Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der in dem Urteil III 325/57 S vom 20. März 1959 (BFH 69, 135, BStBl III 1959, 313) ausgesprochenen Auffassung fest, daß der an einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens während der Dauer des Krieges insgesamt entstandene Schaden der Summe der Entschädigungszahlungen, die zur Abgeltung der Schäden an dieser wirtschaftlichen Einheit geleistet worden sind, gegenüberzustellen ist. Dabei sind nicht nur Kriegssachschäden, sondern auch Ortsschäden zusammenzufassen, die nach der Kriegssachschädenverordnung entschädigt worden sind oder hätten entschädigt werden können.
Die Zusammenfassung gilt auch für natürliche Personen nach § 39 Abs. 1 LAG in der Fassung des 14. ändG-LAG.
Normenkette
FeststG § 8 Abs. 2 Nr. 4; LAG § 39 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob der Ostschaden, den der Revisionskläger (Abgabepflichtige) im Jahre 1945 durch Verlust eines Auslieferungslagers in Leobschütz (L.) erlitten hat, durch eine Ermäßigung der Vermögensabgabe gemäß §§ 39 ff. LAG berücksichtigt werden kann.
Der Revisionskläger ist Mitinhaber einer Fabrik im Bundesgebiet, die bis zum Kriegsende ein Auslieferungslager in L. unterhalten hat. Der Hauptbetrieb im Bundesgebiet ist zusammen mit dem Auslieferungslager als eine wirtschaftliche Einheit des Betriebsvermögens bewertet worden. Während des Krieges hat der Fabrikbetrieb im Bundesgebiet wiederholt Bombenschäden erlitten, für die Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 1.310.000 RM geleistet worden sind. Das Auslieferungslager in L. ist 1945 verlorengegangen. Bei der Veranlagung der Vermögensabgabe war der Revisionskläger zunächst nach einem abgabepflichtigen Vermögen in Höhe von 376.400 DM zu einer Vermögensabgabe von 188.200 DM herangezogen worden, die sich wegen der Kriegsschäden an den Grundstücken des Revisionsklägers in der angenommenen Höhe von 258.443 RM noch um den Betrag von 14.303 DM ermäßigte. Auf den Einspruch wurde gemäß den §§ 94, 218 AO das abgabepflichtige Vermögen auf 369.000 DM und entsprechend die Vermögensabgabe auf 184.500 DM berichtigt, andererseits aber auch die Schadensermäßigung nur noch in einer Höhe von 5.535 DM gewährt. Die Berichtigung der Schadensermäßigung ergab sich auf Grund einer Berichtigung der Schadensanteile des Revisionsklägers an seinen Grundstücken.
Mit dem Einspruch gegen den berichtigten Vermögensabgabebescheid beantragte der Revisionskläger, bei der Berechnung des Ermäßigungsbetrags gemäß §§ 39 ff. LAG zusätzlich den durch Verlust des Auslieferungslagers in L. entstandenen Ortsschaden in Höhe von 80.075 RM zu berücksichtigten. Zur Begründung seines Antrags berief sich der Revisionskläger auf § 2 der 8. Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes (8. Feststellungs-DV) vom 18. Dezember 1956 (BGBl 1956 I S. 928) und auf die ergänzenden Ausführungen des Erlasses des Bundesministers der Finanzen (BdF) IV C/4-LA 2 300-10/57 vom 4. Dezember 1957 (veröffentlicht in der LA-Kartei zu § 13 Abs. 4 Karte 13). Er führte im einzelnen aus: Bei geteilten wirtschaftlichen Einheiten des Betriebsvermögens sei, wenn sich die Geschäftsleitung im Zeitpunkt der Schädigung in den Gebieten westlich der Oder-Neiße-Linie befunden habe, ein Ostschaden an einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens festzustellen ungeachtet der Tatsache, ob für den Betrieb als solchen außerdem ein Kriegssachschaden festgestellt werden müßte. Für die Ermittlung des Schadenshöchstbetrages sei anstelle des in § 13 Abs. 4 des Gesetzes über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden in der Fassung vom 14. August 1952 (Feststellungsgesetz) vorgeschriebenen Einheitswertes vom 1. Januar 1940 als Anfangsvergleichswert der letzte Einheitswert vor dem Schadenstag maßgebend. Im Streitfall sei dieser zum 1. Januar 1943 auf 778.000 RM festgestellt worden, so daß sich nach Abzug des Einheitswerts vom 21. Juni 1948 in Höhe von 371.500 DM ein Schadenshöchstbetrag von 406.500 RM ergebe. Der Ostschaden in Höhe von 80.075 DM müsse deshalb als Ermäßigungsbetrag voll berücksichtigt werden.
Durch Einspruchsentscheidung berichtigte der Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA -) den Ermäßigungsbetrag für die Grundstücksschäden gemäß § 218 Abs. 4 AO erneut auf 7.380 DM. Im übrigen blieb der Einspruch ohne Erfolg. Der Revisionsbeklagte erkannte zwar an, daß die Voraussetzungen für die Aufstockung des Schadenshöchstbetrags gemäß § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes bis zur Höhe des Ostschadens vorlägen, lehnte eine Berücksichtigung dieses Schadens aber trotzdem ab, weil der Schaden gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes nicht festzustellen sei. Der am Betriebsvermögen entstandene Schaden (Kriegssachschaden und Ostschaden) sei zu mehr als 50 v. H. entschädigt worden, da den gesamten Schäden, die sich nach den Angaben des Revisionsklägers auf 1.923.980 RM beliefen, Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 1.310.000 RM gegenüberstehen würden.
Mit der Berufung beanstandete der Revisionskläger die Anwendung des § 8 des Feststellungsgesetzes. Er vertrat die Auffassung, daß durch die Anordnung des BdF-Erlasses vom 4. Dezember 1957 (a. a. O.) im Zusammenhang mit den Bestimmungen der 8. FeststellungsDV die Vorschrift des § 8 des Feststellungsgesetzes für den Fall außer Kraft gesetzt sei, daß bei einer geteilten wirtschaftlichen Einheit neben einem Kriegssachschaden auch ein Ostschaden vorliege. Außerdem sei zu beachten, daß bei der Berechnung, ob Entschädigungsleistungen von mehr als 50 v. H. des anzuerkennenden Verlustes gewährt worden seien, gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes Entschädigungszahlungen insoweit außer Betracht bleiben müßten, als die hieraus wiederbeschafften Wirtschaftsgüter durch Kriegsereignisse erneut verlorengegangen seien. Dies treffe in seinem Fall insofern zu, als ein großer Teil der aus den empfangenen Entschädigungszahlungen wiederbeschafften Wirtschaftsgüter seines Unternehmens während des Jahres 1945 durch Bombenschäden im Bundesgebiet erneut verlorengegangen sei. Im übrigen hat der Revisionskläger eine nochmalige Aufstellung der Schäden am Betriebsvermögen eingereicht, aus der sich unter Einschluß von Nutzungsschäden ein Schadensbetrag von insgesamt 2.307.072 RM ergibt.
Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat die Voraussetzungen für die Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes als erfüllt angesehen, weil die Kriegssachschäden am Betriebsvermögen des Revisionsklägers zu mehr als 50 v. H. entschädigt worden seien. Dabei ist das FG von den letzten Schadensangaben des Revisionsklägers ausgegangen und hat lediglich die Nutzungsschäden in Höhe von 305.971 RM aus dem Gesamtbetrag von 2.307.072 RM ausgeschieden, so daß als Schadenssumme der Betrag von 2.001.101 RM verblieb. Da die Entschädigungszahlung auf Grund der Kriegssachschädenverordnung unstreitig 1.310.000 RM betragen habe, seien die Kriegssachschäden nach der Berechnung des Revisionsbeklagten auf jeden Fall zu mehr als 50 v. H. durch die Entschädigungszahlungen gedeckt und zwar selbst dann, wenn gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 letzter Halbsatz des Feststellungsgesetzes die Entschädigungszahlungen insoweit außer Betracht gelassen würden, als die hieraus wiederbeschafften Wirtschaftsgüter durch Kriegsereignisse erneut verloren gegangen seien. Das FG, das die Angaben des Revisionsklägers insoweit als richtig unterstellt hat, brachte sowohl auf der Schadensseite als auch auf der Entschädigungsseite 574.135 RM zum Abzug und lehnte, weil der verbleibenden Schadenssumme von 1.426.966 RM auch dann noch Entschädigungszahlungen in Höhe von 735.865 RM gegenüberstehen würden, die Berücksichtigung der geltend gemachten Schäden am Betriebsvermögen ab.
Mit der Rb. wird fehlerhafte Anwendung des geltenden Rechts, insbesondere der §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes, §§ 39, 45 und 47 LAG gerügt.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten und hat zu den streitigen Rechtsfragen wie folgt Stellung genommen: Bei § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes handle es sich um eine der Vorschriften des Lastenausgleichsrechts, denen vorwiegend soziale Erwägungen zugrunde lägen (vgl. Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe B, Ausgleichsleistungen, Anmerkung 4 b zu § 8 des Feststellungsgesetzes). Die Zusammenfassung bzw. Zusammenrechnung mehrerer Schäden, und zwar auch solcher verschiedener Schadensarten (Vertreibungsschäden, Kriegssachschäden, Ostschäden) sei eines der Mittel, mit denen der Lastenausgleichsgesetzgeber den sozialen Gesichtspunkten Rechnung trage, die auf eine gerechte Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel des Lastenausgleichs zugunsten der geschädigten Einzelpersonen gerichtet seien. Sie finde sich in einer Reihe von wichtigen, das Ausmaß des Schadens und seiner Folgen wertenden und die Höhe der Entschädigung beeinflussenden Vorschriften, z. B. in den §§ 39 Abs. 2 245, 249 Abs. 2 LAG sowie in § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes. Für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes ergebe sich dies zumindest aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, wie insbesondere aus einem Vergleich mit der Parallelvorschrift des § 249 Abs. 2 LAG deutlich werde. Eine derartige Auslegung der Vorschrift sei auch mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes vereinbar. Wenn hiernach von der Feststellung Schäden ausgenommen seien, die auf Grund der Kriegssachschädenverordnung (KSSchVO) vom 30. November 1940 (RGBl S. 1547) um mehr als 50 v. H. entschädigt wurden, so bedeute dies nicht, daß damit nur Kriegssachschäden gemeint sein könnten. Vielmehr beweise die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, daß das Wort "Schäden" sich auf alle drei im Feststellungsgesetz behandelten Schadensarten beziehe. In diesem Zusammenhang sei ferner beachtlich, daß auch die Tatbestände des Vertreibungsschadens und des Ostschadens echte Kriegssachschäden im Sinne des KSSchVO umfasse, für die auf Grund dieser Verordnung Entschädigungszahlungen in Betracht kämen. Eine abweichende Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes müsse überdies zu unerwünschten Zufallsergebnissen führen. Auch der Umstand, daß nach dem Inkrafttreten des Vierzehnten Gesetzes zur änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 26. Juni 1961 (14. ändGLAG) - BGBl 1961 I S. 785- die streitige Rechtsfrage nunmehr nach § 39 Abs. 1 LAG zu entscheiden sei, ändere an dieser Rechtslage nichts. Denn durch die Neufassung des § 39 Abs. 1 LAG, die den bisherigen Wortlaut der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes in den Text des § 39 Abs. 1 LAG einbeziehe, solle die materielle Rechtslage, wie sie bis dahin auf Grund des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes bestanden habe, insoweit nicht verändert werden.
In der auf Antrag des Revisionsklägers anberaumten mündlichen Verhandlung hat dieser die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. ergänzend wie folgt begründet: Entgegen der Auffassung der Verwaltung und der Vorinstanz sei es unrichtig, außer den gesamten Kriegssachschäden auch die Ostschäden in die Vergleichsrechnung nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes einzubeziehen. Im übrigen stehe die Vorschrift des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes der Berücksichtigung des Ostschadens im vorliegenden Falle auch dann nicht entgegen, wenn man die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 2 c der 8. FeststellungsDV für rechtsgültig ansehe. An den Ausführungen des BdF sei zwar richtig, daß die hier vorliegende Streitfrage im Hinblick auf das nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangene 14. ändGLAG nunmehr nach § 39 LAG in der Fassung des 14. ändGLAG zu entscheiden sei. Gerade durch die Neufassung des § 39 LAG sei aber noch klarer geworden, daß Kriegssachschäden und Ostschäden hinsichtlich der Frage, ob sie mit Rücksicht auf Entschädigungszahlungen nach der KSSchVO berücksichtigungsfähig seien, getrennt behandelt werden müßten. Auch aus § 39 Abs. 2 LAG könne eine abweichende Ansicht nicht hergeleitet werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Es ist unbestritten, daß der Revisionskläger einen Ostschaden erlitten hat. Auch hat der Revisionsbeklagte in der Einspruchsentscheidung anerkannt, daß die Voraussetzungen für die Aufstockung des Schadenshöchstbetrages im Sinne des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes gemäß den Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 2 c der 8. FeststellungsDV bis zur Höhe des geltend gemachten Ostschadens an sich gegeben seien. Diesen Ausführungen des Revisionsbeklagten ist das FG in dem angefochtenen Urteil in keiner Weise entgegengetreten. Es ist nur deshalb nicht näher auf diese Rechtsfrage eingegangen, weil es die Ansicht vertritt, der vom Revisionskläger geltend gemachte Ostschaden sei auf Grund der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes von der Feststellung ausgenommen und deshalb auch bei der Anwendung der §§ 39 ff. LAG nicht zu berücksichtigen.
Zu entscheiden sind zwei Fragen: einmal, ob das FG die Vorschrift des § 8 Abs. 2 des Feststellungsgesetzes zu Recht auch auf Ostschäden angewandt hat und ob insbesondere in die nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes anzustellende Vergleichsrechnung außer den Kriegssachschäden auch Ostschäden einbezogen werden können, zum anderen, ob sich, falls die erste Frage zu bejahen wäre, der insoweit bestehende Rechtszustand durch das 14. ändGLAG in einer für den anhängigen Rechtsstreit entscheidenden Weise gewandelt hat.
Der Senat hat in der Entscheidung III 325/57 S vom 20. März 1959 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 69, 135 - BFH 69, 135 -, BStBl III 1959, 313) den Grundsatz aufgestellt, daß für die Frage der Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes der an einer wirtschaftlichen Einheit des Betriebsvermögens insgesamt entstandene Kriegssachschaden einschließlich der nicht entschädigten Kriegssachschäden der Summe der Entschädigungszahlungen, die zur Abgeltung der Schäden an dieser wirtschaftlichen Einheit geleistet worden sind, gegenüberzustellen ist. In einer weiteren Entscheidung des Senats III 289/57 U vom 31. Juli 1959 (BFH 69, 372, BStBl III 1959, 399) wird ausgesprochen, bei der Ermittlung des Schadensbetrages von Kriegssachschäden im Rahmen der Veranlagung zur Vermögensabgabe gemäß § 42 Abs. 1 LAG sei der § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes anzuwenden.
Im Streitfall handelt es sich nicht nur um Kriegssachschäden an dem gewerblichen Betrieb des Revisionsklägers, sondern auch um einen Ostschaden, den dieser Betrieb erlitten hat. Die Grundsätze der beiden genannten Entscheidungen könnten nur dann auch auf Ostschäden ausgedehnt werden, wenn sie in den Anwendungsbereich des § 8 des Feststellungsgesetzes fallen. Im Gegensatz zu § 8 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes, der ausdrücklich nur Kriegssachschäden behandelt, die von der Schadensfeststellung ausgenommen sind, spricht Abs. 2 allgemein von nicht feststellbaren "Schäden" ohne irgendwelche Einschränkung. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift ergibt sich, daß das Wort "Schäden" auf eine auf Vereinfachung bedachte Textfassung zurückzuführen ist. Nach den Beschlüssen des 17. Ausschusses des Bundestags (vgl. Bundestagsdrucksache Nr. 2810, 1. Wahlperiode 1949) hatten die Eingangsworte der dem späteren § 8 Abs. 2 des Feststellungsgesetzes entsprechenden Vorschrift des Entwurfs (§ 7 Abs. 2) folgenden Wortlaut:
"Von der Feststellung ferner ausgenommen sind Vertreibungsschäden (§ 3) und Kriegssachschäden (§ 4), wenn es sich handelt um ..."
Bei der Ausarbeitung dieser Fassung des Entwurfs waren der Begriff des Ostschadens und seine tatbestandsmäßige Ausgestaltung noch nicht im Gesetzentwurf enthalten. Der Ostschaden ist vielmehr erst bei der zweiten Beratung im Bundestag in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Im Zuge der zweiten Lesung des Entwurfs im Bundestagsplenum hatten die Eingangsworte des jetzigen § 8 Abs. 2 des Feststellungsgesetzes ihre nunmehr gültige Fassung erhalten, in der nur allgemein von "Schäden" gesprochen wird. Diese änderung hatte nach den Ausführungen eines dem Lastenausgleichsausschuß angehörenden Abgeordneten aber nur redaktionelle Bedeutung. Die Neufassung ist allein dadurch bedingt, daß nunmehr ein weiterer Schadenstatbestand - der des Ostschadens - in das Gesetz eingefügt worden war. Das neutrale Wort "Schäden" sollte eine umständlichere Fassung des Gesetzestextes erübrigen, in der sonst außer den bereits im ersten Entwurf genannten Kriegssachschäden und Vertreibungsschäden auch Ostschäden besonders hätten erwähnt werden müssen.
Der Revisionskläger beruft sich darauf, § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes enthalte keine Regelung, wonach die Kriegssachschäden und der Ostschaden an seinem gewerblichen Betrieb zusammenzufassen seien. Unter Berufung auf die KSSchVO, die auf eine Schadensregelung für das einzelne Schadensereignis abstelle, dürfe nur demjenigen Schaden, für den eine Entschädigung geleistet worden sei, die dafür gewährte Entschädigungsleistung gegenübergestellt werden. Da für den Ostschaden aber keine Entschädigung nach der KSSchVO gezahlt worden sei, komme § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes nicht zur Anwendung. Der Schaden müsse deshalb festgestellt und bei der Vermögensabgabe durch eine Ermäßigung berücksichtigt werden.
Es trifft zu, daß § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes keine Regelung darüber enthält, welche Verluste und welche Entschädigungszahlungen im einzelnen einander gegenüberzustellen sind. Es handelt sich dabei um drei grundlegende Fragen, die sich einmal auf das beschädigte Vermögen (Gesamtvermögen, wirtschaftliche Einheit, einzelnes Wirtschaftsgut), dann auf den Kriegssachschaden bei einer Mehrheit solcher Schäden und schließlich auf die verschiedenen Schadensarten (Kriegssachschaden, Ostschaden und Vertreibungsschaden) erstrecken. Die ersten beiden Fragen sind in dem grundlegenden Urteil des erkennenden Senats III 325/57 S vom 20. März 1959, a. a. O., entschieden worden. Der Senat hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß weder die Entschädigungsleistungen zu dem Gesamtvermögen noch das einzelne Schadensereignis mit der hierfür geleisteten Entschädigung in Beziehung zu setzen sind, sondern daß das Schicksal derselben Vermögenseinheit während des gesamten Krieges einheitlich gesehen werden muß. Er hat demnach auf die wirtschaftliche Einheit abgestellt und dies im wesentlichen damit begründet, daß das LAG die Zusammenrechnung der jeweils zu berücksichtigenden Schäden sowohl für die Abgabenseite als auch für die Leistungsseite ausdrücklich vorschreibt, und die Schadensfeststellung in § 13 Abs. 1 und 4 des Feststellungsgesetzes auf einen Wertvergleich der Einheitswerte für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und des Betriebsvermögens abgestellt ist. Hinsichtlich der zweiten Fragestellung ist der Senat zu dem Ergebnis gekommen, daß alle Kriegssachschäden an einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen sind. In diesem Zusammenhang hat er nicht nur diejenigen Schäden einbezogen, für die eine Entschädigungszahlung nach der KSSchVO von mehr als 50 v. H. geleistet wurde, sondern auch diejenigen Kriegssachschäden, für die keine oder eine unter 50 % liegende Entschädigung gezahlt worden ist. Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß bei mehrfachen Kriegssachschäden an Wirtschaftsgütern, die zu einem Betriebsvermögen gehören, eine einheitliche Schadensfeststellung vorgenommen werden muß (BVerwG- Urteil III C 39.59 vom 17. November 1960, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwGE - 11 S. 241). Es hat außerdem in seinem die Hausratschäden betreffenden Urteil IV C 22.54 vom 31. März 1955 (BVerwGE Bd. 2 S. 53) entschieden, daß mehrfache Verluste an Hausrat stets zusammenzufassen sind. Der Revisionskläger hält die Entscheidung des erkennenden Senats jedenfalls insoweit nicht für gerechtfertigt, als in der Zusammenfassung auch solche Schäden einbezogen werden sollen, für die keine Entschädigung nach der KSSchVO gezahlt wurde. Nach nochmaliger überprüfung der Gründe, die die Einbeziehung auch dieser Schäden rechtfertigen, sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner Entscheidung abzugehen.
Die Beantwortung der dritten für den Streitfall in Betracht kommenden, aber noch nicht entschiedenen Frage, ob auch ein Kriegssachschaden und ein Ostschaden, die an der gleichen wirtschaftlichen Einheit eingetreten sind, zusammengefaßt werden müssen, hängt entscheidend davon ab, für welchen zeitlichen und örtlichen Bereich und für welche Arten von Schäden Entschädigungen nach der KSSchVO gezahlt werden konnten. Aus § 1 KSSchVO ergibt sich, daß eine Entschädigung für Kriegssachschäden, die seit dem 26. August 1939 "innerhalb des Gebiets des Großdeutschen Reichs" entstanden sind, gewährt wurde. Die KSSchVO ist nach § 373 Nr. 3 LAG, soweit sie sich auf Schäden bezieht, die im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) oder in den östlich der Oder-Neiße- Linie gelegenen Gebieten des Deutschen Reiches nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937 entstanden sind, mit dem Inkrafttreten des LAG, demnach mit Ablauf des 31. August 1952, außer Kraft getreten. Nach § 2 KSSchVO wurde die Entschädigung u. a. nur gewährt, wenn der Sachschaden unmittelbar verursacht war durch Kampfhandlungen oder durch hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehende militärische Maßnahmen, einschließlich der Wegnahme von Sachen seitens Deutscher, Verbündeter oder gegnerischer Streitkräfte. Weiterhin wurde eine Entschädigung gewährt, wenn der Sachschaden unmittelbar durch Beschädigung, Zerstörung, Diebstahl, Plünderung oder sonstigen Verlust von Sachen in den vom Gegner besetzten, unmittelbar angegriffenen oder unmittelbar bedrohten Gebieten während der Dauer der Besatzung, des Angriffs oder der Bedrohung, sowie unmittelbar nach einem Angriff durch Räumung, Freimachung oder Verschleppung der Bevölkerung oder Wegschaffung ihrer Habe aus dem vom Gegner besetzten oder unmittelbar bedrohten Gebieten entstanden war. Schließlich wurde ein durch Flucht unmittelbar verursachter Sachschaden entschädigt, wenn sie wegen der dringenden Gefahr für Leib und Leben als unvermeidbar angesehen werden konnte. Eine Gegenüberstellung der nach §§ 39, 13 LAG berücksichtigungsfähigen Kriegssachschäden mit dem Kriegssachschädenbegriff nach der KSSchVO ergibt, daß sich beide Begriffe nicht decken, sondern daß der Begriff der Kriegssachschäden nach der KSSchVO weitergeht. In diesen Begriff fallen auch solche Schäden, die unter den Begriff des Ostschadens im Sinne des § 14 LAG fallen. Danach ist ein Ostschaden ein Schaden, der in den zur Zeit unter fremder Verwaltung stehenden deutschen Ostgebieten im Zusammenhang mit Ereignissen des Weltkriegs durch Vermögensentziehung oder als Kriegssachschaden u. a. an einem Betriebsvermögen entstanden ist, sofern es sich nicht um einen Vertreibungsschaden handelt. Der Ostschaden gilt als am 8. Mai 1945 eingetreten (§ 14 Abs. 3 LAG). Im wesentlichen deckt sich somit der Ostschaden in räumlicher, zeitlicher und sachlicher Hinsicht auch mit dem Begriff des Kriegssachschadens im Sinne des KSSchVO. Ein Kriegssachschaden und ein Ostschaden jeweils im Sinne des LAG zusammengenommen sind nach der KSSchVO ein einheitlicher Kriegssachschaden. Wenn somit nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes die Entschädigungszahlungen nach der KSSchVO zum Vergleichsmaßstab genommen und den "Schäden" (Kriegssachschäden, Ostschäden, Vertreibungsschäden im Sinne des LAG) gegenübergestellt werden, so sind jedenfalls Kriegssachschäden und Ostschäden einerseits und Kriegssachschäden im Sinne des KSSchVO andererseits vergleichbare Größen. Daraus folgt aber in Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung, daß wenn der Kriegssachschaden und der Ostschaden an derselben wirtschaftlichen Einheit eingetreten sind, diese Schäden für die Zwecke des Vergleichs nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes zusammenzufassen und den Entschädigungszahlungen nach der KSSchVO gegenüberzustellen sind. Auch in diesem Fall kommt es für die Einbeziehung in die Zusammenfassung nicht darauf an, ob für den Ostschaden eine Entschädigung bezahlt worden ist oder nicht. Es muß genügen, daß er nach der KSSchVO entschädigungsfähig ist.
Die änderung des § 39 Abs. 1 LAG und des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes durch das 13. ändGLAG hat zu keiner änderung der Rechtslage in dem hier zur Entscheidung stehenden Streitpunkt geführt.
Nach § 1 Nr. 3 und § 2 Nr. 1 b des 14. ändGLAG ist die Regelung in der Weise getroffen worden, daß die begünstigende Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 b des Feststellungsgesetzes für die Zwecke der Vermögensabgabe den natürlichen Personen gegenüber nicht gilt, während die Vorschrift auf juristische Personen uneingeschränkt anzuwenden ist. Diese scheinbare Benachteiligung der natürlichen Personen wird dadurch ausgeglichen, daß § 8 Abs. 2 Nr. 4 b des Feststellungsgesetzes auf der Leistungsseite gegenüber natürlichen Personen Anwendung findet, so daß dieser Personenkreis im Endergebnis nicht benachteiligt wird, während die juristischen Personen eine Entschädigung auf Grund des LAG nicht erhalten mit der Folge, daß bei ihnen die begünstigende Regelung in Nr. 4 b des § 8 Abs. 2 des Feststellungsgesetzes, soweit sie für die Leistungsseite Bedeutung hat, gegenstandslos ist. Die Regelung ist gesetzestechnisch in der Weise durchgeführt worden, daß die bisherige Fassung des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes wörtlich, aber ohne die änderung unter Buchst. b und beschränkt auf die natürlichen Personen in § 39 Abs. 1 Nr. 1 LAG eingefügt und diese Regelung durch eine jeweilige Verweisung auf die Nr. 1 bei den Nrn. 2 und 3 übernommen wurde. Aus der einheitlichen Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes sind dadurch in § 39 Abs. 1 LAG drei selbständige Vorschriften geworden. Hat ein Abgabepflichtiger nur einen Schaden oder mehrere Kriegssachschäden, gibt die vom Gesetzgeber gesetzestechnisch getroffene Regelung zu keinen Zweifeln Anlaß. Hat ein Abgabepflichtiger jedoch an derselben wirtschaftlichen Einheit einen Kriegssachschaden und einen Ostschaden erlitten, so liegt bei einer isolierten Betrachtung des § 39 Abs. 1 LAG, die die bisherige Rechtslage und den Zusammenhang mit § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes außer acht läßt, die Schlußfolgerung nahe, daß nunmehr bei natürlichen Personen eine Zusammenrechnung dieser beiden Schadensarten nicht stattzufinden habe. Diese Auslegung würde zu dem Ergebnis führen, daß auf der Abgabenseite des LAG bei den juristischen Personen, weil auf diese nach wie vor § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes uneingeschränkt anzuwenden ist, bei der Vergleichsrechnung eine Zusammenfassung eines Kriegssachschadens und eines Ostschadens vorgenommen werden muß während für die natürlichen Personen eine solche nicht in Betracht kommen würde. Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, daß er durch die änderung des § 39 Abs. 1 LAG eine so offenkundige ungleichmäßige Behandlung der natürlichen Personen gegenüber den juristischen Personen herbeiführen wollte. Es wäre dies um so unverständlicher, weil der Gesetzgeber durch die umständliche gesetzestechnische Regelung eine Ungleichbehandlung der juristischen Personen gegenüber den natürlichen Personen hinsichtlich der Vergünstigung durch die Neuregelung in Nr. 4 b des § 8 Abs. 2 des Feststellungsgesetzes vermeiden wollte und auch vermieden hat. Es kommt aber noch hinzu, daß durch § 13 Nr. 1 des 14. ändGLAG die änderungen sowohl in § 39 Abs. 1 LAG als auch in § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes mit Wirkung vom Inkrafttreten des LAG anzuwenden sind. Der Zweck dieser rückwirkenden Regelung kann nur darin gesehen werden, daß der Gesetzgeber bei den natürlichen Personen die Wiederaufrollung der Vermögensabgabeveranlagung vermeiden wollte. Würde § 39 Abs. 1 LAG im Sinne des Revisionsklägers ausgelegt, so hätte der Gesetzgeber das angestrebte Ziel nur in beschränktem Umfang erreicht, weil in einer im einzelnen nicht übersehbaren Zahl von Fällen infolge der Beseitigung der Zusammenfassung von Schäden verschiedener Schadensarten eine Wiederaufrollung der Vermögensabgabeveranlagung hätte vorgenommen werden müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes wie die entsprechende in § 39 Abs. 1 LAG eine für die geschädigten Abgabepflichtigen nachteilige Regelung darstellt. Die darin liegende Härte wird aber dadurch gemildert, daß sich die Zusammenfassung der Schäden an einer wirtschaftlichen Einheit für die Zwecke der Vergleichsrechnung im Regelfall zugunsten der geschädigten Abgabepflichtigen auswirkt. Je mehr Schadensfälle, insbesondere solche, für die keine oder eine verhältnismäßig geringe Entschädigung gezahlt worden ist, zusammengefaßt werden, um so günstiger wird für die Abgabepflichtigen das Verhältnis des Gesamtbetrags aller zusammengefaßten Schäden zu dem Entschädigungsbetrag. Mit Beseitigung dieser Regelung hätte der Gesetzgeber eine Rechtslage geschaffen, die sich rückwirkend in einer Vielzahl von Fällen zum Nachteil der abgabepflichtigen natürlichen Personen auswirken müßte. Die Gesetzesmaterialien geben nicht den geringsten Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber eine verfassungsrechtlich so bedenkliche Regelung anstreben wollte. Der enge Zusammenhang mit der Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes und das Erfordernis der Gleichbehandlung der natürlichen Personen mit den juristischen Personen zwingen aber dazu, § 39 Abs. 1 LAG hinsichtlich der Frage der Zusammenfassung der Schäden in gleicher Weise auszulegen wie die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 4 des Feststellungsgesetzes.
Der Revision muß deshalb der Erfolg versagt bleiben. Unter diesen Umständen braucht auf die Ausführungen des Revisionsklägers, soweit sie sich mit der Anwendung des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes und des § 2 Abs. 1 Nr. 2 c der 8. FeststellungsDV befassen und soweit sie sich außerdem auf die durch das Urteil des BFH III 306/59 U vom 5. April 1963 (BFH 76, 854, BStBl III 1963, 310) entschiedene Frage der Rechtsgültigkeit der letztgenannten Vorschrift beziehen, nicht eingegangen zu werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412141 |
BStBl III 1966, 616 |
BFHE 1966, 525 |
BFHE 86, 525 |