Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die das Bankgeschäft betreibt, ist - vorbehaltlich der Ausnahmevorschrift des § 3 Ziff. 3 GewStG - ohne Rücksicht auf das Ausmaß ihrer Gewinne und ihrer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr hinsichtlich der einzelnen Sparten ihrer Tätigkeit gewerbesteuerpflichtig, wenn sie die Voraussetzungen des Begriffs des stehenden Gewerbebetriebs auch nur mit einer Sparte ihrer Tätigkeit erfüllt.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1, § 3 Ziff. 3; GewStDV § 1 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht der Revisionsbeklagten und Revisionsanschlußklägerin (Stpfl.) einer Anstalt des öffentlichen Rechts, Staatsbank im Sinne des § 3 Ziff. 3 GewStG sowie Berliner Altbank im Sinne des Altbankengesetzes vom 10. Dezember 1953 (GVBl Berlin 1953, 1483).

Die Stpfl. hatte gegenüber dem II. vorläufigen Gewerbesteuerbescheid für das Streitjahr 1955 vom 4. Oktober 1957 ihre völlige Freistellung von der Steuer beantragt, weil ihr als einem unter den Begriff der Berliner Altbanken fallenden früheren Geld- und Kreditdinstitut durch Anordnung des Magistrats der Stadt Berlin vom 5. Juni 1945 (VOBl 1945, 18) die Ausübung jeden Kassenverkehrs und damit die Ausübung der eigentlichen Banktätigkeit untersagt worden war. Sie war später durch Bekanntmachung des Ausschusses für die ruhenden Berliner Kreditinstitute vom 1. August 1949 (VOBl Berlin II 194, 338) ermächtigt worden, ihre Außenstände einschließlich der Hypotheken selbst einzuziehen und alle zur Verwaltung ihres Vermögens wie insbesondere ihrer Außenstände erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Eine weitere Auflockerung des Betätigungsverbots vom 5. Juni 1945 brachte ihre (gebührenbringende) Einschaltung in die aus Anlaß der Währungsumstellung erforderlich gewordenen Maßnahmen (Umstellung der bei ihr geführten Uraltkonten) sowie in die Wertpapierbereinigung, ihre Bestellung als Treuhänderin für das im Bundesgebiet belegene Vermögen der X.-Bank AG und ihr Tätigwerden als Prüfstelle bei Wertpapieremissionen.

Der Einspruch der Stpfl. blieb ohne Erfolg. Auf ihre Berufung (§ 229 Abs. 2 AO a. F.) erklärte die Vorinstanz die Stpfl. für lediglich insoweit gewerbesteuerpflichtig, als sie als Annahmestelle im Sinne vom § 14 Abs. 1 des Gesetzes zur Bereinigung des Wertpapierwesens (WBG) vom 26. September 1949 (VOBl Berlin I 1949, 346) tätig gewesen ist. Ihre Entscheidung begründet sie wie folgt:

Es könne dahingestellt bleiben, ob der Gesetzgeber bei der Fassung des § 26 Abs. 1 des 3. DMBEG (BStBl I 1955, 222) - Freistellung der Berliner Altbanken von der Gewerbesteuer für die Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum Tag vor dem Stichtag der DM- Eröffnungsbilanz (DMEB) oder der Altbankenrechnung - vom Fortbestehen der Gewerbesteuerpflicht der Berliner Altbanken ab 1945 ausgegangen sei, wie der BFH im Urteil I 262/60 U vom 13. November 1962 (BFH 76, 195, BStBl III 1963, 69) ausgesprochen habe. Denn in jedem Falle sei zu prüfen, ob die Steuerpflicht nach den gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gegeben sei oder nicht.

Als Gewerbebetrieb sei nach § 1 Abs. 1 GewStDV die selbständige, nachhaltige, mit Gewinnabsicht unternommene Betätigung anzusehen, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle, sofern es sich dabei weder um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch um die Ausübung eines freien Berufes oder einer anderen selbständigen Arbeit im Sinne des Einkommensteuerrechts handele. Darüber hinaus sei die Stpfl. nach § 3 Ziff. 3 GewStG von der Steuerpflicht befreit, soweit sie Aufgaben staatswirtschaftlicher Art erfülle.

Die Stpfl. sei im Erhebungszeitraum 1955 unbestritten selbständig und nachhaltig tätig geworden. Sie habe ihre Tätigkeit auch mit Gewinnabsicht betrieben, da sie im Rahmen einer kaufmännischen Organisation Leistungen gegen Entgelt erbracht habe, wobei das Entgelt so bemessen gewesen sei, daß es im Durchschnitt den zur Kostendeckung erforderlichen Betrag überstiegen habe. Daß es an dieser Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe, weil ihr eine uneingeschränkte werbende Tätigkeit untersagt gewesen sei, treffe nicht zu, wie ihre eigenen Angaben über den im Erhebungszeitraum erzielten Gewinn zeigten. Dagegen sei die Frage, ob sie sich mit ihrer Tätigkeit im Erhebungszeitraum 1955 auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt habe und damit werbend tätig geworden sei, für die einzelnen Arten ihres Tätigwerdens unterschiedlich zu beantworten.

Allein mit ihrer Tätigkeit als Anmeldestelle im Wertpapierbereinigungsverfahren habe die Stpfl. sich am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Hier sei ihr Tätigwerden nicht auf einen bestimmten, nicht erweiterungsfähigen Personenkreis beschränkt gewesen, wie sich aus §§ 14 und 19 Abs. 1 WBG ergebe. Die Art der möglichen Geschäfte sei zwar begrenzt gewesen. Diese Beschränkung sei aber nicht anders zu werten als die - für die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht ebenfalls unbeachtliche - Beschränkung des Handels mit rationierter Ware, deren Bezug und Verkauf behördlicher Einzelermächtigung bedürfe. Das gelte sowohl für die Tätigkeit als Anmeldestelle nach den WBGen als auch für die später dazu gekommene Bearbeitung von Entschädigungsansprüchen nach § 14 Abs. 1 Ziff. 3 des Altsparergesetzes (ASpG) und für die Vermittlungstätigkeit nach § 2 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Ergänzung des Umstellungsrechts über die Ausstattung der Berliner Altbanken mit Ausgleichsforderungen (Umstellungsergänzungsgesetz) vom 26. April 1954 (GVBl Berlin 1954, 275).

Wenn auch eine enge Verbindung der verschiedenen von der Stpfl. ausgeübten Tätigkeit bestehe, so bedinge dies noch nicht, daß die gesamte Tätigkeit der Stpfl. als eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anzusehen sei. Die Rechtslage sei dieselbe wie bei der Ausübung einer gewerblichen und einer freiberuflichen Tätigkeit durch den gleichen Steuerpflichtigen. Die Notwendigkeit einer Aufteilung der Einkünfte folge ohnehin aus § 3 Ziff. 3 GewStG.

Hiergegen richten sich die als Revision zu behandelnde Rb. des Revisionsklägers (FA) sowie die Anschlußrechtsbeschwerde der Stpfl.

Das FA hält die Steuerpflicht bereits allein aus § 26 Abs. 1 des 3. DMEBG für gegeben. Eine Aufteilung nach den verschiedenen Arten der Tätigkeiten der Stpfl., wie sie bei natürlichen Personen möglich sei, entfalle hier, da die Stpfl. als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit ihrem gesamten Gewerbeertrag (mit Ausnahme des § 3 Ziff. 3 GewStG) der Steuerpflicht unterliege (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV).

Die Stpfl. ist der Ansicht, daß ihre Gewerbesteuerpflicht in vollem Umfang zu verneinen sei, weil mangels Eingreifens einer Vorschrift nach Art des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG die vom FA vorgetragene Erwägung, daß auch eine nur geringe werbende Tätigkeit die Gewerbesteuerpflicht der gesamten Tätigkeit eines Unternehmens begründe, hier umgekehrt dazu führen müsse, die gesamte Tätigkeit der Stpfl. für gewerbesteuerfrei anzusehen, wenn eine werbende Tätigkeit nur in geringem Umfang ausgeübt worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Wiederherstellung der Einspruchsentscheidung vom 26. Februar 1958. Die Anschlußrechtsbeschwerde ist nach § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil I 262/60 U (a. a. O.) im Fall einer Berliner Altbank, die in der Form einer Kapitalgesellschaft betrieben wurde, ausgesprochen hat, ist die Beschränkung der werbenden Tätigkeit einer Berliner Altbank durch die Anordnung vom 5. Juni 1945 als solche nicht geeignet, ihre Gewerbesteuerpflicht zu verneinen. Denn jede Tätigkeit, auch die nicht werbende, allein Vermögen verwaltende Tätigkeit einer Kapitalgesellschaft gilt kraft der gesetzlichen Vermutung des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (Gewerbebetrieb kraft Rechtsform). Das folgt insoweit aber auch aus der nur befristeten Freistellung der Berliner Altbanken von der Gewerbesteuer in § 26 des 3. DMEBG, weil die befristete Freistellung nur dann verständlich ist, wenn man grundsätzlich das Fortbestehen der Gewerbesteuerpflicht - trotz jener Beschränkung der werbenden Tätigkeit - als gegeben ansieht.

Dem Verwaltungsgericht (VG) ist jedoch darin zuzustimmen, daß mangels einer der Vorschrift des § 2 Abs. 2 Ziff. 2 GewStG entsprechenden gesetzlichen Regelung für Körperschaften des öffentlichen Rechts das Vorliegen eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV jeweils zu prüfen ist. Ist schließlich die Körperschaft des öffentlichen Rechts eine Staatsbank, so ist sie nach § 3 Ziff. 3 GewStG (nur) insoweit von der Gewerbesteuerpflicht frei, als sie Aufgaben staatswirtschaftlicher Art erfüllt (z. B. Geschäfte, die mit dem wirtschaftlichen Eigenleben des Landes zusammenhängen; vgl. Abschn. 26 GewStR 1955). Im übrigen richtet sich die Steuerpflicht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die das Bankgeschäft betreibt, danach, ob sie mit wenigstens einer Sparte ihrer Tätigkeit die Voraussetzungen des Begriffs des stehenden Gewerbebetriebs erfüllt, nicht dagegen nach dem Ausmaß ihrer gewerblichen Tätigkeit, sei dieses nun erheblich oder nur gering, und nicht nach dem Ausmaß ihrer Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, abgestellt auf die einzelnen Sparten ihrer Tätigkeit. Somit bewirkt die Feststellung einer werbenden Tätigkeit wohl die gewerbesteuerrechtliche Erfassung auch solcher Erträge, die nicht unmittelbar auf eine gewerbliche (werbende) Tätigkeit zurückgehen; es kann indes - entgegen der Auffassung der Stpfl. - umgekehrt die Feststellung von Erträgen aus nicht gewerblicher (werbender) Tätigkeit die steuerliche Erfassung von Erträgen aus einer, wenn auch nur geringfügigen, gewerblichen (werbenden) Tätigkeit nicht ausschließen (siehe auch Lenski- Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anm. 137 zu § 2). Die Ausführungen im Urteil des Reichsfinanzhofs I 323/38 vom 13. Dezember 1938 (RFH 45, 306, RStBl 1939, 330), das für die unter § 2 Abs. 3 GewStG fallenden Rechtsgebilde eine derartige Schlußfolgerung verneint, treffen den vorliegenden Fall nicht, weil das Gesetz für Körperschaften des öffentlichen Rechts eine derartige Einschränkung der Steuerpflicht, wie sie für die sonstigen juristischen Personen des privaten Rechts und die nicht rechtsfähigen Vereine gilt ("soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ... unterhalten"), nicht vorsieht.

Wie die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht und von der Stpfl. unwidersprochen festgestellt hat, erfüllte die Stpfl. mit ihrer Tätigkeit als Anmeldestelle im Wertpapierbereinigungsverfahren, mit der Bearbeitung von Entschädigungsansprüchen nach dem ASpG und mit ihrer Vermittlungstätigkeit nach § 2 Abs. 1 der Zweiten Durchführungsverordnung zum Umstellungsergänzungsgesetz die Voraussetzungen eines stehenden Gewerbebetriebs. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Damit ist aber bereits vom Grundsatz her (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 Abs. 1 GewStDV) die gesamte Tätigkeit der Stpfl. eine gewerbliche (werbende) Tätigkeit, ohne daß noch auf das BFH-Urteil IV 236/61 U vom 13. Dezember 1963 (BFH 78, 250, BStBl III 1964, 99) besonders hinzuweisen ist, demzufolge eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auch bei weitgehendem Ausschluß des Wettbewerbs mit anderen Gewerbetreibenden gegeben ist. Ein solcher Ausschluß kann auch in der hier für einzelne Tätigkeitsbereiche der Stpfl. gegebenen Beschränkung auf einen bestimmten, indes keineswegs kleinen Personenkreis gesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412513

BStBl III 1967, 426

BFHE 1967, 463

BFHE 88, 463

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge