Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR, wonach ein Vorteil bei der unentgeltlichen oder verbilligten überlassung von Werkwohnungen an Arbeitnehmer, der weniger als 20 DM monatlich beträgt, steuerfrei bleibt, ist eine auch von den Steuergerichten zu beachtende fortgeltende rechtsnormähnliche Bestimmung aus der autoritären Zeit.
Die Miete für Werkwohnungen ist unter Berücksichtigung aller Eigenarten dieser Wohnungen nach dem Preis zu bemessen, der am Wohnort der Arbeitnehmer für gleichartige Wohnungen im freien Verkehr im Durchschnitt üblicherweise gezahlt wird.
Muß ein Arbeitnehmer aus betrieblichen Gründen eine Werkwohnung beziehen, die der Größe nach seine Wohnbedürfnisse übersteigt, so sind bei der Berechnung des Mietvorteils nur die Räume anzusetzen, die dem Wohnbedürfnis des Arbeitnehmers entsprechen.
Zur Bewertung der vom Arbeitgeber bereitgestellten Beheizung der Werkwohnung.
Normenkette
EStG § 8 Abs. 2; LStDV § 3
Tatbestand
Streitig ist, ob die Bgin., eine Stromversorgungs-Aktiengesellschaft, den in einer ihrer Betriebsstellen beschäftigten Arbeitnehmern A. und B. durch verbilligte Werkwohnungen einschließlich Heizung in den Jahren 1954 bis 1956 zusätzlichen Arbeitslohn gezahlt hat.
Die beiden Arbeitnehmer sind Leitungsmeister; sie sind gelernte Schlosser und schon 35 bzw. 40 Jahre im Dienst der Firma; ihre Bezüge betragen 700 bis 750 DM monatlich. Beide haben Werkwohnungen von je vier Zimmern, Küche und Bad im Obergeschoß eines Betriebsgebäudes; die Wohnungen sind an die Werkheizung angeschlossen. A. zahlte an die Bgin. für seine 91,5 qm große Wohnung bei einem qm-Preis von 0,60 DM monatlich 54,90 DM an Miete und 10 DM als Heizungszuschlag, insgesamt also 64,90 DM; B. zahlte für seine 90,2 qm große Wohnung nach denselben Grundsätzen monatlich 64,10 DM. Die beiden Arbeitnehmer müssen aus betrieblichen Gründen immer im Werksgelände erreichbar sein.
Das Finanzamt errechnete zunächst einen Mietwert von 1 DM je qm und berechnete die Heizung mit 20 DM monatlich. Danach ergab sich für A. ein Mietvorteil von 46,10 DM und für B. von 45,90 DM monatlich. Als die Bgin. einwandte, die Wohnungen überstiegen die Wohnbedürfnisse beider Arbeitnehmer, verminderte das Finanzamt im Einspruchsbescheid die anzurechnende qm-Zahl. Im Berufungsverfahren verlangte es dann, die Heizung für beide Wohnungen mit je 30 DM monatlich zu bewerten.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt; seine Entscheidung ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1961 S. 363 veröffentlicht. Es führte aus, nach Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR rechne die Verbilligung einer Werkwohnung nicht zum steuerpflichtigen Arbeitslohn, wenn die Verbilligung gegenüber der ortsüblichen Miete 20 DM monatlich nicht übersteige. Diese Anordnung, die auf den Gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers über die einheitliche Behandlung von Lohnbezügen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn und bei der Sozialversicherung vom 20. September 1941 (RStBl 1941 S. 697) zurückgehe, sei ein von den Steuergerichten zu beachtender fortgeltender Milderungserlaß aus der autoritären Zeit (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs VI 48/57 S vom 21. November 1958, BStBl 1959 III S. 69, Slg. Bd. 68 S. 176; VI 2/56 U vom 29. März 1957, BStBl 1957 III S. 221, Slg. Bd. 64 S. 592). Es sei schwer, den Mietvorteil bei der überlassung von Werkwohnungen gemäß § 8 Abs. 2 EStG - § 3 LStDV - zu ermitteln. Der Vorteil sei verschieden, je nachdem, ob es sich um eine Altbauwohnung, eine Wohnung des sozialen bzw. öffentlichen bezuschußten Wohnungsbaues oder eine freifinanzierte Wohnung handle. Die Wohnungen der beiden Arbeitnehmer seien im Jahre 1950 im sozialen Wohnungsbau erstellt worden. Das Finanzamt habe zutreffend den Satz für derartige Neubauwohnungen zugrunde gelegt. Es habe ferner, da die Wohnungen für die Wohnbedürfnisse der beiden Arbeitnehmer zu groß seien, mit Recht eine entsprechend geringere qm-Zahl angesetzt. Die Heizung könne aber - entgegen der Auffassung des Finanzamts - nur mit 10 DM monatlich bewertet werden. Die beiden Arbeitnehmer kämen nach ihren Lebensgewohnheiten und Einkommensverhältnissen normalerweise mit einem Brennstoffaufwand von 120 DM jährlich aus, wenn sie ihre Wohnungen selbst beheizten; es sei auch zu berücksichtigen, daß die Heizung infolge des Anschlusses an die Werkheizung von den betrieblichen Gegebenheiten abhängig sei. Bewerte man die Heizung mit 10 DM monatlich, so übersteige der den Arbeitnehmern gewährte Vorteil der verbilligten Werkwohnungen nicht den Betrag von 20 DM monatlich je Wohnung.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts, das Finanzgericht habe die Heizung zu Unrecht nur mit je 10 DM monatlich bewertet. Dem Finanzgericht habe eine andere geeignete Schätzungsmethode zur Verfügung gestanden. Wenn nämlich Dienstwohnungen in Dienstgebäuden des Bundes oder der Länder an Sammelheizungen, die auch zur Versorgung von Diensträumen dienten, angeschlossen seien, so sei ein Heizkostenbeitrag zur Abgeltung der Kosten der Bewirtschaftung neben dem Mietzins zu entrichten. Nach den maßgebenden Bestimmungen würde sich dabei für die Wohnung A. ein Heizkostenbeitrag von 248 DM und für die Wohnung B. von 233 DM ergeben. Die Schätzung des Finanzgerichts liege außerhalb eines objektiven Schätzungsrahmens und verletze § 217 AO. Wenn man die Heizung aber richtig mit jährlich etwa 240 DM je Wohnung bewerte, so betrage der Mietvorteil für A. 28,10 DM und für B. 27,90 DM.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Dem Finanzgericht ist zuzustimmen, daß Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR eine von den Steuergerichten zu beachtende, rechtsnormähnliche Bestimmung ist. Der Senat hat zu der Frage fortgeltender Vorschriften aus der Zeit des autoritären Regimes, die bei ihrem Erlaß in §§ 12 und 13 AO. a. F. eine ausreichende Rechtsgrundlage hatten, zuletzt in der Entscheidung VI 102/60 U vom 24. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 261) betreffend die Steuerfreiheit von Freitabak an Arbeitnehmer tabakverarbeitender Betriebe Stellung genommen; er hat dabei die Anordnung in Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 3 LStR als rechtsgültig und für die Steuergerichte verbindlich bestätigt. Für die hier zu beurteilende Bestimmung des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR gelten dieselben Grundsätze. Die Bestimmung konnte der Reichsminister der Finanzen damals auf Grund von §§ 12 und 13 AO a. F. wirksam erlassen. Sie ist deshalb als gemäß Art. 123 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) fortgeltendes Bundesrecht auch jetzt noch zu beachten, da sie seit ihrem Erlaß sachlich unverändert gegolten hat.
Wird einem Arbeitnehmer eine Werkwohnung unentgeltlich oder verbilligt vom Arbeitgeber überlassen, so liegt darin ein Sachbezug, der zum Arbeitslohn rechnet und nach § 8 Abs. 2 EStG (ß 3 LStDV) zu bewerten ist. Maßgebend für die Bewertung ist der Preis, der für gleichartige Wohnungen (eventuell einschließlich der Kosten der Zentralheizung) am Wohnort des Arbeitnehmers im freien Verkehr üblicherweise im Durchschnitt gezahlt wird. Bei der Bewertung sind alle Eigenarten der Wohnung, die auf die Preisbildung wirken, angemessen zu berücksichtigen. Zutreffend haben deshalb das Finanzgericht und das Finanzamt den Mietwert der beiden Wohnungen nach dem Wohnungstyp und nach dem Preis bestimmt, der für gleichartige Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus am Wohnort der beiden Arbeitnehmer im freien Verkehr von Fremdmietern üblicherweise gezahlt wird.
Richtig ist es auch, daß das Finanzamt und das Finanzgericht nicht die volle qm-Zahl der beiden Wohnungen zugrunde gelegt, sondern durch einen Abschlag berücksichtigt haben, daß die Wohnungen die Wohnbedürfnisse der beiden Arbeitnehmer überstiegen und die Arbeitnehmer die Wohnungen nur bezogen haben, weil sie von der Arbeitgeberin aus betrieblichen Gründen dazu angehalten wurden. Soweit die Werkwohnungen über das Wohnbedürfnis der Arbeitnehmer hinausgehen, fließt den Arbeitnehmern im Wohnwert kein Vorteil zu; denn bei freier Wohnungswahl würden sie für die überflüssigen Räume keine Mietausgaben haben.
Die Kosten für den Anschluß an eine Zentralheizung des Wohnhauses rechnen zur Miete und sind mit dieser zusammen nach § 8 Abs. 2 EStG (ß 3 LStDV) zu bewerten. Maßgebend ist, wie das Finanzamt zutreffend ausführt, nicht, was der Arbeitgeber für die Heizung aufwendet oder was bei seiner Besteuerung als Betriebsausgabe abgesetzt wird; vielmehr ist nur maßgebend, welcher Wert dem Arbeitnehmer zufließt, das heißt, was üblicherweise an diesem Ort ein Mieter am freien Markt für die Heizung aufwenden würde. Dabei sind aber alle Besonderheiten zu berücksichtigen (Urteile des Senats VI 345/57 U vom 18. März 1960, BStBl 1960 III S. 237, Slg. Bd. 70 S. 637; VI 191/57 vom 18. Dezember 1959, "Der Betrieb" 1960 S. 628). Ist ein Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen gezwungen, eine Werkwohnung mit Zentralheizung zu beziehen, so kann der Vorteil aber nicht höher sein als die Aufwendungen, die der Arbeitnehmer sonst für die Beheizung seiner Wohnung machen würde.
Die Vorentscheidung entspricht diesen Grundsätzen. Das Finanzgericht hat bei der Schätzung (ß 217 AO) berücksichtigt, daß die beiden Arbeitnehmer nach ihren Lebensgewohnheiten nicht die Heizung voll ausnutzten und, wenn sie nicht zwangsläufig im Betriebsgelände wohnen und an die Werkheizung angeschlossen sein würden, nicht mehr als 120 DM jährlich für die Beheizung ihrer Wohnung ausgeben würden. Die Bgin. hat noch darauf hingewiesen, daß die Arbeitnehmer viel im Gelände unterwegs seien und, wenn ihre Wohnungen nicht zwangsläufig an die Zentralheizung angeschlossen wären, wahrscheinlich nur den Küchenraum beheizen und dazu vorwiegend das ihnen zur Verfügung stehende Abfallholz der verbrauchten Leitungsmasten benutzen würden. Wenn auch die Bewertung des Finanzgerichts an der unteren Grenze zu liegen scheint, so konnte doch das Finanzgericht bei angemessener Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Falles im Rahmen des Rechts zur freien Tatsachen- und Beweiswürdigung zu seinem Ergebnis kommen, so daß die Schätzung den Senat bindet (§§ 288, 296 Abs. 1 AO).
Es mag zutreffen, daß, wie das Finanzamt ausführt, bei Zugrundelegung der Sätze für öffentlich-rechtliche Dienstwohnungen der Wert der Heizung je Wohnung mit über 20 DM monatlich anzusetzen wäre. Es ist dem Finanzamt auch zuzugeben, daß diese Schätzungsmethode an sich brauchbar ist. Das Finanzgericht war jedoch rechtlich nicht verpflichtet, die Schätzungsmethode des Finanzamts anzuwenden, zumal bei der Methode des Finanzamts die Besonderheiten des Falles wohl nicht ausreichend hätten berücksichtigt werden können.
Bewertet man aber mit dem Finanzgericht die Heizung mit 120 DM jährlich je Wohnung, so liegt die Mietverbilligung für jeden Arbeitnehmer unstreitig unter 20 DM monatlich, so daß nach Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 4 LStR der Vorteil der Mietverbilligung steuerlich nicht zu erfassen war.
Fundstellen
Haufe-Index 410224 |
BStBl III 1961, 487 |
BFHE 1962, 606 |
BFHE 73, 606 |