Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Ist bei der rechtskräftigen Feststellung des Einheitswertes des Betriebsvermögens eine private Schuld zu Unrecht als Betriebsschuld abgezogen worden, so muß im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren der Beurteilung dieser Verbindlichkeit als Dauerschuld der Sachverhalt zugrundegelegt werden, der zum Abzug als Betriebsschuld führte.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Ziff. 1, § 8 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags 1957 einer KG., ob eine kapitalisierte Rentenschuld in Höhe von 29.029 DM zur Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957 zuzurechnen ist (ß 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG).
Die KG hatte die an eine früher ausgeschiedene Kommanditistin gezahlte Versorgungsrente der Auffassung des Finanzamts folgend als Veräußerungsrente mit dem Kapitalwert in den Ertragsteuerbilanzen und in den Vermögensaufstellungen bei der Ermittlung der Einheitswerte als Betriebsschuld ausgewiesen. Dem entsprechend war auch bei der rechtskräftigen Feststellung des für die Gewerbesteuer 1957 maßgebenden Einheitswertes des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1957 die kapitalisierte Rentenschuld mit 29.029 DM abgezogen worden.
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung wurden sich das Finanzamt und die KG darüber einig, daß diese Behandlung der Rente falsch war und daß es sich nicht um eine betriebliche, sondern um eine außerbetriebliche Versorgungsrente handelte. Das Finanzamt vertrat bei der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags 1957 die Auffassung, daß es an die rechtskräftige Einheitsbewertung des Betriebsvermögens insoweit gebunden sei, als es sich um den betrieblichen Charakter der Verbindlichkeit handle, und daß deshalb von diesem Charakter der Schuld ausgehend eine Dauerschuld vorliege, weil die Rentenverbindlichkeit mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb zusammenhänge (ß 12 Abs. 2 Ziff. 1, § 8 Ziff. 2 GewSTG).
Die KG erkannte zwar an, daß hinsichtlich der Ermittlung des Gewerbekapitals eine G gewisse Bindung an den Einheitswert des Betriebs bestehe, wie der Bundesfinanzhof im Grundsatzurteil IV 385/62 S vom 13. März 1964, BStBl 1964 III S. 344, Slg. Bd. 79 S. 311, im einzelnen dargelegt habe. Trotzdem sei es nicht möglich, bei dem allein im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren zu entscheidenden Dauerschuldcharakter außer Betracht zu lassen, daß es sich nicht um eine Betriebsschuld, sondern um eine private Verbindlichkeit handele, und der Beurteilung des Dauerschuldcharakters damit einen fingierten Sachverhalt zugrunde zu legen. Eine Privatschuld, die bei der Einheitsbewertung zu Unrecht als Betriebsschuld rechtskräftig abgezogen worden sei, könne nicht durch ihren Gegenwert das Betriebskapital verstärkt haben.
Das Finanzgericht hob in seiner in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1964 S. 443 veröffentlichten Entscheidung die Einspruchsentscheidung des Finanzamts, in der der Einspruch als unzulässig verworfen worden war, auf und setzte den Gewerbesteuermeßbetrag dem Antrag der KG folgend dadurch herab, daß es eine Zurechnung der Schuld zum Gewerbekapital ablehnte. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Die im Einheitswertverfahren getroffene Feststellung über die Zugehörigkeit von Wirtschaftsgütern zum Betriebsvermögen habe anders als der Einheitswert selbst keine selbständige Bedeutung und diene nur der Ermittlung der Höhe des Einheitswertes. Aus der Vorschrift des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG ergebe sich, daß über den privaten oder betrieblichen Charakter einer Schuld selbständig im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren zu entscheiden sei. Sei bei der Feststellung des Einheitswertes eine Privatschuld zu Unrecht als Betriebsschuld abgezogen worden, so dürfe dieser Fehler im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren nicht dadurch ausgeglichen werden, daß die Privatschuld bei der Ermittlung des Gewerbekapitals den Einheitswert erhöhe. Denn die gewerbesteuerliche Zurechnung sei auf Betriebsschulden beschränkt. Privatschulden könnten niemals als Dauerschulden angesehen werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts, die das Finanzgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuließ, ist begründet; sie führt zur Wiederherstellung der angefochtenen Festsetzung des Gewerbesteuermeßbescheids.
Der Senat legte im Grundsatzurteil IV 385/62 S dar, daß und aus welchen Gründen im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren bei der Entscheidung, ob zu Dauerschulden geeignete Verbindlichkeiten vorliegen, eine Bindung an die Feststellungen im Verfahren betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens (ß 212 a Abs. 2, § 213 Abs. 2, § 214 Ziff. 1 und § 218 Abs. 2 AO) besteht, und zwar auch dann, wenn diese Feststellungen unrichtig sind. Nur darüber, ob die abgezogene Schuld eine Dauerschuld ist, die die Voraussetzungen der Zurechnung in § 12 Abs. 2 Ziff. 1 erfüllt, ist im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren zu entscheiden. Nun ist es zwar richtig, daß sich der hier zu entscheidende Sachverhalt insofern von dem im bezeichneten Grundsatzurteil zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet, als es sich dort um einen unbestrittenen betrieblichen Vorgang handelte und nur der Charakter von Rückstellungen als betriebliche Verbindlichkeiten streitig war, während in dem jetzt zur Entscheidung stehenden Fall sich die Beteiligten über das Bestehen einer Verbindlichkeit einig sind und der Streit allein darum geht, ob ein betrieblicher Vorgang vorliegt. Ebensowenig aber, wie das Grundsatzurteil bei der Beurteilung der nach den Feststellungen im Einheitswertverfahren bindend als Betriebsschuld zu beurteilenden Rückstellung den Einwand berücksichtigte, daß die Valuta einer solchen Betriebsschuld, wenn sie im Einheitswertverfahren zu Unrecht als Schuld charakterisiert wurde, gedanklich nicht als Dauerschuld der Verstärkung des Betriebskapitals gedient haben könne, ist der Auffassung der KG zu folgen, daß eine nicht bestehende und beim Einheitswertverfahren zu Unrecht abgezogene Betriebsschuld deshalb keine mit dem Erwerb eines Anteils am Betrieb zusammenhängende Rentenschuld sein könne, weil schon gedanklich eine nicht bestehende Betriebsschuld nicht als eine solche Dauerschuld in Betracht kommen könne. Denn wenn man die Feststellungen des Einheitswertverfahrens, soweit es sich um das Bestehen einer das Betriebsvermögen mindernden, also einer zu einer Dauerschuld an sich geeigneten Verbindlichkeit handelt, als im Gewerbesteuermeßbetragsverfahren verbindlich ansieht, so ist die zwangsläufige Folge, daß insoweit auch der Beurteilung dieser Verbindlichkeit als Dauerschuld der Sachverhalt zugrunde gelegt werden muß, der bei der Einheitsbewertung zu ihrem Abzug führte. Eine andere Auffassung würde im Ergebnis die Bindung an die Feststellungen im Einheitswertverfahren verneinen, weil dann folgerichtig gegen die Beurteilung als Dauerschuld alle Einwendungen zulässig wären, die sich gegen den Charakter des Vorganges als Begründung einer Betriebsschuld wenden, weil eine Dauerschuld notwendig eine Betriebsschuld voraussetzt.
Diese überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß der Abzug einer Schuld bei der Ermittlung eines Einheitswertes des Betriebsvermögens für das Gewerbesteuermeßbetragsverfahrens auch insoweit verbindlich ist, als es sich um eine Betriebsschuld und nicht um eine private Schuld handelt. Denn nur Betriebsschulden dürfen bei dieser Ermittlung des Einheitswertes abgezogen werden. Geht man davon aus, daß die bei der Feststellung des Einheitswertes auf den 1. Januar 1957 abgezogene kapitalisierte Rentenschuld deshalb eine Betriebsschuld ist, weil sie den Kaufpreis für den Erwerb eines Anteils am Betrieb darstelle, so kann bei der Beurteilung dieser Verbindlichkeit als Dauerschuld der Charakter der Rente als Kaufpreisrente nicht mehr geprüft werden. Der Charakter als Veräußerungsrente steht fest. Da diese Rentenschuld nach dem der Ermittlung des Einheitswertes zugrunde gelegten Sachverhalt unstreitig dem Erwerb eines Anteils am Betrieb diente, sind gegen die Zurechnung zum Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1, § 8 Ziff. 2 GewStG keine Einwendungen zu erheben.
Da die KG in dem gegen den Gewerbesteuermeßbetragsbescheid im zulässigen Rechtsmittelverfahren zu Unrecht den Charakter der Verbindlichkeit als Dauerschuld bestritt, war ihr Einspruch nicht unzulässig, sondern unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 411423 |
BStBl III 1965, 97 |
BFHE 1965, 267 |
BFHE 81, 267 |