Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich des Wahlrechtes des Kaufmannes bei der bilanzmäßigen Behandlung sogenannter verlorener Baukostenzuschüsse von Nutzungsberechtigten für die Erstellung von Betriebsanlagen fest (Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 28/31 vom 23. Juni 1933, RStBl. S. 1143).
Normenkette
EStG § 6 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist die steuerliche Behandlung von Baukostenzuschüssen. Gegenstand des Unternehmens der Beschwerdegegnerin (Bgin.) ist die Erzeugung und Lieferung von elektrischen Strom. Zum Bau der für die Stromversorgung notwendigen Verteilungsanlagen, die im Eigentum der Bgin. stehen, haben die Stromabnehmer aus eigenen Mitteln beigetragen. Hinsichtlich des Verfahrens sind hierbei zwei Gebietsteile, das Südgebiet und das Nordgebiet zu unterscheiden. Die Bgin. ist aus der Verschmelzung zweier Gesellschaften entstanden, von denen die eine das Nordgebiet und die andere das Südgebiet mit Strom versorgte. Die Gesellschaft des Nordgebietes hatte ihre Anlagen selbst gebaut und von den Abnehmern Baukostenzuschüsse erhalten. Im Südgebiet haben die Abnehmer die Anlagen zunächst in vollem Umfang auf eigene Kosten gebaut und sie dann der Gesellschaft zum sogenannten "Nettowerts", d. h. nach Ausscheiden des unproduktiven Kostenaufwand als Eigentum überlassen. In den Verträgen war hinsichtlich der Baukosten für die Herstellung von Ortsverteilungsanlagen festgelegt, daß die Gesellschaft den sich als wirtschaftlich erweisenden Anteil der Herstellungskosten zu übernehmen habe. Das zuständige Ministerium des Landes hatte hierzu bestimmt, daß die Gesellschaft den für das überlandwerk als wirtschaftlich sich erweisenden Anteil selbst zu tragen habe. Für den Mehrbetrag hätten die Abnehmer aufzukommen.
Die Bgin. vertritt den Standpunkt, daß die Baukostenzuschüsse ohne Einfluß auf ihren Gewinn seien. Sie ist bilanzmäßig in der Weise vorgegangen, daß sie die an sie selbst geleisteten Zuschüsse in gleicher Höhe auf der Aktiv- und Passivseite der Bilanz angesetzt hat. In den anderen Fällen hat sie die Beträge bei den Anschaffungskosten nicht berücksichtigt.
Auf Grund einer im Jahre 1949 durchgeführten Betriebsprüfung hat das Finanzamt folgende Auffassung vertreten:
Die von den Stromabnehmern aufgewandten Baukosten seien keine lediglich Finanzierungszwecken dienenden Zuschüsse und könnten im Ergebnis nicht als erfolgsneutrale durchlaufende Posten angesehen werden. Es handele sich um Ertragszuschüsse. Sie stellten Stromvorauszahlungen dar, weil andernfalls die Stromabnehmer in den einzelnen Jahren höhere Strompreise zahlen müßten. Das Finanzamt hat sämtliche Baukostenzuschüsse aktiviert und dementsprechend in gleicher Höhe Verpflichtungen zur Lieferung billigen Stroms passiviert. Von den aktivierten Beträgen wurden 3,5% von den passivierten Beträgen 5% jährlich abgesetzt. Der Unterschiedsbetrag von 1,5% hat für die Streitjahre das betriebliche Ergebnis erhöht.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und begründete dies wie folgt:
Die Bgin. habe keine Monopolstellung, weil sie über 80% ihres Stromes an Großabnehmer liefere, die nicht gezwungen seien, von ihr Strom abzunehmen. Dazu kämen gewerbliche Abnehmer, die ebenfalls an einer eigenen Stromerzeugung nicht gehindert werden könnten. Andererseits sei die Bgin. nach den für sie geltenden allgemeinen Bedingungen verpflichtet, in ihrem Versorgungsgebiet jedermann an ihre Verteilungsanlagen anzuschließen und zu den behördlich genehmigten, d. h. vorgeschriebenen Preisen mit elektrischer Arbeit zu versorgen. Das könne sie aber nur, wenn Kostenaufwand und Ertrag in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zueinander stünden. Nur insoweit sei ihr gestattet, Baukostenzuschüsse zu fordern, weil andernfalls Strompreise gehoben werden müßten, die nicht mehr als wirtschaftlich betrachtet werden könnten, Die Bgin. habe überzeugend dargetan, daß in den hier in Betracht kommenden Jahren und auch heute noch Anlaß bestanden habe bzw. bestehe, solche Zuschüsse aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen und nicht etwa in einseitiger Ausnutzung einer Monopolstellung zu fordern. Bei den Baukostenzuschüssen handle es sich nicht um Ertragszuschüsse im Sinne von Stromvorauszahlungen, sondern um Kapitalzuschüsse i. S. verlorener Zuschüsse. Das Finanzgericht werde in dieser Auffassung bestärkt durch den Umstand, daß im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Vertrages durch eine Gemeinde bei der alsdann vorzunehmenden Rückführung der Verteilungsanlagen in das Eigentum der Gemeinde die von den Anschließern gezahlten Baukosten auf die von der Gemeinde zu zahlende Ablösung voll angerechnet würden. Des weiteren sei im sogenannten Stromabnehmer- Vereinigungs-Vertrag bestimmt: "Baukosten und Hochspannungsanschlüssegebühren werden weder ganz noch teilweise bei Einstellung des Strombezugs oder Verminderung des Anschlußwertes zurückgezahlt". Wären diese Zuschüsse Stromvorauszahlungen, dann wäre ihre volle Anrechnung auf die von der Gemeinde zu zahlende Ablösung im Falle des Eigentumsrückgangs an die Gemeinde ebenso unverständlich wie ihre völlige Nichterstattung bei vorzeitiger Einstellung des Strombezuges durch einen Abnehmer. Im gleichen Sinn und aus den gleichen Erwägungen habe auch der Reichsfinanzhof bereits in seinem Urteil VI A 487/28 vom 15. Mai 1929, Slg. Bd. 25 S. 174 ff., dahin erkannt, "daß für die Abnehmer des Elektrizitätswerkes der Baukostenzuschuß nicht als Vorauszahlung auf künftige Leistungen des Elektrizitätswerkes, vor allen Dingen nicht als Vorschuß auf künftige Stromlieferung zu betrachten ist".
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts beantragt die Wiederherstellung der Veranlagungsbescheide. Ihre Prüfung ergibt folgendes:
Der Rb. ist darin beizupflichten, daß bei "Baukostenzuschüssen" jeweils der sachliche Inhalt geprüft werden muß, der sich in der Bezeichnung verbirgt. Der Oberste Finanzgerichtshof hat deshalb in der Entscheidung IV 61/49 U vom 25. November 1949, Amtsblatt des Bayer. Staatsministeriums der Finanzen (Bay. FMBl.) 1950 S. 31, in dem Streitfall in sogenannten "verlorenen Zuschüssen" Mietzahlungen erblickt. Des weiteren hat der Reichsfinanzhof in der Entscheidung I 451/40 vom 11. Februar 1941, Reichssteuerblatt (RStBl) S. 268, die ein gemeindliches Wasserwerk zum Gegenstand hatte, eine erneute Würdigung des Streitfalles durch die Vorbehörde als notwendig angesehen, ob es sich um Ertragszuschüsse, Kapitalzuschüsse oder übersteuerungszuschüsse im Sinne der Eigenbetriebsordnung vom 21. November 1938 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 1650) handle.
Im vorliegenden Fall ist das Finanzgericht auf Grund eingehender Würdigung zu der überzeugung gekommen, daß es sich um verlorene Baukostenzuschüsse gehandelt habe. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wendet sich hiergegen in Ausführungen tatsächlicher Natur, wobei die Auslegung der Verträge eine beachtliche Bedeutung hat. Die Firma selbst kommt in ihrer Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung in übereinstimmung mit dem Finanzgericht zum gegenteiligen Ergebnis.
Baukostenzuschüsse eines Mieters, eines Stromabnehmers, werden fast immer mit dem Mietpreis, dem Preis für den Strom in gewissem Umfange verknüpft sein. Baukostenzuschüsse, die vom Ertrag vollkommen getrennt werden können, wird es bei den Benutzern des Gebäudes, den Abnehmern des Stromes, kaum geben. Sie treten im allgemeinen nur in Form von Zuschüssen der öffentlichen Hand in Erscheinung. Trotzdem hat die Rechtsprechung, sei es aus wirtschaftlichen Gründen, sei es aus Gründen der Vereinfachung, verlorene Zuschüsse der Mieter anerkannt. In dem grundlegenden Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 28/31 vom 23. Juni 1933, RStBl S. 1143, hat der Reichsfinanzhof folgenden Standpunkt angenommen:
Was die Frage der Mieterzuschüsse anlange, so müsse man dem Bauunternehmer, falls die Gebäude zum Betriebsvermögen gehörten, ein Wahlrecht zugestehen, ob er als Herstellungspreis des Gebäudes die Baukosten ohne oder mit Abzug der Mieterzuschüsse ansehen wolle. Es sei möglich, daß er mit einer Rentabilität der gesamten Baukosten gerechnet und die Mieterzuschüsse lediglich als Mietvorauszahlung verlangt und angenommen habe. Es sei aber ebenso gut möglich, daß er angenommen habe, die Baukosten würden sich nicht rentieren. Die Rentabilität des Baues würde lediglich den um die Mieterzuschüsse verminderten Baukosten entsprechen. Nur der Umstand, daß der von ihm geschätzte Minderwert des Gebäudes gegenüber den Baukosten von anderen Personen bezahlt würde, könne ihn veranlassen, den Bau herzustellen. In einem solchen Falle müsse die Auffassung des Bauunternehmers, der die Sache selbst am besten zu beurteilen vermöge, maßgebend sein und könne seine bilanzmäßige Behandlung der Sache höchstens dann beanstandet werden, wenn sie offenbar den Verhältnissen nicht entspreche.
Diese Rechtsauffassung hat der Reichsfinanzhof in den Entscheidungen I A 309/32 vom 21. Dezember 1933, RStBl 1934 S. 394 und VI A 1949/32 vom 14. Februar 1934, RStBl. S. 606, wiederholt. Auch spätere Entscheidungen haben diese Grundsätze, die somit übereinstimmend vom Einkommensteuer-Senat und vom Körperschaftsteuer-Senat anerkannt worden sind, nicht aufgehoben. Ebenso Blümich, Einkommensteuergesetz (EStG), 5. Aufl. S. 225,226.
Der eigenen Auffassung des Kaufmannes hat der Reichsfinanzhof auch in der Entscheidung I 18/42 vom 12. Mai 1942, RStBl. S. 852, Bedeutung zugemessen, und zwar in diesem Falle auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen (Stpfl.). Nach dieser Entscheidung können bei der Nachprüfung der Steuereröffnungsbilanz eines Versorgungsbetriebes aus der früheren bilanzmäßigen Behandlung der auf die Abnehmer umgelegten Herstellungskosten von Hausanschlüssen Rückschlüsse gezogen werden, ob diese Bauzuschüsse als Ertragszuschüsse oder als überteuerungszuschüsse im Sinne der Eigenbetriebsordnung eingehoben wurden.
Die vom Reichsfinanzhof hinsichtlich der Mieterzuschüsse aufgestellten Grundsätze müssen auch im vorliegenden Falle angewandt werden. Es besteht keine Veranlassung, von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hinsichtlich des Wahlrechtes abzugehen. In ähnlicher Weise wie im vorliegenden Falle wird sich oft tatbestandsmäßig schwer unterscheiden lassen, ob es sich um Vorauszahlungen für künftige Nutzungen oder verlorene Baukostenzuschüsse handelt. Wo beides ineinander übergeht, wo also die Zuschüsse dazu dienen, die Preise für die Miete und den Strom auf einer Höhe halten zu können, die dem allgemeinen Preisniveau entspricht, wird es den Verhältnisses am besten gerecht, der Auffassung des Kaufmannes zu folgen, wie sie auf Grund seines Wahlrechtes zum Ausdruck gekommen ist.
Man wird im vorliegenden Falle nicht sagen können, daß die Würdigung der Firma in ihrer Bilanz, die mit der Tatbestandswürdigung des Finanzgerichts übereinstimmt, offensichtlich den tatsächlichen Verhältnisses nicht entspricht.
Der Unterschied der Ergebnisse des Finanzamts und der Firma ist darauf zurückzuführen, daß das Finanzamt auf der Aktivseite und auf der Passivseite der Bilanz verschiedene Nutzungszeiten für die ursprünglich gleichhohen Posten angesetzt hat. Man könnte hiergegen wohl auch Bedenken geltend machen. Die Nutzungszeit durch die Abnehmer ist im Ergebnis ebenso wenig begrenzt, wie die Nutzungsdauer der Anlagen, die mit ihren Zuschüssen geschaffen worden sind. Die beiden Nutzungszeiten müssen geschätzt werden. Das Problem verliert seine Bedeutung, wenn man gleiche Nutzungszeiten ansetzt. Auch diese Erwägungen sprechen für das vom Reichsfinanzhof gewährte Wahlrecht.
Im übrigen konnte das Finanzgericht zu seiner Würdigung des Tatbestandes kommen. Auch § 288 Ziff. 1 und § 296 der Reichsabgabenordnung würden einer Aufhebung der Vorentscheidung entgegenstehen.
Die Rb. wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen. Ausdrücklich sei jedoch bemerkt, daß die hier entwickelten Grundsätze nur für die Bilanzierung von Baukostenzuschüssen bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer gelten, die im Verlaufe eines Veranlagungszeitraumes getätigt worden sind, bei denen also der Ausgleich zwischen den durch das Wahlrecht gegebenen Möglichkeiten im Laufe der Veranlagungen durch den Grundsatz der Bilanzidentität herbeigeführt wird. Sie können dort nicht angewandt werden, wo der Teilwert anzusetzen ist. Der Reichsfinanzhof hat aus den gleichen Erwägungen heraus für die Vermögensteuer und die Einheitsbewertung einen anderen Standpunkt eingenommen. Dies wird bei der Bilanzierung in der DM- Eröffnungsbilanz zu beachten sein.
Fundstellen
Haufe-Index 407770 |
BStBl III 1953, 315 |
BFHE 1954, 61 |
BFHE 58, 61 |
BB 1953, 940 |
DB 1953, 959 |