Leitsatz (amtlich)
Die Rückerstattung ist erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des Rückerstattungsverfahrens durchgeführt. Ein Wirtschaftsgut kann daher dem Erblasser nicht zugerechnet werden, wenn die das Wirtschaftsgut betreffende Rückerstattungsentscheidung nicht bis zum Tode des Erblassers rechtskräftig geworden ist.
Normenkette
REAO Art. 1/1
Tatbestand
Bf. in der vorliegenden Sache war zunächst der Nachlaßpfleger für die unbekannten Erben des am 21. Juli 1956 verstorbenen Herrn Martin A. Dessen Vater, Herr Moses A., ist am 13. Juni 1953 verstorben und in gesetzlicher Erbfolge von seinem Sohn Martin A. beerbt worden. Herr Moses A. war Eigentümer des Grundstücks Berlin, X.-Straße, gewesen. Er hatte dieses Grundstück durch notarielle Verträge vom 23. Dezember 1938 und 17. Juli 1939 verkauft. Bezüglich des Grundstücks hat ein Rückerstattungsverfahren geschwebt. Das Landgericht hat durch Beschluß vom 29. Juli 1952 die Rückerstattung des Grundstücks an Herrn Moses A. angeordnet. Dieser Beschluß ist durch Entscheidung des Kammergerichts vom 9. Mai 1953 hinsichtlich des Rückgewährentgelts und eines anderen Nebenpunktes geändert, im übrigen aber bestätigt worden. Das Finanzamt hat Herrn Martin A. durch endgültigen Steuerbescheid vom 15. November 1956 mit dem Einheitswert des Grundstücks abzüglich verschiedener Belastungen zur Erbschaftsteuer herangezogen. Der Einspruch des Nachlaßpflegers gegen diesen Steuerbescheid ist erfolglos geblieben, ebenso die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung. Mit der Rb. wird wiederholt Freistellung des Herrn Martin A. von der Erbschaftsteuer begehrt. Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens sind die Erben des Herrn Martin A. ermittelt worden, der Nachlaßpfleger ist nunmehr Bevollmächtigter der den Steuerrechtsstreit weiterführenden Erben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Verwaltungsgericht geht davon aus, daß das fragliche Grundstück nach § 11 Ziff. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) dem Vater des Herrn Martin A. an seinem Todestage bereits zuzurechnen gewesen sei. Der Treuhänder der Militärregierung habe das Grundstück auf Grund der Entscheidung des Landgerichts aus seiner Kontrolle entlassen, und die Nutzungen seien Herrn Moses A. ab 1. Oktober 1952 zugeflossen. Dieser sei somit in der Lage gewesen, das Grundstück wirtschaftlich wie ein Eigentümer zu nutzen. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die Rückerstattungsgesetze wollen dem Rückerstattungsberechtigten wieder die ihm vor der Entziehung zustehende Rechtsstellung verschaffen (Art. 1 Abs. 1 des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes, Art. 1 Abs. 1 des britischen Rückerstattungsgesetzes und Art. 1 Abs. 1 der Rückerstattungsanordnung für Berlin). Die Rückerstattung kann also erst im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des Rückerstattungsverfahrens durchgeführt sein. Daß die Rückerstattung erst mit dem rechtskräftigen Abschluß des betreffenden Verfahrens beendet ist, ergibt sich auch aus den steuerlichen Bestimmungen der verschiedenen Rückerstattungsgesetze (Art. 91 Abs. 1 des amerikanischen Rückerstattungsgesetzes, Art. 77 Abs. 1 des britischen Rückerstattungsgesetzes und Art. 79 Abs. 1 der Rückerstattungsanordnung für Berlin). Wenn dort bestimmt ist, daß Ansprüche auf öffentliche Abgaben gegen den Berechtigten für die Zeit der Entziehung nicht geltend gemacht werden können, so bezieht sich das nach dem oben dargelegten Zweck der Rückerstattungsgesetze auf die Zeit der rechtlichen Entziehung im Sinne des Zivilrechts. Der Zeitpunkt der Beendigung der Entziehung ist schließlich um deswillen von Bedeutung, weil nach den angeführten steuerlichen Vorschriften der Rückerstattungsgesetze "Steuern aus Anlaß der Rückerstattung nicht erhoben" werden, also auch in dieser Hinsicht der Zeitpunkt der Beendigung der Entziehung bedeutsam ist, weil je nachdem beurteilt werden muß, ob eine Erhebung von Steuern noch mit der Rückerstattung im Zusammenhang steht oder nicht. Auf Grund dieser Erwägungen kann der erkennende Senat dem für das Gebiet der Einheitsbewertung ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs III 53/55 U vom 15. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 242, Slg. Bd. 61 S. 113) nicht beitreten, in dem die Auffassung vertreten wird, daß der übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf den Rückerstattungsberechtigen genügt.
Im vorliegenden Fall ist demnach allein ausschlaggebend, ob Herr Moses A. an seinem Todestag bereits wieder rechtlicher Eigentümer des Grundstücks im Sinne des Zivilrechts geworden war. Der Zeitpunkt des Rückerwerbs des Eigentums durch den Rückerstattungsberechtigten hängt davon ab, wann der Beschluß des Kammergerichts rechtskräftig geworden ist. Nach dem am 1. Juli 1953 in Kraft getretenen Gesetz Nr. 25 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 25. April 1953 (GVBl Berlin 1953 S. 282) konnte ein im Ausland wohnhafter Antragsteller innerhalb von drei Kalendermonaten nach Zustellung Antrag auf überprüfung einer Entscheidung des Kammergerichts stellen (Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 25); die in Art. 8 a. a. O. vorgeschriebene Frist begann nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 a. a. O. mit Ablauf eines Kalendermonats nach Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 25. Hiernach wäre die Entscheidung des Kammergerichts vom 9. Mai 1953 erst nach dem Tode des Herrn Moses A. (13. Juni 1953) rechtskräftig geworden. Eine Ausnahme gilt aber nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 a. a. O. für die Fälle, die aus dem britischen oder amerikanischen Sektor herrühren und in welchen die auf Grund der in diesen Sektoren bisher gültigen Rechtsvorschriften vorgeschriebene Frist vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 25 abgelaufen war. Aus den Akten ist nicht zu ersehen, in welchem Sektor von Berlin das den Gegenstand des Rückerstattungsverfahrens bildende Grundstück liegt. Infolgedessen kann der erkennende Senat nicht beurteilen, welches partikuläre Besatzungsrecht etwa vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. 25 maßgebend gewesen ist. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache muß an die Vorinstanz zurückverwiesen werden, die unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen festzustellen haben wird, ob die Entscheidung des Kammergerichts bis zum Tode des Herrn Moses A. rechtskräftig geworden ist. Hat die Entscheidung des Kammergerichts bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Rechtskraft erlangt, so muß der gegen Herrn Martin A. ergangene Erbschaftsteuerbescheid aufgehoben und der Steuerpflichtige von der Erbschaftsteuer freigestellt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410014 |
BStBl III 1961, 193 |
BFHE 1961, 530 |
BFHE 72, 530 |