Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Betriebsprüfung
Leitsatz (amtlich)
1) Ist nur die ein Erzwingungsgeld androhende Verfügung angefochten worden, dann kann die nichtangefochtene, das Erzwingungsgeld festsetzende Verfügung nicht in das Rechtsmittelverfahren einbezogen und demgemäß auch nicht aufgehoben werden.
2) Eine zu Recht ergangene, ein Erzwingungsgeld androhende Verfügung ist nicht deshalb aufzuheben, weil nach ihrem Erlaß der Betroffene das erfüllt hat, was mit der Androhung erreicht werden sollte.
Normenkette
AO § 202
Tatbestand
Der Bg., der vom Finanzamt durch übersendung eines Vordrucks aufgefordert worden war, die Vermögensaufstellung zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs auf den 1. Januar 1960 bis zum 30. Juni 1960 abzugeben, hatte mit der Abgabe einen Steuerbevollmächtigten beauftragt. Dieser hat die allgemein eingeräumte Fristverlängerung bis zum 31. Oktober 1960 nicht eingehalten und mehrmals weitere Verlängerung der Frist beantragt. Abweichend vom letzten Verlängerungsantrag vom 29. Dezember 1960 verlängerte das Finanzamt die Frist nur bis zum 20. Januar 1961. Einen Antrag vom 27. Januar 1961, die Frist bis Ende Februar 1961 zu verlängern, lehnte es ab.
Da die Vermögensaufstellung nicht abgegeben wurde, drohte das Finanzamt durch Verfügung vom 4. Juli 1961, dem Bg. zugestellt am 6. Juli 1961, ein Erzwingungsgeld in Höhe von 20 DM an, wenn die Vermögensaufstellung nunmehr nicht innerhalb von zwei Wochen abgegeben werde.
Mit Schreiben vom 28. Juli 1961, beim Finanzamt eingegangen am 1. August 1961, legte der Bevollmächtigte des Bg. gegen die Androhungsverfügung Beschwerde ein.
Mit Verfügung vom 24. Juli 1961, dem Bg. zugestellt am 1. August 1961, setzte das Finanzamt das angedrohte Erzwingungsgeld von 20 DM fest.
Mit Schreiben vom 3. August 1961 teilte es dem Bevollmächtigten des Bg. auf seine Beschwerde vom 28. Juli 1961 mit, die Beschwerde sei zu allgemein gehalten, sie möge bis zum 15. August 1961 ausführlich begründet werden. Das Schreiben wurde nicht beantwortet.
Die Vermögensaufstellung ist am 24. August 1961 beim Finanzamt eingegangen.
Das Erzwingungsgeld von 20 DM ist am 15. September 1961 durch Zahlung an den Vollziehungsbeamten beigetrieben worden.
Das Landesfinanzamt wies die Beschwerde gegen die Androhungsverfügung durch Beschwerdeentscheidung vom 6. November 1961 als unbegründet zurück.
Auf die Berufung hob das Verwaltungsgericht Berlin, dessen Entscheidung teilweise in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1963 S. 175 Nr. 213 abgedruckt ist, die Androhungsverfügung vom 4. Juli 1961 und die Festsetzungsverfügung vom 24. Juli 1961 mit Wirkung vom 24. August 1961 und die Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzamts auf und ließ die Rb. zu. Es führt aus, die angefochtenen Entscheidungen und die Festsetzung des Erzwingungsgeldes hätten aufgehoben werden müssen, weil das Erzwingungsgeldverfahren nach Eingang der Steuererklärung nicht mehr hätte fortgesetzt werden dürfen. Dann legt es im einzelnen dar, daß und warum nach seiner Auffassung ein Erzwingungsgeldverfahren nach Befolgung des Finanzbefehls nicht mehr fortgesetzt werden dürfe und warum es dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 123/55 U vom 12. Juni 1957 (BStBl 1957 III S. 268) nicht zu folgen vermöge, und führt anschließend im wesentlichen folgendes aus: Die Beschwerdeentscheidung, die abweichend hiervon davon ausgehe, daß das Zwangsmittelverfahren nicht durch "Erfüllung" beendet worden sei, sei demnach aufzuheben gewesen. Obwohl nach den Vorentscheidungen Gegenstand des Verfahrens nur die Androhung der Festsetzung des Erzwingungsgeldes bilde, erschiene es der Kammer mindestens aus verfahrensökonomischen Gründen geboten, auch die Festsetzung selbst mit aufzuheben, weil diese Aufhebung die einzige rechtlich mögliche Konsequenz der von ihr getroffenen Entscheidung sei; die Festsetzung könne ohne die vorangegangene Androhung nach § 202 Abs. 9 AO nicht fortbestehen. Auf die von den Beteiligten erörterte Frage, ob die Androhung zu Recht ergangen war, käme es danach nur noch insoweit an, als davon der Zeitpunkt der Aufhebung abhinge. Es möge "angemerkt werden, daß die Kammer die Androhung aus den Gründen der Beschwerdeentscheidung für gerechtfertigt (ermessensfehlerfrei) hält; sie hätte die angefochtenen Entscheidungen sonst ohne die mehr der Klarstellung dienende zeitliche Einschränkung aufgehoben".
Hiergegen richtet sich die Rb. des Landesfinanzamts, zu deren Begründung im wesentlichen folgendes vorgetragen wird: Die Aufhebung der Festsetzungsverfügung vom 24. Juli 1961 sei unzulässig. Nicht die Festsetzung, sondern die Androhung des Erzwingungsgeldes sei Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen. Außerdem habe der Bg. gegen die Festsetzung keine Rechtsmittel eingelegt, diese sei also rechtskräftig. Hinzu komme, daß mangels einer Beschwerdeeinlegung gegen die Festsetzung auch keine Beschwerdeentscheidung getroffen worden sei, die aber Voraussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei. Auch die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung sei rechtlich nicht begründet. Da die in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Juni 1957 vertretene Auffassung in vollem Umfang geteilt werde, vermöchten die Ausführungen des Verwaltungsgerichts das Landesfinanzamt nicht zu überzeugen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist, da das Verwaltungsgericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, zulässig, sie ist auch begründet.
Der Bg. hat unbestritten nur gegen die Androhungsverfügung Beschwerde eingelegt und nicht auch gegen die Festsetzungsverfügung. Letztere ist daher unanfechtbar geworden und daher vom Landesfinanzamt auch zu Recht nicht zum Gegenstand seiner Beschwerdeentscheidung gemacht worden. Bei dieser Sachlage war es dem Verwaltungsgericht schon aus prozeßrechtlichen Gründen verwehrt und demzufolge auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie möglich, die Festsetzungsverfügung in das Berufungsverfahren einzubeziehen und sie aufzuheben. Etwas anderes kann auch nicht aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs entnommen werden, wonach in einem Rechtsmittelverfahren über Erzwingungsgeld - Festsetzungs - Verfügungen auch zu prüfen ist, ob die den Festsetzungen vorangegangenen - nicht angefochtenen - Anordnungen und Androhungen rechtliche Mängel enthalten. Denn die Feststellung solcher Mängel entzieht der Festsetzungsverfügung die rechtliche Grundlage, führt aber nicht zur Aufhebung der nichtangefochtenen Androhungsverfügung, sondern nur zur Aufhebung der im Streit befindlichen Festsetzungsverfügung (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs II 183/53 U vom 24. Februar 1955, BStBl 1955 III S. 120, Slg. Bd. 60 S. 314). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war daher insoweit aufzuheben.
Gegenstand des Streits war und ist also lediglich die Androhungsverfügung, und zwar die Frage, ob das Finanzamt sie zu Recht erlassen hat oder nicht. Ist diese Frage zu bejahen, dann ist die Androhungsverfügung nicht deshalb aufzuheben, weil der Bg. nach ihrem Erlaß die geforderte Vermögensaufstellung abgegeben hat. Denn eine Androhungsverfügung, die zu Recht ergangen ist, verliert - jedenfalls auf dem Gebiet des Steuerrechts - ihre Rechtmäßigkeit in einem späteren Zeitpunkt nicht dadurch, daß der Steuerpflichtige nach ihrem Erlaß in diesem Zeitpunkt das, was mit der Androhung erreicht werden sollte, erfüllt hat. Auch besteht auf dem Gebiet des Steuerrechts keine Vorschrift, die die Aufhebung eines Verwaltungsakts vorschreibt, wenn er durch Befolgung erfüllt ist. So ist auch zum Beispiel ein zu Recht erlassener Steuerbescheid nicht deshalb aufzuheben, weil die festgesetzte und angefochtene Steuer gezahlt worden ist.
Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts darüber, daß und warum nach seiner Auffassung die Fortsetzung des Erzwingungsgeldverfahrens nach Eingang der Steuererklärung unzulässig sei, und warum es dem oben erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Juni 1957 nicht zu folgen vermöge, liegen daher neben der Sache, da es für die den Gegenstand dieses Verfahrens bildende Frage hierauf überhaupt nicht ankam. Wollte der Bg. diese angebliche Unzulässigkeit geltend machen, so stand ihm im Streitfall gegen die Beitreibung des Erzwingungsgeldes, die allein erst nach Abgabe der Vermögensaufstellung durchgeführt wurde, das Rechtsmittel der Beschwerde zu, von dem er jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.
Das Verwaltungsgericht hat ausgesprochen, daß es die Androhungsverfügung für gerechtfertigt (ermessensfehlerfrei) hält. Dieser seiner Auffassung ist aus den von ihm angegebenen Gründen zuzustimmen. Das Landesfinanzamt hat sonach die Beschwerde gegen die Androhungsverfügung zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.
Da die Vorinstanz nach allem auch die Androhungsverfügung und die Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzamts zu Unrecht aufgehoben hat, war seine Entscheidung auch insoweit und damit im ganzen aufzuheben und in der spruchreifen Sache die Berufung des Bg. gegen die Beschwerdeentscheidung des Landesfinanzamts Berlin als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411210 |
BStBl III 1964, 317 |
BFHE 1964, 237 |
BFHE 79, 237 |