Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerumlage im Organkreis nach „Stand-alone-Methode“ ‐ keine vGA
Leitsatz (amtlich)
Die Berechnung der Gewerbesteuerumlage im Organkreis nach der sog. Belastungsmethode ("Stand-alone-Methode") führt jedenfalls für das Jahr 1985 nicht zur Annahme einer vGA.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; GewStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die seit Anfang 1985 (Streitjahr) mit ihrer Alleingesellschafterin, einer GmbH & Co. KG (KG), im Rahmen einer gewerbesteuerlichen Organschaft verbunden war. Zur Kostenabgrenzung vereinbarten die Organschaftsbeteiligten eine Gewerbesteuerumlage nach dem sog. Belastungsverfahren (oder auch "Stand-alone-Verfahren"), die nicht nach der tatsächlichen ―niedrigeren― Gewerbesteuerbelastung der KG, sondern nach der hypothetischen ―höheren― Steuerbelastung berechnet wurde, die eingetreten wäre, wenn die Klägerin selbständig zur Gewerbesteuer veranlagt worden wäre. Da keine Gewerbeertragsteuer anfiel, wurde allein Gewerbekapitalsteuer umgelegt. Die hiernach errechneten Beträge wurden im Streitjahr und in den Folgejahren jeweils bei Erstellung des Jahresabschlusses dem Verrechnungskonto der KG bei der Klägerin gutgeschrieben.
Abweichend von der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die Auffassung, eine Umlage der Gewerbesteuerbelastung des Organträgers auf die Organgesellschaft dürfe nur nach dem sog. Verteilungsverfahren bis zur Höhe der tatsächlich vom Organträger gezahlten Gewerbesteuer vorgenommen werden. Der darüber hinaus umgelegte Betrag sei als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln.
Die Klage gegen den hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheid blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies sie mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 809 wiedergegebenen Gründen als unbegründet ab.
Ihre Revision stützt die Klägerin auf Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Gewerbesteuerumlage in der ursprünglich berechneten Höhe anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweitigen Steuerfestsetzung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Der Vorinstanz ist nicht darin beizupflichten, dass die im Streitfall von den Organschaftsbeteiligten gewählte Umlagemethode nach dem sog. Belastungsverfahren eine vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes ―KStG―) nach sich zieht.
a) Zwar hat der Bundesgerichtshof (BGH) dieses Umlageverfahren für das Zivilrecht durch Urteile vom 22. Oktober 1992 IX ZR 244/91 (BGHZ 120, 50, Der Betrieb ―DB― 1993, 368) und vom 1. März 1999 II ZR 312/97 (BGHZ 141, 79, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 1999, 724) verworfen. Im Rahmen des zwischen den Organschaftsbeteiligten gebotenen gesamtschuldnerischen Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) könne nicht von einer fiktiven Steuerschuld allein bei der Organgesellschaft ausgegangen werden; vielmehr sei die tatsächlich gezahlte Gewerbesteuer zugrunde zu legen. Für eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Gewerbesteuerumlage gelte dasselbe; die Vereinbarung der Umlage nach Maßgabe des Belastungsverfahrens ziehe einen Nachteil zu Lasten der Organgesellschaft nach sich, wodurch wiederum ein Schadensersatzanspruch gegen den Organträger ausgelöst werde. Zur Stützung dieser Argumentation verweist der BGH auch und gerade auf die Behandlung der nach der Belastungsmethode erhobenen Umlage im Steuerrecht als vGA. Gleicher Auffassung wie der BGH sind z.B. W. Müller in Budde/Moxter/Offerhaus (Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, Festschrift für Beisse, 1997, 363), Kleindiek (DStR 2000, 559), Maul (Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht ―NZG― 1999, 660), Schneider/Singhoff (Wirtschafts- und Bankrecht 1999, 729), Marx (DB 1996, 950), Habersack in Emmerich/Habersack (Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl., § 311 AktG Rz. 50), Kropff in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (§ 311 Rz. 203 ff.) und Kiethe (Wertpapier-Mitteilungen/ Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht ―WM― 2000, 1182).
Demgegenüber verweisen andere Stimmen im Schrifttum auf die Nachteile, welche dem Organträger drohen, indem dieser Gewerbeverluste infolge ihrer Verrechnung mit ihm zugerechneten (positiven) Gewerbeerträgen der Organgesellschaft "verliert". Mittels des Verteilungsverfahrens kämen die darin verkörperten Vermögenswerte der Organgesellschaft zugute, ungeachtet dessen, dass diese trotz der organschaftlichen Verbundenheit als solche selbständig bleibe. Die Organgesellschaft sei aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (§§ 812 ff. BGB) gehalten, dem Organträger die "aufgewendeten" Verluste ganz oder zumindest anteilig zu erstatten. Richtigerweise sei deswegen die Belastungsmethode anzuwenden; die Annahme einer vGA scheide auch aus steuerrechtlicher Sicht aus. Diese Auffassung wird (teilweise mit Differenzierungen dem Umfang nach) z.B. von Simon (DStR 2000, 431 und 537), Feddersen (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht 2000, 523), Wiedemann/Fleischer (Juristen-Zeitung 2000, 159), Pyszka (GmbH-Rundschau 1999, 646 und 812), Krebühl (DStR 2001, 1730, 1736 f.), Roth in Lindenmaier/ Möhring (Nachschlagewerk des Bundesgerichtshof in Zivilsachen, AktG 1965 § 311 Nr. 1), Schauhoff in Steuerberater-Jahrbuch (StbJb) 2000/2001, 325, Walther in Arthur Andersen (Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 853) und Dietlein (Juristische Rundschau 2000, 285) vertreten.
b) Welche Konsequenzen diese Auseinandersetzung für das Steuerrecht hat, muss im Streitfall aufgrund der hier gegebenen Besonderheiten jedoch nicht abschließend beantwortet werden.
Die Annahme einer vGA scheidet im Streitfall bereits deshalb aus, weil von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter nicht erwartet und verlangt werden kann, dass er seinen Entscheidungen im Streitjahr 1985 die Rechtserkenntnisse zugrunde legt, zu denen der BGH erst in den nachfolgenden Jahren 1992 und 1999 gelangt ist. Bis dahin war die Zivilrechtslage ungeklärt; in steuerrechtlicher Hinsicht ist sie dies bis heute. Dies gilt umso mehr angesichts des Umstandes, dass seinerzeit selbst die Finanzverwaltung den betroffenen organschaftlich verbundenen Steuerpflichtigen "für die steuerliche Beurteilung" das Recht eingeräumt hat, "jede Methode" zu wählen, "die zu einem betriebswirtschaftlich vertretbaren Ergebnis führt", vorausgesetzt, es wird an der einmal gewählten Methode festgehalten und die Umlage so bemessen, dass ―mindestens im Durchschnitt mehrerer Jahre― nur die tatsächlich gezahlten Steuerbeträge umgelegt werden (vgl. z.B. Finanzministerium Nordrhein-Westfalen ―FinMin NRW―, Erlass vom 14. Dezember 1964, DB 1965, 13; s. auch Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 6. November 1986, Die Wirtschaftsprüfung 1987, 141). Die noch zuvor vertretene Auffassung (vgl. z.B. FinMin NRW, Erlass vom 19. Februar 1964, DB 1964, 314), dass allein die Verteilungsmethode zu betriebswirtschaftlich richtigen Ergebnissen führe, wurde dadurch ausdrücklich aufgegeben.
Wenn der Geschäftsführer einer Organgesellschaft hiernach verfuhr und sich mit der Gewerbesteuerumlage nach der Belastungsmethode zufrieden gab, kann das nicht zu steuerlichen Nachteilen führen. Andernfalls würden die Anforderungen, die an den Steuerpflichtigen zu stellen sind, überspitzt. In vergleichbarer Weise hat der Senat es in der Vergangenheit auch im Zusammenhang mit § 181 BGB abgelehnt, dem Steuerpflichtigen die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ungeklärte Zivilrechtslage oder einer geänderten Auslegung bürgerlich-rechtlicher Rechtsnormen durch Rechtsprechung und Literatur aufzubürden (vgl. Senatsurteile vom 17. September 1992 I R 89-98/91, BFHE 169, 171, BStBl II 1993, 141; vom 31. Mai 1995 I R 64/94, BFHE 178, 321, BStBl II 1996, 246; vom 22. November 1995 I R 168/94, BFH/NV 1996, 644). Daran ist festzuhalten; die Situation im Streitfall ist im Grundsatz hiermit vergleichbar.
2. Die Vorinstanz hat eine abweichende Auffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten im Streitfall bei der von ihnen gewählten Umlage bezogen auf die gesamte Dauer der Organschaft einen Verteilungsmaßstab gewählt hätten, der die Klägerin ―über den bei der KG insgesamt tatsächlich angefallenen Aufwand hinaus― benachteiligt hätte, sind nicht ersichtlich. Der angefochtene Steuerbescheid ist deshalb zu ändern und die Körperschaftsteuer 1985 anderweitig festzusetzen. Die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Betrages wird dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 707139 |
BFH/NV 2002, 731 |
BStBl II 2002, 369 |
BFHE 197, 161 |
BFHE 2002, 161 |
BB 2002, 715 |
DB 2002, 712 |
DStR 2002, 583 |
DStRE 2002, 522 |
HFR 2002, 522 |