Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Berechnung des gemeinen Wertes von GmbH-Anteilen.
Die Möglichkeit einer zukünftigen steuerlichen Belastung des beherrschenden Gesellschafters durch einen Veräußerungsgewinn beeinflußt den gemeinen Wert der GmbH-Anteile nicht.
Ein Abschlag wegen besonderer persönlicher Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers (Abschn. 4 Abs. 3 AntBewR 1957) kommt bei Einsatz eines erheblichen Betriebskapitals, insbesondere bei der Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren, nicht in Betracht.
Normenkette
BewG § 13 Abs. 2, § 11/2
Tatbestand
Streitig ist der gemeine Wert der GmbH-Anteile.
Das Finanzamt hat durch Bescheid den gemeinen Wert der GmbH-Anteile der Bfin. für 100 DM Nennkapital auf 600 DM einheitlich und gesondert festgestellt. Die Firma stellt Luxuskarten, Glückwunschkarten und Umschläge her. Die Bewertung erfolgte gemäß Abschn. 2 ff. der Richtlinien zur Bewertung nichtnotierter Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften (AntBewR 1957) nach dem Vermögenswerte in Verbindung mit den Ertragsaussichten. Die Bfin. begehrte Berücksichtigung des Umstandes, daß sich das gesamte Stammkapital in der Hand des Alleingesellschafters befände. Ein Veräußerungsgewinn (500 DM je Anteil) würde daher bei diesem nach § 17 EStG zur Einkommensteuer und Kirchensteuer herangezogen werden, und zwar nach den derzeitigen Einkommensverhältnissen mit 57,2 % 286 DM. In dieser Höhe sei ein Abschlag vorzunehmen, und infolgedessen der Wert des Anteiles auf 314 DM festzusetzen. Mit der Sprungberufung beantragte sie eine Herabsetzung auf 300 DM, weil der Alleingesellschafter als Geschäftsführer die kaufmännische, technische und künstlerische Leitung des Betriebes in sich vereinige. Bei der Schätzung der Ertragsaussichten müsse der Teil ausgeschieden werden, der auf die persönliche Leistung entfalle; es seien nur die Erträge des in der Gesellschaft angelegten Kapitals zu berücksichtigen.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, etwaige künftige Einkommensteuerbelastungen des Gesellschafters bei Veräußerung der Anteile gäben keinen Anlaß zu einer Herabsetzung des gemeinen Wertes. Desgleichen sei ein Abschlag wegen der Leitung des Betriebes durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gerechtfertigt. Es handle sich um einen gewerblichen Betrieb, bei dem der Einsatz des sachlichen Betriebskapitals das Wesentliche darstelle. Nach der Prüferbilanz zum 31. Dezember 1955 hätten die Aktiven 603.000 DM betragen; es seien 53 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Die Bewertung der GmbH-Anteile beruht auf § 13 Abs. 2 BewG. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist der gemeine Wert, sofern er sich, wie hier, nicht aus Verkäufen ableiten läßt, unter Berücksichtigung des Gesamtvermögens und der Ertragsaussichten der Gesellschaft zu schätzen. Zur Vermeidung von Ungleichmäßigkeiten bei der Bewertung solcher Anteile haben früher der Reichsminister der Finanzen das sogenannte Berliner Verfahren (Abschn. 105 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien - VStR - 1949) und seit 1953 der Bundesminister der Finanzen das sogenannte Stuttgarter Verfahren (Abschn. 2 ff. AntBewR 1953, BStBl 1955 I S. 97) den Finanzämtern als Richtlinien an die Hand gegeben. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß die AntBewR 1953 für die Bewertung geeignet, wenngleich nicht bindend, sind (Urteil des Bundesfinanzhofs III 396/58 S vom 19. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 92, Slg. Bd. 72 S. 241). Die AntBewR 1957 (BStBl 1958 I S. 25) für die Bewertung auf den 31. Dezember 1956 behalten das Stuttgarter Verfahren bei, da "sich das bei der Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1953 für diese Schätzung angewandte Verfahren bewährt hat" (Abschn. 2 AntBewR 1957). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
Zu der von der Bfin. beantragten Bewertung nach unten besteht kein Anlaß.
Die etwaige Belastung des alleinigen Gesellschafters mit Einkommensteuer und Kirchensteuer bei Veräußerung wesentlicher Beteiligungen nach § 17 EStG beeinflußt nicht den gemeinen Wert der Anteile. Die Bfin. verkennt den Begriff des gemeinen Wertes, der nach § 10 BewG durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Erwerber der GmbH-Anteile weniger zahlen sollte, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer der Bfin. für einen Veräußerungsgewinn Einkommensteuer und Kirchensteuer zu zahlen hat. Abgesehen davon, daß es sich bei den geltend gemachten etwaigen künftigen steuerlichen Belastungen nicht um solche der GmbH, sondern um Personalsteuern des Gesellschafters handelt, würde diesem gegenüber entsprechend gelten, was den Senat zur Ablehnung der sogenannten Rückflußbelastung bei der Bewertung von Darlehen nach § 7 c und § 7 d EStG veranlaßt hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs III 133 und 134/55 S vom 26. August 1955, BStBl 1955 III S. 278, Slg. Bd. 61 S. 207, und III 390/58 U vom 22. April 1960, BStBl 1960 III S. 288, Slg. Bd. 71 S. 103). Nach Abschn. 5 Abs. 3 der AntBewR 1957 würde sogar eine schwere Verkäuflichkeit der Anteile, für die von der Bfin. nichts dargetan ist, nicht ohne weiteres einen Abschlag begründen.
Auch ein Abschlag wegen der kaufmännischen, wirtschaftlichen und künstlerischen Leitung des Betriebes durch den Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht gerechtfertigt. Hier handelt es sich nicht, wie es Abschn. 4 Abs. 3 AntBewR 1957 für einen besonderen Abschlag voraussetzt, um eine Gesellschaft, bei der der Ertrag ausschließlich und unmittelbar von der in der Art eines freien Berufes ausgeübten Tätigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers abhängig ist. Das Finanzgericht hat an Hand des Betriebskapitals und durch die Zahl der Arbeitnehmer eindeutig den auf tatsächlichem Gebiete liegenden Nachweis geführt, daß es sich bei der Bfin. um einen gewerblichen Betrieb zur Herstellung von Ansichtskarten, Kunstkarten und Umschlägen handelt, bei dem der Einsatz des sachlichen Betriebskapitals von wesentlicher Bedeutung ist. Die von der Bfin. angeführten Urteile des Reichsfinanzhofs III 54/40 vom 6. Februar 1941 und III e 34/41 vom 19. März 1942 (RStBl 1941 S. 444 und RStBl 1942 S. 859) ergingen zur Bewertung von Anteilen nach dem Berliner Verfahren, wonach der maßgebliche Mittelwert gleichermaßen aus Vermögenswert und Ertragswert gebildet wurde. Hier handelt es sich dagegen um eine Bewertung nach dem Stuttgarter Verfahren, bei dem vom Vermögenswerte auszugehen und der Ertrag nur in gewissem Umfange zu berücksichtigen ist. Damit tritt der vom Reichsfinanzhof besonders herausgestellte Gedanke, eine überbewertung des Ertrages zu vermeiden, zurück. Im übrigen decken sich auch die Tatbestände nicht in tatsächlicher Hinsicht.
Ob der Gesellschafter die Gewinne der Vorjahre entnommen hat oder nicht, unterlag seiner Entscheidung. Bei Nichtentnahme sind die steuerlichen Folgen, die sich aus dem Anwachsen des Betriebskapitals ergeben, zu ziehen. Die daraus abgeleitete Bewertung der GmbH-Anteile führt nicht zu einer unzulässigen Besteuerung der Arbeitsleistung des Gesellschafter-Geschäftsführers, da nicht diese, sondern die der GmbH zur Verfügung stehenden Geldmittel Berechnungsfaktor des Wertes der GmbH-Anteile sind. Gerade bei einer personenbezogenen Gesellschaft ist zur Ermittlung des Ertragswertes von den Bilanzgewinnen und nicht von den ausgeschütteten Gewinnen auszugehen (Urteil des Bundesfinanzhofs III 5/58 vom 30. April 1959, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bewertungsgesetz, § 13, Rechtsspruch 7).
Fundstellen
Haufe-Index 410430 |
BStBl III 1962, 253 |
BFHE 1962, 682 |
BFHE 74, 682 |