Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Zuleitung eines Elektrizitätsunternehmens, die durch eine Gemeinde geführt wird, begründet keine Betriebstätte in dieser Gemeinde, wenn nicht aus der Zuleitung innerhalb des Gemeindebezirks Strom in die Gemeinde abgegeben wird.
Normenkette
StAnpG § 16 Abs. 4; GewStG § 30
Tatbestand
Streitig ist, ob die ... AG, ein Elektrizitätsunternehmen (im folgenden AG genannt), in der Gemeinde K (Bfin.) eine mehrgemeindliche Betriebstätte (§ 30 GewStG) unterhält.
über das Gebiet der Bfin. führen eine der AG gehörende Stromleitung sowie weitere Hochspannungsleitungen, die von der AG erstellt und in den Jahren 1951 und 1955 an die X GmbH (im folgenden GmbH genannt) verkauft wurden. Aus der Leitung der AG wird kein Strom im Bereich der Bfin. abgegeben. Dagegen versorgt sich die GmbH, deren mehrgemeindliche Betriebstätte sich auch auf die Bfin. erstreckt, teilweise mit dem Strom der AG, der ihr von dem Kraftwerk Y, das außerhalb des Bezirks der Bfin. liegt, mittels der betriebseigenen Leitungen zugeführt wird.
Die Bfin., die an der Zerlegung der Gewerbesteuermeßbeträge, die für die AG für 1959 und 1960 festgesetzt wurden, nicht beteiligt worden war, legte gegen die Zerlegungsbescheide erfolglos Beschwerde ein. Die Oberfinanzdirektion führte aus, eine Betriebstätte könnte nur angenommen werden, wenn die Elektrizität mittels einer eigenen Zuleitung der AG in das Gebiet der Bfin. abgegeben worden wäre. Dies treffe hier nicht zu.
Mit der weiteren Beschwerde macht die Bfin. hauptsächlich geltend: Entscheidend sei, daß die AG durch ihre Hochspannungsleitung Betriebsanlagen im Bezirk der Bfin. unterhalte und daß die AG Strom in ihren Bezirk liefere und daraus einen Teil ihres Gewinns erziele. Es komme nicht darauf an, daß die AG den Strom nicht unmittelbar aus dem Teilstück ihrer Leitung abgebe, das sich in dem Gemeindebezirk befindet. Daß die Verbindung der Leitungen der GmbH mit derjenigen der AG aus technischen oder praktischen Gründen wenige Meter außerhalb ihrer Gemeindegrenzen hergestellt werde, könne nicht von Bedeutung sein.
Entscheidungsgründe
Die weitere Beschwerde der Bfin. ist nicht begründet. Eine Zerlegung nach § 30 GewStG setzt voraus, daß eine Betriebstätte vorliegt, die sich auf mehrere Gemeinden erstreckt. Im Streitfall kommt es mithin darauf an, ob eine Betriebstätte der AG in das Gebiet der Bfin. hineinreicht. Daher dürfen lediglich die Hochspannungsleitungen, die über den Gemeindebezirk der Bfin. führen, unter dem Gesichtspunkt der Betriebstätte geprüft werden. Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 16 StAnpG, die sich - wie etwa das Kraftwerk Y - außerhalb des Gebiets der Bfin. befinden, müssen bei der Beurteilung ausscheiden, auch wenn sie in den Raum der Bfin. Strom abgeben. Es spielt daher auch keine Rolle, ob im Rahmen des Verbundsystems, dem die AG angeschlossen ist, bei besonderem Bedarf der GmbH Strom über die Leitung der AG geführt und sodann von einer Anlage außerhalb des Bezirks der Bfin. der GmbH zugeleitet wird. Daß es mehr oder weniger vom Zufall abhängen kann, wo sich die nach dem Gesetz maßgebende örtliche Anlage oder Einrichtung befindet, und daß insoweit der Zufall für die gewerbesteuerliche Beurteilung maßgebend sein kann, ändert an der Rechtslage nichts, sondern ist die Folge seiner Abgrenzung nach örtlichen Merkmalen.
Betriebstätte im Sinne des § 30 GewStG in Verbindung mit § 16 StAnpG ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient. Dieser weite Betriebstättenbegriff wird für Elektrizitätsunternehmen durch § 16 Abs. 4 StAnpG dahin eingeschränkt, daß sie keine Betriebstätte in den Gemeinden haben, durch die nur eine Zuleitung geführt, in denen aber Elektrizität nicht abgegeben wird. Ob dies bedeutet, daß eine Zuleitung nur dann als Betriebstätte anzusehen ist, wenn die Elektrizität aus dieser Zuleitung abgegeben wird, ist dem Wortlaut des § 16 Abs. 4 StAnpG nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Daß diese Voraussetzung vorliegen muß, ergibt sich indessen aus dem Sinn dieser Vorschrift. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Betriebstätte ist die örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient. Ist sie in einer Gemeinde gegeben, so kann im Regelfall davon ausgegangen werden, daß von ihr aus eine gewerbliche Tätigkeit in dieser Gemeinde tatsächlich entfaltet wird, d. h. daß der Gewerbebetrieb in dieser Gemeinde "umgeht". Bei den in § 16 Abs. 4 StAnpG genannten Unternehmen kann dies jedoch nicht ohne weiteres unterstellt werden. Hier muß die Entfaltung der gewerblichen Tätigkeit in einer bestimmten Gemeinde zusätzlich dadurch zum Ausdruck kommen, daß Strom in diese Gemeinde abgegeben wird (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 4 StAnpG die Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts VIII G. St. 133/28 vom 8. April 1930, Reichs- und Preußisches Verwaltungsblatt 1930 S. 598, und VIII G. St. 516/29 vom 1. Juli 1930, Reichs- und Preußisches Verwaltungsblatt 1931 S. 75). Da aber die Betriebstätte auch in diesem Fall die feste örtliche Anlage oder Einrichtung (Zuleitung) darstellt, muß die Abgabe von Strom notwendig von dieser Anlage ausgehen. Eine gewerbliche Tätigkeit, die ohne Verknüpfung mit der festen örtlichen Anlage oder Einrichtung in einer Gemeinde erbracht wird, begründet keine Betriebstätte.
Die Oberfinanzdirektion ist zutreffend von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Der abweichenden Auffassung der Bfin., wonach es nicht auf den Ort der Stromabgabe sondern des Stromverbrauchs ankomme, kann nicht gefolgt werden. Die im Streitfall vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse führen nicht zur Annahme einer Betriebstätte.
Aus der Zuleitung, die der AG gehört, wird unstreitig auf dem Gemeindegebiet der Bfin. Strom weder an die GmbH noch an andere Abnehmer in diesem Raume abgegeben. über die Leitungen der GmbH hat die AG keine Verfügungsmacht. Die Bfin. beruft sich u. a. darauf, daß die GmbH ihre Leitungen auf Grund einer Dienstbarkeit betreibe, die zugunsten der AG bestellt worden sei. Abgesehen davon, daß es für die Verfügungsmacht auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, ergibt sich in rechtlicher Hinsicht aus dem Vertrag über die Bestellung der persönlichen Dienstbarkeit zwischen der Bfin. und der AG vom 24. September 1930, daß die Ausübung der Dienstbarkeit auf einen Dritten übertragen werden kann (§ 5 des Vertrags). Wie die AG glaubhaft vorträgt, ist diese übertragung an die GmbH vorgenommen worden. Auch daraus, daß die GmbH die Beaufsichtigung der ihr gehörenden Leitungen der AG übertragen hat, läßt sich deren Verfügungsmacht nicht herleiten. Die AG hat hierzu glaubhaft vorgetragen, sie habe mit der GmbH vereinbart, daß ihr Betriebsmeister die Leitungskontrolle über die Anlagen der GmbH für diese durchführe, weil die GmbH für eine Tätigkeit dieser Art, die sich in wenigen Stunden abwickle, keine eigene Fachkraft habe einstellen wollen. Hierfür erhalte sie im Jahr 1.000 DM. Weder hafte sie für den Leitungsbestand noch behebe sie etwa festgestellte Mängel. Durch derartige vertragliche Beziehungen zwischen der AG und GmbH wird keine Verfügungsmacht der AG über die Leitungen der GmbH begründet. Die Ausübung einer Verfügungsmacht könne schließlich auch nicht darin erblickt werden, wenn die AG den an die GmbH fließenden Strom über die Leitungen der GmbH transportierte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Lieferungsvorgang der AG schon am Ort der Einspeisung des Stroms in die eigenen Leitungen der GmbH abgeschlossen ist oder ob der Strom vom Verbraucher erst später abgenommen wird. Durch die Benutzung der Leitungen der GmbH durch die AG würde eine Verfügungsmacht über diese ebensowenig begründet wie in anderen Fällen, in denen sich ein Schuldner zur Beförderung der Ware fremder Transportmittel (z. B. der Bahn) bedient. Eine fremde Leitung kann zwar geeignet sein, den für eine mehrgemeindliche Betriebstätte nötigen örtlichen Zusammenhang herzustellen, wenn sie getrennt liegende Betriebsanlagen miteinander verbindet. Um eine solche Verbindung handelt es sich aber im Streitfall nicht.
Auch nach dem der Gewerbesteuer zugrunde liegenden Gedanken eines angemessenen Lastenausgleichs zwischen den Gemeinden besteht im Streitfall keine Veranlassung, die Bfin. am Gewerbesteuermeßbetrag der AG zu beteiligen. Soweit sie durch die Zuleitung der AG "belastet" wird, steht sie nicht anders als alle übrigen Gemeinden, durch die eine Zuleitung führt, ohne daß hieraus Strom abgegeben wird. Soweit andererseits Strom von der AG über die Leitungen der GmbH in den Gemeindebezirk der Bfin. geliefert wird, geschieht dies nicht von einer festen örtlichen Anlage und Einrichtung der AG aus, durch die die Bfin. belastet sein könnte. Lasten, die der Bfin. durch die Zuleitungen der GmbH und durch deren gewerbliche Betätigung entstehen, werden dadurch ausgeglichen, daß die Bfin. am Gewerbesteuermeßbetrag der GmbH gemäß § 30 GewStG beteiligt ist. Die Tatsache allein, daß Strom der AG in den Bereich der Bfin. gelangt, gibt zur Beteiligung am Gewerbesteueraufkommen keinen Anlaß. Dieser Sachverhalt unterscheidet sich nicht von anderen Fällen, in denen Waren eines auswärtigen Unternehmens in einer Gemeinde verkauft und verbraucht werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412144 |
BStBl III 1966, 567 |
BFHE 1966, 342 |
BFHE 86, 342 |