Leitsatz (amtlich)
Die Errichtung und Instandhaltung von Straßenbeleuchtungsanlagen durch eine politische Gemeinde unterliegt nicht der Umsatzbesteuerung als Eigenverbrauch, wenn solche Leistungen nicht auch an andere Abnehmer erbracht werden.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin - eine Stadtgemeinde - versorgt die Bevölkerung und auch sich selbst durch ihre in Eigenregie betriebenen Stadtwerke mit Wasser, Gas und elektrischem Strom. Der in ihrer besonderen Abteilung "Straßenbeleuchtung" anfallende personelle und sächliche Aufwand (Unterhaltung, Verbesserung, Ausbau und Erweiterung der Anlagen) wird in einem gesonderten Unterabschnitt des ordentlichen und des außerordentlichen Haushalts der Klägerin ausgewiesen. Das FA nahm an, daß die Klägerin durch die Errichtung und die Instandhaltung von Straßenbeleuchtungsanlagen den Tatbestand des Eigenverbrauchs (§ 1 Nr. 2 UStG 1951) verwirklicht habe, und setzte im Umsatzsteuerberichtigungsbescheid für 1961 insoweit Umsatzsteuer fest.
Das FG hat die Klage abgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt:
Straßenbeleuchtungsanlagen seien nach dem BFH-Urteil vom 13. Februar 1964 V 99/63 U (BFHE 78, 454, BStBl III 1964, 174) demjenigen Betriebsteil einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuzurechnen, zu dem auch die Versorgungsbetriebe gehören. Die Entnahme dieser Anlagen zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben stelle Eigenverbrauch dar. Zwar bestünden zwischen dem dem BFH-Urteil V 99/63 U zugrunde liegenden und dem vorliegenden Sachverhalt gewisse Unterschiede. Darauf komme es aber nicht an. Entscheidend sei, daß Anlage und Durchführung der Straßenbeleuchtung nach der Art der hierbei erforderlichen Tätigkeit derjenigen der Versorgungsbetriebe der Klägerin artverwandt sei; zu deren Aufgaben gehöre auch der für die Versorgung erforderliche Leitungsbau. Es sei nicht erforderlich, daß die der Straßenbeleuchtung dienende Tätigkeit vom Versorgungsbetrieb selbst ausgeübt werde. Es genüge die Gleichartigkeit der Tätigkeit. Daß es sich bei der Erweiterung und Unterhaltung der Straßenbeleuchtungsanlagen um eine nicht zum Bereich der Stadtwerke gehörende, wesensfremde Aufgabe handle, könne nicht anerkannt werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt dazu im wesentlichen vor:
Eigenverbrauch nach § 1 Nr. 2 UStG 1951 könne bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nur angenommen werden, wenn diese aus einem ihrer Betriebe gewerblicher Art oder sonstigen wirtschaftlichen Unternehmen Gegenstände zur Verwendung für hoheitliche Zwecke tatsächlich entnehme und im Gesamtbereich ihrer wirtschaftlichen Unternehmen oder Betriebe gewerblicher Art gleichartige Gegenstände auch an Dritte liefere (Urteil des RFH vom 18. Dezember 1931 V A 506/30, RStBl 1933, 272). Beide Voraussetzungen seien im vorliegenden Falle nicht erfüllt.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer 1961 auf ...DM festzusetzen, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Gemäß § 1 Nr. 2 UStG 1951 unterliegt auch der Eigenverbrauch eines Unternehmers der Umsatzsteuer. Eigenverbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmer im Inland Gegenstände aus seinem Unternehmen für Zwecke entnimmt, die außerhalb des Unternehmens liegen.
Politische Gemeinden (als Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts) sind insoweit nicht gewerblich oder beruflich tätig, als sie öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStDB 1951). Sie sind indes insoweit Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts, als sie sich daneben - außerhalb der Ausübung öffentlicher Gewalt - nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen bestätigen. Daher wird bei Körperschaften des öffentlichen Rechts der Steuertatbestand des Eigenverbrauchs dann verwirklicht, wenn sie Gegenstände aus dem Bereich ihrer gewerblichen Tätigkeit zum Gebrauch oder Verbrauch im nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Bereich entnehmen oder im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit Leistungen an ihren nichtunternehmerischen Bereich erbringen, die, wenn sie gegenüber anderen Leistungsempfängern erbracht würden, als Lieferungen bzw. Werklieferungen zu beurteilen wären. Die Steuerbarkeit jeglicher Lieferungen setzt u. a. auch voraus, daß sie im Rahmen des Unternehmens erbracht werden (§ 1 Nr. 1 UStG 1951). Damit ist notwendigerweise vorgegeben, daß der Gegenstand der Lieferung dem unternehmerischen Bereich zugehören oder zuzurechnen sein muß. Da dieser Bereich maßgeblich vom Umfang und von der Art der nachhaltig auf die Erzielung von Einnahmen gerichteten Tätigkeit bestimmt wird, muß der Gegenstand einer steuerbaren Lieferung unmittelbar oder mittelbar zur Ausführung der den unternehmerischen Bereich der Körperschaft des öffentlichen Rechts kennzeichnenden Umsätze bestimmt oder geeignet sein. Ist dies für einen Gegenstand zu bejahen, so erfüllt seine Herauslösung aus diesem unternehmerischen Bereich (die "Entnahme") die Voraussetzungen des Eigenverbrauchs.
Dem FG ist danach darin zuzustimmen, daß für die Zuordnung eines Gegenstandes oder einer Tätigkeit zum unternehmerischen Bereich einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bzw. zu deren hoheitlichem Bereich nicht die organisatorische Einordnung, sondern allein die sachliche Zuordnung maßgebend ist (BFH-Urteil V 99/63 U).
Entgegen der Auffassung des FG kann jedoch die Errichtung und Instandhaltung der Straßenbeleuchtungsanlagen durch die Klägerin nicht dem unternehmerischen Bereich ihrer Stadtwerke zugerechnet werden. Diese Betätigung der Klägerin ist vielmehr ihrer nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Sphäre zuzuordnen, da es sich nach den dargestellten Abgrenzungsmerkmalen bei den Straßenbeleuchtungsanlagen der Klägerin um Gegenstände handelt, die nicht zur Bewirkung von Umsätzen an andere eingesetzt werden. Auch stellt die Klägerin weder Gegenstände dieser Art her noch erwirbt sie solche von anderen zum Zwecke der Veräußerung. Die Klägerin beschränkt sich darauf, mit der Errichtung und Unterhaltung der Straßenbeleuchtungsanlagen den ihr als Gebietskörperschaft obliegenden Pflichten zu genügen. Diese Tätigkeit fällt aber nicht in der Bereich der allgemeinen Energieversorgung (die auch von privat- und gemischtwirtschaftlichen Unternehmen betrieben werden kann), sondern in den hoheitlichen Bereich der Daseinsvorsorge.
Die Klägerin errichtet zwar nach den Feststellungen des FG im Versorgungsbereich die für die Versorgung der Abnehmer mit Strom erforderlichen Leitungen. Dies kann jedoch ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Denn eine lediglich technische Artverwandtschaft zwischen der Errichtung und Unterhaltung des Leitungsnetzes und der Errichtung und Unterhaltung von Straßenbeleuchtungsanlagen zwingt nicht dazu, auch diese Tätigkeit der unternehmerischen Sphäre zuzurechnen. Das im Verfügungsbereich der Stadtwerke verbleibende Leitungsnetz dient unmittelbar dem unternehmerischen Zweck, die Abnehmer gegen Entgelt mit dem Liefergegenstand Strom zu versorgen.
Dem Urteil V 99/63 U lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hatte die Stadtgemeinde mittels ihrer Städtischen Werke energieverbrauchende Geräte auch an dritte Personen geliefert. Soweit sich jedoch aus dieser Entscheidung - bezogen auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt - etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat daran nicht mehr fest.
Fundstellen
Haufe-Index 71504 |
BStBl II 1975, 751 |
BFHE 1976, 298 |