Leitsatz (amtlich)
Für die Bestimmung der Nahzone kommen im Fall einer Organschaft im Sinn des Umsatzsteuerrechts als Standort nur geschäftliche Niederlassungen der zum Organkreis gehörenden Gesellschaft in Betracht, die die Beförderungsleistungen bewirkt hat.
Normenkette
BefStG 1955 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 3; GüKG § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 2
Tatbestand
Die Berufungsführerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Tochtergesellschaft der F-AG. Sie betreibt in erster Linie Güterkraftverkehr. Die R-GmbH ist eine Tochtergesellschaft der F-AG. Zwischen der Klägerin und den beiden genannten Gesellschaften besteht ein umsatzsteuerrechtlich anerkanntes Organschaftsverhältnis.
Die Klägerin unterhält u. a. eine Niederlassung in A. Die R-GmbH unterhält u. a. eine Niederlassung in B. Die Klägerin hat dagegen in B keine geschäftliche Niederlassung.
Die Klägerin hatte in den Jahren 1957 bis 1960 von den in ihrer Niederlassung A eingesetzten Kraftfahrzeugen (Kfz.), die als ihr Betriebsvermögen in der Bilanz ausgewiesen wurden, vier Fahrzeuge in B verkehrsrechtlich zugelassen, und zwar auf den Namen der R-GmbH, der auch die Erlaubnis für den Güternahverkehr mit Standort B erteilt worden war. In den Erlaubnisurkunden war der Geschäftsführer der Niederlassung A der Klägerin als zur Führung der Geschäfte berechtigt eingetragen. Standortbescheinigungen im Sinne des § 6 Abs. 1 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) wurden für diese Fahrzeuge nicht erteilt. Die in B auf die R-GmbH zugelassenen Kraftwagen dienten dem Betrieb der Niederlassung A der Klägerin. Die Klägerin behandelte die mit diesen Fahrzeugen durchgeführten Gütertransporte als Beförderung innerhalb der Nahzone von B und damit als beförderungsteuerfreien Güternahverkehr.
Der Berufungsgegner und Revisionskläger (Finanzamt – FA –) sah im Anschluß an eine Beförderungsteuerprüfung nicht B, sondern A als Standort der vier in B zugelassenen Kfz. der Klägerin an und erhob für Beförderungen, die die Nahzone von A überschritten, für die Jahre 1957 bis 1960 Beförderungsteuer für nichtgenehmigten Güterfernverkehr nach.
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob dagegen die Bescheide über die Steuernachforderung auf.
Mit der Rechtsbeschwerde – jetzt Revision – rügt das FA, das FG habe zu Unrecht wegen der organschaftlichen Verbindung der Klägerin mit der R-GmbH einen Ort, der verkehrsrechtlich nicht Standort sein könne, beförderungsteuerrechtlich als Standort anerkannt. Der Standort sei ein verkehrsrechtlicher Begriff. Deshalb könne auch der Unternehmerbegriff für die Bestimmung des Standorts nicht nach Umsatzsteuerrecht, sondern nur nach Verkehrsrecht bestimmt werden. Die Organschaft als Unternehmer sei dem Verkehrsrecht fremd.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Berufung – jetzt Klage – als unbegründet abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Nach den unangefochtenen und damit für den Senat verbindlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 der FGO) war die Klägerin Eigentümerin der Lastkraftwagen (LKW), mit denen sie die streitigen Güterbeförderungen durchführte. Ungeachtet der Zulassung dieser Fahrzeuge auf die R-GmbH verfügte ausschließlich der Geschäftsführer der Niederlassung A der Klägerin über den Einsatz dieser Fahrzeuge. Dies ergibt sich auch aus der Erlaubnisurkunde für den Güternahverkehr.
Wer Unternehmer von Beförderungsleistungen ist, richtet sich grundsätzlich nach Umsatzsteuerrecht (§ 1 Abs. 3 des Beförderungsteuergesetzes – BefStG –). Für die Entscheidung der Frage, welche von mehreren in Betracht kommenden Personen Unternehmer ist, kommt es nach der Rechtsprechung darauf an, wer als Unternehmer nach außen auftritt (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 25. Juli 1968 V 150/65, BFHE 93, 194, BStBl II 1968, 731). Dies war für die streitigen Beförderungsleistungen auf Grund der Feststellungen des FG die Klägerin, da sie über den Einsatz der Fahrzeuge verfügte, diesen Einsatz unabhängig von der R-GmbH und ohne deren Kenntnis über die Beförderungsleistungen im Einzelfall regelte, und als Vertragspartner der Beförderungsleistungen auftrat. Zwar ist auch die R-GmbH nach außen als Unternehmer aufgetreten, nämlich durch die Zulassung der Kfz. auf ihren Namen und durch den Antrag auf Erteilung der Güternahverkehrserlaubnis. Diese formalen Handlungen – die im übrigen gegen § 11 GüKG verstießen – treten jedoch gegenüber dem materiellen Gehalt der Unternehmerleistung der Klägerin zurück, zumal, da ein Organ der Klägerin in der Erlaubnisurkunde von der Verkehrsbehörde als Geschäftsführer für den Güterverkehr bezeichnet wurde. Die R-GmbH handelte bezüglich der Güterbeförderungen mit den auf sie zugelassenen Fahrzeugen der Klägerin nicht selbständig.
2. Die Erlaubnis für den Güternahverkehr stellt keine für die Finanzbehörden und die FG verbindliche Standortbestimmung dar. Dies folgt schon daraus, daß die Erlaubnisurkunde – anders als die Genehmigungsurkunde für den Güterfernverkehr – keine Angabe über den Standort des Fahrzeuges enthält, mit dem die Güterbeförderungen durchgeführt werden, sondern nur den Sitz des Unternehmens angibt (§ 83 Abs. 1 in Verbindung mit § 15 Abs. 2 GüKG). Eine rechtsverbindliche Standortbestimmung für die in Betracht kommenden LKW der Klägerin lag damit, wie das FG zutreffend entschieden hat, jedenfalls für die Zeit von 1957 bis 1960 nicht vor.
Nach § 6 Abs. 2 GüKG ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der im Kfz.-Schein eingetragene Sitz des Unternehmers der Standort des Fahrzeuges ist. Diese Vermutung gilt aber dann nicht, wenn der Unternehmer an dem im Kfz.-Schein eingetragenen Ort weder einen Sitz noch eine geschäftliche Niederlassung hat. Die Klägerin hatte in B keine geschäftliche Niederlassung. Denn die dort befindliche geschäftliche Niederlassung der R-GmbH kann nicht als Niederlassung des Unternehmers der streitigen Beförderungsleistungen, nämlich der Klägerin, angesehen werden.
3. Für die Anwendung und Auslegung der Gesetzesvorschriften des § 1 Abs. 3 BefStG ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den eine Vorschrift hineingestellt ist, maßgebend (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299 [312]). Das Beförderungsgesetz steht in engem Zusammenhang mit dem Personenbeförderungsrecht und dem Güterkraftverkehrsrecht. Der Zusammenhang mit dem Güterkraftverkehrsrecht ergibt sich durch die Verweisung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 2 BefStG auf das Güterkraftverkehrsgesetz. Nach diesen Vorschriften wird Beförderungsteuer für Güterbeförderungen mit Kfz. erhoben, wenn die Nahzone im Sinne des Güterkraftverkehrsgesetzes überschritten wird; außerdem wird der durch das Güterkraftverkehrsrecht geprägte Begriff „genehmigter Güterfernverkehr” in der Bedeutung in das Beförderungsteuergesetz eingeführt, die ihm das Güterkraftverkehrsgesetz gegeben hat.
Diese Darstellung des Sinnzusammenhangs zeigt, daß das Beförderungsteuerrecht zur Bestimmung des für den Steuergegenstand maßgebenden Begriffs des Unternehmers der Beförderungsleistung zwar einerseits auf das Umsatzsteuerrecht verweist, zum anderen sich aber zur Bestimmung des Steuertarifs verkehrsrechtlicher Begriffe bedient. Der für die Beförderungsteuer bisher zuständige II. Senat des BFH hat zwar entschieden, daß für das Beförderungsteuerrecht insgesamt der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff maßgebend sei. Er hat deshalb im Falle einer umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereinheit auch beförderungsteuerrechtlich nur ein Unternehmen angenommen, so daß Güterbeförderungen, die ein Betrieb der Unternehmereinheit für einen anderen Betrieb der Unternehmereinheit durchführt, als Werkverkehr zu behandeln seien (BFH-Entscheidung vom 31. Mai 1961 II 165/58 U, BFHE 73, 216 BStBl III 1961, 347). Der erkennende Senat schließt sich dieser weitgehenden Auffassung nicht an, weil sie den Sinnzusammenhang zwischen § 1 Abs. 3 BefStG und § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b und § 11 BefStG nicht hinreichend beachtet. Die Abweichung von der Rechtsprechung des II. Senats verletzt nicht § 11 Abs. 3 FGO, weil der erkennende Senat inzwischen für die Entscheidung von Streitsachen auf dem Gebiet des Beförderungsteuerrechts ausschließlich zuständig geworden ist (vgl. BFH-Entscheidung vom 11. Mai 1962 VI 55/61 U, BFHE 75, 112, BStBl III 1962, 310).
4. Das Güterkraftverkehrsgesetz enthält keine gesetzliche Bestimmung des Unternehmerbegriffs. Aus den Vorschriften dieses Gesetzes ist aber zu entnehmen, daß der Unternehmerbegriff an die Personen und Personenzusammenschlüsse des bürgerlichen Rechts anknüpft. Dies ergibt sich daraus, daß die Vorschriften weitgehend auf Einzelpersonen (natürliche Personen) als Unternehmer (vgl. §§ 8 ff. GüKG) und, soweit sie sich mit Personenzusammenschlüssen befassen, auf die Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts, insbesondere des Handelsrechts abstellen (vgl. § 15 Abs. 4 GüKG). Der Senat entnimmt dies weiter der Begründung des Änderungsgesetzes vom 3. Juni 1957 (BGBl I 1957, 593), das zur Aufhebung des § 48 Abs. 3 GüKG führte, der Beförderungen zwischen Konzernunternehmen als Werkfernverkehr behandelte. In dieser Begründung wird ausgeführt: „Im Konzernverkehr werden nicht Güter für die eigenen Zwecke des Unternehmens, sondern für die Zwecke eines anderen – mit ihm zwar finanziell verbundenen, aber sonst selbständigen – Unternehmens befördert. Es handelt sich also um Transporte für andere …”(Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, Drucksache 2626, zu Art. 1 Nr. 4).
5. Aus vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der Unternehmerbegriff des Umsatzsteuerrechts und der des Güterkraftverkehrsrechts voneinander abweichen; der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff ist weiter als der des Güterkraftverkehrsrechts (so auch Höfel, Der Betriebs-Berater 1973 S. 656 – BB 1973, 656 –). Umsatzsteuerrechtlich kommen auch Personengruppen und Zusammenschlüsse als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht, die außerhalb der Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts stehen (Organschaft, Unternehmereinheit). Daraus folgt, daß der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff nur insoweit auf das Beförderungsteuerrecht angewendet werden kann, als sich aus dem Beförderungsteuergesetz im übrigen keine Einschränkungen ergeben (so auch Schadeck, BB 1964, 128). Die in das Beförderungsteuergesetz aus dem Güterkraftverkehrsgesetz übernommenen Begriffe, die von einem engeren Unternehmerbegriff als dem des Umsatzsteuerrechts ausgehen, zwingen nach Auffassung des Senats zu einer Beschränkung des umsatzsteuerrechtlichen Unternehmerbegriffs im Beförderungsteuerrecht auf die Personen und Gesellschaftsformen des bürgerlichen Rechts. Denn es würde, worauf das FA zu Recht hingewiesen hat, zu einer unerträglichen Divergenz und Rechtsunsicherheit führen, wenn man auf einen nach Umsatzsteuerrecht bestimmten Unternehmer, den es nach Güterkraftverkehrsrecht nicht gibt, Vorschriften anwenden wollte, die durch das Güterkraftverkehrsgesetz in ihrem Inhalt geprägt sind. Dies ergibt sich daraus, daß die Auffassung des FG zu zwei verschiedenen Nahzonen führen würde, nämlich zu einer, in der beförderungsteuerrechtlich Nahverkehr ausgeführt würde, aber Bußgeld wegen nichtgenehmigten Güterfernverkehrs nach verkehrsrechtlichen Vorschriften gezahlt werden müßte (vgl. § 99 GüKG) und zu einer weiteren, die auch verkehrsrechtlich als Nahzone anerkannt würde.
Damit kann aber für die Standortbestimmung eines Kfz., die durch das Güterkraftverkehrsgesetz im Anschluß an das Zulassungsverfahren nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt ist, nicht davon ausgegangen werden, bei einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sei der Organträger der Unternehmer. Bei sinnvoller Auslegung des Beförderungsteuergesetzes ist vielmehr auch im Fall der Organschaft für die Bestimmung des Standortes eines Kfz. als Unternehmer die einzelne zum Organkreis gehörende Gesellschaft zu betrachten, die ungeachtet der organschaftlichen Verbundenheit als selbständiger Unternehmer auftritt. Dies war im Streitfall die Klägerin. Wenn aber die Klägerin selbständiger Unternehmer der Beförderungsleistungen ist, so können für die Entscheidung der Frage, ob diese Beförderungen innerhalb der Nahzone ausgeführt worden sind, nur deren geschäftliche Niederlassungen als Standort in Betracht kommen, dagegen nicht geschäftliche Niederlassungen von anderen zum Organkreis gehörenden Gesellschaften. Es ist aber unstreitig und wurde von der Klägerin im Revisionsverfahren sogar klargestellt, daß sie in B keine geschäftliche Niederlassung im Sinne des § 6 Abs. 1 und 2 GüKG behauptet. Damit ist das FA zu Recht davon ausgegangen, daß als Standort der Fahrzeuge, die in B zugelassen waren, nur A in Betracht kommt.
5. Die Vorentscheidung geht von einer anderen Rechtsauffassung aus. Sie war deshalb aufzuheben. Nach obigen Ausführungen hat das FA zu Recht für Beförderungsleistungen der Klägerin, durch die die Nahzone von A überschritten wurde, Beförderungsteuer für nichtgenehmigten Güterfernverkehr erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 514498 |
BFHE 1974, 184 |