Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Gewerbeverlust II/1948 und 1949 bei Betriebstätten, die unter § 2 Abs. 5 GewStG 1950 fallen, ist bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1950 ff. nicht anrechnungsfähig.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 5, § 2/6, § 10a
Tatbestand
Der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag der Beschwerdegegnerin wurde für das Steuerjahr 1950 durch vorläufigen Bescheid nach einem Gewerbekapital von 1.014.948 DM - Steuermeßbetrag 2.028 DM - und einem Gewerbeertrag von 965.487 DM - Steuermeßbetrag 48.090 DM - auf 50.118 DM festgestellt. Hierbei hatte das Finanzamt entgegen der Gewerbesteuererklärung einen Verlustvortrag aus II/1948 und 1949 in Höhe von 1.525.493 DM unter Hinweis auf die Gewerbesteuerrichtlinien 1951 Abschnitt 68 Abs. 2 nicht anerkannt, da es sich um Verluste handelte, die durch Enteignung bei einer Betriebstätte im sowjetischen Sektor von Berlin entstanden waren.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. § 2 Abs. 5 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1950 schließe nicht aus, daß Verluste aus den Vorjahren entsprechend den Bestimmungen des § 10 a GewStG 1950 den Gewerbeertrag 1950 schmälern könnten. Wie es ausdrücklich in § 10 a GewStG 1950 heiße, seien die Fehlbeträge der drei vorangegangenen Erhebungszeiträume zu berücksichtigen, die sich bei der Ermittlung des für diese Erhebungszeiträume maßgebenden Gewerbeertrags ergeben hätten. Bei der Ermittlung des maßgebenden Gewerbeertrags für die Jahre vor 1950 seien aber unstreitig die Verluste bei einer Betriebstätte, die sich außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes in einem zum Inland gehörenden Gebiet befinde, zu berücksichtigen. Es sei deshalb der Antrag der Firma berechtigt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Wie in dem Gutachten I D 4/50 S vom 25. Januar 1951, Slg. Band 55 S. 182, Bundessteuerblatt (BStBl) III S. 68, im einzelnen dargestellt wird, ist der Gewerbeverlust des § 19 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes (Dritte GewStDV) vom 31. Januar 1940 im Gegensatz zum Verlustabzug des § 10 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1949 eine Gewinnermittlungsvorschrift. An seiner Rechtsnatur hat die Neufassung im § 10 a GewStG 1950 nichts geändert. Bedeutsam ist jedoch, daß nach § 2 Abs. 5 GewStG 1950 ab 1. Januar 1950 der Gewerbesteuer Betriebstätten nicht unterliegen, die sich in der sowjetischen Besatzungszone befinden.
Durch diese Vorschrift werden gewerbesteuerlich die nach dem alten Gewerbesteuerrecht einheitlichen Betriebe aufgeteilt und die Betriebsteile wie selbständige Betriebe behandelt. Dies hat auch Auswirkung auf die Anrechnung des Gewerbeverlustes. Die Ergebnisse des bisher einheitlichen Betriebes müssen auch für die Vorjahre nach den Betriebsteilen aufgespalten werden. Wie lediglich ein Gewerbeverlust bei dem gleichen Betrieb auf die folgenden Jahre anrechnungsfähig ist, können nunmehr nur noch Gewerbeverluste berücksichtigt werden, die bei dem Betriebsteil entstanden sind, der sich in den Westzonen befindet. Im Runderlaß Nr. 88 des Präsidenten der Deutschen Zentralfinanzverwaltung in der sowjetischen Besatzungszone vom 3. August 1946 (Deutsche Finanzwirtschaft 1947 S. 44) unter C und in der Rundverfügung 206/50 der Deutschen Zentralfinanzdirektion vom 23. Dezember 1950 (Deutsche Finanzwirtschaft 1951 S. 178) ist im Ergebnis eine gleichartige Regelung für die sowjetische Besatzungszone vorgesehen. Der Gewerbeverlust der Betriebstätten in der sowjetischen Besatzungszone auf der einen Seite und der Gewerbeverlust in den Betriebstätten im Geltungsgebiet des Grundgesetzes auf der anderen Seite ist jeweils nur bei den entsprechenden Betriebsteilen anrechnungsfähig. Gegebenenfalls muß das Betriebsergebnis für den Gesamtbetrieb in den Vorjahren auf die Ergebnisse der beiden Betriebsteile zur Prüfung der Frage eines etwaigen Gewerbeverlustes aufgeteilt werden.
§ 2 Abs. 5 GewStG 1950 ist dem Gesetz erst durch das Gesetz zur änderung des Gewerbesteuerrechtes vom 27. Dezember 1951 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 996) eingefügt worden. Es könnten Bedenken gegen die Rückwirkung bestehen, die sich das Gesetz beigelegt hat. Ihnen kann aber nicht Folge geleistet werden, da die Länderfinanzverwaltungen ähnlich den Anordnungen in der sowjetischen Besatzungszone in ihren Richtlinien nach dem Zusammenbruch bereits von gleichartigen Gedanken ausgegangen sind. Im einzelnen wird hierzu auf die Darstellung von Kirmse im Blatteikommentar zum Gewerbesteuerrecht unter D XI C (Ausgabe vom 25. April 1950), von Beuck, Zonenprobleme, II. Auflage S. 115 und von Dopatka, Steuer und Wirtschaft 1948 Spalte 373 ff., sowie hinsichtlich der Britischen Besatzungszone auf den Erlaß der Finanzleitstelle vom 12. September 1947 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - Nr. 15/238) verwiesen. Siehe auch die Regelung für Bayern in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 22/51 S vom 30. April 1951, BStBl S. 131. Im übrigen enthält § 2 Abs. 2 Satz 2 EStG 1950 in der Fassung des Einkommen- und Körperschaftsteueränderungsgesetzes vom 29. April 1950 eine ähnliche Regelung. Es war anzunehmen, daß die Grundsätze des Einkommensteuerrechtes auch für das Gewerbesteuerrecht Geltung gewinnen. Im vorliegenden Fall erscheint die Rückbeziehung zwar nicht bedenkenfrei. Die Steuergesetze müssen im allgemeinen den Staatsbürgern zu einer Zeit bekanntgegeben werden, wo sie noch in der Lage sind, im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen ihre wirtschaftlichen Maßnahmen entsprechend einzurichten. Siehe hierzu auch Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 34/53 S vom 9. Juni 1953, BStBl III S. 250. Nach der überwiegenden Auffassung erscheint jedoch mit rechtsstaatlichen Grundsätzen eine Rückbeziehung vereinbar, wenn hierdurch ungeordnete Schwebezustände in Ordnung gebracht werden. Im einzelnen siehe hierzu Klein "Zulässigkeit und Schranken der Rückwirkung von Steuergesetzen" (Institut Finanzen und Steuern Heft 19) S. 63.
Die Vorentscheidung muß deshalb aufgehoben und die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407772 |
BStBl III 1953, 317 |
BFHE 1954, 67 |
BFHE 58, 67 |