Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Glasröhrchen zur Herstellung von Teilen für Halbleiter (Transistoren) für elektronische Geräte sind ohne Rücksicht auf Durchmesser und Länge keine Glaskurzwaren im Sinne der Tarifnr. 70.19, sondern gehören zur Tarifnr. 70.03.

 

Normenkette

GZT Allgemein

 

Tatbestand

Streitig ist die Tarifierung der von der Bfin. in ihrem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zollauskunft vom 6. Februar 1959 als Glasröhrchen bezeichneten Ware, die aus Bleiglas bestehen, zur Herstellung von Teilen für Halbleiter verwendet und in Kartons aus den USA eingeführt werden soll. Die Oberfinanzdirektion hat in ihrer verbindlichen Zollauskunft vom 27. April 1959 die Glasröhrchen als den Glasperlen ähnliche Glaskurzwaren der Tarifnr. 70.19 - B angesprochen, die zum Zollsatz von 15 % des Wertes einfuhrzollbar sind bzw. zum Zollsatz von 13,5 %, sofern sie aus dem freien Verkehr der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft stammen. Der Einspruch, mit dem die Bfin. Einreihung der Ware in die Tarifnr. 70.03 - B, Zollsatz 6 %, begehrte, hatte keinen Erfolg.

Mit der Rb. wird geltend gemacht, die Glasröhrchen würden im Gegensatz zu früheren Zollabfertigungen, bei denen sie unbedenklich der Tarifnr. 70.03 zugewiesen worden seien, nunmehr irrigerweise deswegen nicht mehr nach dieser Tarifnummer tarifiert, weil sie geringere Ausmaße hätten. Eine genaue Abgrenzung, bei welcher Größe die Röhrchen noch ihre Qualität als solche behalten und wann sie die Beschaffenheitsmerkmale von glasperlenähnlichen Glaskurzwaren annehmen, sei unmöglich, wie auch aus den Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif 1959 zu Tarifnr. 70.03 ersichtlich sei. Dort heiße es nämlich unzweideutig, daß Glas in Röhren von beliebigem Durchmesser und auf bestimmte Länge zugeschnitten sein kann, ohne damit die Qualität als solches zu verlieren. Zwischen den strittigen Glasröhrchen und glasperlenähnlichen Glaskurzwaren bestände ein wesentlicher Unterschied, da sie nicht die für Glasperlen typischen Merkmale aufwiesen, wie schon im Einspruchsverfahren näher dargestellt worden sei. Das Glas der strittigen Röhrchen müsse im Gegensatz zu Perlen eine bestimmte Beschaffenheit und Qualität aufweisen. Es müsse einen Bleigehalt von über 30 % und einen bestimmten Ausdehnungskoeffizienten haben, seine Oberfläche dürfe keine größeren Unterschiede als 1/500 mm aufweisen. Perlen seien wesentlich dickwandiger als die strittigen Röhrchen. Der Vergleich der Vorinstanz mit massiven Glaskugeln gehe fehl, da für diese eine ausdrückliche Bestimmung in den Erläuterungen zu Tarifnr. 70.03 I (3) und zu Tarifnr. 70.19 I (5) enthalten sei. Im übrigen sei in den Erläuterungen zu Tarifnr. 70.03 an keiner Stelle gesagt, daß auch die massiven Glaskugeln von beliebigen Ausmaßen sein könnten, wie das bei Glas in Röhren der Fall sei. In den Erläuterungen zu Tarifnr. 70.19 sei gesagt, daß zu dieser Tarifstelle in der Hauptsache solche Glaswaren gehören, die, unmittelbar oder nach Verarbeitung, als Schmuck oder zum Verzieren oder Ausschmücken dienen, während im Gegensatz dazu die Vorentscheidung feststelle, daß es zolltariflich ohne Bedeutung sei, ob die Glasröhrchen zu Schmuckzwecken bestimmt seien oder nicht. Die Tarifnr. 70.03 umfasse industriell verwendete Waren, während die Tarifnr. 70.19 Schutzzollcharakter habe und die Waren erfasse, die eine Verwendung als Schmuck im weitesten Sinne erfahren sollen. Die strittige Ware bedürfe keines Schutzzolles, da sie in Deutschland nicht hergestellt werden könne. Es sei auch nicht richtig, wenn die Vorinstanz die Warenbezeichnung der Tarifnr. 70.19 im Verhältnis zur Tarifnr. 70.03 als die genauere ansehe. Aus den Erläuterungen zu diesen beiden Tarifnummern sei zu ersehen, daß die Tarifnr. 70.19 als Sammelbezeichnung für solche Glaswaren gedacht sei, die in anderen Tarifnummern nicht untergebracht werden könnten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei den von der Bfin. vorgelegten Warenproben handelt es sich um Glas in Röhrchenform, das eine Länge von etwa 1,5 bzw. 7 mm und einen Durchmesser von etwa 1 bzw. 2 mm hat. Die Vorinstanz ist der Ansicht, daß die Glasröhrchen wegen ihrer geringen Abmessungen nicht der Tarifnr. 70.03 zugewiesen werden können, sondern daß sie in den angegebenen Größen die Beschaffenheitsmerkmale von den Glasperlen ähnlichen Glaskurzwaren der Tarifnr. 70.19 aufweisen. Der erkennende Senat kann dieser Auffassung nicht beipflichten. Er vertritt vielmehr in übereinstimmung mit der Bfin. die Ansicht, daß die strittigen Röhrchen der Tarifnr. 70.03 zuzuweisen sind. Dafür sprechen einmal die Erläuterungen zu Tarifnr. 70.03 I (1 und 2), wonach Glasröhren von beliebigem Durchmesser und auf bestimmte Länge zugeschnitten sein können. Die Erläuterungen zu Tarifnr. 70.19 I (2 und 8) können nach Auffassung des erkennenden Senats nicht dahin verstanden werden, daß sämtliche Glasröhrchen, die Mohnkorngröße bis Wahlnußgröße haben, Glaskurzwaren im Sinne der Tarifnr. 70.19 sind. Er ist der Auffassung, daß unter Glaskurzwaren im Sinne dieser Bestimmungen Fertigfabrikate zu verstehen sind, die unmittelbare Verwendung finden können (mögen sie trotz dieser Eigenschaft auch noch weiter verarbeitet werden), nicht aber Halbfabrikate, die nur für technische Zwecke verwendbar sind und erst weiter verarbeitet werden müssen. Im Streitfalle handelt es sich um leicht zerbrechliche Glasrohlinge, die durch Verschmelzen mit Germaniumblättchen zur Herstellung von Teilen für Halbleiter (Transistoren) für elektronische Geräte verwendet werden. Aus den von der Bfin. vorgetragenen Qualitätserfordernissen des Glases ist ersichtlich, daß es sich nur für technische Zwecke verwenden läßt. Es würde auch einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung und Anwendung zolltariflicher Vorschriften zu berücksichtigen ist, widersprechen, wollte man solche Glasrohlinge, die nur technischen Zwecken dienen, als Glaskurzwaren ansprechen.

Der Hinweis der Vorinstanz auf die Erläuterungen zu Tarifnr. 70.03 II e und zu Tarifnr. 70.19 I (5), wonach massive Glaskügelchen, auch soweit sie für technische Zwecke verwendet werden, dann nicht zur Tarifnr. 70.03 gehören, wenn sie wegen ihres sehr geringen Durchmessers sich als Glaskurzwaren darstellen, kann nicht entscheidend sein, da in den Erläuterungen zu Tarifnr. 70.03 für massive Glaskugeln nicht wie für Glasröhren ausdrücklich gesagt ist, daß sie von beliebigem Durchmesser und beliebiger Länge sein können. Im übrigen kann der Senat auch der Auffassung der Vorinstanz nicht beipflichten, daß die Warenbezeichnung "den Glasperlen ähnliche Glaskurzwaren" in der Tarifnr. 70.19 die genauere im Sinne der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften 3 a ist gegenüber der Warenbezeichnung "Glas in Röhren" in der Tarifnr. 70.03.

Da die strittige Ware nach allem der Tarifnr. 70.03 - B / Zollsatz 6 % des Wertes zuzuweisen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben und die verbindliche Zollauskunft der Oberfinanzdirektion vom 27. April 1959, wie geschehen, zu ändern.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409619

BStBl III 1960, 152

BFHE 1960, 410

BFHE 70, 410

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