Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Strafverteidigungskosten eines zum Teil verurteilten und zum Teil freigesprochenen Steuerpflichtigen sind nur dann steuerlich teilweise zu berücksichtigen, wenn zwischen den Anklagepunkten, wegen derer der Steuerpflichtige verurteilt wurde, und den übrigen Anklagepunkten eindeutig kein Zusammenhang besteht.
Es macht dabei keinen Unterschied, ob bei vollem Freispruch die Kosten als Betriebsausgaben (Werbungskosten) oder als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig gewesen wären.
Soweit sich aus dem Urteil des IV. Senats des Bundesfinanzhofs IV 269/60 U vom 30. August 1962 (BStBl 1963 III S. 5, Slg. Bd. 76 S. 8) etwas anderes ergibt, tritt der VI. Senat dem nicht bei. EStG § 4
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, §§ 9, 33
Tatbestand
Der beschwerdeführende Ehemann (Bf.) war Direktor einer Fabrik. Er wurde auf Grund verschiedener Vorkommnisse, die zum Teil den Gegenstand der später gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren bildeten, fristlos entlassen. Die Strafverfahren endeten mit einer Verurteilung wegen Einkommensteuerhinterziehung und fortgesetzten Betrugs zu einer Gesamtstrafe von neun Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 4000 DM. Von der Anklage in den übrigen Punkten (Diebstahl von 4 550 Doppelzentner versteuerten Zuckers; Betrug und Erpressung von fünf Spediteuren; Unterschlagung von 54 092,10 DM; Hinterziehung dieses Betrags bei der Umsatz- und Gewerbesteuer) wurde der Bf. freigesprochen. Im Jahre 1956 entstanden dem Bf. im Zusammenhang mit dem Strafverfahren rund 12 750 DM Kosten. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um Honorare für verschiedene Rechtsanwälte sowie um Aufwendungen für Reisen, Schreibarbeiten und Ferngespräche.
Bei der Veranlagung des Bf. zur Einkommensteuer 1956 berücksichtigte das Finanzamt die 12 750 DM nicht als außergewöhnliche Belastung. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die Berufung hatte in diesem Punkt ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, daß zwar die Verteidigungskosten eines von einer Anklage freigesprochenen Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien. Im Streitfall sei das aber nicht möglich, weil der Bf. nicht in vollem Umfang freigesprochen worden sei und eine Aufteilung der Kosten im Verhältnis des Freispruchs und der Verurteilung wegen des engen Zusammenhangs aller Anklagepunkte nicht möglich sei.
Mit seiner Rb. rügt der Bf. Verletzung des bestehenden Rechts. Nach seiner Ansicht hätte das Finanzgericht die 12 750 DM mindestens zum größten Teil als außergewöhnliche Belastung berücksichtigen müssen. Die 12 750 DM bezögen sich auf alle Punkte des Strafverfahrens. Darum sei eine Aufteilung möglich und erforderlich. Wäre die Staatsanwaltschaft mit allen ihren Vorwürfen durchgedrungen, dann wäre mit einer Gesamtstrafe von zehn Jahren Gefängnis und 500 000 DM Geldstrafe zu rechnen gewesen. Tatsächlich sei aber nur eine Gesamtstrafe von neun Monaten Gefängnis und 4000 DM Geldstrafe herausgekommen. Die Anklage sei also zu 95 v. H. verworfen worden. Es hingen auch nicht alle Punkte unlösbar miteinander zusammen. Das Strafgericht habe selbst ausgeführt, daß er - der Bf. - ein straffreies, pflichterfülltes und arbeitsames Leben geführt habe und daß die von der Frachtenkasse erschlichenen Zahlungen nicht seiner persönlichen Bereicherung gedient hätten. Im übrigen würde er auch hinsichtlich der Steuerhinterziehung freigesprochen worden sein, wenn er von einem Fachanwalt verteidigt worden wäre.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die streitigen Strafverteidigungskosten, wenn der Bf. in vollem Umfang freigesprochen worden wäre, als Werbungskosten im Sinn von § 9 EStG oder als außergewöhnliche Belastung im Sinn von § 33 EStG zu berücksichtigen wären. Denn aus den Gründen, die im wesentlichen bereits das Finanzgericht dargelegt hat, sind sie unter keinem der beiden Gesichtspunkte abzugsfähig.
Im Gegensatz zu der früheren Rechtsprechung, wie sie im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 373/54 U vom 21. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 338, Slg. Bd. 61 S. 361) niedergelegt ist, hat der Senat in dem Urteil VI 279/56 U vom 15. November 1957 (BStBl 1958 III S. 105, Slg. Bd. 66 S. 267) die Strafverteidigungskosten eines freigesprochenen Angeklagten als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anerkannt. In dem Urteil IV 63/59 S vom 13. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 18, Slg. Bd. 72 S. 45) hat der IV. Senat weitergehend ausgesprochen, daß Strafverteidigungskosten eines freigesprochenen Angeklagten auch Betriebsausgaben sein können, sofern die ihm zur Last gelegte Tat unter Anlegung eines strengen Maßstabes nur aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar sei. In dieser Richtung liegt auch das Urteil des Senat VI 99/59 S vom 25. August 1961 (BStBl 1961 III S. 482, Slg. Bd. 73 S. 591), wonach Anwaltskosten, die einem Beamten im Dienststrafverfahren erwachsen sind, Werbungskosten sein können.
Wenn der Senat in dem Urteil VI 279/56 U a. a. O. die Strafverteidigungskosten eines freigesprochenen Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat, so vor allem, weil die Steuerpflichtigen sich in solchen Fällen in einer Zwangslage befinden, die ihnen, wenn sie freigesprochen werden, nicht zur Last gelegt werden darf. Wenngleich nach § 467 der Strafprozeßordnung (StPO) die Möglichkeit besteht, die einem freigesprochenen Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen, hat der Senat es abgelehnt, die Fälle, in denen von der Möglichkeit des § 467 StPO Gebrauch gemacht wurde, und die übrigen Fälle zu unterscheiden. Die Strafbarkeit einer Tat zu beurteilen, ist nicht Sache der Finanzbehörden, sondern der Strafgerichte. Es ist auch nicht Aufgabe der Finanzverwaltungsbehörden oder der Steuergerichte, später noch zu prüfen, ob und inwieweit eine Entscheidung der Strafgerichte richtig ist.
Der Bf. ist nicht in vollem Umfang freigesprochen worden, sondern ist zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten und zu einer Geldstrafe von 4000 DM verurteilt worden. Eine derartige Strafe ist nicht geringfügig, wenngleich dem Bf. zuzugeben ist, daß sie erheblich niedriger ist als die Strafe, die ihm drohte, wenn sich auch die übrigen Anklagepunkte als berechtigt herausgestellt hätten. Dieser Umstand rechtfertigt aber keine Aufteilung der Strafverteidigungskosten. Wie der Senat bereits in dem Urteil VI 279/56 U a. a. O. dargelegt hat, muß, wenn ein Steuerpflichtiger nur von einem Teil der ihm zur Last gelegten strafbaren Handlungen freigesprochen worden ist, der Abzug der Strafverteidigungskosten in aller Regel ganz versagt werden, wenn die Anklagepunkte in einem inneren Zusammenhang stehen. Die Finanzverwaltungsbehörden und die Steuergerichte müßten sonst die ihnen wesensfremde Aufgabe übernehmen, die Strafurteile und den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt daraufhin zu prüfen, wieweit der Freispruch oder die Verurteilung überwiegt. Es fehlte auch in der Regel, wie gerade der vorliegende Fall erkennen läßt, an einem Maßstab für eine vernünftige Abgrenzung. Die Aufteilung der Strafverteidigungskosten eines zum Teil freigesprochenen und zum Teil verurteilten Angeklagten kann nur in Betracht kommen, wenn die verschiedenen Anklagepunkte eindeutig nichts miteinander zu tun haben. Dabei ist nicht so sehr auf den inneren Zusammenhang als vielmehr darauf abzustellen, ob nicht letztlich auch unter Berücksichtigung der durch die Verurteilung bestätigten Punkte es auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen ist, daß auch wegen der Punkte, in denen der Steuerpflichtige freigesprochen wurde, Anklage erhoben wurde.
Im Streitfall hingen die dem Bf. zur Last gelegten strafbaren Handlungen eindeutig zusammen. Die Vorwürfe sind in dem Verhalten des Bf. in der früheren Stellung begründet. Das Finanzgericht ist - selbst von der etwas weiteren Auffassung des Urteils VI 279/56 U a. a. O. ausgehend - zu dem Ergebnis gelangt, daß die dem Bf. zur Last gelegten Punkte in einem inneren Zusammenhang stehen. Dabei handelt es sich um eine Tatsachenwürdigung, an die der Bundesfinanzhof gebunden ist (§§ 288, 296 Abs. 1 AO).
In dem Urteil IV 269/60 U vom 30. August 1962 (BStBl 1963 III S. 5, Slg. Bd. 76 S. 8) hält allerdings der IV. Senat eine Aufteilung der Strafverteidigungskosten eines nur zum Teil verurteilten Angeklagten für möglich, selbst wenn die strafbare Handlung, wegen der der Angeklagte freigesprochen - gemeint ist offensichtlich: nicht verurteilt - wurde, mit der strafbaren Handlung, wegen der er verurteilt wurde, in Tateinheit steht. Ohne eine Begründung zu geben, meint der IV. Senat, daß in solchen Fällen eine Aufteilung im Wege der Schätzung geboten sei. Der erkennende Senat vermag dieser Auffassung jedenfalls dann nicht zu folgen, wenn die Nichtverurteilung ein mit dem abgeurteilten Delikt in Tateinheit stehendes Delikt betrifft. In diesen Fällen hält der erkennende Senat in der Regel eine Aufteilung nicht für möglich. Natürlich ist, wie oben dargelegt, ein vollständiger Abzug zulässig, wenn das abgeurteilte Delikt offensichtlich nur von untergeordneter Bedeutung war. Der erkennende Senat unterscheidet dabei auch nicht, ob die Strafverteidigungskosten im Falle eines vollen Freispruchs Betriebsausgaben (Werbungskosten) oder außergewöhnliche Belastungen gewesen wären.
Fundstellen
Haufe-Index 411216 |
BStBl III 1964, 331 |
BFHE 1964, 274 |
BFHE 79, 274 |
BB 1964, 794 |
DB 1964, 975 |