Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG 1951 kann für Einkünfte aus Gewerbebetrieb überhaupt nicht und für solche aus selbständiger Arbeit nur ausnahmsweise im Rahmen der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteile IV 341/39 vom 1. Februar 1940, RStBl 1940 S. 601, und VI 264/41 vom 19. November 1941, RStBl 1942 S. 19) gewährt werden. Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs VI 32/56 U vom 8. März 1957 (BStBl 1957 III S. 185, Slg. Bd. 64 S. 496) finden auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit keine Anwendung.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 4, § 34/3
Tatbestand
Der Bf. war bis zum Jahre 1947 zusammen mit der Firma A. & Co. Gesellschafter der Färberei und Druckerei B. Als diese Firma im Jahre 1947 liquidierte, übernahm die Firma A. & Co. die bis dahin von der liquidierten Firma ausgeführten Druckerei- und Färbereiarbeiten selbst. Da es aber der Firma A. & Co. an einem geeigneten Färbereifachmann fehlte, verpflichtete sich der Bf., diese Firma auf dem Gebiet der Textilveredelung zu beraten. Der Bf. erhielt in den Jahren 1947 bis 1951 von der Firma A & Co. nur seine tatsächlichen Reisekosten erstattet. Auf Grund einer mündlichen Vereinbarung zu Beginn 1952 erhält er nunmehr für die laufende Beratung monatlich 800 DM. Außerdem erhielt er für die zurückliegende Zeit (1947 bis 1951) einen Betrag von 48.000 DM (60 Monate je 800 DM).
Das Finanzamt lehnte den Antrag des Bf., den Betrag von 48.000 DM als außergewöhnliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG steuerlich zu begünstigen, ab, da es sich um gewerbliche Einkünfte handle, die nach § 34 EStG nicht begünstigt seien. Auch die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht führte im wesentlichen folgendes aus: Der Betrag von 48.000 DM sei dem Bf. für seine beratende Tätigkeit zugeflossen. Es handle sich also nicht etwa um eine Entschädigung, die als Ersatz für entgangene Einnahmen gewährt worden sei. Die Vergütung sei lediglich nachträglich geleistet worden, so daß eine Ermäßigung des Steuersatzes nach § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG nicht in Frage komme.
Auch § 34 Abs. 4 EStG 1951 könne nicht angewandt werden. Nach der Rechtsprechung gelte diese Vorschrift nicht für Gewinnbetriebe, wozu auch der Bezug von Einkünften aus selbständiger Arbeit gehöre. Bei freien Berufen und selbständigen Berufstätigkeiten sei allerdings eine Ausnahme zu machen, wenn es sich um eine mehrjährige Tätigkeit handle, neben der eine laufende Berufstätigkeit nicht ausgeübt werde, oder wenn es sich um eine von der Hauptberufstätigkeit klar abgrenzbare Sondertätigkeit handle (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs VI 349/43 vom 5. Juli 1944, RStBl 1944 S. 641; IV 341/39 vom 1. Februar 1940, RStBl 1940 S. 601, und VI 264/41 vom 19. November 1941, RStBl 1942 S. 19). Die erste Ausnahme sei im Streitfall nicht gegeben, da der Bf. neben seiner beratenden Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter an zwei OHG beteiligt gewesen sei. Auch die zweite Ausnahme liege nicht vor, da die Vergünstigung nicht für eine in sich geschlossene Sondertätigkeit gewährt worden sei, sondern die nachträgliche Vergütung für eine in den letzten Jahren geleistete regelmäßige Tätigkeit darstelle.
Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gerügt. Der Bf. vertritt die Auffassung, daß nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 32/56 U vom 8. März 1957 (BStBl 1957 III S. 185, Slg. Bd. 64 S. 496) bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit die vom Finanzgericht erwähnten Voraussetzungen (vgl. Abschnitt 221 Abs. 2 Ziff. 2 EStR 1951) nicht mehr erforderlich seien und daß es genüge, wenn für die Zahlung der Bezüge für eine mehrjährige Tätigkeit in einer Summe wirtschaftlich vernünftige Gründe vorlägen. Das gleiche müsse auch für selbständige Steuerpflichtige gelten. Die Firma A. & Co. habe in jenen Jahren alle verfügbaren Mittel zum Wiederaufbau verwenden müssen und sei erst im Jahre 1952 zur Zahlung einer Vergütung in der Lage gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 34 Abs. 4 EStG 1951 unterliegen Einkünfte, die eine Entlohnung für eine Tätigkeit sind, die sich über mehrere Jahre erstreckt, der Einkommensteuer zu den gewöhnlichen Steuersätzen. Zum Zweck der Einkommensteuerveranlagung können diese Einkünfte auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden und als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen werden, vorausgesetzt, daß die Gesamtverteilung drei Jahre nicht übersteigt. Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß der Reichsfinanzhof in der angegebenen Rechtsprechung die Anwendung des § 34 EStG bei Einkünften aus Gewinnbetrieben (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständige Arbeit) mit den oben erwähnten Ausnahmen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abgelehnt hat. Der erkennende Senat hat zwar für die im § 34 Abs. 2 Ziff. 2 EStG erwähnten Entschädigungen abweichend von der oben erwähnten Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgesprochen, daß der Vorzugstarif des § 34 EStG auf alle Entschädigungen im Sinne des § 24 Ziff. 1 EStG anwendbar ist, gleichgültig im Rahmen welcher der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 EStG sie angefallen sind (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 223/58 S vom 17. Dezember 1959, BStBl 1960 III S. 72, Slg. Bd. 70 S. 195). Zu den im § 34 Abs. 4 EStG 1951 genannten Einkünften aus der Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit können jedoch nicht auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb gerechnet werden, bei denen es nicht als etwas Außergewöhnliches anzusehen ist, daß einmalige Betriebseinnahmen für eine mehrjährige Tätigkeit anfallen. Aus den gleichen Erwägungen können auch die im Urteil des Bundesfinanzhofs VI 32/56 U vom 8. März 1957 (a. a. O.) für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aufgestellten Grundsätze nicht auf Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit übertragen werden. Das Finanzgericht hat schließlich auch mit zutreffenden Gründen die in der Rechtsbeschwerdebegründung wiederholte Ansicht abgelehnt, daß der streitige Betrag eine Entschädigung im Sinne des § 24 Ziff. 1 a EStG darstelle. Nach dem eigenen Vorbringen des Bf. und nach dem Inhalt der Akten sollte der Bf. von vornherein für seine mehrjährige Tätigkeit - außer dem laufenden Ersatz seiner baren Auslagen - zu einem späteren Zeitpunkt eine Vergütung erhalten, so daß von einer Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen nicht die Rede sein kann. Anmerkung:
Die angegebenen DM-Beträge stimmen mit den tatsächlichen Zahlen nicht überein.
Fundstellen
Haufe-Index 410097 |
BStBl III 1961, 354 |
BFHE 1962, 236 |
BFHE 73, 236 |