Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückdeckung einer Zusage auf Hinterbliebenenversorgung
Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch aus der Rückdeckung einer Zusage auf Witwenversorgung ist --mit dem vom Versicherer nachgewiesenen Deckungskapital-- zu aktivieren (Anschluss an die Senatsurteile vom 25. Februar 2004 I R 54/02, BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654, sowie I R 8/03, BFH/NV 2004, 1234).
Normenkette
KStG § 8 Abs. 1; EStG § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1, § 6a; HGB § 240 Abs. 1-2, § 246 Abs. 1-2, § 252 Abs. 1 Nrn. 3, 4 Hs. 2, § 266 Abs. 2 B II 4; BGB § 158 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Streitig ist die Frage, ob der Anspruch auf Rückdeckung einer Zusage auf Witwenversorgung zu aktivieren oder jedenfalls bei der Bewertung der zugrunde liegenden Pensionsrückstellung mindernd zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ermittelt ihren Gewinn zum 30. September des jeweiligen Kalenderjahres. Ab 1964 hatte sie ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer G eine Pensionszusage erteilt, die auch eine Hinterbliebenen-(Witwen-)rente für dessen Ehefrau (E) vorsah. Danach sollte G ab Vollendung seines 65. Lebensjahres oder bei vorherigem Bezug von Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. bei vorherigem Ausscheiden infolge Berufsunfähigkeit ein lebenslängliches Ruhegeld in Höhe von 160 v.H. der aktiven Bezüge einer bestimmten Beschäftigungsgruppe der brancheneinschlägigen Industrie erhalten. E wurde für den Fall des Fortbestehens der Ehe zum Zeitpunkt des Versterbens des G eine lebenslängliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 100 v.H. der nämlichen Bemessungsgrundlage zugesagt.
Zur Rückdeckung dieser Rentenverpflichtung schloss die Klägerin im Jahre 1982 eine Lebensversicherung mit aufgeschobener Rentenzahlung einschließlich Witwenrente auf das Leben des G ab. Als Rentenbeginn war der 1. September 2000 vereinbart. Bei vorzeitigem Ableben der E sollte sich der jährliche Beitrag ermäßigen.
Die Klägerin aktivierte den Anspruch aus dieser Rückdeckungsversicherung (ohne Berücksichtigung der Anwartschaft auf die Hinterbliebenenrente) zum 30. September 1997 mit 423 958 DM, zum 30. September 1998 mit 475 789 DM und zum 30. September 1999 mit 533 676 DM. Die Rückstellung für die Pensionsverpflichtung zugunsten G passivierte die Klägerin jeweils unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur Zahlung der Hinterbliebenenrente. Im Januar 2004 teilte der Versicherer das von ihm ermittelte Deckungskapital (Deckungsrückstellung) der Rückdeckungsversicherung (ohne/mit Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente) zum 30. September 1997 mit 216 766/287 461 €, zum 30. September 1998 mit 243 267/321 101 € und zum 30. September 1999 mit 272 864/358 191 € mit.
Nach einer Betriebsprüfung für die Streitjahre vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, dass die Klägerin auch den auf die Hinterbliebenenrente entfallenden Rückdeckungsanspruch zu aktivieren habe. Die somit insgesamt anzusetzenden Werte des Rückdeckungsanspruchs setzte er (mit geringfügigen Abweichungen von der Berechnung des Versicherers) zum 30. September 1997 mit 562 226 DM, zum 30. September 1998 mit 628 020 DM und zum 30. September 1999 mit 700 560 DM an. Auf dieser Grundlage erließ er geänderte Bescheide.
Insoweit blieb die Klage ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Köln entschied mit Urteil vom 16. November 2005 13 K 3009/04 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 590), das FA habe zu Recht die auf die Hinterbliebenenrente entfallende Rückdeckung gewinnerhöhend berücksichtigt. Es sei ein entsprechender Anspruch zu aktivieren; jedenfalls aber sei die Rückdeckung bei der Bewertung der Pensionsrückstellung (mindernd) zu berücksichtigen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung insbesondere des § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) und des § 6a EStG, jeweils i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG).
Sie beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und (ihrem Klageantrag entsprechend) die Änderung der streitbefangenen Bescheide dahin, dass das Einkommen der Klägerin für 1997 um 189 517 DM, für 1998 um 13 969 DM und für 1999 um 14 654 DM vermindert wird. Den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung des Einkommens 1997 versteht der Senat dahin, dass sie mit der Revision lediglich noch eine Einkommensminderung um 138 268 DM (562 226 DM ./. 423 958 DM) begehrt, nachdem die Vorinstanz ihrem ursprünglichen zusätzlichen Begehren, in der Bilanz zum 30. September 1997 eine Darlehensverbindlichkeit in Höhe von 51 269 DM zu berücksichtigen, bereits entsprochen hat.
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA im Hinblick auf die vom FG zum 30. September 1997 berücksichtigte Verbindlichkeit der Klägerin aus dem Darlehen am 8. Mai 2006 (betreffend Körperschaftsteuer 1997) und 27. März 2006 (betreffend Körperschaftsteuer 1998 und 1999) geänderte Bescheide erlassen (vgl. die --unbestrittenen-- Erläuterungen des FA in den geänderten Bescheiden).
Entscheidungsgründe
II. Das angefochtene Urteil des FG ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle der ursprünglich angefochtenen Bescheide vom 13. Januar 2003 sind während des Revisionsverfahrens Änderungsbescheide des FA getreten. Da dem FG-Urteil insoweit nicht mehr existierende Bescheide zugrunde liegen, kann es keinen Bestand haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
Die Änderungsbescheide wurden jeweils gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, da die Sache spruchreif ist. Das FA hat durch die Änderungsbescheide lediglich dem Antrag der Klägerin wegen einer anderweitigen Streitfrage nach Maßgabe seines insoweitigen Unterliegens vor dem FG entsprochen. Der tatsächliche Streitstoff hat sich dadurch nicht verändert und ein neuer Sachverhalt hat sich nicht ergeben. Der Senat kann deswegen auf der Basis der tatrichterlichen Feststellungen, die unbeschadet des Wegfalls des erstinstanzlichen Urteils fortbestehen, aufgrund seiner Befugnis aus §§ 121 und 100 FGO in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
III. Hinsichtlich der in der Revision noch streitigen Frage der Aktivierung der Ansprüche der Klägerin auf Rückdeckung ihrer Zusage auf Witwenversorgung ist die Klage unbegründet und war daher zurückzuweisen. In der Sache und im Ergebnis zu Recht hat das FG diese Ansprüche gewinnerhöhend berücksichtigt.
1. Nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die Klägerin das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB.
2. Die Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers dient dazu, die Erfüllbarkeit der gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des Pensionsalters sowie bei vorzeitigen Versorgungsfällen wie Invalidität oder Tod des Aktiven sicherzustellen. Ein dahin gehender Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) zu leistender Renten ist als Forderung (§ 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) gegen den Versicherer zu bilanzieren (§ 246 Abs. 1 HGB) und unter den sonstigen Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens i.S. des § 266 Abs. 2 B II 4 HGB auszuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit auf seine Entscheidungen vom 25. Februar 2004 I R 54/02 (BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654) und vom 25. Februar 2004 I R 8/03 (BFH/NV 2004, 1234).
3. Allerdings sind "Gewinne" gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 zweiter Halbsatz HGB bilanziell nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind; dies betrifft auch Forderungen. Eine Forderung ist daher nur zu aktivieren, wenn sie entweder rechtlich bereits entstanden ist oder die für ihre Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 8. November 2000 I R 10/98, BFHE 193, 406, BStBl II 2001, 349, m.w.N.; vom 12. Mai 1993 XI R 1/93, BFHE 171, 448, BStBl II 1993, 786; Schreiber in Blümich, § 5 EStG Rz. 481). Diese Voraussetzungen liegen bei dem vorliegend streitigen Anspruch der Klägerin auf Rückdeckung der von ihr zugesagten Witwenversorgung vor. Dieser Anspruch gegen den Versicherer war an den maßgebenden Bilanzstichtagen rechtlich bereits entstanden, insbesondere war er entgegen der Auffassung der Klägerin nicht i.S. des § 158 Abs. 1 BGB aufschiebend bedingt, was seiner Aktivierbarkeit entgegenstehen könnte (vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 26. April 1995 I R 92/94, BFHE 177, 444, BStBl II 1995, 594).
Zwar konnte eine Verpflichtung des Versicherers zum Eintritt in die Verpflichtung der Klägerin zur Leistung einer Witwenrente erst mit dem Tode des G wirksam entstehen, wenn zudem dessen Ehefrau E diesen Zeitpunkt erlebt und zudem die Ehe noch besteht. Die Entstehung dieser Eintrittsverpflichtung war daher in der Tat (doppelt) aufschiebend bedingt; vor Eintritt der Bedingungen bestand lediglich ein entsprechendes Anwartschaftsrecht der Klägerin als Minus gegenüber dem Vollrecht (vgl. Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 65. Aufl., § 158 Rn. 1a). Streitbefangen ist aber nicht dieses Anwartschaftsrecht der Klägerin, sondern ihr umfassender Rückdeckungsanpruch gegen den Versicherer im Hinblick auf die eingegangene Pensionsverpflichtung dem Grunde nach. Dieser Anspruch ist auf "Abdeckung" des versicherten Risikos durch Gewährung von Versicherungsschutz im Falle des Eintritts des Versorgungsfalles gerichtet (BFH-Urteil vom 28. Juni 2001 IV R 41/00, BFHE 196, 94, BStBl II 2002, 724) und wird als Gegenstand des gegenseitigen Versicherungsverhältnisses gegen Leistung laufender Beiträge und deren Verzinsung "erworben". Er setzt nicht den Eintritt des versicherten Risikos (Versorgungsfall) voraus, sondern besteht unabhängig davon, ob ein solches tatsächlich eintreten wird.
Der bezeichnete Rückdeckungsanspruch stellt nach der Verkehrsanschauung auch einen Vorteil dar, der --wie die Kalkulation der hierfür zu entrichtenden Beiträge erweist-- einer Bewertung zugänglich und somit als Wirtschaftsgut zu aktivieren ist (BFH-Urteile in BFHE 196, 94, BStBl II 2002, 724; in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654; in BFH/NV 2004, 1234). Dies gilt auch für Ansprüche auf Rückdeckung von Versorgungszusagen zugunsten möglicher Hinterbliebener des Pensionsberechtigten wie im Streitfall, wenn sie in das Versicherungsverhältnis einbezogen sind und ebenfalls durch entsprechende Beitragsleistungen entgolten werden.
4. Auch hinsichtlich der Zusage einer Witwenversorgung ist ein Rückdeckungsanspruch mit seinen Anschaffungskosten anzusetzen, die in den hierfür bis zum jeweiligen Bilanzstichtag unmittelbar aufgewendeten Sparanteilen der Versicherungsprämien (Sparbeiträgen) bestehen; dazu kommt deren rechnungsmäßige Verzinsung. Beide Bestandteile ergeben das geschäftsplanmäßige Deckungskapital des Versicherers (vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654; in BFH/NV 2004, 1234). Auch insoweit ist der Rückdeckungsanspruch weder mit der entsprechenden Pensionsverpflichtung zu saldieren (§ 246 Abs. 2 HGB), noch auf einen geminderten Teilwert abzuschreiben oder im Wege einer kompensatorischen Bewertung auf den Wert der Pensionsverpflichtung zu begrenzen (Senatsentscheidungen in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654, und in BFH/NV 2004, 1234).
5. Somit war die Klage, soweit sie sich noch gegen die im Revisionsverfahren geänderten Körperschaftsteuerbescheide richtet, abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1572265 |
BFH/NV 2006, 1977 |
BStBl II 2006, 762 |
BFHE 2007, 513 |
BFHE 214, 513 |
BB 2006, 2122 |
BB 2006, 2240 |
BB 2007, 35 |
DB 2006, 2039 |
DB 2007, 15 |
DStRE 2006, 1401 |
DStZ 2006, 677 |