Entscheidungsstichwort (Thema)
§ 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003, nach der § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung unter bestimmten Voraussetzungen auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden ist, enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
Normenkette
UStG 1980 § 15a; UStG 1999 §§ 15a, 27 Abs. 8; EWGRL 388/77 Art. 20; StÄndG 2003
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, erwarb zum 2. Juni 1988 in der Berliner Innenstadt ein mit einem Haus (sog. Altbau) bebautes Grundstück. Die in dem Haus befindlichen Wohnungen und Gewerbeeinheiten vermietete die Klägerin teils steuerfrei und teils steuerpflichtig.
Die Klägerin plante, neben dem Altbau auf Baulücken des Grundstücks ein Parkhaus, ein Hotel Garni und später noch ein weiteres Hotel zu errichten. Zur Durchführung der drei Bauvorhaben sollten jeweils geschlossene Immobilienfonds in Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet werden, die die erforderlichen Grundstücksteile zu Bruchteilseigentum von der Klägerin erwerben und dann bebauen sollten. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ließ sich weder dem 1989 in Prospektform erstellten Beteiligungsangebot noch dazu zeitnah gefertigten Berechnungen des Gesellschafters der Klägerin entnehmen, ob die Klägerin plante, das jeweilige Bruchteilseigentum an die GbR unter Verzicht nach § 9 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen) zu veräußern.
Die Klägerin vergab Aufträge zur Vorbereitung und Durchführung der Bauplanung, für die ihr entsprechende Rechnungen erteilt wurden. Die Planungen wurden jedoch nicht realisiert. Stattdessen veräußerte die Klägerin das Grundstück im Jahr 1990 (Streitjahr) zum 6. Februar 1990 umsatzsteuerfrei.
In ihrer (am 30. Januar 1990 eingereichten) Umsatzsteuererklärung für 1988 erklärte die Klägerin Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung des Grundstücks. Nach der beigefügten Aufteilungsrechnung entfielen 62,67 v.H. der gesamten Vorsteuerbeträge auf die Grundstücksbereiche, für die die Klägerin eine Neubauplanung entwickelt hatte, der Rest von 37,33 v.H. auf den Altbau. Hinsichtlich der Vermietung dieses Altbaus machte die Klägerin geltend, soweit es die Gewerbeeinheiten betreffe, habe sie nach § 9 UStG auf die Umsatzsteuerbefreiung aus § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG verzichtet. Entsprechend legte sie ihrer Vorsteueraufteilung für die auf den Altbau entfallenden Vorsteuerbeträge aus den Anschaffungskosten ein Verhältnis zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Mieteinnahmen von 43,87 v.H. zu 56,13 v.H. zu Grunde. Gemäß diesen Ansätzen behandelte sie lediglich die nach ihrer Aufteilung auf die steuerfreie Vermietung des Altbaus entfallenden Vorsteuerbeträge als nicht abziehbar. Der auf die steuerpflichtige Vermietung des Altbaus entfallende Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Grundstücks betrug danach 15 612,09 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) folgte den Ansätzen der Klägerin mit zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid über die Umsatzsteuer für 1988 vom 12. Oktober 1990. Der Bescheid wurde danach nicht mehr geändert, sodass der Vorbehalt der Nachprüfung mit Ablauf der Festsetzungsfrist Ende 1994 entfiel.
Für 1990 erklärte die Klägerin steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze und machte Vorsteuerbeträge in Höhe von 134 210,10 DM geltend, die sowohl auf den Altbau als auch auf die Neubauplanungen entfielen. Ferner nahm die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1990 zu ihren Lasten eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG in Höhe von
13 010,08 DM vor.
Diesen Berichtigungsbetrag hatte die Klägerin allein unter Zugrundelegung des Vorsteuerabzugs von 15 612,09 DM ermittelt, den sie 1988 in Zusammenhang mit den Anschaffungskosten für den unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG vermieteten Teil des Altbaus in Anspruch genommen hatte. Unter Berücksichtigung des vom Erwerb des Grundstücks im Juni 1988 laufenden Berichtigungszeitraums von zehn Jahren gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG und der zum 6. Februar 1990 erfolgten steuerfreien Weiterveräußerung ergaben sich so die von der Klägerin erklärten 13 010,08 DM.
Das FA versagte im geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1990 vom 9. August 1996 den Vorsteuerabzug. Es bezog sich auf die Ergebnisse einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Danach scheitere der Abzug aus Planungsleistungen für die fehlgeschlagenen Projekte daran, dass das Grundstück insoweit erstmals 1990 durch die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Veräußerung verwendet worden sei. Hinsichtlich der auf den Altbau entfallenden Vorsteuerbeträge habe die Klägerin keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich eine nachvollziehbare wirtschaftliche Zurechnung der Eingangsleistungen zu den versteuerten Vermietungsumsätzen ermögliche.
Auf den Einspruch der Klägerin änderte das FA im Einspruchsbescheid vom 26. April 2001 den Umsatzsteuerbescheid für 1990 nach vorherigem Hinweis dahin gehend, dass es nunmehr einen Vorsteuerberichtigungsbetrag nach § 15a UStG zu Lasten der Klägerin in Höhe von 72 645,43 DM ansetzte. Zur Begründung führte das FA aus, im Hinblick auf die spätere steuerfreie Veräußerung des Grundstücks müsse auch derjenige Teil der von der Klägerin seinerzeit geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus der Anschaffung des Grundstücks berichtigt werden, der auf die Neubauplanungen entfallen sei.
Die Klage der Klägerin hatte teilweise Erfolg. Das FG berücksichtigte im Streitjahr 1990 abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 2 917,11 DM ―was im Revisionsverfahren nicht mehr streitig ist― sowie (entsprechend den Angaben der Klägerin in der Umsatzsteuererklärung für 1990) einen Vorsteuerberichtigungsbetrag nach § 15a UStG von (nur) 13 010,08 DM.
Hierzu führte das FG aus, die Berichtigung in Höhe des weiteren vom FA angesetzten Betrags in Höhe von 59 635,35 DM für den Teil der aus der Grundstücksanschaffung herrührenden Vorsteuern, den die Klägerin in Zusammenhang mit den von ihr behaupteten weiteren Planungen an dem Grundstück in Anspruch genommen habe, sei nach § 15a UStG in der für das Streitjahr 1990 geltenden Fassung rechtswidrig. Denn insoweit habe keine Änderung der für den Vorsteuerabzug im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung maßgebenden Verhältnisse vorgelegen. Vielmehr sei für 1988 über den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten, soweit sich die Vorsteuerbeträge auf die von der Klägerin beabsichtigten Neubauplanungen bezogen hätten, nicht aufgrund der insoweit erfolgten erstmaligen Verwendung, sondern aufgrund der Verwendungsabsicht zu entscheiden gewesen.
Hier sei bereits der im Zusammenhang mit der von der Klägerin behaupteten Verwendungsabsicht im Zuge der Neubauplanungen erklärte Vorsteuerabzug im Umsatzsteuerbescheid für 1988 nach § 15 UStG zu Unrecht berücksichtigt worden. Nachdem dieser Bescheid mit Ablauf der Festsetzungsfrist zum Jahresende 1994 bestandskräftig geworden sei, begründe der Wortlaut des § 15a Abs. 1 UStG keine Handhabe dafür, aufgrund der steuerfreien Grundstücksveräußerung Anfang 1990 die falsche Beurteilung für das Jahr 1988 im Wege einer Berichtigung für 1990 größtenteils zu korrigieren.
Zwar habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung zur Anwendbarkeit von § 15a UStG bei sog. Zwischenmietverhältnissen ausgeführt, eine Änderung der für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse i.S. des § 15a Abs. 1 UStG liege auch vor, wenn in einem Folgejahr die rechtliche Beurteilung der Verwendungsumsätze durch das FA im Erstjahr als unzutreffend erkannt worden, die Steuerfestsetzung des Abzugsjahres jedoch unabänderbar sei (Hinweis auf Urteile vom 13. November 1997 V R 140/93, BFHE 184, 130, BStBl II 1998, 36; vom 8. Januar 1998 V R 5, 6/97, BFH/NV 1998, 890). Diese über den Wortlaut des § 15a Abs. 1 UStG hinausgehende Rechtsprechung des BFH sei aber nur für die Fallgruppe der Zwischenmietverhältnisse anwendbar.
Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 1554 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des FG beschränke sich die von diesem genannte Rechtsprechung des BFH nicht auf Zwischenvermietungsfälle oder ähnliche Sachverhalte.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung dahin gehend zu ändern, dass im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für 1990 zu Lasten der Klägerin ein Vorsteuerberichtigungsbetrag nach § 15a UStG in Höhe von 72 645,43 DM angesetzt wird.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt die Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Festsetzung der Umsatzsteuer für 1990 entsprechend dem Revisionsantrag (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat seiner Entscheidung eine im Streitfall nicht anwendbare Fassung des § 15a UStG zugrunde gelegt. Bei Anwendung der zutreffenden Gesetzesfassung der Vorschrift ist das Revisionsbegehren begründet und der Vorsteuerabzug in der vom FA vorgenommenen Höhe zu korrigieren.
1. a) Die im Streitjahr 1990 geltende Fassung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG lautete ursprünglich:
"Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr der erstmaligen Verwendung für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb von fünf Jahren" (bei Grundstücken gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 UStG innerhalb von zehn Jahren) "seit dem Beginn der Verwendung, so ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen".
b) § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ist allerdings mit Wirkung vom 1. Januar 2002 wie folgt gefasst worden (vgl. Art. 18 Nr. 9 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes ―StÄndG― 2001 vom 20. Dezember 2001, BGBl I, 3794):
"Ändern sich bei einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse, ist für jedes Kalenderjahr der Änderung ein Ausgleich durch eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen."
c) Dieser Gesetzesfassung hat der Gesetzgeber durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I, 2645) Rückwirkung beigemessen.
Danach ist § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden, wenn der Unternehmer den Vorsteuerabzug im Zeitpunkt des Leistungsbezuges aufgrund der von ihm erklärten Verwendungsabsicht in Anspruch genommen hat und die Nutzung ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung mit den für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnissen nicht übereinstimmt.
Diese Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 UStG 1999 liegen im Streitfall vor, soweit es um den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten für die von der Klägerin seit 1988 beabsichtigten, aber dann nicht realisierten Neubauplanungen geht. Insoweit ist der Klägerin der Vorsteuerabzug aufgrund einer (bloßen) Verwendungsabsicht gewährt worden. Dies geschah nach den Feststellungen und tatsächlichen Würdigungen des FG, die den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, zu Unrecht. Die spätere erstmalige Verwendung des Grundstücks bestand insoweit in dessen steuerfreier Veräußerung im Streitjahr 1990, die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG ausschloss.
2. Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 angeordnete Rückwirkung.
a) Eine "echte Rückwirkung" eines Gesetzes, die dann vorliegt, wenn ―wie hier― nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen wird, ist u.a. dann zulässig, wenn die bestehende Rechtslage keine ausreichende Vertrauensgrundlage darstellte und deshalb das Vertrauen des Steuerbürgers in den Fortbestand des geltenden Rechts nicht schutzbedürftig ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 2004 II R 74/00, BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99, m.w.N.). So liegt es hier.
b) Durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 wird bewirkt, dass bei Unternehmern, denen für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 der Vorsteuerabzug nach Maßgabe der Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Leistungsbezuges gewährt worden ist, hinsichtlich der Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a UStG keine gesetzliche Regelungslücke besteht (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 8 UStG 1999, Bericht des Finanzausschusses vom 6. November 2003, BTDrucks 15/1945, S. 15, abgedruckt bei Klenk in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 27 UStG Rz. 26).
Nachdem die Rechtsprechung klargestellt hatte, dass in Fällen der vorliegenden Art ein Vorsteuerabzug auch dann möglich ist, wenn der Unternehmer lediglich beabsichtigt, steuerpflichtige Umsätze auszuführen, auch wenn es zur Ausführung dieser Umsätze tatsächlich nicht mehr kommt, war offenbar geworden, dass die Regelung des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG a.F. zu kurz griff, indem sie für diese Fälle keine Vorsteuerberichtigung anordnete. Dies widersprach den Vorgaben des Art. 20 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG wird für Investitionsgüter eine Berichtigung vorgenommen, die sich grundsätzlich auf einen Zeitraum von fünf Jahren einschließlich des Jahres, in dem die Güter erworben oder hergestellt wurden, erstreckt. Abweichend von dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten für die Berichtigung einen Zeitraum von fünf vollen Jahren festlegen, der mit der erstmaligen Verwendung der Güter beginnt (Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Bei Grundstücken, die als Investitionsgüter erworben wurden, kann der Zeitraum für die Berichtigung bis auf 20 Jahre verlängert werden (Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 3 der Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 20 der Richtlinie 77/388/EWG ist demzufolge die Vorsteuerberichtigung in allen Fällen geboten, in denen sich bei Investitionsgütern die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Februar 2003 V B 166/02, BFHE 201, 561, BFH/NV 2003, 874; Wagner in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 15a UStG Rz. 27, 86 ff.).
c) Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand dieser ―vom Gesetzgeber durch das Steueränderungsgesetz 2001 nur teilweise beseitigten― Regelungslücke ist nicht gegeben.
aa) Der Lückenschluss, mit dem § 27 Abs. 8 UStG 1999 auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 das Leerlaufen der Berichtigungsmöglichkeit nach § 15a UStG a.F. beseitigt, entspricht dem Gesichtspunkt einer in sich schlüssigen, folgerichtigen Ausgestaltung des Vorsteuerabzugsrechts (ebenso die Gesetzesbegründung zu § 27 Abs. 8 UStG 1999, a.a.O.).
bb) Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass es infolge der steuerfreien Veräußerung des Grundstücks nicht zu einer Vorsteuerberichtigung auf der Grundlage der ursprünglich im Streitjahr 1990 geltenden Fassung des § 15a UStG kam. Es ist nicht geklärt ―und kann auch im Streitfall offen bleiben―, ob diese Gesetzesfassung auch Fälle der vorliegenden Art erfasst.
Zum einen hat der BFH § 15a UStG a.F. u.a. in den vom FG genannten Urteilen in BFHE 184, 130, BStBl II 1998, 36 und in BFH/NV 1998, 890 weit ausgelegt.
Zum andern hat der BFH erstmals im Jahr 2003 in einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung entschieden, es sei lediglich "ernstlich zweifelhaft", ob für die Jahre 1992 bis 1996 anerkannte Vorsteuerbeträge bei den Umsatzsteuerveranlagungen für die Jahre 1997 bis 1999 nach § 15a UStG a.F. berichtigt werden könnten, oder ob damit unzulässigerweise der Regelung des Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, § 15a UStG 1999 n.F. bereits in den Streitjahren 1997 bis 1999 Geltung verschafft werde, obwohl die Richtlinienbestimmung für Fälle der streitigen Art erst durch § 15a UStG 1999 n.F. mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 ordnungsgemäß in das innerstaatliche Recht umgesetzt worden sei und der Gesetzgeber eine Rückwirkung nicht angeordnet habe (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 201, 561, BFH/NV 2003, 874). Diese Rückwirkungsanordnung hat der Gesetzgeber mittlerweile ―wie dargelegt― durch § 27 Abs. 8 UStG 1999 i.d.F. des StÄndG 2003 getroffen.
Schließlich zeigt auch die Zulassung der Revision im Streitfall durch das FG, dass die Rechtslage, die vor der durch den Gesetzgeber angeordneten Rückwirkung bestand, keine ausreichende Vertrauensgrundlage darstellte. Das FG hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO mit der Begründung zugelassen, die allgemeine Anwendbarkeit des § 15a UStG a.F. auf Fälle rechtlich falscher Beurteilung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug im Abzugsjahr müsse durch den BFH geklärt werden.
3. Die Voraussetzungen des mithin im Streitfall anzuwendenden § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung liegen vor.
Bei dem von der Klägerin erworbenen Grundstück haben sich innerhalb des Berichtigungszeitraums von 10 Jahren (§ 15a Abs. 1 Satz 2 UStG) ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse geändert.
Nach § 15a Abs. 4 UStG in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung liegt eine Änderung der Verhältnisse auch dann vor, wenn das noch verwendungsfähige Wirtschaftsgut vor Ablauf des nach § 15a Abs. 1 bis 3 UStG maßgeblichen Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist als die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung. Auch diese Vorschrift ist nach § 27 Abs. 8 UStG 1999 für Zeiträume vor dem 1. Januar 2002 anzuwenden.
4. Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden und unstreitig ist die vom FA in der Einspruchsentscheidung vorgenommene Ermittlung des Vorsteuerberichtigungsbetrages mit 72 645,43 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 1439551 |
BFH/NV 2005, 2322 |
BStBl II 2005, 907 |
BFHE 2006, 74 |
BFHE 211, 74 |
BB 2005, 2398 |
DB 2005, 2506 |
DStRE 2005, 1352 |
DStZ 2005, 803 |
UR 2006, 32 |