Leitsatz (amtlich)
Einfache Mischungen von Zucker mit anderen Stoffen i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB liegen nur vor, wenn die Verarbeitungsvorgänge, die zu den Mischungen geführt haben, lediglich das Mischen von Zucker mit anderen Stoffen bewirkt haben, wobei allerdings zusätzliche konservierende Wirkungen oder verkaufsfertiges Zurichten der Mischungen unschädlich sind.
Normenkette
ZuckStG § 2; ZuckStDB § 3 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte eine Ware ein, die durch Mischen des Inhalts roher Eier mit trockenem weißen Rübenzucker bei 0 Grad C mit Hilfe eines turbinenartigen Geräts hergestellt, sodann für die Dauer von fünf bis sieben Minuten auf 73 Grad C erhitzt und anschließend auf 4 bis 5 Grad C abgekühlt worden war, wobei durch Wasserverdampfung infolge der Erhitzung ein Gewichtsverlust von 1 bis 2 % eingetreten war. Die Klägerin meldete die Ware der Grenzzollstelle als flüssiges Hühnervollei, pasteurisiert, mit einem Gehalt von 45 % Zucker und 55 % Ei an. Die Zollstelle fertigte die Ware zum freien Verkehr ab, ohne Zuckersteuer zu erheben.
Durch Änderungsbescheid vom 13. März 1979 setzte die Zollstelle – eine Dienststelle des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt – HZA –) – für die Ware Zuckersteuer in Höhe von 108 DM fest mit der Begründung, die Ware werde als einfache Mischung von Zucker mit anderen Stoffen angesehen und unterliege nach § 2 des Zuckersteuergesetzes (ZuckStG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetz (ZuckStDB) der Zuckersteuer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hob den Änderungsbescheid mit folgender Begründung auf:
Es könne offenbleiben, ob § 3 ZuckStDB im Streitfall überhaupt anwendbar oder ob diese Vorschrift mangels hinreichender Ermächtigung i. S. des Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ungültig sei. Denn die genannte Vorschrift trage die Steuerfestsetzung nicht. Unter einer einfachen Mischung i. S. dieser Vorschrift könne nur eine solche verstanden werden, aus der die Zuckerkomponente ohne unverhältnismäßig großem Aufwand wieder ausgesondert werden könne. Der Wortlaut der Vorschrift lasse diese Auslegung zu. Für sie spreche auch der Zweck der Regelung. Die Ware könne nicht ohne großen Aufwand wieder entmischt werden. Die unter den Beteiligten streitige Frage, ob die Ware eine über ein bloßes Mischen hinausgehende Verarbeitung erfahren habe, insbesondere, ob sie eingedampft oder nur konserviert worden sei, könne unentschieden bleiben.
Das FG ließ die Revision zu.
Das HZA legte mit folgender Begründung Revision ein:
Das FG habe den Begriff der einfachen Mischung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB nicht richtig ausgelegt. Das ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, die zeige, daß der Gedanke der Entmischung nicht berücksichtigt worden sei. Der gesetzlichen Definition sei zu entnehmen, daß einfache Mischungen nicht Erzeugnisse seien, die eine über bloßes Mischen hinausgehende weitere Verarbeitung erfahren hätten. Damit seien einfache Mischungen gegenüber anderen, über ein bloßes Mischen hinausgehenden, Mischungen abgegrenzt. Der Zweck der Vorschrift bestehe – ebenfalls – darin, alle Mischungen von Zucker mit anderen Stoffen mit einem Zuckeranteil von mehr als 10 % zu erfassen, die keine über ein bloßes Mischen hinausgehende weitere Verarbeitung erfahren hätten, wobei ein Konservieren nicht als weitere Verarbeitung gelte. Wegen der Gültigkeit der Vorschrift werde auf das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Dezember 1975 VII R 36/73 (BFHE 118, 119) verwiesen.
Das HZA beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des FG für rechtsfehlerfrei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorentscheidung ist rechtsfehlerhaft, weil das FG § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB nicht richtig angewandt hat.
1. Die Ermächtigungsgrundlage zu dieser Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 80 Abs. 1 GG.
a) Sie ist in § 2 ZuckStG enthalten, der Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt (vgl. Urteil des erkennenden Senats in BFHE 118, 119). Die Ermächtigung räumt dem Bundesminister der Finanzen (BMF) u. a. die Befugnis ein zu bestimmen, daß bei der Einfuhr von zuckerhaltigen Waren in das Erhebungsgebiet die Zuckersteuer von dem in den Waren enthaltenen Zucker zu erheben ist. In dieser Ermächtigungsgrundlage sind bereits alle Merkmale bestimmt, die für die Bemessung der Steuer maßgebend sind. Sie enthält den Steuergegenstand, nämlich den Zucker in zuckerhaltigen Waren, und den Tatbestand, an den die Besteuerung gegebenenfalls geknüpft werden soll, das ist die Einfuhr zuckerhaltiger Waren in das Erhebungsgebiet. Außerdem ist in § 2 ZuckStG die Höhe der zu erhebenden Steuer bestimmt. Sie richtet sich nach der gesetzlich vorgesehenen Zuckersteuer.
Durch diese Merkmale sind Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung so genau bestimmt, daß dem BMF nur noch die Möglichkeit bleibt, die Durchführung der Besteuerung anzuordnen und – sofern nicht alle eingeführten zuckerhaltigen Waren besteuert werden sollen – die Merkmale festzulegen, die diejenigen der zuckerhaltigen Waren, die der Besteuerung unterworfen werden sollen, kennzeichnen. Damit entspricht die Ermächtigung den aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu entnehmenden Anforderungen, daß aus ihr schon erkennbar und vorhersehbar sein muß, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll, daß die Ermächtigung „hinreichend” bestimmt sein muß und daß das Maß der Bestimmtheit der Intensität der Maßnahmen angepaßt sein muß, zu denen ermächtigt wird (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 20. Oktober 1981 1 BvR 640/80, BVerfGE 58, 257, 277 f., und vom 25. November 1980 2 BvL 7, 8, 9/76, BVerfGE 55, 207, 225 f.).
b) Die Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB hält sich in den Grenzen der Ermächtigung. Insbesondere werden die durch die Ermächtigung festgelegten Grenzen nicht überschritten.
Allerdings enthält die Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB eine Einschränkung gegenüber der Ermächtigung in § 2 ZuckStG in der Weise, daß von eingeführten zuckerhaltigen Waren nur unter bestimmten Voraussetzungen Zuckersteuer erhoben wird. Daraus ergibt sich aber nicht eine Verletzung der erteilten Ermächtigung, da deren Grenzen nicht überschritten werden und die Beschränkung auch nicht als Korrektur der Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden kann (vgl. Beschluß des BVerfG vom 12. Oktober 1976 1 BvR 197/73, BVerfGE 42, 374, 387 f.).
2. Die Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB verletzt auch nicht die rechtsstaatlichen Grundsätze, nach denen Normen, die eine Steuerpflicht begründen, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein müssen, so daß die Steuerlast für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird (vgl. Beschluß des BVerfG vom 19. Dezember 1978 1 BvR 335, 427, 811/76, BVerfGE 50, 57, 93). Bedenken dagegen ergeben sich insbesondere nicht aus der Verwendung des Begriffs „einfache Mischungen” in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB. Das Erfordernis der Bestimmtheit und der Erkennbarkeit der Grenzen für Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Steuerrechtsnorm wird nicht schon dadurch verletzt, daß mit diesem Begriff in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB ein unbestimmter Rechtsbegriff verwendet wird (vgl. Beschluß des BVerfG vom 19. April 1978 2 BvL 2/75, BVerfGE 48, 210, 222).
3. Das FG hat diesen Begriff jedoch nicht zutreffend ausgelegt und dadurch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB fehlerhaft angewandt.
Die Auffassung des FG, daß „einfache Mischungen” i. S. dieser Vorschrift nur vorhanden sind, wenn die Zuckerkomponente ohne unverhältnismäßig großen Aufwand wieder ausgesondert werden kann, geht fehl. Gegen diese Auslegung sprechen insbesondere die Regelungen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 ZuckStDB, nach denen einfache Mischungen auch wässerige Lösungen sind, nicht jedoch Erzeugnisse, die eine über ein bloßes Mischen hinausgehende weitere Verarbeitung erfahren haben, z. B. durch Kochen oder Eindampfen, und daß als weitere Verarbeitung nicht ein verkaufsfertiges Zurichten oder Konservieren der Mischung gilt. Diese Regelungen lassen erkennen, daß für die Beurteilung, ob eine einfache Mischung vorliegt, das Ausmaß der Verarbeitung und nicht die Möglichkeit der Aussonderung des Zuckers maßgebend sein soll. Ihnen muß entnommen werden, daß eine einfache Mischung stets vorliegt, wenn ein Verarbeitungsvorgang lediglich dazu geführt, d. h. tatsächlich nur bewirkt hat, daß Zucker mit anderen Stoffen gemischt worden ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 ZuckStDB).
Der Auffassung des FG, daß in der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB lediglich eine Abgrenzung gegenüber Verarbeitungserzeugnissen liege, kann nicht gefolgt werden. Diese Regelung und die in Satz 2 des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB enthalten vielmehr beispielhafte Bestimmungen zum Begriff „einfache Mischungen”, denen – wie dargelegt ist – entnommen werden kann, daß bei der Bestimmung dieses Begriffs auf den Verarbeitungsvorgang und nicht auf die Möglichkeit der Entmischung abzustellen ist.
Es ist entgegen der Auffassung des FG auch nicht erkennbar, daß der Zweck des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB dieser Auslegung widerspricht. Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 118, 119 ausgeführt hat, ist der Zweck der Ermächtigung zur Belastung eingeführter zuckerhaltiger Waren mit der Zuckersteuer darin zu erblicken, die Besteuerung anzuordnen, wenn die steuerlichen Auswirkungen etwa wegen des Umfangs der Einfuhren oder wegen des Zuckergehalts der Waren erheblich werden und sich aus diesem Grunde ein wirtschaftliches Bedürfnis für die Besteuerung ergibt, und von der Erhebung von Steuern in Fällen abzusehen, in denen wegen der Geringfügigkeit der steuerlichen Auswirkungen kein Bedürfnis für die Besteuerung gegeben ist. Diesem Zweck kann es auch entsprechen, auf das Ausmaß der Verarbeitung und nicht auf die Möglichkeit der Entmischung abzustellen. Es kann durchaus ein Bedürfnis bestehen, zuckerhaltige Waren bei der Einfuhr mit der Zuckersteuer gerade deshalb zu belasten, weil sie durch einen Verarbeitungsvorgang erstellt worden sind, der nur zu einer Mischung von Zucker mit anderen Stoffen geführt hat und deshalb besonders geeignet sind, anstelle von Zucker Verwendung zu finden.
4. Aufgrund der Feststellungen des FG kann nicht entschieden werden, ob die eingeführte Ware durch einen Verarbeitungsvorgang im dargelegten Sinne erstellt worden ist. Für den Senat ist insbesondere nicht erkennbar, welche Bedeutung die Herstellung der Ware bei einer Temperatur von 0 Grad C unter Verwendung eines turbinenartigen Geräts sowie der – späteren – Erhitzung auf 73 Grad C für die Dauer von fünf bis sieben Minuten und der anschließenden Abkühlung auf 4 bis 5 Grad C für die Verarbeitung hat. Bei dieser Verarbeitung wird eine einfache Mischung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB nur dann vorliegen, wenn die Verarbeitung tatsächlich nur ein Mischen des Rübenzuckers mit dem Inhalt roher Eier bewirkt hat. Sind darüber hinausgehende Wirkungen eingetreten, wird anzunehmen sein, daß nicht nur eine einfache Mischung i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ZuckStDB entstanden ist, wobei allerdings eine zusätzliche konservierende Wirkung unschädlich ist. Das FG wird deshalb festzustellen haben, ob durch die genannten Herstellungsmaßnahmen Wirkungen eingetreten sind, die über ein Mischen des Zuckers mit dem Inhalt roher Eier und über ein Konservieren hinausgehen.
Fundstellen
Haufe-Index 510430 |
BFHE 1982, 125 |