Leitsatz (amtlich)
Ist eine Kapitalgesellschaft nach dem Umwandlungs-Steuergesetz 1957 rückwirkend auf einen früheren Stichtag in eine Personengesellschaft umgewandelt worden, so ist der Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Personengesellschaft vom Beginn des auf den Umwandlungsstichtag folgenden Jahres den nach dem Umwandlungsbeschluß an der Personengesellschaft Beteiligten zuzurechnen, selbst wenn sie am Umwandlungsstichtag noch nicht Gesellschafter der Kapitalgesellschaft waren.
Normenkette
UmwStG § 2 Abs. 2
Tatbestand
Der Kaufmann M war Alleingesellschafter der Firma W & Co. GmbH. Die Gesellschaft wurde durch Beschluß vom 29. Oktober 1957 rückwirkend auf den 31. Dezember 1956 in die Firma W & Co. KG (Steuerpflichtige = Revisionsklägerin) umgewandelt. Die auf Grund des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 (BGBl I 1957, 1713) erfolgte Umwandlung wurde am 27. November 1957 in das Handelsregister eingetragen. M schenkte 25 v. H. seiner GmbH-Anteile seiner Ehefrau, die ihrerseits 10 v. H. an eine GmbH veräußerte. Diese Übertragungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des FG zwischen dem 29. Oktober und 27. November 1957 erfolgt. An der KG sind deshalb nunmehr die GmbH mit 10 v. H. als Komplementär und M mit 75 v. H. sowie seine Ehefrau mit 15 v. H., jeweils als Kommanditisten, beteiligt.
Das FA (Revisionsbeklagter) rechnete den drei Gesellschaftern entsprechend den genannten Anteilen den Einheitswert des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1957 zu.
Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Berufung machte die Steuerpflichtige geltend: Nach § 2 Abs. 2 UmwStG seien Kapitalgesellschaften nicht bereits am Umwandlungsstichtag erloschen. Diese Vorschrift fingiere nur für gewisse Steuern, daß die Umwandlung bereits am Umwandlungsstichtag als vollzogen gelten solle und daß die Steuerpflicht der umgewandelten GmbH erlösche. Daraus ergebe sich aber, daß zivilrechtlich die umgewandelte Kapitalgesellschaft solange bestehen bleibe, bis sie im Handelsregister gelöscht werde. Infolgedessen sei es möglich, die Anteile an ihr zum Umwandlungsstichtag zu bewerten, solange das eine steuerliche Vorschrift nicht ausschließlich verbiete. Das sei nur in § 2 Abs. 2 UmwStG für die Kapitalgesellschaft selbst und für die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft, soweit sie bereits am Umwandlungsstichtag an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen seien, geschehen. Das gelte aber nicht für solche Gesellschafter der Kapitalgesellschaft, die zwischen dem Umwandlungsstichtag und Umwandlungsbeschluß aus der Kapitalgesellschaft ausgeschieden seien. Das Vermögen dieser Gesellschafter sei so zu ermitteln und zu bewerten, wie es im Feststellungszeitpunkt oder im Veranlagungszeitraum zivilrechtlich bestanden habe. Gelte die Fiktion des § 2 Abs. 2 UmwStG für sämtliche Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft, so könnten gewisse Vermögenswerte doppelt besteuert werden, da der genannte Einheitswert der Personengesellschaft bei den einzelnen Gesellschaftern der Vermögensteuer zu unterwerfen sei, während gleichzeitig der vor dem Umwandlungsbeschluß, aber nach dem Umwandlungsstichtag ausgeschiedene Gesellschafter den Wert seiner Anteile der Vermögensteuer zu unterwerfen habe. Für die Gesellschafter, die erst nach dem Umwandlungsstichtag in die Kapitalgesellschaft eingetreten seien, gelte § 2 UmwStG deshalb nicht. Ihnen könne kein Teil des auf den Umwandlungsstichtag zurückbezogenen Einheitswerts der Personengesellschaft zugerechnet werden.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus: Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 UmwStG sei eindeutig. Danach sei u. a. "das Vermögen ... der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft" so zu ermitteln, als ob bereits am Umwandlungsstichtag das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übertragen worden sei. Das gelte wortlautgetreu unabhängig davon, ob die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft am Umwandlungsstichtag oder am Tage des Ergehens des Umwandlungsbeschlusses Mitglieder der Kapitalgesellschaft gewesen seien. Im übrigen würden auf diese Weise keine Vermögensteile doppelt bei der Vermögensteuer erfaßt. Zwar würden die Anteile der Anteilserwerber der Personengesellschaft bei der Vermögensteuer 1957 erfaßt. Beim Veräußerer seien die entsprechenden GmbH-Anteile jedoch nicht mehr vermögensteuerpflichtig, weil die GmbH wegen der Fiktion des § 2 Abs. 2 UmwStG im Jahre 1957 nicht mehr existent sei.
Mit der Rechtsbeschwerde, die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, wandte die Steuerpflichtige sich gegen die Richtigkeit der vom FG festgestellten Tatsachen. Im übrigen wiederholte sie im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen. Sie hob noch hervor, die Fiktion des § 2 Abs. 2 UmwStG könne das vermögensteuerlich geltende Stichtagsprinzip nicht durchbrechen. Bis zur Eintragung der Personengesellschaft in das Handelsregister sei die Kapitalgesellschaft steuerlich noch existent. Es sei folglich noch eine Anteilsbewertung durchzuführen. Wenn aber bei M die GmbH-Anteile erfaßt würden, könnte nicht gleichzeitig noch der Einheitswert der KG den Gesellschaftern voll zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Soweit die Steuerpflichtige vorträgt, M habe nicht zwischen dem 29. Oktober und dem 27. November 1957, sondern am 29. Oktober 1957 vor dem Umwandlungsbeschluß vom gleichen Tage 25 v. H. der GmbH-Anteile auf seine Ehefrau übertragen, wovon diese - ebenso vor dem Umwandlungsbeschluß - 10 v. H. auf eine GmbH übertragen habe, hat die darin zu sehende Verfahrensrüge keinen Erfolg. Zwar ergibt sich aus den an das FG gerichteten Schriftsätzen der Steuerpflichtigen, daß die Übertragung zwischen dem Umwandlungsstichtag (31. Dezember 1956) und dem Tag des Umwandlungsbeschlusses (29. Oktober 1957) erfolgte. Die andere Darstellung in der Vorentscheidung berührt das FG-Urteil im Ergebnis jedoch nicht; denn die Sachentscheidung beruht nicht darauf. Die Rüge wäre nur beachtlich, wenn die Möglichkeit besteht, daß die Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre. Lediglich in diesem - hier nicht vorliegenden - Fall rechtfertigt der Verfahrensmangel die Aufhebung der Vorentscheidung (vgl. Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung, Kommentar, 2.-3. Aufl., § 118 FGO, Anm. 5).
Nach § 2 Abs. 2 UmwStG ist das Vermögen der umgewandelten Kapitalgesellschaft und das der Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft so zu ermitteln, als ob bereits in dem Zeitpunkt, für den die Umwandlungsbilanz aufgestellt wurde (Umwandlungsstichtag) - im Streitfall 31. Dezember 1956 -, das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf die Personengesellschaft übertragen und die Kapitalgesellschaft aufgelöst worden wäre. Diese Vorschrift fingiert zwar nicht das Erlöschen der GmbH in bürgerlich-rechtlicher Hinsicht. Die GmbH gilt gemäß § 5 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften (UmwG) vom 12. November 1956 (BGBl I 1956, 844) erst mit der Eintragung der Umwandlung in das Handelsregister als aufgelöst (vgl. Urteile des BFH I 180/62 U vom 6. November 1963, BFH 78, 547, BStBl III 1964, 209; I 5/63 U vom 1. Juli 1964, BFH 80, 162, BStBl III 1964, 533). § 2 Abs. 2 UmwStG fingiert jedoch u. a. für die Vermögensteuer, daß die Umwandlung bereits am Umwandlungsstichtag vollzogen worden sei und daß die Steuerpflicht der umgewandelten GmbH damit zugleich erloschen sei (vgl. BFH-Urteil I 5/63 U, a. a. O.). Daß das Steuerrecht nicht in jedem Fall dem bürgerlichen Recht folgen muß und steuerliche Tatbestände an wirtschaftlichen Überlegungen ausgerichtet werden dürfen, hat gerade neuerdings - allerdings in anderem Zusammenhang - das BVerfG bestätigt (Beschluß 1 BvF 3/65 vom 2. Oktober 1968, BStBl II 1968, 762). Ist die Umwandlung aber am Umwandlungsstichtag - hier am 31. Dezember 1956 - steuerrechtlich vollzogen worden, dann besteht steuerrechtlich am 1. Januar 1957 die Personengesellschaft. Der Einheitswert des gewerblichen Betriebs der Personengesellschaft ist ab diesem Stichtag den nach dem Umwandlungsbeschluß an der Personengesellschaft Beteiligten zuzurechnen. Das FG weist zutreffend darauf hin, daß der Wortlaut des § 2 Abs. 2 UmwStG auch keine andere steuerrechtliche Beurteilung für den Fall zuläßt, daß die an der Personengesellschaft beteiligten Personen am Umwandlungsstichtag oder am Tag des Ergehens des Umwandlungsbeschlusses an der Kapitalgesellschaft noch nicht beteiligt waren. Abgesehen davon waren jedoch die Gesellschafter der KG nach ihrem eigenen Vortrag vor Ergehen des Umwandlungsbeschlusses Gesellschafter der GmbH gewesen. § 2 Abs. 2 UmwStG enthält somit für das Vermögensteuerrecht eine ausdrückliche gesetzliche Durchbrechung des Stichtagsprinzips.
Entgegen der Ansicht der Steuerpflichtigen wird ihre Rechtsauffassung durch das Schrifttum nicht gestützt. Hohrmann-Rau (Umwandlungs-Steuergesetz, Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe C Lieferung Nr. 149, Abt. A 6, § 2 Anm. 24), Brönner (Umwandlungs-Steuergesetz, § 2 Anm. 106 und Die Besteuerung der Gesellschaften, 11. Aufl., VIII Anm. 95 und 111) und Gürsching-Stenger (Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, § 70 Bewertungsgesetz a. F., Anm. 35, Lieferung 10 vom Dezember 1960) gehen nur davon aus, daß die Rückbeziehung des § 2 Abs. 2 UmwStG nicht für aus der Gesellschaft ausscheidende Gesellschafter gilt, die an der Personengesellschaft nicht beteiligt sind. So liegt der Streitfall jedoch nicht; denn die an der GmbH beteiligt gewesenen Personen sind sämtlich auch an der KG beteiligt. Im Gegensatz zur Auffassung der Steuerpflichtigen führen Hohrmann-Rau (a. a. O. und Anm. 26) gerade aus, die Vermögensbesteuerung für die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft vom Beginn des auf den Umwandlungsstichtag folgenden Jahres gelte auch für Gesellschafter, die - wie im Streitfall - die Anteile an der umgewandelten Kapitalgesellschaft erst nach dem Umwandlungsstichtag erworben haben. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 UmwStG. Auf diese Weise wird zwar Vermögen bei Gesellschaftern besteuert, das sie am Umwandlungsstichtag tatsächlich noch nicht besaßen, das ihnen aber infolge der Fiktion der genannten Vorschrift vom Umwandlungsstichtag an zuzurechnen ist. Die Personengesellschafter müssen die gesetzlichen Folgen der von ihnen beschlossenen Umwandlung auf den von ihnen beschlossenen Umwandlungsstichtag tragen.
Dieses Ergebnis führt auch nicht zu einer doppelten vermögensteuerlichen Erfassung der ursprünglich der GmbH und später der KG gehörenden Vermögenswerte. Im Streitfall war auf den 1. Januar 1957 kein gemeiner Wert der GmbH-Anteile mehr festzustellen, weil wegen der Fiktion des § 2 Abs. 2 UmwStG das Vermögen der GmbH zu diesem Stichtag bereits auf die KG übertragen war. Bei der Vermögensbesteuerung 1957 des M sind deshalb keine GmbH-Anteile mehr zu erfassen, so daß alle Vermögenswerte der KG vom 1. Januar 1957 an der Vermögensbesteuerung der Personengesellschafter - ohne Doppelerfassung - zugrunde gelegt werden können und müssen. Auf die weitergehenden Erwägungen des FG in dieser Hinsicht kommt es deshalb nicht mehr an.
Fundstellen
Haufe-Index 68470 |
BStBl II 1969, 290 |
BFHE 1969, 47 |