Leitsatz (amtlich)
1. Beim sogenannten Prämiensparen als einer Verbindung von Sparen und Lotterie besteht der Einsatz in dem Auslosungsbeitrag und in dem zinslos gegebenen Sparbetrag.
2. Der objektive Wert des Sparbetrags ist zu schätzen.
2. Bei der Schätzung ist von dem Zinssatz für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist auszugehen. Wegen der Besonderheiten des Prämiensparens ist ein angemessener Abschlag zulässig.
Normenkette
RennwLottG § 17
Tatbestand
Der Kläger, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, führt mittels seiner Mitglieder, der öffentlichen Sparkassen des Landes, das sogenannte Prämiensparen durch. Der Prämiensparer zahlt bei der Sparkasse 8 DM als Monats-Sparbetrag und 1 DM als Auslosungsbeitrag ein; er erhält dafür eine Sparmarke im Wert von 8 DM und ein Prämiensparlos. Die Sparmarke klebt der Sparer in eine mit 12 Feldern versehene Prämien(Jahres-)sparkarte (bei wöchentlichen Zahlungen entsprechende Sparmarken in eine Monatssparkarte). Die Sparkasse als Schuldnerin der Prämiensparbeträge verbucht diese Beträge auf einem Sammelkonto. Gegen Rückgabe der Prämien(Jahres-)sparkarte werden die Sparbeträge nach Wahl des Sparers bar ausgezahlt oder auf ein (persönliches) Sparkonto gutgeschrieben. Erst vom Zeitpunkt der Gutschrift auf diesem (persönlichen) Sparkonto ab werden die Sparbeträge zu den jeweils geltenden Spareinlagenzinssätzen verzinst. Die (monatlichen) Prämiensparlose berechtigen den Prämiensparer zur Teilnahme an den monatlichen Auslosungen. Bei Einreichung der vollgeklebten Prämien(Jahres-)sparkarte erhält der Prämiensparer außerdem ein Los für die Jahresauslosung. An den Auslosungen kann der Prämiensparer also nur teilnehmen, wenn er die Lose zusammen mit den Sparmarken erwirbt. Träger des Auslosungsverfahrens ist der Kläger.
Für die Sparperiode Oktober 1962 bezog das FA außer den Auslosungsbeiträgen aufgrund des Urteils des BFH II 182/59 U vom 7. Februar 1962 (BFH 74, 444, BStBl III 1962, 166) einen Zinsbetrag in die Bemessungsgrundlage ein und setzte eine entsprechende Lotteriesteuer fest. Das FA ging dabei davon aus, daß in der Zeit vom Oktober 1960 bis September 1962 die Guthaben auf den Prämienspar-Sammelkonten durchschnittlich das 4,178fache (nach dem FG: richtig das 4,5fache) des monatlichen Prämiensparaufkommens betrugen und daß somit die monatlichen Prämien den Sparkassen durchschnittlich rund vier Monate zinslos zur Verfügung standen. Das FA legte der Errechnung des auf vier Monate entfallenden Jahreszinsgewinnanteils den Zinssatz von 3,25 v. H. zugrunde, mit dem die Sparkassen im Oktober 1962 Spareinlagen ohne (vereinbarte) Kündigungsfrist verzinsten.
Mit der Sprungberufung machte der Kläger im wesentlichen geltend, der Zinsgewinn dürfe nicht in die Lotteriesteuer-Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Lotterievertrag mit ihm und Sparvertrag mit der Sparkasse seien selbständige Verträge. Dessen sei sich auch der Prämiensparer aufgrund der auf der Rückseite der Prämiensparkarte abgedruckten Geschäftsbedingungen bewußt; er leiste die Sparbeträge nicht an ihn, sondern an die Sparkasse. Der Prämiensparer habe - wie bei den anderen Formen des sogenannten Kleinsparens - keinen Zinsanspruch, könne also auch nicht darauf verzichten. Auch wenn man unterstelle, die Sparbeträge seien Einsätze, sei deren Wert falsch berechnet. Die Prämiensparbeträge dürften nicht als Spareinlagen, sondern nur wie Sichteinlagen behandelt werden.
Die Sprungberufung hatte nur zum Teil Erfolg. Es sei, so führte das FG u. a. aus, im Grunde nicht zu beanstanden, daß das FA den Wert der Prämiensparbeträge als Einsatz unter Zugrundelegung des üblichen Zinssatzes von 3,25 v. H. für normale Spareinlagen ermittelt habe. Da die auf Sparkonten übertragenen Prämiensparbeträge durchschnittlich jedoch früher abgehoben würden als andere Spareinlagen, sei ein Abschlag von 1/3 des vom FA errechneten Zinsgewinns angemessen. Das FG setzte die Lotteriesteuer entsprechend niedriger fest.
Der Kläger hat Rechtsbeschwerde, das FA Anschluß-Rechtsbeschwerde eingelegt.
Der Kläger geht in dieser Instanz davon aus, daß auch die Prämiensparbeträge als Einsatz anzusehen sind, hält jedoch an seiner Auffassung fest, daß der Prämiensparer subjektiv keine Verzinsung seiner Prämiensparbeträge erwarte und also auch keinen Zinsverzicht leiste und daß deshalb überhaupt kein Zinssatz bei der Schätzung (§ 217 AO) des Wertes des Einsatzes in Betracht komme.
Das FA macht mit der Anschluß-Rechtsbeschwerde geltend, daß das FG zwar eine durchschnittliche Anlagedauer der Prämiensparbeträge von 4,5 Monaten festgestellt habe, gleichwohl wie das FA aber unter Verstoß gegen den klaren Akteninhalt nur von einer Anlagedauer von vier Monaten ausgehe. Auch sei der Abschlag von 1/3 des Zinsgewinns nicht gerechtfertigt, da die Sparkassen bei dem vergleichbaren Vereins- und Klubsparen ebenfalls den normalen Zinssatz von 3,25 v. H. zahlten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Prüfung der Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - des Klägers und der Anschließung des Beklagten (FA) ergibt das Folgende.
Unstreitig erfüllt das sogenannte Prämiensparen als eine Verbindung von Sparen und Lotterie die Voraussetzungen des § 17 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG). In dieser Instanz ist nur noch streitig, mit welchem Wert die Zinslosigkeit der Hingabe der Prämiensparbeträge (im folgenden auch: Sparbeträge) bei der Bemessungsgrundlage anzusetzen ist. Nunmehr geht auch der Kläger wie das FG davon aus, daß außer den Auslosungsbeiträgen auch die Sparbeträge Einsatz im lotteriesteuerrechtlichen Sinne sind. Dies trifft zu. Die unter 1 folgenden Ausführungen sind gleichwohl zum Verständnis der noch streitigen Frage erforderlich.
1. Als offener oder versteckter Einsatz kommt jede Leistung (jeder Vermögensvorteil) in Betracht, die der Spieler (Teilnehmer) dem Veranstalter einer Lotterie als Entgelt für die Einräumung einer Gewinnhoffnung gewähren muß (vgl. die bereits in dem Urteil II 182/59 U, a. a. O., zitierte Rechtsprechung des RFH und des BFH). Ein Einsatz verliert seine Eigenschaft auch nicht dadurch, daß er nicht oder nicht voll an den Veranstalter selbst, sondern vereinbarungsgemäß an einen Dritten geleistet wird (vgl. RFH-Urteil II A 95/31 vom 25. März 1941, Mrozek-Kartei, RennwLottG, § 17, Abt. III, Rechtssprüche 4, 5, Steuer und Wirtschaft (StuW) 1931 Teil II Nr. 842 Sp. 1445; BFH-Urteil II 32/51 U vom 20. Juli 1951, BFH 55, 418, BStBl III 1951, 166). Bei einem verdeckten Einsatz ist es - wie der Senat in Fortsetzung der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH noch in dem o. a. Urteil II 182/59 U entschieden hat - auch nicht erforderlich, daß der Preis für einen zu erwerbenden Gegenstand wegen der Gewinnaussicht erhöht worden ist. Erforderlich ist nur, daß der Erwerb eines Gegenstands - z. B. auch einer Sparmarke - unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme an einer Lotterie ist. Die Teilnahme an der vom Kläger veranstalteten Prämienauslosung setzt die Einzahlung nicht nur der Auslosungsbeiträge, sondern auch der Sparbeträge bei der Sparkasse voraus. Nach den vorstehenden Grundsätzen hat das FG den früheren Einwand des Klägers, aufmerksame Sparer könnten erkennen, daß sie rechtlich zwei verschiedene Verträge - einen Sparvertrag und einen Lotterievertrag - abschlössen, zutreffend als unerheblich bezeichnet. Es handelt sich um ein geschlossenes, sachlich und zeitlich gekoppeltes Vertragswerk (vgl. insoweit für die Grunderwerbsteuer z. B. Urteil des Senats II 5/62 vom 27. April 1966, BFH 86, 406), dessen lotteriesteuerrechtliche Auswirkungen der Kläger gegen sich gelten lassen muß. So hat es vergleichsweise bereits der RFH nicht für zulässig gehalten, ein einheitliches Angebot in ein Kaufangebot und in ein unentgeltliches Angebot einer Gewinnhoffnung zu zerlegen (vgl. Urteile II A 146/27 vom 8. Juli 1927, RFH 21, 267, RStBl 1927, 214, und II A 420/30 vom 7. Oktober 1930, Mrozek-Kartei, RennwLottG, § 17, Abt. III, Rechtssprüche 2, 3 mit weiteren Nachweisen).
Ein Einsatz kann nicht nur in der Hingabe eines nicht rückzahlbaren Geldbetrags, sondern z. B. auch in der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens (vgl. RFH-Urteil II A 540/27 vom 31. Januar 1928, Mrozek-Kartei, RennwLottG § 17, Rechtsspruch 28) und demgemäß in der Hingabe einer nicht oder ungewöhnlich niedrig verzinslichen Spareinlage in bestimmter Mindesthöhe als Voraussetzung zur Teilnahme an einer Prämienverlosung einer Sparkasse liegen (RFH II A 739/24 vom 14. November 1924, RFH 15, 37, Mrozek-Kartei, RennwLottG § 17, Rechtsspruch 5). Der Einsatz ist, wie der Senat in Fortführung dieser Rechtsprechung in dem o. a. Urteil II 182/59 U bemerkt hat, darin zu erblicken, daß der Sparer sich insoweit der anderweitigen Nutzung seiner Ersparnisse zugunsten der Sparkasse begeben hat. Diese objektiven Voraussetzungen des Einsatzes sind bereits dadurch erfüllt, daß ein solcher (nicht oder ungewöhnlich niedrig verzinslicher) Sparbetrag als Voraussetzung zur Teilnahme an der Auslosung und wegen der Aussicht auf einen Prämiengewinn eingezahlt worden ist. Demgegenüber kann es - wie der Senat angesichts des Vorbringens des Klägers erneut hervorheben muß - in diesem Zusammenhang darauf nicht ankommen, ob der Prämiensparer bei dieser Art der Einlagen einen gesetzlichen oder vertraglichen "Zinsanspruch" hätte und ob er also im Rechtssinn auf Zinsen "verzichtet" oder nicht.
Der BFH hat in Fortführung der Rechtsprechung des RFH noch in dem o. a. Urteil II 182/59 U entschieden, daß für die Frage, ob und inwieweit in einer Leistung ein Einsatz zu erblicken ist, die subjektive Auffassung der Teilnehmer an der Veranstaltung entscheidet. Dieses Erfordernis ist aber nur dahin zu verstehen, daß es für das Bewußtsein des Vorliegens eines Einsatzes darauf ankommt, ob ein nennenswerter Teil der Teilnehmer in der von ihm zu erbringenden Leistung (hier: des Sparbetrags) zugleich eine Voraussetzung für den Erwerb der gebotenen Gewinnaussicht erblickt. Insoweit ist das Vorliegen eines Einsatzes allein vom Standpunkt der Spieler aus zu beurteilen (vgl. außerdem RFH-Urteil II A 739/24 vom 14. November 1924, a. a. O., z. B. noch das RFH-Urteil II A 223/28 vom 24. Juli 1928, Mrozek-Kartei, RennwLottG § 17, Rechtsspruch 35). Absichten und Zwecke des Veranstalters sind demgegenüber nicht ausschlaggebend (RFH-Urteil II A 420/30 vom 7. Oktober 1930, a. a. O.). Letztlich dienen diese Ermittlungen in subjektiver Richtung jedoch nur der Feststellung, daß die Verwirklichung der in einem Angebot enthaltenen objektiven Merkmale auch der Absicht der Teilnehmer entspricht (vgl. RFH-Urteil II A 146/27 vom 8. Juli 1927, a. a. O.). Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, daß es zur Bejahung der "subjektiven" Voraussetzungen im vorstehenden Sinne für das Vorliegen eines Einsatzes auch hinsichtlich der Sparbeträge genügt, daß die Prämiensparer wissen mußten und unbestrittenermaßen auch gewußt haben, daß sie an den Auslosungen nur teilnehmen konnten, wenn sie auch die vorgeschriebenen Mindestsparbeträge in voller Höhe eingezahlt hatten. Die insoweit objektiven Merkmale des Einsatzes sind durch die tatsächliche darlehensweise Hingabe des gesparten Kapitalbetrags an die Sparkasse erfüllt mit der objektiven Folge, daß der Prämiensparer diesen Betrag effektiv nicht anders nutzen kann und daß dieser Betrag (zunächst) unverzinst bleibt. Es kann in diesem Zusammenhang auf ein "Zinsbewußtsein", etwa in dem Sinne, daß der Prämiensparer sich über die (vorläufige) Zinslosigkeit seiner hingegebenen Geldbeträge im klaren sei, nicht ankommen. Ebenso ist - wie auch im anderen Zusammenhang noch darzulegen ist; vgl. unten zu 3 - weder erforderlich eine "Zinsempfindlichkeit", ein "Zinsinteresse" gar in dem Sinn, ob der Sparer überhaupt wegen Zinsen oder wegen Zinsen in bestimmter Höhe sparbereit sei, noch das Bewußtsein eines "Zinsverzichts" im o. a. Rechtssinn. Soweit aus dem letzten Absatz des o. a. Urteils des Senats II 182/59 U etwas Gegenteiliges entnommen werden könnte, hält der Senat diese ausdrückliche Klarstellung für geboten. Schließlich ist es - wie jedenfalls bereits in dem o. a. Urteil II 182/59 U ausgeführt - unerheblich, ob ein nennenswerter Teil der Sparer sich auch dessen bewußt war, daß die Hingabe der Sparbeträge auch lotteriesteuerrechtlich als Teil des Einsatzes der Lotterie zu qualifizieren sei. Dies ist ausschließlich eine Frage der steuerrechtlichen Beurteilung, die demgemäß nur den objektiven Maßstäben der Gesetzesanwendung unterliegt (vgl. insoweit auch BFH-Urteil II 32/51 U vom 20. Juli 1951, a. a. O., hier: BFH 55, 422/3, BStBl III 1951, 168 linke Spalte Mitte).
2. Die Lotteriesteuerpflicht ist - von der Befreiung wegen ausschließlich gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke gemäß § 18 Nr. 2 Buchst. b Rennw-LottG abgesehen - von dem mit der Lotterie oder Ausspielung verfolgten Zweck unabhängig. Sie setzt also keine Gewinnerzielungsabsicht voraus. Es ist unerheblich, ob die Gewinne aus dem Einsatz bestritten werden können oder (auch) aus anderen Mitteln, z. B. Zuschüssen, ausgezahlt werden müssen. Ebenso steht es der Steuerpflicht nicht entgegen, daß der Veranstalter mit Verlust gearbeitet hat (RFH-Urteile II A 146/27 vom 8. Juli 1927, a. a. O.; II A 420/30 vom 7. Oktober 1930, a. a. O.; II A 739/24 vom 14. November 1924, a. a. O.; BFH-Urteile II 111/50 S vom 27. April 1951, BFH 55, 289, 293/4, BStBl III 1951, 112, 114 linke Spalte unten; II 99/52 U vom 3. Dezember 1952, BFH 57, 55, BStBl III 1953, 20). Deshalb ist es jedenfalls in diesem Zusammenhang nicht erheblich, daß nach dem Vortrag des Klägers beim Prämiensparen ein Gewinn nicht erzielt wird und daß diese Sparform ein Verlustgeschäft mit Zuschüssen ist, das die öffentlichen Sparkassen nur zur satzungsgemäßen Förderung des Sparsinns betreiben.
3. Der Gesamtpreis der Lose (vgl. § 17 RennwLottG; § 37 der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz - RennwLottAB), d. h. der Betrag, der die Gegenleistung des Prämiensparers für die eingeräumte Gewinnhoffnung darstellt, steht, soweit es sich um die Prämiensparbeträge als Einsätze handelt, ziffernmäßig nicht fest. Der Nennbetrag des Sparbetrags selbst scheidet als Bemessungsgrundlage naturgemäß wegen der Rückzalungsverpflichtung der Sparkasse aus. Der somit in der zinslosen Hingabe der Sparbeträge beruhende Wert der Sparerleistung als Einsatz ist deshalb zu schätzen (vgl. bereits RFH-Urteile II A 540/27 vom 31. Januar 1928, a. a. O.; II A 223/28 vom 24. Juli 1928, a. a. O.; II A 571/30 vom 12. November 1930, Mrozek-Kartei, RennwLottG § 17 Abt. III, Rechtsspruch 1; II A 95/31 vom 25. März 1931, a. a. O.). Der Kläger rügt jedoch zu Unrecht unrichtige Rechtsanwendung des § 217 AO, wenn er dies im wesentlichen damit begründet, der Prämiensparer wisse zwar, daß nach allgemeiner Übung Zinsen erst nach Umbuchung der Prämiensparbeträge auf ein Einzelsparkonto vergütet würden; der Prämiensparer erwarte aber subjektiv im Rahmen des Prämiensparens keine Verzinsung der Prämiensparbeträge und leiste deshalb keinen Zinsverzicht, der ein bewertbarer lotteriesteuerpflichtiger Vermögensnachteil sein könne. Maßgeblichkeit und Grenzen der subjektiven Auffassung der Prämiensparer über das Vorliegen eines Einsatzes überhaupt und über ein "Zinsbewußtsein", ein "Zinsinteresse", eine "Zinsempfindlichkeit" oder einen "Zinsverzicht" sind bereits unter 1 erörtert. Bei der Schätzung des Werts des Einsatzes aber handelt es sich um die Frage des Findens eines objektiven Werts unter Beachtung der in § 217 AO gesetzten Maßstäbe, so daß hier wie auch sonst bei steuerrechtlichen Bewertungsfragen etwaige subjektive Wertvorstellungen der Prämiensparer ausscheiden müssen.
Das FG hat durch in sich verständliche und ausreichende Darlegung seines Schätzungswegs erkennbar gemacht, auf Grund welcher Feststellungen es zu seiner Schätzung gekommen ist. Es hat im Ergebnis zutreffend nicht beanstandet, daß das FA im Anschluß an das Urteil des Senats II 182/59 U, a. a. O., im Grundsatz für den Wert des Einsatzes von dem Zinssatz für normale Spareinlagen (gemeint ist: mit gesetzlicher Kündigungsfrist) ausgegangen ist.
Dabei kann es für die lotteriesteuerrechtliche Frage der Bewertung des Einsatzes beim Prämiensparen dahingestellt bleiben, ob es sich bei den gegen Ausgabe von Sparkarten und Sparmarken von der Sparkasse vereinnahmten und auf einem Sammelkonto verbuchten Einlagen der Prämiensparer rechtlich um Spareinlagen im Sinne des § 21 des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (BGBl I 1961, 881) handelt oder um eine andere Art der Einlagen, etwa um sogenannte täglich fällige Gelder (vgl. § 1 Abs. 3, § 2 des Habenzinsabkommens vom 22. Dezember 1936, Deutscher Reichsanzeiger 1936 Nr. 299, mit späteren Änderungen) bzw. um sogenannte Sichteinlagen (vgl. § 11, § 13 Abs. 1 Nr. 1 der Zinsverordnung vom 5. Februar 1965, BGBl I, 1965, 33). Bei Beantwortung der steuerrechtlichen Bewertungsfrage ist vielmehr von der Erwägung auszugehen, daß der Wert des Preises sich nach einem objektiv-normalen Maßstab bestimmt, unabhängig also von einer bankrechtlichen Geldanlageform und unabhängig deshalb auch davon, ob - wie der Kläger noch in dieser Instanz vorträgt - die Prämiensparsammelkonten im Sinne der Mindestreservehaltung der Kreditinstitute den sonstigen reservepflichtigen Verbindlichkeiten zuzuordnen sind. Es ist bereits dargelegt (vgl. zu 1), daß und inwiefern für das Vorliegen (für das "Ob") eines Einsatzes überhaupt der objektivierte Standpunkt der Spieler entscheidend ist. Es erscheint naheliegend und folgerichtig, auch bei der objektiven Bewertung des von dem Spieler zu leistenden Einsatzes (Preises) für die Gewinnhoffnung bei dieser Gegenleistung zunächst den Wert zu berücksichtigen, den der Einsatz für den Spieler hat. So spricht bereits der RFH (vgl. Urteil II A 223/28 vom 24. Juli 1928, a. a. O.) vom Einsatz als dem Betrag, der die Gegenleistung der Spieler für die ihnen eingeräumte Gewinnhoffnung darstellt (ähnlich RFH II A 165/29 vom 31. März 1929, Mrozek-Kartei, Rennw-LottG § 17, Rechtsspruch 37), während die Preisberechnungen des Verkäufers (Veranstalters) als unmaßgeblich bezeichnet werden (RFH-Urteil II A 95/31 vom 25. März 1931, a. a. O.).
Der Prämiensparer aber hat seinen (subjektiven) Willen und seine (objektive) Möglichkeit zur Geldanlage damit bekundet, daß er Ersparnisse der Sparkasse überläßt, und zwar um der Aussicht auf den Prämiengewinn willen zunächst als Prämiensparbeträge, statt diese Ersparnisse sofort auf einem Sparkonto mit gesetzlicher Kündigungsfrist anzusammeln. Bereits in diesem Zusammenhang aus der Sicht des Prämiensparers, aber auch aus der Sicht der Sparkasse, kann nicht außer acht bleiben, daß es der Zweck des Prämiensparens ist, den Sparsinn allgemein zu fördern (es folgen Zitate aus Sparkassenvorschriften des Landes) und daß dementsprechend die Sparkassen bestrebt sein müssen, den Prämiensparer zu veranlassen, sein Guthaben auf Prämiensparsammelkonto nicht abzuheben, sondern möglichst auf ein Sparkonto der üblichen Art (mit Sparbuch) umbuchen zu lassen. Demgegenüber müssen bei der objektiven Wertfindung die Konten mit täglich fälligen Geldern bzw. Sichteinlagen ausscheiden, bei denen die Gelder nur kurzfristigen Zwecken - zur Verwendung im Geschäftsbetrieb oder für den Zahlungsverkehr - dienen (vgl. auch § 2 des o. a. Habenzinsabkommens und einen Paragraphen aus den o. a. Sparkassenvorschriften). Bereits unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann - unabhängig von der insoweit unbeachtlichen Frage eines rechtlichen "Verzichts" auf Zins-"Ansprüche" - im Ausgangspunkt als objektiver Wert der Leistung des Prämiensparers nur der Unterschiedsbetrag zu dem Zinsertrag der Anlagemöglichkeit auf einem Sparkonto mit gesetzlicher Kündigungsfrist in Betracht kommen.
Dieser Wert entspricht im übrigen auch dem Wert, den der Veranstalter über die ausführenden angeschlossenen Sparkassen aufwendet, und zwar insofern, als die Sparkassen für die vereinnahmten Prämiensparbeträge gegenüber den Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist entsprechend niedrigere Zinsaufwendungen haben. Dies muß um so mehr gelten, als es - aus der Sicht der Sparkasse - unerheblich ist, daß es sich bei den Prämienspargeldern im einzelnen jeweils um kleine Beträge handelt; entscheidend kann insoweit vielmehr nur sein, daß die auf dem Prämiensparsammelkonto zusammengefaßten Sparbeträge den Sparkassen in nicht unbeträchtlicher Höhe und für eine gewisse Dauer effektiv darlehensweise zur Verfügung stehen (unbeschadet gewisser, durch einen Abschlag zu berücksichtigender Merkmale; vgl. hierzu unter 5).
Bei dieser Betrachtung kommt es auf die vom FG noch erörterte Frage, ob das Prämiensparen mit anderen Formen des sogenannten Kleinsparens mit oder ohne Sparmarken (z. B. Schul-, Vereins-, Betriebs-, Schrank-, Büchsen-Sparen) vergleichbar ist oder nicht - weil (nach FG) in diesen Fällen meist die Sparbeträge anders als beim Prämiensparen zunächst den Sparkassen nicht zur Verfügung stehen oder jedenfalls sofort nach Einzahlung der Sparbeträge auf Einzelkonto bei der Sparkasse normal verzinst werden - nicht an. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich schließlich, daß es - wie bereits oben zu 1 im Blick auf den letzten Absatz des o. a. Urteils des Senats II 182/59 U hervorgehoben - für die Bewertung der zinslos gegebenen Prämiensparbeträge unmaßgeblich sein muß, ob es nach der Anschauung weiter Bevölkerungskreise üblich sei, kleinere Beträge der Sparkasse unentgeltlich (unverzinslich) zu überlassen. Ebenso müssen auch bei der Ermittlung eines objektiven Wertes des Einsatzes die vom Kläger angesprochenen Fragen der "Zinsempfindlichkeit" oder auch des "Zinsinteresses" - also der subjektiven Einstellung des Sparers, ob er überhaupt wegen Zinsen und ob er wegen eines ihm in genauer Höhe unbekannten Zinssatzes sparbereit sei - außer Betracht bleiben.
4. Der Beklagte rügt zu Unrecht Aktenverstoß, weil das FG statt der vom FG selbst mit 4,5 Monaten errechneten durchschnittlichen Anlagedauer der Prämiensparbeträge bei seiner Entscheidung von der vom FA angenommenen Anlagedauer von 4 (4,178) Monaten ausgegangen ist. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage handelt es sich - wie gesagt - in Fällen der streitigen Art um eine Schätzung auf Grund mehrerer Schätzungsfaktoren, so daß es das FG im Interesse der nach Lage des Streitfalls gebotenen Vorsicht zugunsten des Klägers bei dem bereits vom FA angesetzten Faktor belassen konnte, ohne den hier gegebenen Schätzungsrahmen zu verlassen.
5. Schließlich kann es nicht als Rechtsverstoß gegen die Schätzungsregeln betrachtet werden, wenn das FG unter Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände (§ 217 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Abschlag in Höhe von 1/3 des vom FA ermittelten Zinsbetrags für angebracht gehalten hat. Dieser ist angemessen. Das FG hat - insoweit unwidersprochen und für den Senat bindend (§§ 288, 296 Abs. 1 AO a. F.; § 118 Abs. 2 FGO) - festgestellt, daß die auf Sparkonten übertragenen Prämiensparbeträge im Durchschnitt früher abgehoben werden als andere Spareinlagen und daß das Prämiensparen in großem Umfang ein sogenanntes Weihnachtssparen, also mit erhöhten Abhebungen um diese Zeit, ist. Bei regelmäßigen monatlichen Einzahlungen der Prämiensparbeträge ergibt sich - je nach monatlich vor- oder nachschüssiger Zahlung und Abhebung - bereits eine durchschnittliche Anlagedauer zwischen nur rd. 6,5 und 4,6 Monaten. Die Anlagedauer von 4,178 Monaten ist aus Durchschnittsbeträgen von 24 Monaten ermittelt. Das schließt also nicht aus, daß - mit oder ohne teilweise höhere (frühere) Einzahlungen - in vielen Einzelfällen der Vier-Monatsdurchschnitt unterschritten werden kann. Der Einwand des FA, daß die Kürze der Anlagedauer der Prämiensparbeträge bei Gewährung eines Abschlags doppelt berücksichtigt werde, kann auch deshalb nicht durchdringen, weil die Sparkassen - aus ihrer mitzuberücksichtigenden Sicht (vgl. oben zu 3 am Ende) - anders als bei dem Sparbuchsparen der üblichen Art (trotz der auch in diesem Fall gegebenen kurzfristigen Kündigungsmöglichkeiten) beim Prämiensparen in Zeiten ohnehin erhöhten Geldbedarfs (Weihnachts- oder auch Urlaubszeit) erhöhte Abhebungen in ihre eigenen Anlagemöglichkeiten einkalkulieren müssen. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß jeder Prämiensparer jederzeit über seine Prämiensparbeträge verfügen kann, auch wenn die Sparkarte noch nicht vollgeklebt ist. Schließlich kann - aus der Sicht des Sparers - ins Gewicht fallen, daß bei einem zu vergleichenden nur kurzfristigen Sparbuchsparen Auflösungsgebühren anfallen, die angesichts vergleichbar niedriger Sparbeträge den Zinsvorteil verhältnismäßig nicht unerheblich schmälern können.
6. Nach allem erweisen sich die Revisionen des Klägers und des Beklagten im Ergebnis als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 68342 |
BStBl II 1969, 46 |
BFHE 1969, 87 |