägers kein Beruf im Sinne der gesetzlichen Regelung ist. Diese Würdigung des Sachverhalts ist möglich und verstößt weder gegen die Lebenserfahrung noch gegen Denkgesetze. Ein "Ferien- und Freizeitjob" kann nicht als Beruf im Sinne der gesetzlichen Regelung angesehen werden. Der Hinweis des Klägers auf die steuerliche Behandlung der Promotionskosten führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Promotion wird als der letzte Akt der akademischen Ausbildung angesehen (vgl. Urteil des Senats vom 7. August 1967 VI R 88/66, BFHE 90, 26, BStBl III 1967, 777); es spricht deshalb eine Vermutung dafür, daß die Aufwendungen zu den Ausbildungskosten gehören.
Fundstellen
Haufe-Index 72474 |
BStBl II 1977, 834 |
NJW 1978, 343 |