Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Der aus der Auflösung einer Pensionsrückstellung sich ergebende Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe (Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft) ist insoweit gewerbesteuerfrei, als die Rückstellung bei ihrer Bildung durch Hinzurechnung nach § 8 Ziff. 6 GewStG der Gewerbesteuer unterworfen worden ist.
Normenkette
UmwStG § 8 Abs. 1, § 5 Abs. 2
Tatbestand
Die Bfin. ist als Personengesellschaft im Wege der errichtenden Umwandlung mit Wirkung vom 1. Januar 1957 aus einer GmbH entstanden. Sie hat den in ihrer Eröffnungsbilanz ausgewiesenen Rückstellungsposten wegen Ruhegehalts- und Tantiemeverpflichtungen der GmbH gegenüber wesentlich beteiligt gewesenen Gesellschafter-Geschäftsführern mit 90.000 DM aufgelöst und den sich hieraus ergebenden Gewinn durch eine gemäß § 5 Abs. 2 des Umwandlungsteuergesetzes (UmwStG) vom 11. Oktober 1957 (BGBl 1957 I S. 1713, BStBl 1957 I S. 468) gebildete Rücklage in Höhe von 2/3 zum 31. Dezember 1957 neutralisiert. Der auf 1957 entfallende "Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe" beträgt danach 30.000 DM. Streitig ist, ob dieser Betrag bei der Gewerbesteuer der Bfin. vom Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1957 abgesetzt werden kann.
Die Bfin. hat hierzu im wesentlichen folgendes geltend gemacht: Die Beträge zur Bildung der nunmehr aufgelösten Rückstellung seien seinerzeit gemäß § 8 Ziff. 6 GewStG dem Gewerbeertrag zugerechnet worden. Sie müßten deshalb jetzt vom gewerbesteuerlichen Gewinn wieder abgesetzt werden. Andernfalls würden diese Beträge bei der Gewerbesteuer doppelt erfaßt. Die Bfin. hat hierzu auf das Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943 (RStBl 1944 S. 148, Slg. Bd. 54 S. 33) und auf Abschn. 55 Abs. 1 letzter Satz GewStR 1955 hingewiesen.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:
Nach der Konstruktion des UmwStG gingen bei der übertragung der Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft auf eine errichtete Personengesellschaft auch diejenigen Posten über, die dort wegen der durch die Umwandlung geänderten Stellung der Gesellschafter im Verhältnis zu bestimmten übernommenen Wirtschaftsgütern, wie z. B. im Falle der Vereinigung von Forderung und Schuld, nicht mehr fortgeführt werden könnten. Diese Wirtschaftsgüter verschwänden erst nach der Umwandlung. Wie die übrigen in der Eröffnungsbilanz der Personengesellschaft ausgewiesenen Wirtschaftsgüter beeinflußten sie deshalb den Umwandlungserlös (Saldo zwischen den übernommenen Aktiv- und Passivposten). Ihr Buchansatz sei mitbestimmmend für einen durch die Aufgabe der Anteilsrechte unmittelbar beim Veräußerer entstandenen Gewinn, den steuerbegünstigten Umwandlungsgewinn der ersten Stufe. Zur Feststellung dieses Gewinns müsse man von den Verhältnissen beim Anteilsveräußerer ausgehen und im Falle privat gehaltener Anteile dessen ursprüngliche Anschaffungskosten dem Umwandlungserlös nach der Eröffnungsbilanz der Personengesellschaft gegenüberstellen. Dagegen seien für den tariflich nicht begünstigten Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe (= Umwandlungsfolgegewinn) die Verhältnisse des Erwerbers zugrunde zu legen. Die Personengesellschaft habe die wegen ihrer Beziehung zu den Gesellschaftern erlöschenden Eröffnungsbilanzposten auszubuchen. Dieser nach der Umwandlung verlaufende Vorgang führe bei der Auflösung von Pensionsrückstellungen infolge Wegfalls der Belastung zu einem Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe. Dieser Gewinn sei kein Anteilsveräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG, sondern Betriebsgewinn der errichteten Personengesellschaft. Er werde im Rahmen der Rücklagebildung nach § 5 Abs. 2 UmwStG auch zur Gewerbeertragsteuer herangezogen.
Die Motive des Gesetzgebers für die Aufspaltung des Umwandlungsvorganges in zwei Stufen lägen darin, daß er die Gewinnerhöhung durch Auflösung von nicht mehr gerechtfertigten Rückstellungen und Wertberichtigungsposten, die bei der Kapitalgesellschaft den Gewinn gemindert hätten, grundsätzlich normal besteuern wolle. Auf dem Gebiet der Gewerbesteuer habe sich aber wegen der Zurechnungsvorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG eine Pensionsrückstellung für wesentlich Beteiligte bei der umgewandelten Körperschaft nicht gewinnmindernd ausgewirkt, so daß für diesen besonderen Sachverhalt die Vorstellungen des Gesetzgebers nicht zuträfen. Dieser Motivirrtum berechtige aber die Gerichte nicht, die Zweistufenkonstruktion des Gesetzgebers, von der auch § 8 UmwStG ausgehe, im Einzelfall aus Billigkeitsgründen zu durchbrechen. Dieses gesetzmäßige Ergebnis sei auch nicht sinnwidrig. Zwar sei die Pensionsrückstellung gewerbesteuerlich bereits versteuert worden, aber von einem anderen Steuersubjekt. Im Gegensatz zur formwechselnden Umwandlung gehe bei der übertragenden Umwandlung die Unternehmeridentität verloren. Die vorliegende handelsrechtliche Gesamtnachfolge habe für die hier zu behandelnde Frage keine Bedeutung; denn nach dem UmwStG müsse die übertragende Umwandlung als ein entgeltlicher Erwerb des Unternehmers angesehen werden. Daher könne sich die Bfin. auf die frühere Besteuerung der Rückstellung nicht berufen.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der die Bfin. weiterhin die Anwendung der Grundsätze des Urteils des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943 begehrt, ist begründet.
Der Zweck des kurz "Umwandlungsteuergesetzes" genannten Gesetzes vom 11. Oktober 1957 geht, wie sich bereits aus seiner ungekürzten Bezeichnung "Gesetz über Steuererleichterungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften" ergibt, dahin, die Umwandlung der genannten Gesellschaften durch Steuererleichterungen zu begünstigen. Der Erreichung dieses Zweckes dient auch die steuerliche Aufspaltung des Umwandlungsvorganges in zwei Stufen. Der Umwandlungsgewinn der ersten Stufe ist nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UmwStG für den Fall der Fortführung der Buchwerte der übernommenen Wirtschaftsgüter tariflich begünstigt; für den Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe sieht § 5 Abs. 2 des Gesetzes keine Ermäßigung des Steuersatzes, sondern nur die Möglichkeit vor, ihn im Wege der Rücklagenbildung auf die folgenden Wirtschaftsjahre zu verteilen. Die amtliche Begründung zum UmwStG (abgedruckt bei Hohrmann-Rau, Kommentar zum Umwandlungsteuergesetz, S. 129 ff.) rechtfertigt die Zweistufenbildung und ihre unterschiedliche steuerliche Behandlung wie folgt (S. 137 a. a. O.):
"Der Umwandlungsgewinn erster Stufe entfällt auf Werterhöhungen (offene Rücklagen), die bei der umgewandelten Kapitalgesellschaft versteuert wurden. Dagegen beruht der Umwandlungsgewinn zweiter Stufe auf der Auflösung von Wertberichtigungen auf Forderungen oder auf der Auflösung von Rückstellungen, die zu Lasten des normal zu versteuerten Gewinns früherer Wirtschaftsjahre gebildet wurden. Diese Gewinnminderung wird nunmehr wieder rückgängig gemacht. Es besteht kein Anlaß, auf eine dabei anfallende Steuer zu verzichten. Es kann jedoch eine gewisse Härte bedeuten, wenn solche Auflösungen von Wertberichtigungen und Rückstellungen sich bei der Umwandlung zusammenfallen."
Die Steuervergünstigungen bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften gelten nach § 8 UmwStG auch für die Gewerbesteuer. Der Tarifermäßigung bei der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer entspricht der Ansatz des Umwandlungsgewinns der ersten Stufe, soweit er überhaupt gewerbesteuerpflichtig ist (vgl. Hohrmann-Rau, a. a. O., Anm. 1 letzter Satz zu § 8), bei der Ermittlung des Gewerbeertrags nur zur Hälfte (ß 8 Abs. 2 UmwStG). Ein Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe ist bei der Gewerbesteuer ebenfalls nur durch die Möglichkeit einer Rücklagenbildung begünstigt (ß 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 UmwStG). Die Bezugnahme auf die letztgenannte Vorschrift in § 8 Abs. 1 UmwStG schließt es aber nicht aus, daß auf Grund von Sonderbestimmungen des GewStG ein gewerbesteuerpflichtiger Umwandlungsgewinn der zweiten Stufe nicht entsteht. Dies trifft hier bei der Auflösung der Pensionsrückstellung zu. Da diese bei ihrer Bildung infolge der Zurechnungsvorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG von der Gewerbesteuer erfaßt worden ist, ist sie gewerbesteuerfrei aufzulösen. Das von der Bfin. angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs I 83/43 vom 7. Dezember 1943 stellt hierzu den allgemeinen Grundsatz auf: "Wie bei der Körperschaftsteuer die Auflösung versteuerter Rücklagen oder Entnahmen daraus den steuerpflichtigen Gewinn nicht erhöhen dürfen, ebenso muß eine gewerbesteuerpflichtig gebildete Rückstellung gewerbesteuerfrei aufgelöst werden können."
Der erkennende Senat ist dieser Entscheidung des Reichsfinanzhofs in den Urteilen I 158/57 U vom 5. August 1958 (BStBl 1958 III S. 427, Slg. Bd. 67 S. 403) und I 278/60 U vom 27. März 1961 (BStBl 1961 III S. 280, Slg. Bd. 73 S. 30) beigetreten. In dem letztgenannten Urteil wird ausgeführt, daß es hierbei nicht um eine Abweichung vom Gesetz, sondern um eine sinngemäße Auslegung des § 7 GewStG in Verbindung mit der gewerbesteuerrechtlichen Sonderregelung des § 8 Ziff. 6 GewStG gehe. Der aus dieser Rechtsprechung sich ergebende allgemeine Grundsatz, der die doppelte Erfassung desselben Betrages mit der Gewerbeertragsteuer verhindern soll, muß im Hinblick auf diesen Zweck auch gelten, wenn es sich nicht um die gleiche, sondern um die durch Umwandlung entstandene Nachfolgegesellschaft handelt (vgl. Hohrmann-Rau, a. a. O., Anm. 7 zu § 8). Diese Auffassung befindet sich nicht im Widerspruch zu der oben dargelegten Zweistufenkonstruktion des UmwStG. Denn gerade hier trifft die in der Gesetzesbegründung niedergelegte Rechtfertigung der grundsätzlichen Besteuerung eines Umwandlungsgewinns der zweiten Stufe (gewinnmindernde Behandlung in früheren Wirtschaftsjahren) nicht zu.
Unerheblich ist es, daß inzwischen die Vorschrift des § 8 Ziff. 6 GewStG durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl 1962 I S. 500) für nichtig erklärt worden ist. Entscheidend ist, daß die Rückstellungen seinerzeit auf Grund dieser Vorschrift tatsächlich dem gewerblichen Gewinn hinzugerechnet worden sind. Eine Rückwirkung auf rechtskräftig abgeschlossene Fälle kommt gemäß § 79 Abs. 2 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht der Nichtigkeitserklärung nicht zu.
Da hiernach durch die Auflösung der Pensionsrückstellung kein gewerbesteuerpflichtiger Gewinn entsteht, ist bei Berechnung des Gewerbeertrages der einkommensteuerlich ermittelte Gewinn jeweils um die Beträge zu mindern, die sich aus der Auflösung der Rückstellung ergeben.
Hiernach war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Der Betrag von 30.000 DM ist bei der Gewerbesteuer der Bfin. vom Gewinn aus Gewerbebetrieb für 1957 abzusetzen. Die Sache wird unter gleichzeitiger Aufhebung der Einspruchsentscheidung zur Berechnung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages an das Finanzamt zurückverwiesen. Diesem werden auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes übertragen.
Fundstellen
Haufe-Index 410715 |
BStBl III 1963, 94 |
BFHE 1963, 262 |
BFHE 76, 262 |