Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine vom Darlehnsnehmer an den Darlehnsgeber oder an eine diesem nahestehende Person gezahlte Provision steht der Annahme der Unverzinslichkeit des Darlehens in voller Höhe entgegen.
Normenkette
EStG § 7c
Nachgehend
Tatbestand
Streitig sind die Zulässigkeit von Einkommensteuer- Berichtigungsveranlagungen 1952 und 1953, die Abzugsfähigkeit der vom Steuerpflichtigen (Stpfl.) in den Jahren 1952 bis 1954 hingegebenen Darlehen gemäß § 7 c EStG sowie die steuerliche Behandlung der von der Darlehnsnehmerin für die Darlehnshingabe gezahlten Provisionen.
Der Stpfl. gab an die Gemeinnützige Bau-AG (AG) laut Schuldurkunden folgende Beträge:
im Jahre 1952 63.000 DM, im Jahre 1953 90.000 DM, im Jahre 1954 60.000 DM.Laufende Zinsen wurden nicht vereinbart. Die in den Jahren 1952 und 1953 gegebenen Darlehen konnten mit monatlicher Frist erstmals zum 31. Dezember 1953 bzw. 31. Dezember 1954 in jährlichen Teilbeträgen von höchstens 10 v. H. gekündigt werden. Die Rückzahlung des im Jahre 1954 gegebenen Darlehens konnte nach vorheriger Kündigung unter Einhaltung einer Mindestfrist von einem Monat zum 22. Dezember 1957 in Höhe von 36 000 DM, zum 22. Dezember 1958 und 1959 in Höhe von je 12 000 DM erfolgen. Der Stpfl. nahm die Steuervergünstigung des § 7 c EStG in Anspruch. Sie wurde ihm in der erstmaligen Veranlagung für 1952 vom 4. Mai 1954 zugebilligt. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 5. Januar 1955 Tz. 18 hatte der Betriebsprüfer erklärt, daß sich für 1952 und 1953 entsprechende Bescheinigungen in den Einkommensteuerakten befunden und daß eine besondere Aufstellung über Tag der Hingabe, Name und Anschrift des Empfängers sowie die Rückzahlungsbedingungen vorgelegt hätten. In der darauf ergangenen Berichtigungsveranlagung für 1952 und erstmaligen Veranlagung für 1953 vom 2. April 1955 wurden die § 7c-Darlehen ebenfalls anerkannt. Auf Grund weiterer Feststellungen der Steuerfahndung wurden die Veranlagungen 1952 und 1953 berichtigt und wurde die Veranlagung für 1954 erstmals durchgeführt (Bescheide vom 6. Oktober 1955). Hierbei wurden die Darlehen nach § 7 c EStG nicht mehr anerkannt, weil sich herausgestellt hatte, daß die darlehnsnehmende AG im Einvernehmen mit dem Stpfl. folgende Beträge überwiesen hatte:
2.500 DM am 31. Dezember 1952 an den Vater des Stpfl., 2.540 DM am 9. Februar 1953 an Herrn X., -------- Verwandter, 2.400 DM am 11. Juli 1953 an den Vater des Stpfl., 3.000 DM am 29. März 1954 an die Eheleute Y., -------- Angestellte des Stpfl., 1.800 DM am 13. November 1954 an Herrn Z., -------- Angestellter des Stpfl., 2.400 DM am 28. Januar 1955 an einen Verwandten des -------- Stpfl., Herrn A.Das Finanzamt sah auch in den Einspruchsentscheidungen diese als Provisionen bezeichneten Geldüberweisungen als an den Stpfl. gezahlte, im Hinblick auf die Steuervergünstigung des § 7 c EStG schädliche Zinsen an.
Die Berufungen des Stpfl. hatten insoweit Erfolg, als das Finanzgericht bei Bejahung der Zulässigkeit der Berichtigungsveranlagungen 1952 und 1953 die Unverzinslichkeit der vom Stpfl. in den Jahren 1952 bis 1954 hingegebenen Darlehen annahm. Die von der AG an die dem Stpfl. nahestehenden Personen gezahlten Provisionen sah es auf Grund eingehender Beweisaufnahme als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Ziff. 3 EStG der Einkommensbesteuerung.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt in seiner Rb., daß das Finanzgericht keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Gewährung der Darlehen und den Provisionen angenommen habe.
Der Stpfl. hingegen wendet sich in erster Linie gegen die Zulässigkeit der zweiten Berichtigungsveranlagung für das Jahr 1952 und der Berichtigungsveranlagung für das Jahr 1953 (beide vom 6. Oktober 1955) sowie gegen die Erhöhung seiner Einkünfte 1952 bis 1954 um die vom Finanzgericht als sonstige Einkünfte behandelten Provisionsbeträge, insbesondere hinsichtlich der 1954 hinzugerechneten 2.400 DM.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet Die Rb. des Stpfl. ist nur zum geringen Teil begründet.
I. - Zulässigkeit der Einkommensteuer-Berichtigungsveranlagungen 1952 und 1953 im Sinne von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO
Die Berichtigungsveranlagungen waren zulässig, weil dem Finanzamt vor Ablauf der Verjährungsfrist neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt wurden, die eine höhere Veranlagung rechtfertigten (vgl. auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 167/61 U vom 20. Juli 1962, BStBl 1963 III S. 23). Dem Veranlagungsbeamten, Steuerinspektor B., war zur Zeit der Veranlagungen 1952 und 1953 (Januar 1955), bei denen er den Betriebsprüfungsbericht vom 5. Januar 1955 auswertete, von Provisionszahlungen aus Anlaß der Hingabe von § 7c-Darlehen nicht bekannt. Erst nach Abgang dieser Bescheide erfuhr er etwas über Ermittlungen der Steuerfahndung und noch später von den Provisionszahlungen selbst. Auch der Betriebsprüfer hatte die fraglichen Vorgänge offenbar mangels Kenntnis nicht in seinem Bericht vom 5. Januar 1955 erwähnt. Die Vorinstanz sah daher für die Berichtigungsveranlagungen 1952 und 1953 vom 6. Oktober 1955 in den Provisionszahlungen zutreffend neue Tatsachen im Sinne des § 222 Abs. 1 AO. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Finanzamt diese Tatsachen deswegen als bekannt gegen sich gelten lassen muß, weil es sie, wie der Stpfl. meint, bei ausreichender Erfüllung seiner Ermittlungspflicht hätte kennen müssen. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob der Betriebsprüfer zu dem Personenkreis gehört, dessen Kenntnis oder Kennenmüssen in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist. Der Stpfl. kann sich jedenfalls hierauf nicht berufen, weil er selbst seinen ihm obliegenden Mitwirkungspflichten nicht in ausreichender Weise nachgekommen ist. Bei der immerhin nicht eindeutigen Rechtslage hätte der Stpfl. bei seinem Bildungsgrad zumindest die Tatsache der Provisionszahlungen in seinen Steuererklärungen erkennbar machen müssen. Für 1954 wurde der Stpfl. am 6. Oktober 1955 erstmalig veranlagt, so daß insoweit eine Prüfung der Zulässigkeit dieser Veranlagung entfällt.
II. - 1. Besteuerung der von der AG bezahlten Provisionsbeträge
Die von der Vorinstanz auf Grund eingehender Beweisaufnahme getroffene Feststellung, daß die Provisionsansprüche dem Stpfl. zustanden und daß der Stpfl. über diese ihm zustehenden Ansprüche zugunsten ihm nahestehender Personen verfügte, ist nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz ging hierbei zutreffend davon aus, daß die Verhandlungen über die steuerbegünstigte Anlage der dem Stpfl. zur Verfügung stehenden flüssigen Mittel ausschließlich von diesem selbst mit der AG geführt wurden. Die AG erklärte sich bei diesen Verhandlungen bereit, 8 v. H. der in den Jahren 1952 und 1953 gezahlten Darlehnssummen und 4 v. H. der im Jahre 1954 gezahlten Darlehnssummen allein dafür zu zahlen, daß die Darlehnsverträge gerade zwischen ihr und dem Stpfl. zustande kamen. Diese Vorteile standen dem Stpfl. auch dann zu, wenn die AG im Einvernehmen mit dem Stpfl. die Provisionen an von diesem benannte, ihm nahestehende Personen zahlte. Hierfür spricht insbesondere der Umstand, daß die genannten Personen niemals mit der AG, sondern nur mit dem Stpfl. in Verbindung standen. Alle notwendigen Schritte mit der AG übernahm der Stpfl. selbst. Man muß deshalb davon ausgehen, daß die "Provisionen" in voller Höhe dem Stpfl., nicht hingegen den von ihm der AG benannten Personen zuflossen, da letztere für das Zustandekommen der Darlehnsverträge keinerlei Tätigkeit entfaltet hatten. Wie die Vorinstanz hierzu zutreffend ausführte, konnte der Stpfl. daher frei über die ihm zustehenden Provisionsbeträge verfügen. Wie sich aus den Ausführungen weiter unten zu II 2 ergibt, wirkten sich die von der AG gezahlten Provisionen wirtschaftlich gesehen beim Stpfl. als Disagio, das heißt als Zins im Zusammenhang mit der Hingabe sogenannter verunglückter § 7c-Darlehen, aus. In diesen Fällen ist die Rechtslage so zu beurteilen, wie sie bei einer Darlehnshingabe ohne die Vorschrift des § 7 c EStG zu beurteilen gewesen wäre. Derartige Darlehen gehören beim freiberuflich tätigen Stpfl. nicht zum Betriebsvermögen. Die Möglichkeit der Umwandlung vorhandener flüssiger betrieblicher Mittel in Gegenstände, die gewillkürtes Betriebsvermögen sein können, so z. B. wie hier in Darlehensforderungen, gilt grundsätzlich nur für Kaufleute. Die fraglichen Darlehen gehören daher zum Kapitalvermögen des Stpfl. Die für ihre Hingabe gezahlten "Provisionen" sind zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 2 Ziff. 1 EStG, und zwar im Zeitpunkt ihres jeweiligen Zufließens, das heißt im Zeitpunkt der Zahlung, zu rechnen (ß 11 Abs. 1 EStG).
Abzugsfähigkeit der Darlehen Die Abzugsfähigkeit der Darlehen nach § 7 c EStG hängt davon ab, daß die vom Stpfl. in den Jahren 1952 bis 1954 an die AG gezahlten Darlehnsbeträge unverzinslich gezahlt wurden. Geht man insoweit mit dem Finanzgericht davon aus, daß die Provisionen dem Stpfl. zustanden und dieser nur über seine Ansprüche zugunsten Dritter verfügte, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Provisionen und der Gewährung der Darlehen bestand. Denn die AG zahlte die Provisionen ausschließlich dafür, daß sich der Stpfl. zur Hingabe der Darlehen gerade an die AG bereit erklärt hatte.
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß einmalige Vergütungen des Darlehnsempfängers an den Darlehnsgeber keine Darlehnszinsen darstellen könnte, ist unzutreffend. Zinsen sind zwar bürgerlich-rechtlich in der Regel vom Schuldner einer Geldsumme fortlaufend zu entrichtende Vergütungen für den Gebrauch eines Kapitals, die in einem Hundertsatz des Kapitals bestimmt und für einen Zeitabschnitt bemessen sind. Entsprechend den im Urteil des Bundesfinanzhofs I 176, 177/59 U vom 19. Januar 1960 (BStBl III S. 102, Slg. Bd. 70 S. 273) entwickelten Rechtsgrundsätzen ist Zins, im Sinne des § 7 c EStG gesehen, grundsätzlich jeder geldwerte Vorteil, den der Darlehnsempfänger dem Darlehnsgeber mit Rücksicht auf die Darlehnsgewährung zuwendet, soweit nicht der gewährte Vorteil, z. B. der Erhalt einer Wohnung mit dem Sinn und Zweck des § 7 c EStG vereinbart werden kann. Im vorliegenden Fall haben die Provisionen bei der AG den Charakter eines Damnums, das heißt zusätzlicher Anschaffungskosten für die Beschaffung der Kredite. Sie sind bei einer Umrechnung und Verteilung auf die Laufzeit der Darlehen unter Berücksichtigung der Abzinsung für vorzeitige Zahlung so hoch, daß sie nicht als noch vertretbare steuerunschädliche Leistungen für die Hingabe eines unverzinslichen Darlehens angesehen werden können. Sie müssen vielmehr beim Stpfl. in eine vorweggenommene, wenn auch geringere Verzinsung umgedeutet werden (Disagio). Der Senat hält es auch nicht für vertretbar, die Provisionen unter Zugrundelegung eines mäßigen Zinssatzes im Wege der Schätzung nur einem Teil der Darlehen als Zinsen zuzurechnen und den übrigen Teil der Darlehen als unverzinslich zu behandeln, wie dies in der Entscheidung I 176, 177/59 U (a. a. O.) geschehen ist. Der Senat folgt vielmehr insoweit der vom Stpfl. selbst geschaffenen Vertragslage, nach der sich die Provisionszahlungen prozentual nach dem Gesamtbetrag der Darlehen richteten. Die Folge ist, daß sämtliche dem Stpfl. in den Streitjahren hingegebene Darlehen im Hinblick auf ihre Verzinslichkeit gemäß § 7 c EStG nicht abzugsfähig sind.
Da die Vorentscheidungen mit diesen Grundsätzen nicht übereinstimmen, waren sie ebenso wie die Einspruchsentscheidungen aufzuheben.
III. - Die Sache ist zur Entscheidung reif. Unter Berücksichtigung der Ausführungen zu II. sind die von der AG. gezahlten Provisionen beim Stpfl. als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern, und zwar in dem Jahr, in dem sie mit der tatsächlichen Zahlung als zugeflossen anzusehen sind. Insoweit sind
im Jahre 1952 ---------- 2.500 DM, im Jahre 1953 ---------- 4.940 DM und im Jahre 1954 ---------- 4.800 DM zur Versteuerung heranzuziehen, während die am 28. Januar 1955 gezahlten 2.400 DM im Veranlagungszeitraum 1954 außer Ansatz bleiben.
Bei der Gewinnermittlung sind die an die AG gegebenen Darlehen in vollem Umfang als nichtabzugsfähig zu behandeln.
Die Eheleute Y. und Herr Z. waren nach dem Akteninhalt Arbeitnehmer des Stpfl. Nach Auffassung des Senats stellen die im Jahre 1954 an diese gezahlten "Provisionen" in Höhe von insgesamt 4.800 DM Arbeitslohn dar, der beim Stpfl. als Betriebsausgabe abzugsfähig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 410754 |
BStBl III 1963, 258 |
BFHE 1963, 707 |
BFHE 76, 707 |