Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Privatwege sind auch für die Eigentümer der Wege öffentliche Straßen im Sinne des Kraftfahrzeugsteuerrechts, wenn sie - ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder eine verwaltungsrechtliche Widmung - entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich von jedermann benutzt werden können.
KraftStG 1955 in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23.
Normenkette
KraftStG § 1 Abs. 1 Nr. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob das Befahren eines für den allgemeinen Verkehr freigegebenen Privatweges mit einem Kraftfahrzeug durch den Eigentümer oder Benutzungsberechtigten des Weges als widerrechtliche Benutzung des Kraftfahrzeuges auf einer öffentlichen Straße anzusehen ist, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG 1955 in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Aufhebung des Besatzungsrechts vom 23. Juli 1958 (BGBl 1958 I S. 540) der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt.
Der Bf. ist Inhaber einer Maschinenfabrik. Außer dem Werkgelände besitzen er und seine Ehefrau ein hiervon etwa 3 km entferntes Grundstück, das auf einer Seite von einem Privatweg begrenzt wird, der zu einer Ausflugsgaststätte führt. In seiner Fabrik hat der Bf. unter anderem amerikanische Lastkraftwagen eines bestimmten schweren Typs in sogenannte Autoschütter umgebaut und sie zu Erprobungszwecken auf diesem letztgenannten Grundstück eingesetzt. Diese Fahrzeuge waren nicht zugelassen, nicht versichert und nicht versteuert. Sie mußten wegen der abschüssigen Lage eines Teiles des Grundstücks für den Abtransport von Bodenmaterial jeweils den erwähnten Privatweg befahren. Das Finanzamt sah diesen Privatweg als öffentliche Straße im Sinne von § 1 KraftStG 1955 an und zog den Bf. für die Zeit vom 6. September bis 5. Dezember 1959 zur Kraftfahrzeugsteuer heran.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Auch der Rb. ist der Erfolg zu versagen.
Das Finanzamt hat in tatsächlicher Hinsicht unwidersprochen festgestellt, daß der das Grundstück an einer Seite abgrenzende Weg teilweise im Eigentum des Bf. und seiner Ehefrau und teilweise im Eigentum einer Bäuerin steht und daß dieser Weg zur allgemeinen Benutzung freigegeben ist. Zutreffend hat das Finanzgericht den Weg als öffentliche Straße im Sinne des § 1 KraftStG 1955 gewertet. Im Verkehrsrecht ist eine Straße öffentlich, wenn sie - ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder eine verwaltungsrechtliche Widmung - entweder ausdrücklich oder mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten tatsächlich für jedermann zur Benutzung zugelassen ist (Urteil des Bundesgerichtshofs VI ZR 44/56 vom 2. April 1957, Verkehrsrechts-Sammlung - VRS - Bd. 12 S. 414; Urteile des Oberlandesgerichts Köln Ss 293/51 vom 22. Februar 1952, VRS Bd. 4 S. 295; Ss 202/58 vom 16. September 1958, VRS Bd. 16 S. 55; Urteil des Oberlandesgerichts Hamm 3 Ss 1238/58 vom 12. Dezember 1958, VRS Bd. 16 S. 306). Die Straße ist damit auch für den Eigentümer verkehrsrechtlich eine öffentliche Straße (vgl. Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts 1 St 870/55 vom 21. Dezember 1955, VRS Bd. 10 S. 277). Es darf also auch der Eigentümer der Straße diese in einem solchen Fall nur mit einem zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug befahren. Bei dem engen Zusammenhang des Kraftfahrzeugsteuerrechts mit dem Verkehrsrecht - Anknüpfung der Steuerpflicht an die Zulassung (§§ 4 ff. KraftStG 1955) - muß für das Kraftfahrzeugsteuerrecht der für das Verkehrsrecht entwickelte Begriff der öffentlichen Straße gelten. Da im Streitfall der Weg unstreitig für jedermann zur Benutzung zugelassen war, handelte es sich bei ihm um eine öffentliche Straße im Sinne des Verkehrsrechts und damit auch des Kraftfahrzeugsteuerrechts. Die Benutzung dieses Weges, mag er auch teilweise im Privateigentum des Bf. und seiner Ehefrau stehen, mit einem nichtzugelassenen und nichtversteuerten Fahrzeug war hiernach widerrechtlich; diese Benutzung unterliegt daher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG in der Fassung des Gesetzes vom 23. Juli 1958 der Kraftfahrzeugsteuer. Zwar mag der Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer der Gedanke zugrunde liegen, daß sie ein Entgelt für die Benutzung öffentlicher Straßen sein soll. Dieser Gedanke hat aber im Gesetz, das die Steuerpflicht grundsätzlich an die verkehrsrechtliche Regelung der Benutzung des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen anknüpft, keinen Niederschlag gefunden. Der Umstand, daß im Streitfall die Kosten der Unterhaltung des Weges wenigstens zum Teil vom Bf. selbst getragen werden, kann daher zu keiner anderen Beurteilung führen. Vergleiche hierzu auch die Ausführungen im Urteil des Reichsfinanzhofs II A 545/25 vom 12. Februar 1926 am Ende (Slg. Bd. 18 S. 256, 259).
Fundstellen
Haufe-Index 410273 |
BStBl III 1962, 68 |
BFHE 1962, 179 |
BFHE 74, 179 |