Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Finanzamt den Einspruch zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, ohne die nachgereichte Einkommensteuererklärung zu prüfen, so kann das Finanzgericht die Einspruchsentscheidung aufheben und die Sache an das Finanzamt zur sachlichen Entscheidung über den Einspruch zurückverweisen; die Einspruchsentscheidung kann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein.
2. Zur Beweiskraft des Eingangsstempels des Finanzamts.
Normenkette
ZPO § 418; FGO § 100 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (FA) die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) mehrfach erfolglos zur Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1970 aufgefordert hatte, ermittelte das FA die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege; es setzte den Gewinn aus Gewerbebetrieb des Ehemannes als Friseurmeister mit 40 000 DM an, die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau mit 5 000 DM. Gegen den am 1. Februar 1973 zur Post gegebenen Einkommensteuerbescheid ließen die Kläger durch ihren damaligen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 3. März 1973 Einspruch einlegen. Zur Begründung des Einspruchs reichten sie die Einkommensteuererklärung nebst Unterlagen über die Gewinnermittlung und eine Lohnbescheinigung der Ehefrau ein. Danach betragen der Gewinn aus Gewerbebetrieb 21 558 DM, die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit der Ehefrau 8 195 DM.
Das Einspruchsschreiben hat den Eingangsstempel des FA vom 6. März 1973. Ausweislich der Einspruchsentscheidung vom 23. November 1973 trugen die Kläger im Einspruchsverfahren vor, der Eingangsstempel des FA sei unrichtig. Ihr damaliger Bevollmächtigter habe den Brief eigenhändig am 5. März 1973 in den Hausbriefkasten des FA eingeworfen. Hierzu beriefen sie sich auf das Zeugnis der Ehefrau des Bevollmächtigten, die beim Einwurf des Briefes in den Hausbriefkasten zugegen gewesen sei. - Das FA wies den Einspruch als unzulässig ab. Es führte aus, der Eingangsstempel sei eine öffentliche Urkunde i. S. des § 418 ZPO. Diese erbringe den Beweis darüber, daß das Schreiben am 6. März 1973 eingegangen sei. Der nach § 418 Abs. 2 ZPO an sich mögliche Gegenbeweis könne nicht durch eine Zeugenaussage der Ehefrau des Bevollmächtigten erbracht werden. Da diese selbst mit der Sache befaßt gewesen sei und darüber hinaus objektiv ein Interesse daran habe, ihren Ehemann vor Weiterungen zu schützen, könnten ihre Bekundungen nur als Parteiaussage gewertet werden. Es komme deshalb nicht darauf an, was ihre Vernehmung ergeben würde. Im übrigen sei auch zweifelhaft, ob die Vernehmung tatsächlich zu dem geforderten Ergebnis, nämlich dem Ausschluß der Richtigkeit des amtlichen Eingangsstempels, führen würde.
Die Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids sowie der Einspruchsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FA. Das FG führte aus, das FA habe den Einspruch zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Der im Eingangsstempel des FA ausgewiesene Eingangstag vom 6. März 1973 könne nicht richtig sein. Dies ergebe sich aus den Bekundungen der Zeugin, die vor dem Senat vernommen worden sei, dem vorgelegten Fristenzettel und der Durchschrift des Einspruchsschreibens, auf dem sich der handschriftliche Vermerk "Hauspostkasten 5. März 1973" befinde. Der Festsetzung eines anderen Steuerbetrages gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO bedürfe es nicht. Der Senat könne sich vielmehr auf die Kassation des Einkommensteuerbescheids sowie der Einspruchsentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das FA gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO beschränken, weil das FA die eingereichte Einkommensteuererklärung für 1970 noch nicht geprüft habe (Hinweis auf Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 100 FGO Anm. 7).
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das Verletzung der §§ 418 Abs. 2 ZPO, 100 Abs. 2 Satz 2 FGO rügt. Das FA macht geltend, zu Unrecht habe das FG den Gegenbeweis gemäß § 418 Abs. 2 ZPO aufgrund der Aussage der Zeugin als erbracht angesehen. Da die Zeugin an den entscheidenden Handlungen unmittelbar beteiligt gewesen sei, habe sie ein eigenes Interesse daran, die Fristversäumnis zu leugnen. Sie sei von ihrem Ehemann in einer Weise abhängig und beeinflußt, daß erhebliche Bedenken gegen ihre Objektivität bestünden. Dies müsse genügen, um ihre Aussage nicht als beweiskräftig anzusehen. Bedeutungslos sei demgegenüber der persönliche Eindruck, den die Zeugin auf das Gericht gemacht habe. Im übrigen ergebe sich aus der Vernehmungsniederschrift auch nur, daß die Zeugin im fraglichen Zeitpunkt in der Nähe des Briefkastens gewesen sei und ihren Ehemann dort habe hantieren sehen. Das lasse die Möglichkeit offen, daß ihr Ehemann dort andere Schriftstücke abgeworfen habe. Ferner habe das FG nicht den Fristenzettel und das Einspruchsschreiben zum Beweis heranziehen dürfen, da die dort gefertigten Angaben beliebig manipulierbar seien. Zu rügen sei schließlich, daß das FG sich darauf beschränkt habe, den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben. Selbst wenn dem FA ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, so sei die weitere Voraussetzung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO, erhebliche Kosten- und Zeitaufwand erfordernde weitere Aufklärungsarbeit, zu verneinen. Einer Steuerfestsetzung durch das FG habe nichts im Wege gestanden, da die - beim FA befindlichen - Bilanzakten in der üblichen Form die notwendigen Erläuterungen zu den gewerblichen Einkünften enthielten und sich die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einer Lohnbescheinigung ergäben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das Ergebnis der Einspruchsentscheidung wiederherzustellen, und hilfsweise, die Sache an das FG mit der Aufforderung, die begehrte Steuer festzusetzen, zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Zutreffend hat das FG zunächst geprüft, ob der Einspruch rechtzeitig eingelegt worden ist. Wäre nämlich der Einspruch verspätet beim FA eingegangen, so wäre der angefochtene Steuerbescheid bestandskräftig geworden. Eine Aufhebung gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO wäre dann - unbeschadet der weiteren Voraussetzungen - nicht möglich gewesen.
Die Einspruchsfrist endete gemäß § 236 AO, § 17 Abs. 2 VwZG, § 82 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB am 5. März 1973. Die Annahme des FG, daß das Einspruchsschreiben an diesem Tage beim FA eingegangen sei, ist nicht zu beanstanden.
1. Es kann dahinstehen, ob § 418 ZPO für den Eingangsstempel des FA sinngemäß gilt (dafür Urteil des BFH vom 17. Oktober 1972 VIII R 36-37/69, BFHE 108, 141, BStBl II 1973, 271), oder ob diese Vorschrift wegen ihrer Nichterwähnung in § 82 FGO im finanzgerichtlichen Verfahren auch nicht entsprechend anwendbar ist (so: BFH-Urteil vom 7. Mai 1969 I R 68/67, BFHE 95, 395, BStBl II 1969, 444; Tipke/Kruse, a. a. O., § 82 FGO Anm. 1; Ziemer/Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 81 Rdnr. 51). Selbst wenn der Eingangsstempel der FÄ regelmäßig den vollen Beweis über Zeit und Ort des Eingangs erbringen würde, müßte hier der dann entsprechend § 418 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis mit dem FG als erbracht angesehen werden. Zwar setzt der Gegenbeweis voraus, daß jede Möglichkeit für die Richtigkeit des Eingangsstempels ausgeschlossen ist (BFH-Urteil VIII R 36-37/69; Urteil des RG vom 5. Februar 1931 VI 364/30, RGZ 131, 284 [288]). Hiervon ist jedoch auch das FG ausgegangen. Mit der Feststellung, daß der ausgewiesene Eingangstag (6. März 1973) nicht zutreffen könne, schloß die Vorinstanz auch die Möglichkeit aus, daß der Eingangsstempel richtig sei.
2. Die Beweiswürdigung selbst liegt auf tatsächlichem Gebiet und ist durch den BFH nur beschränkt nachprüfbar (§ 118 Abs. 2 FGO). Der BFH kann nicht prüfen, ob das FG zu dem festgestellten Ergebnis kommen mußte, sondern nur, ob es zu dem Ergebnis kommen konnte (Tipke/Kruse, a. a. O., § 118 FGO Anm. 7, mit weiteren Nachweisen). Im Streitfall konnte das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze zu dem Ergebnis kommen, daß der Eingangsstempel nicht richtig sein könne. Die hiergegen erhobenen Revisionsrügen sind nicht begründet.
Zu Unrecht rügt das FA zunächst, daß sich aus der Vernehmungsschrift nicht die eindeutige Aussage ergebe, daß die Zeugin den Abwurf gerade des Einspruchsschreibens in den Briefkasten des FA beobachtet habe. In der Sitzungsniederschrift heißt es hierzu: "Das Einspruchsschreiben vom 3. März 1973 habe ich vom Diktaphon meines Mannes abgeschrieben. Am 5. März 1973 abends ist das Schreiben von meinem Mann in den Briefkasten des Finanzamts geworfen worden. Ich war zugegen, bin allerdings im Wagen sitzen geblieben. Wir waren in unmittelbarer Nähe des Eingangs des Finanzamts."
Schon diese Sätze lassen Zweifel der vom FA vorgetragenen Art kaum aufkommen. Erst recht sind sie nach den insoweit vom FG im Urteil getroffenen Feststellungen, auf die es gemäß § 118 Abs. 2 FGO ankommt, unbegründet. Das FG hat festgestellt, die Zeugin sei zugegen gewesen, als ihr Ehemann das Einspruchsschreiben eigenhändig in den Briefkasten geworfen habe. Dies kann nur so verstanden werden, daß die Zeugin bekundet habe, sie habe den Abwurf des Einspruchsschreibens beobachtet.
Es trifft auch nicht zu, daß die Aussage der Zeugin nicht als Zeugenbeweis gewertet werden durfte. Mit Recht haben die Kläger dem entgegengehalten, daß weder die Zeugin selbst noch ihr Ehemann als Partei am Rechtsstreit beteiligt sind oder waren, von einer Parteiaussage mithin keine Rede sein könne. Zuzugeben ist dem FA, daß die Aussage nicht isoliert betrachtet und jedes eigene Interesse der Zeugin am Ausgang des Rechtsstreits geleugnet werden durfte. Dies hat das FG aber auch nicht getan. Es hat das materielle Interesse der Zeugin allerdings im Hinblick auf die Haftpflichtversicherung ihres Ehemannes als nicht sehr hoch bewertet. Dies ist nicht zu beanstanden. Auch das mögliche Interesse an der Vertuschung eines eigenen Fehlers konnte das FG im Hinblick darauf, daß der Prozeßbevollmächtigte selbst die Fristen verantwortlich überwachte, gering bewerten. Das FG durfte ferner die vom Bevollmächtigten vorgelegte Fristenberechnung mit dem Vermerk, daß der Einspruch am 5. März 1973 durch Boten zu überbringen sei, und die Durchschrift des Einspruchsschreibens in die Beweiswürdigung einbeziehen. Die hiergegen vom FA erhobene, mit dem - unbelegten - Verdacht der Manipulation begründete Rüge ist nicht geeignet, die Beweiserheblichkeit der Schriftstücke in Frage zu stellen. Ihre Einbeziehung in die Beweiswürdigung steht auch nicht - wie das FA meint - im Widerspruch zu den Ausführungen im BFH-Urteil VIII R 36-37/69. Dort ist insoweit lediglich ausgeführt, daß die bloße, ohne Beweisantritt aufgestellte Behauptung, ein Schriftstück rechtzeitig in den Briefkasten des FA eingeworfen zu haben, die Beweiswirkung des Eingangsstempels nicht entkräften könne.
Schließlich ist es nicht zu beanstanden, daß sich das FG - nach allgemeiner Erörterung der Fehlermöglichkeiten in der Posteingangsstelle des FA - auf die Feststellung beschränkt hat, eine weitere Aufklärung sei nicht möglich, weil sich ein bediensteter wegen der Massenerledigung in der Regel nicht mehr an den konkreten Eingang erinnere. Das FA selbst bewertet die Chancen für die Aufklärung der Behandlung des hier streitigen Posteingangs offenbar nicht hoch. Es vertritt sogar die Auffassung, die Fehlermöglichkeiten im Bereich der Posteingangsstelle des FA seien überhaupt nicht zu untersuchen gewesen. Bei dieser Sachlage sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sich die Zeugin und der Bevollmächtigte an den konkreten Vorgang erinnerten, brauchte die Vorinstanz nicht in die Untersuchung der Erledigung des streitigen Posteingangs einzutreten. Selbst wenn aber die damals in dem Posteingang befaßten Bediensteten vernommen worden wären und diese bekundet hätten, daß der Eingang am 6. März 1973 abgestempelt worden sei, stünde damit nicht fest, daß das Einspruchsschreiben tatsächlich erst an diesem Tage in den Gewahrsam des FA gelangt wäre (vgl. Urteil des BVerwG vom 22. Mai 1969 VIII C 2/65, HFR 1970, 133). Es wäre eine Überbewertung des Eingangsstempels, wollte man gewisse, mit dem Massenbetrieb der Posteingangsstelle eines großen FA verbundene Fehlermöglichkeiten außer Betracht lassen (entsprechend BVerwG-Urteil VIII C 2/65).
II.
Auch der Hilfsantrag des FA ist nicht begründet.
1. Das FG hat die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Einspruchsentscheidung auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO gestützt. Diese Vorschrift setzt neben einem wesentlichen Verfahrensmangel voraus, daß weitere, einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit erfordernde Aufklärungsarbeit nötig ist. Die Vorinstanz hat dieses Erfordernis nicht durch konkrete Einzelumstände belegt, sondern zur Begründung lediglich ausgeführt, das FA habe die eingereichte Steuererklärung noch nicht geprüft. Es könnte in der Tat erwogen werden, ob sich die Zurückverweisung gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO rechtfertigen läßt, da aufgrund der nachgereichten Einkommensteuererklärung ein völlig neues Veranlagungsverfahren erforderlich wird, das nicht nur von den - mit den sachlichen und örtlichen Gegebenheiten des Steuerpflichtigen vertrauten - Veranlagungsbeamten des FA regelmäßig schneller und billiger erledigt werden kann als von dem mit fünf Richtern besetzten Senat des FG, sondern das auch nach dem System der geltenden Verfahrensvorschriften an sich nicht dem Gericht, sondern der Verwaltungsbehörde zugewiesen ist. Der Senat braucht diese Frage im Streitfall jedoch nicht zu prüfen. Dem Rechtsschutzbegehren der Kläger kann durch eine isolierte Aurhebung der Einspruchsentscheidung gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO Rechnung getragen werden.
a) Die Kläger sind dadurch beschwert, daß das FA den Einspruch zu Unrecht aus verlahrensrechtlichen Gründen abgewiesen hat und in die Prüfung der Steuererklärung nicht eingetreten ist. Diese Beschwer kann durch Aufhebung der Einspruchsentscheidung beseitigt werden, ohne daß es einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides bedarf; denn das FA wird die Einkommensteuererklärung im Rahmen des Einspruchsverfahrens zu prüfen haben.
Die isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung entspricht dem Rechtsschutzbegehren der Kläger. Ihr Klageantrag ging dahin, Bescheid und Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Veranlagung entsprechend der bei den Akten des FA befindlichen Einkommensteuererklärung "gutzuheißen". Bereits der Antrag läßt erkennen, daß die Kläger nicht die Abänderung des angefochtenen Bescheides durch das FG erstrebten. Im übrigen ist das Rechtsschutzbegehren nicht nach dem Wortlaut des Antrags, sondern nach dem wirklichen Willen der Kläger zu bestimmen (BFH-Beschluß vom 16. Dezember 1968 GrS 3/68, BFHE 94, 436, BStBl II 1969, 192). Dieser war aber, wie sich insbesondere aus der Einlassung der Kläger im Revisionsverfahren ergibt, lediglich auf Beseitigung der Hindernisse für eine Veranlagung durch das FA gerichtet. Hierzu bedarf es der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch das Gericht nicht.
b) Im Streitfall ist die isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung auch zulässig. Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist nach § 44 Abs. 2 FGO zwar grundsätzlich der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung im Vorverfahren gefunden hat. Der BFH hat aber in seinem Urteil vom 18. Oktober 1972 II R 110/69 (BFHE 107, 409, BStBl II 1973, 187) bereits anerkannt, daß es Fälle gibt, in denen der Steuerpflichtige ein berechtigtes Interesse daran haben kann, daß das FG durch Kassation einer verfahrensfehlerhaften Einspruchsentscheidung den Weg wieder freimacht für die im Einspruchsverfahren begehrte sachliche Nachprüfung durch das FA (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. September 1959 III 286/57 U, BFHE 69, 569, BStBl III 1959, 472, sowie Raupach, Deutsches Steuerrecht 1970 S. 170). Der BFH hat dies im Urteil II R 110/69 insbesondere damit begründet, daß es einem berechtigten Interesse des Steuerpflichtigen entspreche, nicht infolge eines Verfahrensfehlers des FA eine außergerichtliche Tatsacheninstanz zu verlieren. Aus diesem Grunde ist nach Auffassung des erkennenden Senats auch hier die Möglichkeit zu eröffnen, die ungerechtfertigte Versagung der Sachentscheidung zu Fall zu bringen. Im Streitfall ist sogar ein besonderes Interesse an erneutem Tätigwerden des FA anzuerkennen, weil das Veranlagungsverfahren insgesamt neu durchgeführt werden muß.
c) Da die Einspruchsentscheidung fehlerhaft ist, muß sie aufgehoben werden. Die Klage bleibt in vollem Umfang begründet, weil die Kläger ihr Prozeßziel, die Aufhebung der Einspruchsentscheidung, erreichen. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid bleibt bestehen; mit dieser Maßgabe ist die Vorentscheidung zu bestätigen.
Fundstellen
Haufe-Index 71962 |
BStBl II 1976, 680 |
BFHE 1977, 368 |