Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Wird der auf Grund eines Grundstückskaufvertrags zu zahlende Kaufpreis längerfristig zinslos gestundet, so sind nach § 14 Abs. 3 BewG Zwischenzinsen abzuziehen.
Normenkette
BewG § 14 Abs. 1, § 12/1, § 14 Abs. 3, § 12/3; GrEStG § 11 Abs. 1 Ziff. 1
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 20. November 1956 erwarb der Bf. ein Grundstück (mit Wohnhaus, Nebengebäude und Hofraum) sowie das Inventar, das zu dem auf diesem Grundstück betriebenen Gewerbebetrieb gehörte. Die Wohnsiedlungsgenehmigung wurde am 28. November 1956 erteilt.
Als Gesamtkaufpreis wurden 75.000 DM vereinbart; davon sollten nach dem Vertrag 6.000 DM auf das mitverkaufte Inventar entfallen. Der Bf. übernahm außerdem die anteiligen Verpflichtungen der Veräußerin aus dem Lastenausgleich und bewilligte dieser ein unentgeltliches Wohnrecht bis 31. März 1957. Der Gesamtkaufpreis von 75.000 DM sollte wie folgt abgegolten werden:
1. 17.500 DM durch übernahme einer verzinslichen Hypothek in gleicher Höhe,
2. 10.000 DM durch übernahme verzinslicher Grundschulden in gleicher Höhe,
zinsfrei gestundete 47.500 DM durch nachstehende Zahlungen: 5.000 DM am 2. Januar 1957, 5.300 DM am 31. März 1957, 4.200 DM in 12 Monatsraten zu je 350 DM ab 1. Januar 1957 und 33.000 DM in 132 Monatsraten zu je 250 DM ab 1. Januar 1958.
Am 6, Februar 1957 wurde der Kaufvertrag vom 20. November 1956 dahin geändert, daß an Stelle des Wortes "Rate" jeweils das Wort "Rente" gesetzt wurde.
Streitig ist, ob nach § 14 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) vom Kaufpreis Zwischenzinsen abgezogen werden dürfen oder nicht. Der Bf. ist der Auffassung, daß ein solcher Abzug zulässig ist, und bezieht sich für die Richtigkeit dieser Auffassung auf das Urteil des Senats II 205 / 51 U vom 8. Oktober 1952 (BStBl 1952 III S. 295, Slg. Bd. 56 S. 770).
Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Berufung war dem Grunde nach ohne Erfolg. Lediglich wegen der mitverkauften Inventargegenstände wurde im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senats (siehe Urteile II 21 / 51 S vom 2. Juli 1951, BStBl 1951 III S. 154, Slg. Bd. 55 S. 390, und II 70 / 54 U vom 27. Oktober 1954, BStBl 1954 III S. 369, Slg. Bd. 59 S. 412) eine anderweitige Verteilung der Gesamtgegenleistung vorgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
I. - Soweit der in monatlichen Raten zu tilgende Kaufpreisteil von 33.000 DM in Betracht kommt, ist es zutreffend, daß der Senat in dem vorbezeichneten Urteil II 205/51 U vom 8. Oktober 1952 einen Abzug von Zwischenzinsen dann zugelassen hat, wenn von vornherein wiederkehrende Zahlungen als Gegenleistung vereinbart wurden (d. h. in Fällen, in denen es an einem ziffernmäßig bestimmten, aber ratenweise zu tilgenden Kaufpreis fehlte). Zu Fällen der vorliegenden Art (d. h. zu den Fällen, in denen von vornherein ein ziffernmäßig bestimmter, aber ratenweise zu tilgender Kaufpreis vereinbart wurde) hat der Senat bisher nicht Stellung genommen.
Richtig ist, daß nach § 14 Abs. 3 BewG der Wert unverzinslicher befristeter Forderungen oder Schulden der Betrag ist, der verbleibt, wenn vom Nennwert der Forderungen oder Schulden unter Berücksichtigung von Zinseszinsen Zwischenzinsen abgezogen werden, und zwar gegenwärtig unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5,5 v. H. Richtig ist auch, daß nach § 1 BewG die allgemeinen Bewertungsvorschriften (§§ 2 bis 17 BewG) für alle Steuern des Reichs, der Länder usw. gelten, soweit sich nicht aus den Steuergesetzen oder aus dem Zweiten Teil des BewG (§§ 18 ff.) etwas anderes ergibt. Eine vom § 14 Abs. 3 BewG abweichende Regelung ist dem GrEStG 1940 nicht eindeutig zu entnehmen. Allerdings wird im § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG nur vom "Kaufpreis" und von der "Gegenleistung", nicht aber vom "Wert" des Kaufpreises oder der Gegenleistung gesprochen. Jedoch sind § 10 und § 11 GrEStG als zusammengehörig anzusehen. Im § 10 Abs. 1 wird grundsätzlich bestimmt, daß die Steuer "vom Wert der Gegenleistung" zu berechnen ist. Darin liegt, daß auch in den Fällen des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 die Steuer vom Wert des Kaufpreises berechnet werden muß. Hätte der Gesetzgeber des GrEStG 1940 Abweichendes gewollt, so ist anzunehmen, daß er es ausdrücklich erklärt haben würde. Eine abweichende Regelung war beispielsweise im § 12 Abs. 2 Ziff. 1 des Urkundensteuergesetzes vom 5. Mai 1936 (RGBl 1936 Teil I S. 407, RStBl 1936 S. 453) getroffen. Dort wurde unmißverständlich zwischen dem Kaufpreis und dem Wert anderer Leistungen unterschieden.
Zuzugeben ist, daß in der Begründung zu § 11 GrEStG 1940 (RStBl 1940 S. 387, 406) die Zulässigkeit eines Abzugs von Zwischenzinsen verneint wird. Dort wird unter anderem ausgeführt:
"Für die Bewertung sind, wie aus § 1 des Reichsbewertungsgesetzes zu entnehmen ist, die allgemeinen Bewertungsvorschriften der §§ 1 bis 17 des Reichsbewertungsgesetzes und die zu ihrer Durchführung erlassenen Bestimmungen maßgebend. Die Leistungen sind mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Wird ein unverzinslich gestundeter Barpreis vereinbart, so ist ein Abzug von Zwischenzinsen nicht zulässig (Urteil des Reichsfinanzhofs vom 25. März 1927 II A 120/27, Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 29 zu § 12 Absatz 2 Satz 1)."
Das angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs II A 120/27 vom 25. März 1927 befaßt sich mit einem Fall, in dem der unverzinslich gestundete Barpreis bereits nach Ablauf von ungefähr 14 Monaten zu tilgen war. Das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 562/27 vom 30. Dezember 1927 (RStBl 1928 S. 53, Slg. Bd. 22 S. 305), das auf das Urteil des Reichsfinanzhofs II A 120/27 vom 25. März 1927 hinweist, betraf einen Fall, in dem der Barpreis nur 1 1/2 Jahre lang zinslos gestundet wurde. Es handelte sich also in beiden Fällen nicht um längerfristige Stundungen. Allerdings ist nach den Ausführungen des Reichsfinanzhofs in dem vorerwähnten, in der Begründung zum GrEStG 1940 nicht angeführten Urteil II A 562/27 vom 30. Dezember 1927 anzunehmen, daß der Reichsfinanzhof einen Abzug von Zwischenzinsen in jedem Fall, also auch bei langfristiger unverzinslicher Stundung des Kaufpreises als unzulässig erachtete. Dies folgt insbesondere daraus, daß der Reichsfinanzhof außer dem Urteil II A 120/27 vom 25. März 1927 das Urteil des Reichsgerichts vom 12. Juni 1908 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 69 S. 171) anführte. Das Urteil des Reichsgerichts vom 12. Juni 1908 erging zum Preußischen Stempelsteuergesetz und betraf einen Fall, in dem der Kaufpreis in 16 Jahresraten zinsfrei zu tilgen war. War aber beabsichtigt, im Fall des § 11 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG 1940 die Regelung im § 14 Abs. 3 BewG auszuschließen, so wäre erforderlich gewesen, dies - ebenso wie bei der Urkundensteuer - eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Ohne eine solche Ausnahmevorschrift ist bei längerfristigen unverzinslichen Forderungen gemäß § 14 Abs. 3 BewG auch bei der Grunderwerbsteuer ein Abzug von Zwischenzinsen als begründet anzuerkennen.
Was die Berechnung des Gegenwartswerts unverzinslicher befristeter Forderungen betrifft, so bestehen keine Bedenken, daß die zu § 14 Abs. 3 BewG erlassene Hilfstafel 1 (BStBl 1954 I S. 515) zugrunde gelegt wird. Allerdings läßt sich nach dieser Hilfstafel nur der Gegenwartswert von Forderungen berechnen, die in einer Summe zurückzuzahlen sind. Bei einer in gleichen Jahresbeträgen zu tilgenden unverzinslichen Forderung wäre also erforderlich, daß man eine der Laufzeit der Forderung entsprechende Anzahl von Forderungen in Höhe des jährlich zu tilgenden Betrags annimmt, d. h. des Betrags, der nach 1, 2, 3 usw. Jahren zurückzuzahlen ist; siehe insoweit Krekeler, Kommentar zum Bewertungsgesetz, 6. Aufl., 1958, S. 111. Jedoch bestehen keine Bedenken, daß bei Berechnung des Gegenwartswerts die Hilfstafel 2 zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BewG (BStBl 1954 I S. 516) angewendet wird. Dabei bedarf es aber in den Fällen, in denen die Tilgungen nicht vorschüssig, sondern nachschüssig stattfinden, einer Umrechnung, da die Hilfstafel 2 von vorschüssigen Zahlungen ausgeht. Vgl. insoweit Krekeler, a. a. O., S. 112.
II. - Soweit der Bf. die Tilgung von 17.500 DM und 10.000 DM verzinslicher Grundpfandrechte übernahm, kommt ein Abzug von Zwischenzinsen nicht in Betracht. Denn in der übernahme dieser Grundpfandrechte ist eine unmittelbare Gegenleistung, nicht aber eine Leistung an Erfüllungs Statt zu erblicken. Auf das Urteil des Senats II 169/56 U vom 17. April 1957 (BStBl 1957 III S. 214, Slg. Bd. 64 S. 570) wird hingewiesen. Danach kommt es darauf an, ob die Gegenleistung ziffernmäßig festgesetzt und lediglich die Tilgung des insgesamt festgesetzten Betrags durch übernahme der Grundpfandrechte vereinbart wurde (= Leistung an Erfüllungs Statt) oder ob der festgesetzte Kaufpreis nur das Ergebnis der Zusammenrechnung von Einzelleistungen darstellt. Im letztgenannten Fall ist die übernahme von Grundpfandrechten als unmittelbare Gegenleistung anzusehen; dieser Fall ist nur dann gegeben, wenn die einzelnen Leistungen zahlenmäßig genau feststehen und damit der Gesamtpreis eine an sich überflüssige Zusammenrechnung dieser Einzelleistungen ist. Im Streitfall bildet die Gesamtgegenleistung das Ergebnis einer Zusammenrechnung von zahlenmäßig bestimmten Werten. Alle übernommenen Verpflichtungen standen der Höhe nach genau fest, so daß die Festsetzung der Gesamtgegenleistung lediglich eine Rechnungsgröße darstellte. Im Streitfall ist somit die übernahme der Grundschulden als unmittelbare Gegenleistung anzusehen. Zu bewerten ist demnach nicht ein unverzinslicher Kaufpreisteil von 17.500 DM bzw. 10.000 DM, der durch Leistung an Erfüllungs Statt getilgt wurde, sondern eine verzinsliche unmittelbare Gegenleistung von 17.500 DM bzw. 10.000 DM, bei der § 14 Abs. 3 BewG deshalb keine Anwendung finden kann, weil diese Vorschrift eine unverzinsliche Gegenleistung voraussetzt.
III. - Was die Verpflichtung zur Zahlung von 5.000 DM am 2. Januar 1957 und von 5.300 DM am 31. März 1957 angeht, so sind diese bereits nach 1 1/3 bzw. 4 1/3 Monaten zu erfüllen. Nach § 14 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen und Schulden mit dem Nennwert zu bewerten, es sei denn, daß "besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen". Aus dieser Vorschrift ist zu folgern, daß Forderungen und Schulden mit kürzerer Laufzeit nicht nach § 14 Abs. 3 BewG, sondern nach § 14 Abs. 1 BewG zu bewerten sind. Eine kürzere Laufzeit kann nicht als besonderer Umstand im Sinn des § 14 Abs. 1 BewG angesehen werden. Andernfalls müßte die Zinslosigkeit in allen Fällen, in denen der Kaufpreis nach dem Tag der Entstehung der Steuerschuld zu zahlen ist, berücksichtigt werden. Entsprechendes würde zu gelten haben, wenn abweichend vom Zinssatz von 5,5 v. H. geringere oder höhere Zinsen vereinbart werden. Umgekehrt müßten aus Gründen der gleichmäßigen Besteuerung in jedem Fall Zwischenzinsen hinzugerechnet werden, wenn der Kaufpreis oder Teile des Kaufpreises vor dem Tag der Entstehung der Steuerschuld bezahlt werden. Daß dies der Gesetzgeber nicht gewollt haben kann, liegt auf der Hand.
Entsprechendes gilt, soweit der in 12 Monatsraten zu tilgende Teilbetrag von 4.200 DM in Betracht kommt; insoweit handelt es sich um Stundungen von nur 1 1/3 bis 13 1/3 Monaten.
Die angefochtene Entscheidung war somit aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts wurde im änderungsvertrag vom 6. Februar 1957 vereinbart, daß die monatlichen Zahlungen erst ab 1. Januar 1959 geleistet werden sollten. Dem änderungsvertrag ist hierüber eindeutig nichts zu entnehmen. Eine Nachprüfung ist insoweit erforderlich. Die Sache war somit an das Finanzgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 409492 |
BStBl III 1960, 200 |
BFHE 1960, 537 |
BFHE 70, 537 |